Pflegestreik? Erst in Berlin, nun in Brandenburg. Oder: Von den Sonntagsreden zu den Mühen der Ebene bei der Suche nach dem „Lokführer-Moment“ in der Pflege

So viele Berichte über den Pflegenotstand in Deutschland. Unzählige Bilder und Töne, die über die Situation in den Pflegeheimen und Krankenhäusern (ganz selten auch mal über die ambulanten Pflegedienste) aufzuklären oder die Zustände anzuprangern versuchen. Und die seit Jahren, nicht erst seit kurzem, beständig steigenden Pegelstände des Mangels an Fach- und selbst irgendwelchen Arbeitskräften. Die sorgenvollen Blicke auf hohe Abbrecherzahlen in der Pflegeausbildung, aus der heraus viel zu wenig Nachschub an die Pflegefront geworfen werden kann.

Man muss schon mit Blindheit geschlagen sein, um die Scherenentwicklung zwischen Nachfrage und Angebot an Pflegekräften nicht wahrzunehmen. Aus der Vogelperspektive kann man das alles seit langem erkennen und trocken diagnostizieren, dass zumindest eine positive Folgewirkung dieser gravierenden Verschiebungen der Angebots-Nachfrage-.Relationen die ist, dass nun die Pflegekräfte „am längeren Hebel“ sitzen, dass sie jetzt höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen können. Könnten. Also theoretisch. Aber die Klage will nicht verstummen, dass sich kaum etwas ändert oder nur in viel zu kleinen Schritten. Dass längst hätte mehr passieren müssen. Offensichtlich sind die veränderten Kräfteverhältnisse auf Seiten der Pflegekräfte irgendwie noch nicht angekommen.

Bei der Suche nach den möglichen Ursachen wird „der“ Pflege (die es so homogen gar nicht gibt und geben kann und die in den einzelnen Säulen des Pflegesystems ganz unterschiedlich entwickelt und aufgestellt ist, man denke hier nur an die Unterschiede zwischen der Krankenhaus- und der Altenpflege) immer wieder ins Stammbuch geschrieben, dass sie ein gehörig Maß an „Mitschuld“ (eigentlich ein falscher, weil normativ aufgeladener und in die Irre führender Begriff) hat, dass die Pflegekräfte immer noch in einem weitgehend defensiven Objekt-Status verharrt, dass sie weiterhin als Spielball behandelt werden und dass selbst viele Pflegekräfte immer noch darauf warten, dass „die“ Politik ihre Probleme nicht nur erkennt und in Sonntagsreden Lobhudeleien verbreitet, sondern jetzt aber mal so richtig die Bedingungen verbessert, unter denen man arbeiten muss.

Und es ist ja auch unbestreitbar, dass die Profession Pflege gemessen an den in anderen bedeutsamen Professionen verbreiteten Strukturen „unterorganisiert“ ist, was sich nicht nur auf den – man denke hier besonders an die Altenpflege – unterirdisch geringen Organisationsgrad in Gewerkschaften festmachen lässt, sondern auch an der Vielzahl der zumeist überschaubar kleinen Berufsverbände oder dem Streit über Pflegekammern als institutionelle Ausformungen des bundesdeutschen „Selbstverwaltungswesens“ (mit der Folge, dass „die“ Pflege irgendwie immer fehlt, wenn Entscheidungen gefällt oder Berufsgruppen wie die Ärzte beteiligt werden).

Und sozialpolitisch erfahrene Politiker wie der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bringen das dann so auf den Punkt:

»Nach drei Jahrzehnten in der Pflege- und Gesundheitspolitik ist mein Fazit, dass die Pflege nie mit am Tisch sitzt, wenn über Pflege entschieden wird. Die Selbstverwaltung im Gesundheitssystem ist so, dass zum Beispiel Ärzte am Tisch sitzen und Kaufleute von der Anbieterseite. Deshalb ändert sich nur so schwer etwas im Pflegewesen – man ist einfach zu schlecht organisiert.«

Und der Mann legt noch eine Schippe rauf:

»Ich wäre froh über einen Lokführer-Moment in der Pflege. Tarifverträge fallen nicht vom Himmel, sie müssen erkämpft werden. Die Beschäftigten in der Pflege müssen sich dringend besser gewerkschaftlich organisieren.«

„Lokführer-Moment in der Pflege“ – was für ein tiefsinniger Begriff, der sein unmittelbares Ziel bei meisten, die das lesen oder hören, sicher erreicht: Die Bilder der schlagkräftigen Lokführer mit dem sich in Szene setzenden Arbeiterführer Weselsky an der Spitze (der nicht wenige Funktionäre aus DGB-Gewerkschaften zur Weißglut treibt, weil er das gemacht hat, was viele von ihnen erwarten würden), mit ihrer nur auf den ersten Blick putzigen Spartengewerkschaft GDL, die eine ganze Republik mit ihren Streikaktionen im wahrsten Sinne des Wortes lahm legen können, die haben wir alle vor Augen. Und dass man eine Flaschenhalsposition im komplexen gesellschaftlichen und ökonomischen Getriebe richtig verstanden benutzen kann, um andere in die Knie zu zwingen.

Und genau in so eine Flaschenhalsposition wächst auch die Pflege rein – für die Kliniken, Pflegeheime und Pflegedienste, weil sie schlichtweg immer weniger und immer öfter überhaupt keine Pflegekräfte mehr auftreiben können, aber auch für die Gesellschaft insgesamt, was man sich verdeutlichen kann, wenn man sich vorstellt, welche gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen ein flächendeckender und über einen längeren Zeitraum anhaltender Pflegestreik haben würde.

Also Streik (der immer nur das letzte Mittel in einem Arbeitskonflikt sein sollte). Das nun wird ja durchaus versucht. Erst vor wenigen Tagen ist ein großer und lange angekündigter Pflegestreik in den landeseigenen Kliniken in Berlin bei der Charité und Vivantes beendet worden. Wieder einmal hatte man in Berlin nicht für mehr Geld gestreikt, sondern für mehr Personal. Das wird den Streikenden jetzt in einem „Eckpunkte-Papier“ in Form von besseren Personalschlüsseln in Gestalt eines noch auszugestaltenden „Entlastungstarifvertrages“ versprochen (was zugleich auf die Achillesferse des ganzen Unterfangens verweist, denn selbst wenn man nun bereit wäre, erhebliche personelle Mehrbedarfe durch die Einstellung neuer Pflegekräfte abzudecken, muss man die zahlreichen zusätzlichen Pflegekräfte auch finden können, was derzeit schwer bis unmöglich sein wird). Dazu nur ein Beispiel aus Berlin: Die Vivantes-Kliniken haben 7.000 Euro Kopfpauschale für jede erfahrende Intensivpflegekraft geboten, die in eines der landeseigenen Krankenhäuser wechselt.

Aber noch ist der Arbeitskampf in Berlin nicht beendet, denn Kliniken bestehen ja nicht nur aus Pflegekräften (oder eben auch nicht nur aus Ärzten, wie man manchmal denken könnte), sonder tatsächlich für einfach mehr Geld sind die Beschäftigtengruppen in den Streik getreten, die man aus Kostengründen in Tochtergesellschaften ausgelagert hat, wo man nicht mehr den „hohen Tarif“ des öffentlichen Dienstes zahlen musste, was für die Einzelnen mehrere hundert Euro Lohnunterschied ausmachen kann. Die haben noch keine Einigung erreichen können.

Den Pflegestreik in Berlin nennt Hannes Heine einen „der härtesten Arbeitskämpfe im deutschen Gesundheitswesen“. Und er hat seinen Kommentar unter die Überschrift Das ist erst der Anfang von Arbeitskämpfen im Gesundheitswesen gestellt: »Überalterung, Corona, politische Debatte – Pflegekräfte wissen, dass sie das gesellschaftliche Momentum auf ihrer Seite haben … Diesen Moment nutzen die Pflegekräfte zu recht, denn sie wissen: Da geht noch was.« Nun könnte der eine oder andere einwenden, dass das vielleicht doch eher ein Übertreibung ist, denn die Streiks fanden in Berlin statt und dort bei landeseigenen Kliniken, wo also eine bislang (und nach den letzten Wahlen möglicherweise erneut) rot-rot-grüne Landesregierung in Arbeitgeberverantwortung steht. Aber für eine umfassende Bewegung in unserem Land müsste schon mehr kommen als nur ein stadtpartikulares Ereignis.

Jetzt weiter in Brandenburg

Und schon werden wir Zeugen des nächsten Pflegestreiks. Diesmal im ostdeutschen Bundesland Brandenburg und bei einem privaten Krankenhausträger: Asklepios.

Asklepios wurde im Jahr 1985 gegründet und ist heute mit rund 170 Einrichtungen einer der größten privaten Klinikbetreiber in Deutschland. Das Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co. KGaA spricht von 49.000 Mitarbeitern, an anderer Stelle bei den Investoreninformationen hingegen von mehr als 67.000 Mitarbeitern. Vielen ist der Konzern dadurch in Erinnerung, dass er 2004 die Krankenhäuser der Stadt Hamburg übernommen hat. Seit September 2011 gehört die MediClin AG mehrheitlich zur Asklepios Gruppe. Die MediClin ist ein bundesweit tätiger Klinikbetreiber und ein großer Anbieter in den Bereichen Neurologie, Psychosomatik, Psychiatrie, Orthopädie sowie Geriatrie. Mit 34 Kliniken, sieben Pflegeheimen und acht Medizinischen Versorgungszentren ist die MediClin in elf Bundesländern präsent und verfügt über eine Gesamtkapazität von rund 8.000 Betten. Bei den Kliniken handelt es sich um Akutkliniken der Grund-, Regel- und Schwerpunktversorgung sowie um Reha-Kliniken. Für die MediClin arbeiten rund 9.000 Mitarbeiter. Der Unternehmensverbund deckt das gesamte Versorgungsspektrum medizinischer Leistungen ab: Neben der Maximal-, Grund-, Regel- und Schwerpunktversorgung sind Fachkrankenhäuser mit besonderen Spezialgebieten dabei – in insgesamt 14 Bundesländern. Zugleich betreibt man Rehakliniken. Außerdem ist man mit Medizinischen Versorgungszentren in der ambulanten Versorgung unterwegs. Und mit MEDILYS verfügt der Konzern über eines der größten Kliniklabore Europas. Für 2020 wird ein Umsatz in Höhe von 4,343 Mrd. Euro ausgewiesen, sowie ein EBITDA von 415 Mio. Euro, das entspricht einer EBITDA-Marge von 9,6%. Im vergangenen Jahr wurde die Rhön-Klinikum AG, die in den vergangenen Jahren viele Standorte bereits an Fresenius/Helios verkauft hatte, selbst von Asklepios übernommen. Auf Seiten der großen, bundesweit agierenden Krankenhausgruppen in privater Hand kam es dadurch in der Spitze zu einer Konzentration von vier (Helios, Asklepios, Sana, Rhön) auf drei, so das Bundeskartellamt im Kontext der im September 2021 veröffentlichten umfangreichen Sektoruntersuchung Krankenhäuser, in der u.a. die Strukturen auf den Märkten der Akutkrankenhäuser in Deutschland dargestellt und analysiert werden.

Im August dieses Jahres wurden solche Nachrichten bekannt: Verdi bestreikt Fachkliniken von Asklepios in Brandenburg. Bei den Kliniken handelt es sich um Krankenhäuser für Neurologie und Psychiatrie. Laut Gewerkschaft ver.di sei das wichtigste Ziel der Warnstreiks in dem seit April 2021 laufenden Tarifkonflikt die Angleichung der Gehälter an den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVÖD). Während der Streikaktionen wurde für alle Bereiche und Stationen Kliniken ein Notdienst im Umfang eines Nachtdienstes zugesagt. Im September wurde dann über einen weiteren Warnstreik berichtet (Verdi startet neue Runde von Warnstreiks bei Asklepios). Bereits in dieser Warnstreikphase konnte man übrigens wie bei den Streikaktionen in Berlin den Versuch der Arbeitgeberseite beobachten, über das Instrument einer Notdienstvereinbarung letztlich den Arbeitskampf zu verhindern:

»Das Arbeitsgericht Brandenburg verhandelt … einen Antrag von Asklepios auf Unterlassung der Arbeitskampfmaßnahmen im Maßregelvollzug (Klinik für Forensische Psychiatrie) (Aktenzeichen 3 BVGa 4/21). Hintergrund ist die Sicherung von Notdiensten. Für 22 Stationen von insgesamt 52 Stationen hatte die Gewerkschaft nach eigenen Angaben keinen angeboten, da es sich nicht um Akut-Stationen oder Bereiche mit hohem Pflegeaufwand handelt. Die Klinik habe dies als völlig unzureichend abgelehnt und Notdienste für alle Stationen und Tageskliniken verlangt, hieß es.«

Die bisherigen Aktionen haben offensichtlich kein Entgegenkommen auf der Arbeitgeberseite ausgelöst, also eskaliert der Konflikt: Asklepios-Kliniken: Über 90 Prozent stimmen für unbefristeten Streik. Das erscheint zwangsläufig und konsequent, denn: Die Brandenburger Geschäftsführung von Asklepios hatte einen Brief an die Belegschaft geschickt. Die Asklepios Fachkliniken Brandenburg GmbH werde zu keiner Zeit den Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) oder einen Tarifvertrag auf dem Niveau des TVöD abschließen, hieß es darin. Und weiter: „Sollte allerdings Verdi tatsächlich einen unbefristeten Erzwingungsstreik durchführen, wird die Arbeitgeberin und der Asklepios-Konzern nicht zusehen, wie eine weitere Klinik des Konzerns von Verdi zu Tode gestreikt wird.“ Die Position von Asklepios schein bislang in Zement gegossen: Kein TVöD für die Brandenburger Klinikbeschäftigten und damit auch in Zukunft bis zu 20 Prozent weniger Entgelt.

Der – allerdings nicht von Anfang an unbefristete – Arbeitskampf beginnt am Donnerstag, dem 21. Oktober 2021 mit der Frühschicht um 6 Uhr und soll am 27. Oktober um 6 Uhr enden. Man muss sich bei der Bewertung der angesetzten mehrtägigen Streikdauer klar machen, dass es bereits insgesamt zwölf ganztägige Warnstreikaktionen gegeben hat, die zu keinem Ergebnis geführt haben.

Zu der neuen Eskalationsstufe im Tarifkonflikt aus einem Interview mit Ralf Franke, Gewerkschaftssekretär bei Verdi im Bezirk Cottbus. Im Tarifkonflikt zwischen den nichtärztlichen Beschäftigten an den drei psychiatrisch-neurologischen Kliniken des privaten Asklepios-Konzerns in Brandenburg/Havel, Lübben und Teupitz ist er Verdi-Verhandlungsführer und Streikleiter. Das Interview steht unter der bezeichnenden Überschrift Härtester Arbeitskampf seit der Wende. Was sagt er zu dem Ziel des Streiks?

Es gehe dabei um »ein Ende der Lohndiskriminierung in Ostdeutschland. Die Beschäftigten wollen in Brandenburg zu den gleichen Konditionen arbeiten und bezahlt werden, wie ihre Kolleginnen und Kollegen am Stammsitz des Asklepios-Konzerns in Hamburg. Dort zahlt das Unternehmen seinen rund 12.500 Mitarbeitenden Tariflohn nach dem TVöD, dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Auch am Standort Göttingen ist das so. Nur in Brandenburg gilt ein Haustarifvertrag. Die Differenz entspricht bis zu rund 10.600 Euro weniger Lohn für die Brandenburger Kolleginnen und Kollegen im Jahr – bei gleicher Arbeit und bei umgerechnet bis zu elf Arbeitstagen mehr im Jahr.«

Interessant auch der Hinweis auf die Vergütungssituation in anderen Kliniken rund um die Standorte der Asklepios in Brandenburg: »In Brandenburg werden die Beschäftigten im Städtischen Klinikum Brandenburg und im Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam nach dem TVöD beschäftigt. Bei der Klinikum Dahme-Spreewald GmbH beträgt das Tarifniveau rund 100 Prozent vom TVöD, beim Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus 97,5 Prozent vom TVöD. Bei der Asklepios Fachkliniken Brandenburg GmbH beträgt das Entgelt im Jahr je nach Art der Tätigkeit aber nur 80 Prozent bis 90 Prozent vom TVöD.«

Und erneut werden wir mit einem Streit über die Notdienstvereinbarungen konfrontiert, wieder versucht das Unternehmen darüber den Streik verbieten zu lassen. Dazu Ralf Franke aus gewerkschaftlicher Sicht: »Die Verantwortung dafür, dass Notdienstpläne nicht zustande gekommen sind, liegt allein bei Asklepios. Die Konzernleitung hat für alle Stationen und Tageskliniken Notdienste im Umfang von rund 380 nichtärztlichen Beschäftigten täglich gefordert. Das wäre dann so gewesen, als würde es überhaupt keinen Streik geben – das ist doch völlig absurd. Als Gewerkschaft wollen wir Notdienste für 31 Stationen mit täglich rund 200 nichtärztlichen Beschäftigten anbieten. Die 150 Ärztinnen und Ärzte sind ja ohnehin nicht vom Streik betroffen und müssen ihren Dienst wie geplant verrichten.«

Die Asklepios Fachkliniken Brandenburg GmbH hatte beim Arbeitsgericht Cottbus und nach deren Entscheidung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg beantragt, »der Gewerkschaft ver.di den Aufruf zu und die Durchführung von Streiks in ihren Kliniken zu untersagen. Die Untersagung sollte Bestand haben, solange bis Arbeitgeber und Gewerkschaft eine schriftliche Notdienstvereinbarung abschließen. Hilfsweise sollte die Untersagung ergehen, bis ver.di einen Notdienst einrichtet, der bestimmte von dem Notdienstangebot der Gewerkschaft bisher ausgenommene Stationen und Tageskliniken umfasst.« Dazu hat nun das LAG Berlin-Brandenburg rechtskräftig entschieden (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Oktober 2021, Az. 12 Ta 1310/21). Die Mitteilung dazu steht unter dieser Überschrift: Arbeitskampf bei Asklepios Fachkliniken Brandenburg – Keine gerichtliche Untersagung des Streiks, aber Nachbesserung bei dem von ver.di angebotenen Notdienst.

»Das Landesarbeitsgericht hat im Verfahren der sofortigen Beschwerde die Zurückweisung von Haupt- und Hilfsantrag durch das Arbeitsgericht Cottbus bestätigt. Seiner Auffassung nach kann die Untersagung eines Streiks nicht deshalb beansprucht werden, weil keine schriftliche Notdienstvereinbarung mit der streikführenden Gewerkschaft abgeschlossen worden ist. Für die Rechtsmäßigkeit des Streiks sei es ausreichend, dass der erforderliche Notdienst tatsächlich sichergestellt werde. Das Landesarbeitsgericht hat den von ver.di im Rahmen des für den 21.10.2021 bis 27.10.2021 angekündigten Streiks des nichtärztlichen Personals angebotenen Notdienst darauf überprüft, ob damit erhebliche Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung hinreichend sicher ausgeschlossen bleiben. Im Hinblick auf von der Arbeitgeberin vorgelegte ärztliche Stellungnahmen hat es hieran für einen Teil der von ver.di vom Notdienst ausgenommenen Stationen und Tageskliniken durchgreifende Zweifel angenommen. Insoweit hat es ver.di konkret die Nachbesserung des Notdienstes für den bevorstehenden Streik auferlegt. Sollten Arbeitgeber und Gewerkschaft noch eine Notdienstvereinbarung abschließen, soll diese Vorrang vor den gerichtlichen Festlegungen haben.« Soweit das LAG Berlin-Brandenburg.

Fazit: Die Streikbereitschaft und die tatsächlichen Streikaktionen scheinen zu wachsen und sich auszubreiten. Dennoch bleiben die grundsätzlichen Anmerkungen, die darauf verweisen, dass es im Bereich „der“ Pflege einfacher ist, mehr Konflikte bis hin zu einem Streik zu fordern, als das dann in der Praxis umzusetzen. Vgl. dazu die Hinweise in dem Beitrag Pflegestreik? Zwischen Theorie und Praxis der starken Arme, die theoretisch alles lahmlegen können, praktisch aber mit vielen Hürden konfrontiert werden vom 22. August 2021. Vom „Lokführer-Moment“ in der Pflege sind wir noch weit weg – und man darf nicht vergessen, dass es in dem Bereich der Pflege, wo der Notstand am größten ist und die Bedingungen am schlechtesten sind, also in der Altenpflege, derzeit keine Zunahme der Konfliktintensität oder gar größere Arbeitskampfmaßnahmen gibt, was nicht nur, aber auch mit den strukturellen Besonderheiten in der Pflege allgemein zu tun hat.