Kann es überhaupt einen „richtigen“ Moment geben? Streikaktionen der Pflegekräfte zwischen Notwendigkeit, Instrumentalisierung und dann auch noch „Nächstenliebe“

In den zurückliegenden Monaten wurde immer wieder mal über die an sich notwendige Erhöhung der Konfliktintensität bis hin zu Arbeitskampfmaßnahmen in „der“ Pflege gesprochen, bis hin zu wohlfeilen Verweisen von Politikern, „die“ Pflegekräfte sollten ruhig mal mehr Druck machen, damit sich beispielsweise bei der Vergütung und anderen Arbeitsbedingungen wirklich was verändert – ein Beispiel hierfür ist der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der mit diesen Worten zitiert wird: »Ich wäre froh über einen Lokführer-Moment in der Pflege. Tarifverträge fallen nicht vom Himmel, sie müssen erkämpft werden. Die Beschäftigten in der Pflege müssen sich dringend besser gewerkschaftlich organisieren.«.

Nun ist hier bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass es „die“ Pflege nicht gibt und dass es fundamentale Dilemmata gibt, über Streikaktionen als letztes Mittel Druck auf die Arbeitgeber ausüben zu können (vgl. dazu beispielsweise den Beitrag Pflegestreik? Zwischen Theorie und Praxis der starken Arme, die theoretisch alles lahmlegen können, praktisch aber mit vielen Hürden konfrontiert werden vom 22. August 2021). Gerade in der Alten- bzw. Langzeitpflege besteht in der Hierarchie der Not der größte Handlungsbedarf, was den Mangel an Personal und die verbesserungsbedürftigen Arbeitsbedingungen angeht – aber genau hier, in der stationären und ambulanten Pflege, gibt es eine große Leerstelle, was Arbeitskampfmaßnahmen angeht. Und das hat nicht nur etwas zu tun mit den grundsätzlichen Problemen, in Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten einen Streik zu organisieren, sondern auch mit der Zersplitterung und der flächendeckenden Nicht-Organisation der Pflegekräfte in gewerkschaftlichen Strukturen.

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Pflegestreik? Erst in Berlin, nun in Brandenburg. Oder: Von den Sonntagsreden zu den Mühen der Ebene bei der Suche nach dem „Lokführer-Moment“ in der Pflege

So viele Berichte über den Pflegenotstand in Deutschland. Unzählige Bilder und Töne, die über die Situation in den Pflegeheimen und Krankenhäusern (ganz selten auch mal über die ambulanten Pflegedienste) aufzuklären oder die Zustände anzuprangern versuchen. Und die seit Jahren, nicht erst seit kurzem, beständig steigenden Pegelstände des Mangels an Fach- und selbst irgendwelchen Arbeitskräften. Die sorgenvollen Blicke auf hohe Abbrecherzahlen in der Pflegeausbildung, aus der heraus viel zu wenig Nachschub an die Pflegefront geworfen werden kann.

Man muss schon mit Blindheit geschlagen sein, um die Scherenentwicklung zwischen Nachfrage und Angebot an Pflegekräften nicht wahrzunehmen. Aus der Vogelperspektive kann man das alles seit langem erkennen und trocken diagnostizieren, dass zumindest eine positive Folgewirkung dieser gravierenden Verschiebungen der Angebots-Nachfrage-.Relationen die ist, dass nun die Pflegekräfte „am längeren Hebel“ sitzen, dass sie jetzt höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen können. Könnten. Also theoretisch. Aber die Klage will nicht verstummen, dass sich kaum etwas ändert oder nur in viel zu kleinen Schritten. Dass längst hätte mehr passieren müssen. Offensichtlich sind die veränderten Kräfteverhältnisse auf Seiten der Pflegekräfte irgendwie noch nicht angekommen.

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Nächste Ausfahrt unbefristeter Pflegestreik?

Viele reden über die Notwendigkeit, dass es zu einem Pflegestreik kommen müsse, damit sich wirklich mal was ändert – und das schon seit vielen Jahren (vgl. nur als ein Beispiel von vielen den Beitrag „Es macht einen krank“ von Zacharias Zacharakis, der am 2. Februar 2017 veröffentlicht wurde: »Noch nie haben sich Pflegekräfte an Deutschlands Krankenhäusern zu einem gemeinsamen Großstreik verabredet. Das dürfte sich bald ändern. Die Forderung: mehr Personal.«). Allerdings ist das leichter dahingesagt als organisiert. Es gibt viele Hürden, die genommen werden müssten (vgl. dazu ausführlicher den Beitrag Pflegestreik? Zwischen Theorie und Praxis der starken Arme, die theoretisch alles lahmlegen können, praktisch aber mit vielen Hürden konfrontiert werden vom 22. August 2021). Das kann man wie in einem Lehrbuch live in Berlin studieren. Dort gab es nach einem im Mai 2021 gestellten 100 Tage-Ultimatum (vgl. dazu Berliner Pflegekräfte stellen 100-Tage-Ultimatum im Wahlkampf), das man offensichtlich nicht ernst genommen hat, eine erste Warnstreikaktion – und bereits die sollte auf arbeitsgerichtlichen Wege verhindert werden, was letztendlich aber gescheitert ist (der Vivantes-Vorstand hatte im August eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach ein Warnstreik vorübergehend untersagt wurde. In zweiter Instanz hoben Richter diesen Beschluss auf).

Aus der Hauptstadt erreicht uns nun diese Meldung: 98 Prozent für Pflegestreik bei Charité und Vivantes: »Verdi beendet Urabstimmung – nun steht ein unbefristeter Streik der Pflegekräfte in Berlins Vivantes-Krankenhäusern und der Universitätsklinik bevor«, berichtet Hannes Heine.

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