Online-Redakteure: Auf der einen Seite in der neuen Welt, auf der anderen Seite Sehnsucht nach der alten. Um Löhne geht es – und um viel mehr

Das Internet hat unglaublich viele positive Folgen und Nebenfolgen für unser Leben. Und es bestimmt dieses mehr und mehr. Wie viele Informationen, Meinungen und Gefühle werden über dieses Medium transportiert und beeinflussen uns in einem umfassenden Sinne. Nicht nur zum Guten. Man kann es so sehen wie Mercedes Lauenstein: Wasteland, so ist der Artikel überschrieben, der aus einer mehr als kritischen Selbstbetrachtung besteht:

»Innerhalb von Minuten hatte ich fast 30 Tabs offen mit Geschichten, die mich interessierten, nebenbei liefen auf Twitter dauernd neue Links rein. Und dann waren plötzlich drei Stunden vergangen, ohne dass ich auch nur einen einzigen Text gelesen hatte. So ist das an solchen Tagen: Ich lese keinen einzigen Text zu Ende, der länger ist als zwei Absätze. Ich überfliege alles nur, meine Augen sind eigentlich gar nicht mehr imstande, sich langsam über einen Text zu bewegen. Mein Hirn ist auf Speed, und wenn es ein Gesicht wäre, wäre es ein Junkiegesicht, das vor lauter Druffheit mit den Zähnen knirscht. Nach 45 Minuten irrem Tabs-fürs-Späterlesen-Öffnen bin ich nur noch für Dinge aufnahmefähig, die meine Sensationsgeilheit anheizen. Ich bin im Buzzmodus. Das fühlt sich an, wie an einem riesigen Büfett zu stehen und immer weiterzufressen, egal ob einem schon ganz schlecht ist oder nicht, Hauptsache, es kommt was rein.« Mit einem fatalen Ergebnis: »Als Leser wird man … zu hohlem Voyeurismus erzogen, stopft den ganzen Gehirnmüll der Leute wie Fastfood in sich hinein und hat nach einer halben Stunde Blabla schon dermaßen das Hirn voll, dass für echte Lektüre und müßiges Nachdenken über ein Thema keine Kraft mehr da ist. Und wenn man den ganzen Lärm des Internets ausschaltet, dann zieht es einem den Boden unter den Füßen weg: Stille verlernt.«

In dieser frustriert daherkommenden Weltsicht sind die Online-Redaktionen der Medien Müll-Lieferanten, die den ganzen Prozess am Laufen halten, beständig für Nachschub sorgen.

Aber es gibt solche und andere. Es gibt weiterhin die vielen Versuche, uns die Welt zu erklären, Bruchstücke von ihr an uns heranzutragen, sorgfältig zu wiegen und zu messen, bevor man irgendeine steile These in die Welt setzt. Das ist eine – vielleicht altmodische – Erwartungshaltung an das – anscheinend auslaufenden – Modell des klassischen Journalismus. Und was immer auch man von der ZEIT hält (oder nicht) – sie steht neben einigen anderen Medien insgesamt betrachtet für das Versprechen auf die alte Welt des Journalismus. Und sie bedient sich natürlich in den heutigen Zeiten auch des Online-Zugangs zu den Menschen und (potenziellen bzw. tatsächlichen) Kunden des an sich immer schwieriger aufgestellten Kernprodukts, also der in diesem Fall gedruckten Wochenzeitung. Während aber viele Tageszeitungen seit Jahren im klassischen Print-Bereich erhebliche Einbrüche zu verzeichnen haben, ist das bei der ZEIT nicht der Fall, dieser Wochenzeitung geht es gut. Am 20. Februar feiert die ZEIT ihren 70. Geburtstag und es geht ihr so gut wie kaum einer anderen überregionalen Zeitung.

Und genau hier ist derzeit ein Konflikt zu besichtigen, der von grundsätzlicher Bedeutung ist bzw. werden könnte für die expandierende Online-Branche. Darüber berichtet Anne Fromm in ihrem Artikel Online ist streikbereit. Und sie zeichnet ein etwas anderes Bild von diesem Erfolgsprojekt, denn innerhalb dessen, was wir als „die“ ZEIT wahrnehmen, »kämpfen die Onlineredakteure seit Monaten für bessere Bezahlung. Sie wollen so viel verdienen wie ihre Kollegen beim Blatt: „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“. Bisher verdienen die Onlineredakteure laut Betriebsrat im Schnitt rund 10.000 Euro im Jahr weniger als ihre Printkollegen.«

Damit stellen die Redakteure dort eine zweifache Grundsatzfrage: Zum einen werden die Online-Journalisten flächendeckend schlechter bezahlt als ihre „klassischen“ Pendants in den Prinz-Redaktionen und zum anderen haben die Betroffenen das auch deshalb so lange akzeptiert, weil es historisch so gewachsen ist, mithin also eine Systemfrage aufgeworfen wird, denn natürlich haben die Verlage kein wirkliches Interesse daran, das Lohn- und damit Kostendifferential einzuebnen.

Nicht wenige Verlage haben ihre Onlineredaktionen ausgegliedert, als sie entstanden sind. So ist das auch bei er ZEIT gelaufen. Mit diesem Ergebnis:

»Hinter Zeit Online stehen die Zeit Online GmbH und die Zeit Digital GmbH, beide hundertprozentige Töchter der Holtzbrinck Gruppe, zu der auch die Zeit gehört. Anders als der Zeit Verlag ist Zeit Online nicht tarifgebunden. So kommt es, dass von den rund 120 Zeit Online-Mitarbeitern rund die Hälfte unter Tarif verdient, schätzt ein Vertreter von Verdi. Und selbst die, die Tariflohn bekämen, seien weit entfernt von den Printgehältern.«

Solche Unterschiede sind natürlich nur zu rechtfertigen, wenn es auch gravierende Unterschiede gibt zwischen den einen und den anderen. Hier allerdings verschiebt bzw. besser: vermischt sich immer mehr: »Die Berliner Zeit Online-Redaktion will in zwei Jahren mit der Print-Hauptstadtredaktion in ein gemeinsames Gebäude ziehen. Bisher sind deren Büros getrennt, auch wenn die Redaktionen immer mehr zusammenwachsen. Zeit Online-Redakteure schreiben zunehmend für das Blatt und anders herum.« In Zukunft werden also Print- und Onlineredakteure in Berlin Tür an Tür sitzen. Sie würden die gleiche Arbeit machen, mit dem gleichen Qualitätsanspruch, aber ungleich bezahlt werden.

Der Geschäftsführer, Rainer Esser, kann das Zusammenwachsen nur begrüßen: »Auf einer Betriebsversammlung Anfang Dezember in Hamburg sprach er über die „große Schnittmenge“ von Print und Online. Zwischen beiden Redaktionen dürfe es keine Qualitätsunterschiede geben, zitieren ihn Leute, die dabei waren.« Keine Qualitätsunterschiede, aber sehr wohl Vergütungsunterschiede. Die Arbeitgebersicht ist hier a) nicht überraschend, b) natürlich begründungspflichtig und c) (mögliche) Quelle für erhebliche Auseinandersetzung mit den eigenen Leuten – die, wie im Fall der ZEIT, offensichtlich auch nicht mehr den Konflikt scheuen.

»Erkämpft sich die Redaktion höhere Gehälter, könnte das auf die gesamte Onlinebranche ausstrahlen. Die Gewerkschaften und Betriebsräte anderer Redaktionen beobachten interessiert, was sich beim Hamburger Verlagshaus und seinem Berliner Onlineableger tut. Denn einen Flächentarifvertrag für ausgelagerte Onlineredakteure, wie im Falle Zeit Online, gibt es bisher nicht. Ein Erfolg der Zeit Online-Redaktion könnte den Druck erhöhen.«

Zum speziellen Hintergrund muss man wissen: »Drei Jahre lang hat der Betriebsrat von Zeit Online versucht, Gehaltsverbesserungen zu erstreiten. Als das scheiterte, zog er die Gewerkschaften hinzu. Die führen nun in dritter Runde Verhandlungen mit der Verlagsgeschäftsführung und stoßen dabei auf großen Widerstand.«

Nun wird immer wieder eingeworfen, dass es sich eben um ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle handelt und gerade der Online-Bereich einer sei, bei dem rote Zahlen geschrieben werden aufgrund der Kostenlos-Mentalität im Netz. Und auch wenn man Bezahlschranken hochzieht, dann sind die Erlöse daraus in aller Regel nicht ausreichend, um eine tarifliche, also bessere Vergütung gewährleisten zu können. Nur stellt sich hier die Frage, ob es auch wirklich zwei getrennte Welten sind, zwischen Print und Online. Der ZEIT-Geschäftsführer Rainer Esser wird aber so zitiert:

»Tatsächlich ist Zeit Online in den letzten Jahren stark gewachsen: um zwölf Prozent allein im Jahr 2014. Vor einem knappen Jahr feierte sich Zeit-Geschäftsführer Rainer Esser … dafür, dass Zeit Online den „Break-Even“ geschafft habe und keine Verluste mehr schreibe.«

Der gesamte ZEIT-Verlag meldet ein Umsatz von 180 Millionen Euro. »Auf einer Betriebsversammlung im Dezember in Hamburg sagte Esser noch, die Erlöse von Zeit und Zeit Online könnten nur noch gemeinsam betrachtet werden.«

Dass das aber offensichtlich nur in die eine Richtung gilt, wird im aktuellen Konfliktfall erkennbar, denn jetzt argumentiert der Geschäftsführer so, dass ZEIT Online ein defizitäres Unternehmen sei und man deshalb auch leider keine dem Printbereich entsprechende Vergütung vornehmen könne.

»Der Frust der Onliner wächst. Mittlerweile sind drei Viertel der Belegschaft in die Gewerkschaft eingetreten. Sie seien streikbereit, sagt ein Mitglied des Betriebsrates.« Und sollten diese Redakteure erfolgreich sein, dann wird das auch auf andere Bereiche ausstrahlen. Wir dürfen gespannt verfolgen, wie diese Auseinandersetzung ausgehen wird.

Die weit über die Online-Redaktion der ZEIT hinausreichende Bedeutung der Auseinandersetzung ist darin zu sehen, dass es hier eben auch um grundsätzliche Fragen der Branche und vor allem der Geschäftsmodelle geht. Denn die Vergütungsunterschiede zwischen Print- und Online-Journalisten ist – das wurde in dem Beitrag von Anne Fromm angesprochen – historisch bedingt. Sie stammt aus einer Zeit, in der man die Online-Angebote als quasi „add-on“ des eigentlichen Produkts, also der Druckausgabe der Zeitungen, kostenlos im Netz verfügbar gemacht hat. Seit Jahren schon stehen die Zeitungsverlage vor dem betriebswirtschaftlichen Dilemma, dass zum einen der Absatz des Kernprodukts rückläufig ist, parallel dazu die Anzeigenerlöse durch eine Verlagerung der Werbebudgets ins Internet sinken und die Online-Nutzer haben sich an die Gratis-Angebote gewöhnt. Man versucht mehr oder weniger erfolgreich, dieses Dilemma mit einem Umschwenken auf Paid Content-Modelle aufzulösen. Aber die Abbildung mit einer Auswertung der aktuellen Situation auf der Grundlage von 113 Zeitungen in Deutschland verdeutlicht, dass das gar nicht so einfach ist. Gemessen am Referenzmodell der harten Bezahlschranke sprechen wir dann von lediglich 5,3 Prozent der Zeitungen, die diesen Weg bislang eingeschlagen haben. Die große Mehrheit experimentiert mit sehr abgeschwächten Varianten des Bezahl-Modells. Genau an dieser – für die Verlage sicher unbefriedigenden Situation – setzt ja auch die Argumentation der „Aufspalter“ in Print- versus Online-Redaktionen an, denn nach dieser Logik sind die Online-Redaktionen immer defizitär und darüber kann man dann auch deutlich abgesenkte Standards bei den Arbeitsbedingungen und damit auch der Vergütung zu legitimieren versuchen. Allerdings kann man eben auch darauf verweisen, dass die beiden anfangs durchaus getrennten Bereiche mittlerweile immer stärker zusammenwachsen und es zahlreiche Vermischungen gibt – Hinweise am Beispiel der ZEIT wurden ebenfalls schon gegeben.

Wenn es aber so ist, dass die Grenzen zwischen Print und Online immer brüchiger und sich absehbar auflösen werden, dann wäre es für die Beschäftigten ein strukturelles Problem, wenn die schlechteren Arbeitsbedingungen in dem einen Bereich perpetuiert und stabilisiert werden, weil es dann betriebswirtschaftlich rational eine Rutschbahn nach unten für alle Journalisten geben muss, denn das wird den immer kleiner werdenden Teil der „klassischen“ Redaktionen „zu teuer“ werden lassen. Und man kann ja in immer stärkeren Umfang auf die anderen, „billigeren“ Journalisten zurückgreifen.

Dass die Verlage gegen eine Angleichung „nach oben“ erbitterten Widerstand leisten (müssen), ergibt sich aus ihrer Perspektive auch verstärkend dadurch, dass weitere, bislang gerne in Anspruch genommene Billig-Modelle wie die der „Pauschalisten“ zunehmend unter Druck geraten. Vgl. hierzu den Beitrag Wenn Pauschalisten plötzlich richtig eingestellt werden: Scheinselbständigkeit im Journalismus und deren Eindämmung. Möglicherweise aufgrund eines Gesetzentwurfs, der noch feststeckt im politischen Betrieb vom 22. Januar 2016.

Betriebsräte und die Mühen der Ebene, die ewige Machtasymmetrie zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern und die handfesten Folgen von (Nicht-)Tarifbindung

Jede zweite Brille in Deutschland ist von Fielmann. Der Konzern produziert nicht im Ausland, sondern im brandenburgischen Rathenow. 3,5 Millionen Brillen allein im letzten Jahr. Innerhalb von zwei Tagen, so das Versprechen an die Kunden, wird die neue Brille geliefert: Modische Modelle für wenig Geld. Andere Brillenhersteller können da kaum mithalten: Fielmann ist der unumstrittene Marktführer und hat nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, Österreich und Italien Filialen. Nach einem Rekordumsatz in 2014 hat die Aktiengesellschaft mehr als 134 Millionen Euro Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet. Das Unternehmen hat knapp 17.000 Mitarbeiter.
Die produzieren also sogar in Deutschland, dann auch noch in Ostdeutschland, wo solche Arbeitsplätze dringend gebraucht werden. Eine echte Erfolgsgeschichte.

Aber wie so oft eine mit zwei Seiten. Der Beitrag Fielmann: Überstunden und Niedriglöhne von work-watch (www.brennpunkt-betrieb.de) wirft ein wenig Licht auf die so gar nicht glänzende andere Seite der Erfolgsstory.

»Viele der 1000 Beschäftigten des Produktions- und Logistikzentrums der hundertprozentigen Konzerntochter Rathenower Optische Werke, einem Betrieb ohne Tarifbindung, teilen diese Sicht nicht: Sie klagen über befristete Arbeitsverträge, kurzfristig anberaumte Überstunden, schlechte Bezahlung auf Mindestlohnniveau, hohen Arbeitsdruck und eine Betriebsatmosphäre, die von Angst geprägt ist. In der Montage werden zum Beispiel Stückzahllisten und „Bruchlisten“ über defekte Brillen geführt. Sogenannten „Minderleistern“ – also denen, die ihre Vorgaben nicht erfüllen – droht dann ein Gespräch mit dem Vorgesetzten. Vor allem die überbordende Arbeitszeit – manchmal mehr als 50 Stunden in der Woche – führte zur Unzufriedenheit in der Belegschaft.«

Unter den den etwa 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Brillenfertigung soll der Krankenstand mehr als zehn Prozent betragen.

»Vor allem die überbordende Arbeitszeit – manchmal mehr als 50 Stunden in der Woche – führte zur Unzufriedenheit in der Belegschaft. Festgelegt war die Arbeitszeitregelung in der Betriebsvereinbarung (BV) von 1997 …: „Obergrenze der regelmäßigen Arbeitszeit sind 50 Stunden die Woche, zehn Stunden am Tag. In Ausnahmefällen kann die Verteilung der Arbeitszeit auf sechs Tage erfolgen.“ Die Ankündigungsfrist für Mehrarbeit beträgt eigentlich drei Tage. „Aus dringenden betrieblichen Gründen“, so schränkt die Vereinbarung ein, „ist im Ausnahmefall auch eine kürzere Ankündigungsfrist zulässig.“ Die Ausnahmeregelung sei häufig zur Anwendung gekommen, lautet der Vorwurf.«

Zugleich kann man an diesem Fall auch wieder einmal studieren, dass es vor Ort in den Betrieben oftmals eine Gemengelage gibt, die es verbietet, von einer einfachen „Hier die Arbeitnehmer, da das Unternehmen“-Logik auszugehen.

Es gibt einen Betriebsrat, aber der ist wie in anderen Unternehmen auch oft zu beobachten, keineswegs einheitlich aufgestellt: Vor allem Betriebsräte der Industriegewerkschaft Metall haben die Missstände kritisiert und sind dafür an den Pranger gestellt worden. Die Spaltung der Belegschaftsvertreter kann man hier erkennen:

»Rundgänge der Betriebsräte und ihre Gespräche mit Kollegen – also die Grundvoraussetzung jeder Betriebsratsarbeit – würden die Arbeitsabläufe und damit den Betriebsfrieden stören. Diesen Vorwurf habe sogar die ehemalige Betriebsratsvorsitzende, die mehr als zehn Jahre lang jede Anfrage der Geschäftsleitung abgenickt hätte, formuliert. Sie gehört immer noch der Betriebsratsmehrheit an.«

Die Mehrheit im Betriebsrat wird als „arbeitgebernah“ bezeichnet. Diese Betriebsratsmehrheit hat im Jahr 2015 keine einzige Betriebsversammlung einberufen, obwohl eigentlich vier im Jahr gesetzlich vorgeschrieben sind.

Die Mitarbeiter hoffen nun auf die neue Betriebsvereinbarung, die Anfang dieses Jahres nach „zähen Verhandlungen“ unterzeichnet wurde. Aber auch hier zeigt sich die letztendlich nicht auflösbare Machtasymmetrie zwischen Arbeitnehmern und dem Unternehmen: Die IG Metall ist mit Blick auf die neue Betriebsvereinbarung skeptisch und angesichts der Vereinbarung „zwiegespalten“. Sie sei zwar besser als die alte, aber würde hinter den Standard anderer Betriebsvereinbarungen in vergleichbaren Unternehmen zurückfallen.

»Der amtierende Betriebsratsvorsitz … habe eine „zu harte“ Betriebsvereinbarung mit der Begründung abgelehnt, den Arbeitgeber nicht so sehr einzuschränken, weil sonst der Standort möglicherweise verlagert werde.«

Der Geschäftsführer des Unternehmens hat 2014 auf einer Betriebsversammlung gesagt: „Wir wollen die Standortfrage nicht stellen – brauchen aber eine gewisse Flexibilität der Mitarbeiter“.
Herausgekommen ist eine Betriebsvereinbarung des „kleineren Übels“. So wurde die – gesetzliche – Höchstgrenze der Wochenarbeitszeit von 48 Stunden in die Vereinbarung geschrieben.

Dieses Beispiel zeigt erneut, dass es in der betrieblichen Realität eben nicht nach einfachen Mustern geht (die da unten, die da oben), sondern das ewige Damoklesschwert der Standortverlagerung sorgt für eine beständige Machtasymmetrie und zugleich ist es aus der betrieblichen Perspektive ja auch verständlich, dass man eine gewisse Flexibilität braucht, wenn man im Wettbewerb steht. Auch gewerkschaftlich organisierte Betriebsräte wissen das und müssen permanent Kompromisse schließen zwischen den (angeblichen) betrieblichen Interessen und den Forderungen aus der Gewerkschaftsperspektive. Das ist kein Gelände für Klassenkampf, zugleich aber wird wieder einmal deutlich, welche Entlastungsfunktion eine Tarifbindung der Unternehmen haben kann, denn dort sind auf einer überbetrieblichen Ebene viele Punkte geregelt, die ansonsten vor Ort nur sehr mühsam bis gar nicht ausgehandelt werden können. Und gerade in Ostdeutschland ist die Tarifbindung desaströs niedrig.

Wozu das führt, kann man diesem Beitrag entnehmen: Schwache Verhandlungsposition im Osten.

»Die Lohnunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sind nach wie vor groß: In den neuen Bundesländern fallen die Bruttoverdienste fast 20 Prozent niedriger aus. Wie ist eine solche Differenz – 25 Jahre nach der Wiedervereinigung – zu erklären? Als Begründung werden oft Unterschiede in der Produktivität oder Qualifikation herangezogen. Doch es gibt einen weiteren, wenig beachteten Faktor: Die Arbeitnehmer im Osten sind vor allem bei Neueinstellungen bereit, „einen relativ niedrigen Lohn zu akzeptieren“, schreiben Christoph S. Weber und Philipp Dees von der Universität Erlangen. Das bedeute nicht, dass sich Ostdeutsche keine höheren Löhne wünschen, sondern eher, dass sie wenig Chancen sehen, diese durchzusetzen. Arbeitgeber könnten sich dies zunutze machen und niedrigere Löhne zahlen.«

In Zahlen ausgedrückt:

»Nicht nur die tatsächlich gezahlten Löhne, sondern auch die Erwartungen sind in Ostdeutschland deutlich geringer. Im Schnitt lagen die Lohnerwartungen aller nicht beschäftigten Personen, die eine Vollzeitstelle suchten, 2011 im Westen bei 1.618 Euro netto, im Osten bei 1.303 Euro«, so die Wissenschaftler in ihrer Untersuchung (vgl. ausführlicher: Christoph S. Weber, Philipp Dees: Anspruchslöhne: immer noch Unterschiede zwischen Ost und West, in: WSI-Mitteilungen, Heft 8/2015, S. 593–603).

Daraus kann sich offensichtlich eine Art Teufelskreis entwickeln:

„Das bestehende niedrigere Lohnniveau drückt wahrscheinlich die Anspruchslöhne. Diese niedrigeren Anspruchslöhne wiederum sorgen dafür, dass auch die tatsächlich gezahlten Löhne niedriger bleiben.“

Und hier spielt die Frage der Tarifbindung eine wichtige Rolle:

»Dass dieser Effekt im Osten noch stärker zum Tragen kommt als im Westen, liegt an der geringeren Tarifbindung: „In Abwesenheit von Tarifverträgen werden Löhne grundsätzlich freier verhandelt“, schreiben die Wissenschaftler. Dadurch hätten die Unternehmen erheblich mehr Gestaltungsspielraum. Anders ausgedrückt: Die Arbeitgeber haben es leichter, niedrige Erwartungen der Bewerber auszunutzen und die Löhne zu drücken.«

Die Zusammenhänge – und die Unterschiede – sind offensichtlich:

»Wer nach Tarif bezahlt wird, verdient bereits heute im Osten kaum weniger als im Westen. In Ostdeutschland arbeiten über alle Branchen hinweg allerdings nur 47 Prozent der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben, während es in Westdeutschland 60 Prozent sind. Die Zahl der Beschäftigten, deren Vergütung sich am Branchentarifvertrag orientiert, ist ebenfalls niedriger als in Westdeutschland.«

Quelle der Abbildung: Böckler Impuls 20/2015 

Tarifbindung erreicht – Tarifbindung verloren. Das tarifpolitische Hin und Her im Einzelhandel am Beispiel von Primark und Real

Es gibt sie auch, die guten Nachrichten: Wichtiges Signal für die Beschäftigten im Handel – Tarifbindung für Modekette Primark vereinbart, so ist eine Pressemitteilung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di überschrieben. Primark – da war doch was, wird der eine oder andere an dieser Stelle einwerfen. Genau. Noch im Februar dieses Jahres konnte man in dem Blog-Beitrag Billiger, noch billiger. Wo soll man anfangen? Karstadt, Deutsche Post DHL, Commerzbank … und Primark treibt es besonders konsequent zu diesem Unternehmen lesen, dass man dort mit einem  besonders „konsequenten“ Beispiel für Lohndrückerei konfrontiert werde: »… besonders konsequent deshalb, weil dieses Unternehmen offensichtlich – folgt man der aktuellen Berichterstattung – nicht nur generell niedrige Löhne zahlt, sondern die kostensenkenden Effekte potenziert durch eine „eigenartige“ Arbeitszeitgestaltung und – um den ganzen die Krone aufzusetzen – mit tatkräftiger Unterstützung der örtlichen Arbeitsagenturen und Jobcenter einen Teil der  anfallenden betrieblichen Kosten auch noch sozialisiert zu Lasten des Steuerzahlers.«

Die Vorwürfe damals: Viele Mitarbeiter müssen auf der Basis befristeter Teilzeitverträge arbeiten, was dem Unternehmen Primark maximale Flexibilität bietet. Und der Staat greift Primark kräftig unter die Arme: bei der Personalrekrutierung. Wenn sich der Textilkonzern in einer neuen Stadt ansiedelt, arbeitet er oft mit den Jobcentern und den Arbeitsagenturen zusammen und nutzt nicht nur die kostenlose Personalvermittlung, sondern zusätzlich häufig Eingliederungszuschüsse für die Anstellung von Langzeitarbeitslosen. Und am Beispiel Köln wurde aufgezeigt,  dass von den 360 vermittelten Arbeitskräften 116 so wenig verdienen, dass sie zusätzlich aufstockende Leistungen vom Jobcenter erhalten. Und die haben das offensichtlich systematisch „professionalisiert“. Über das Beispiel Hannover berichtet der Artikel Primark entlässt 132 Mitarbeiter: »Die Modekette Primark soll 132 der gut 500 Beschäftigten ihrer Filiale in Hannover entlassen haben … Auffällig sei, dass genau die Verträge von denjenigen Mitarbeitern nicht verlängert worden seien, die nach einem Jahr Beschäftigung Anspruch auf eine unbefristete Stelle gehabt hätten, heißt es aus Mitarbeiterkreisen. Dagegen sollen die Verträge von den Mitarbeitern, die erst vier Monate für die Modekette gejobbt hätten, noch einmal um einige Monate verlängert worden seien.«

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Amazon mal wieder. Der aufrechte Kampf der einen bei uns und die konsequent-schrittweise Abnabelung der Effizienzmaschine vom Standort Deutschland

Gerade in einer Zeit, in der täglich irgendeine neue Sau durchs mediale Dorf getrieben wird, auf die sich dann alle anderen stürzen, als gäbe es nur dieses Thema, ist es notwendig, an Dinge zu erinnern, die vor geraumer Zeit mal Thema waren und mittlerweile in den Archiven vor sich hin modern. Obgleich sie weiter vorangetrieben werden und sich das damalige Bild zu verdichten scheint. Zeigen kann man das am Beispiel des Unternehmens Amazon.

Auslöser sind solche Meldungen, die dem einen oder anderen vorkommen wie ein Ausschnitt aus dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Ver.di ruft zu Streik bei Amazon in Koblenz auf: »Mit einem erneuten Streik will die Gewerkschaft den Konzern drängen, die Tarifverträge des Einzelhandels anzuerkennen. Der Ausstand sollte in der Nacht beginnen.« Und nachfolgend: Verdi bestreikt erneut Versandzentren: »Vor dem Beginn des Weihnachtsgeschäfts macht die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi noch einmal mit Streiks in den deutschen Versandzentren Druck auf den Online-Versandhändler Amazon. Verdi rief am Mittwoch an den Standorten im hessischen Bad Hersfeld, in Leipzig sowie in Rheinberg und Werne in Nordrhein-Westfalen zu Arbeitsniederlegungen vom frühen Morgen bis zum Ende der Spätschicht auf.« Die wackeren Gewerkschaftsmitglieder versuchen es seit Jahren. Bislang ohne nennenswerten Erfolg, sie beißen auf Granit bei dem amerikanischen Konzern. 

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Die Tarifvertragsmaschinerie funktioniert – wenn sie denn zur Anwendung kommt. Zur Parallelität von Tariflohnsteigerungen und Tarifflucht

Erst der Tarifabschluss für die Metall- und Elektroindustrie, dann in der Chemieindustrie – und jetzt gibt es auch für den öffentlichen Dienst der Länder eine Einigung zu vermelden – wenn denn die Bundestarifkommission von ver.di derm Verhandlungsergebnis zustimmt: Um 2,1 Prozent sollen die Gehälter für Angestellte der Bundesländer steigen – rückwirkend ab März. 2016 gibt es noch mal 2,3 Prozent mehr Geld für den öffentlichen Dienst. Es geht hier immerhin um rund 800.000 Angestellte der Länder. Und erste Politiker wie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) haben bereits angekündigt, diesen Abschluss auch auf die Beamten des Landes übertragen zu wollen, auch Bayern hat sich bereits entsprechend geäußert. Man sollte dabei im Hinterkopf behalten, dass deutlich mehr als eine Million Beamte in den Bundesländern beschäftigt und von diesen zu finanzieren sind.

Funktioniert doch, die Tarifvertragslandschaft in Deutschland, werden die einen oder anderen mit Blick auf diese Zahlen und Ergebnisse sagen. Und da passt es genau, wenn das Statistische Bundesamt diese Tage vermelden kann: Reallohn­index im Jahr 2014 um 1,7 % gestie­gen. Das ist relativ gesehen viel, denn laut Bundesstatistiker »war dies der höchste Anstieg seit Beginn der Zeitreihe des Reallohnindex im Jahr 2008. Die Nominallöhne waren im Jahr 2014 um 2,6 % höher als im Vorjahr … Die Verbraucherpreise legten im Jahr 2014 um 0,9 % zu.« Jetzt profitieren also endlich auch „die“ Arbeitnehmer von der guten wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Könnte man so stehen lassen, wenn dann nicht wieder solche Einsprengsel in der Berichterstattung auffallen: Beispielsweise solche Artikel: Löhne driften auseinander: »Die Löhne zwischen Chefs und Angestellten gehen immer weiter auseinander. Zwei Drittel der Vollbeschäftigten verdienen hierzulande unterm Durchschnitt. Ohne die Einführung des Mindestlohns wäre die Entwicklung noch dramatischer.« Und besonders relevant: Tarifflucht führt zu höheren Gehaltsunterschieden. Ein Artikel, der über eine neue Studie berichtet, die von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegeben und veröffentlicht wurde: Einkommensschere wird durch Tarifflucht größer. Das hört sich dann schon nicht mehr so umfassend positiv an. Also schauen wir einmal genauer hin.

»Nichts verschärft die Lohnungleichheit in Deutschland so stark, wie die zunehmende außertarifliche Beschäftigung. Dies zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem ifo-Institut München. Während die Löhne seit Mitte der 1990er Jahre im oberen Einkommensfünftel gestiegen sind, sanken sie im unteren Fünftel. Verantwortlich für diese Entwicklung ist zu 43 Prozent die stark rückläufige Zahl der tarifgebundenen Unternehmen und Arbeitnehmer«, schreibt die Bertelsmann-Stiftung zusammenfassend zu dieser Studie:

Gabriel Felbermayr, Daniel Baumgarten und Sybille Lehwald: Wachsende Lohnungleichheit in Deutschland. Welche Rolle spielt der internationale Handel? Gütersloh: Bertelsmann-Stiftung, 2015

Anja Krüger schreibt in ihrem Artikel Tarifflucht führt zu höheren Gehaltsunterschieden den Finger in die Wunde legend: »Hauptgrund für die zunehmende Ungleichheit der Einkommen in Deutschland ist nach Auffassung der Bertelsmann-Stiftung die Erosion der klassischen Tarifvertragsarbeitsverhältnisse. Zwischen 1996 und 2013 hat sich in Deutschland der Anteil der Unternehmen, für deren Beschäftigte ein Tarifvertrag verbindlich ist, von 60 Prozent auf 32 Prozent fast halbiert.«

Vielleicht wird der eine oder die andere etwas irritiert sein darüber, dass gerade die Bertelsmann-Stiftung mit so einer Studie an die Öffentlichkeit tritt – wird sie doch ansonsten eher dem neoliberalen Lager zugeordnet. Aber „keine Angst“ – die Studie bleibt diesem Denken treu, dafür sorgt schon die Tatsache, dass die Auftragsstudie vom ifo-Institut des Herrn Sinn verfasst worden ist. So muss man bei den Ausführungen zu den wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen in der Studie lesen:

»Für die Wirtschaftspolitik ist es wichtig, unsere Ergebnisse richtig einzuordnen. Wir haben die Lohnungleichheit unter den abhängig Beschäftigten in Deutschland untersucht und festgestellt, dass diese deutlich zugenommen hat. Dabei konnten wir zeigen, dass vor allem Veränderungen in der Tarifbindung für diese Entwicklung eine entscheidende Rolle gespielt haben. Daraus sollte die Wirtschaftspolitik allerdings nicht den vorschnellen Schluss ziehen, dass zur Senkung der Ungleichheit nun eine Stärkung der Tarifbindung anzustreben sei. Vielmehr muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass neben dem Anstieg der Lohnungleichheit auch ein Anstieg in der Zahl der abhängig Beschäftigten über den betrachteten Zeitraum zu verzeichnen ist. Es ist plausibel, dass die beiden Phänomene zusammenhängen … Wenn man die Beschäftigungsmöglichkeiten solcher Personen einschränkt, beispielsweise durch eine zu rigide Lohnsetzung, wird man die gemessene Lohnungleichheit reduzieren. Die Gesamteinkommensungleichheit könnte aber sogar steigen, wenn diese Personen kein Lohneinkommen mehr erzielten.« (Felbermayr et al. 2015: 47).

Ja klar. Nur weiter so. Aber das führt wieder weg von einer der zentralen Baustellen auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Gemeint ist hier die deutlich abnehmende Ordnungsfunktion der Tarifverträge – die übrigens weit über die Funktion eines Mindestlohns hinausgeht, der immer nur – nicht mehr, aber auch nicht weniger – eine Lohnuntergrenze im Sinne eines letzten Sicherungsnetzes nach unten darstellen kann. Das WSI-Tarifarchiv hat die Rutschbahn nach unten, auf der sich die Tarifbindung der Beschäftigten in Deutschland befindet, auf der Basis der Daten aus dem IAB-Betriebspanel in der Abbildung für die Jahre 1998 bis 2013 dargestellt. Und dabei muss dann auch noch berücksichtigt werden, dass es sich um den Durchschnitt über alle Beschäftigte handelt, für die Beschäftigten in vielen Branchen – man denke hier gerade an viele Dienstleistungsbranchen – sieht die Tarifwelt noch deutlich düsterer aus in dem Sinne, dass die meisten Beschäftigten gar nicht unter einen Tarifvertrag fallen.

Dieses Problem einer stetig abnehmenden Tarifbindung hat die Große Koalition – folgt man ihrer Bibel, also dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD aus dem Dezember 2013 – erkannt und Abhilfe versprochen. Auf der Seite 48 des Koalitionsvertrages findet man diese Zielformulierung:

»Das wichtige Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) nach dem Tarifvertragsgesetz bedarf einer zeitgemäßen Anpassung an die heutigen Gegebenheiten. In Zukunft soll es für eine AVE nicht mehr erforderlich sein, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen. Ausreichend ist das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses.«

Man darf gespannt sein, ob dieser hier als Absichtserklärung grundgelegte Weg auch tatsächlich beschritten wird. In den vergangenen Jahren hat die Reichweite und Intensität des Instrumentariums Allgemeinverbindlichkeit erkennbar abgenommen.

Aus der Perspektive der Arbeitnehmer/innen wäre es sicher ein empfehlenswerter Weg. So kommt Marc Amlinger in seiner 2014 veröffentlichten Studie Lohnhöhe und Tarifbindung. Bestimmungsfaktoren der individuellen Verdiensthöhe zu dem folgenden Befund:

»Trotz der insgesamt abnehmenden Prägekraft tarifvertraglicher Lohnsetzung in Deutschland zeigt eine Analyse der Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes, dass durch die kollektive Aushandlung der Verdienst- und Arbeitsbedingungen auf Branchen- oder Firmenebene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach wie vor einen signifikant höheren effektiven Bruttostundenverdienst erzielen. Gesamtwirtschaftlich betrachtet lässt sich dies zu einem gewissen Teil aus den strukturellen Unterschieden zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Betrieben und Beschäftigtengruppen erklären: Sind insbesondere wirtschaftlich starke Großbetriebe tarifgebunden, so wirkt sich dies auch auf das tarifliche Lohndifferenzial aus. Kontrolliert man den Lohneffekt der Tarifbindung um Betriebs- und Personeneffekte, so ergibt sich jedoch für Beschäftige in branchentarifgebundenen Betrieben immer noch ein um 5,6 Prozent und in firmentarifgebundenen Betrieben ein um 8,2 Prozent höherer Bruttostundenverdienst im Vergleich zu Beschäftigten, für die kein Tarifvertrag gilt. Werden die Verdienste und Arbeitsbedingungen kollektiv auf Branchen- oder Firmenebene ausgehandelt, ergeben sich somit auch unter sonst gleichen Arbeitsplatzmerkmalen signifikant höhere Bruttostundenlöhne.«