Die Schwarzarbeit und der Zoll sowie der Missbrauch mit dem Teil-Missbrauch. Notizen aus den Schmuddelecken des Arbeitsmarktes

Haben Zollverwaltung, Schwarzarbeit und Ein-Mann-Unternehmen aus Rumänien oder Bulgarien etwas gemeinsam? Ja, denn sie treffen sich in der Welt der Kontrollen. Wenn denn kontrolliert wird.
Der Zoll stand früher an den Grenzen unseres Landes. Doch die Grenzzäune innerhalb Europas sind gefallen und nunmehr haben viele Zollbeamten andere Aufgaben bekommen, die sich nach innen richten. Darunter die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Innerhalb der Zollverwaltung gibt es dazu die Organisationseinheit „Finanzkontrolle Schwarzarbeit„. Und die hat – folgt man ihrer Selbstdarstellung – sehr wichtige Aufgaben:

»Die Bekämpfung der Schwarzarbeit hat viele Facetten: Es gibt den Arbeitgeber, der seine Arbeiter nicht zur Sozialversicherung anmeldet, die Arbeitnehmerin, die ohne Steuerkarte arbeitet, den Ausländer, der ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung arbeitet, den Arbeitsverleiher, der ohne Erlaubnis Arbeitskräfte illegal verleiht, die Arbeitslose, die Bezüge bezieht und nebenbei arbeitet und vieles andere mehr. Sie alle haben jedoch eines gemeinsam: Ihr Tun vernichtet dauerhaft legale Arbeitsplätze und erhöht damit die Arbeitslosigkeit, bringt den Staat um Steuern und die Sozialversicherungen um Beiträge. Das verursacht Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten legal arbeitender Unternehmen und Arbeitnehmer, erhöht die Abgabenlast für die Solidargemeinschaft und trägt zur Ausbeutung illegal Beschäftigter bei. Dagegen ist der Zoll tagtäglich mit bundesweit rund 6.700 Beschäftigten im Einsatz.«

Die neuen Ergebnisse dieser Arbeit aus dem vergangenen Jahr hören sich beeindruckend an: Die rund 6.700 Zöllnerinnen und Zöllner der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (bei einem Gesamtpersonalbestand der Zollverwaltung von 34.027 im vergangenen Jahr) ermittelten 2013 in 135.000 Verfahren wegen Schwarzarbeit. Sie deckten dabei einen Schaden von insgesamt über 777 Millionen Euro auf, so das Bundesfinanzministerium in einer Mitteilung.

Dietmar Seher berichtet in seinem Artikel „Schwarzarbeit richtete 777-Millionen-Euro-Schaden an„:
»Fahnder des Zolls haben im vergangenen Jahr zahlreiche Fälle von Schwarzarbeit aufgedeckt. Vor allem die angeblichen Ein-Mann-Betriebe, die Einwanderer aus Osteuropa anmelden, kosten dem Staat viel Geld.«

In dem Artikel wird Jörg Hellwig von der Dortmunder Finanzkontrolle zitiert, der vor einem neuen erkennbaren Trend berichtet:

»Immer weniger ist es der Hartz-IV-Bezieher, der nebenher arbeitet. Dafür mischen grenzüberschreitend operierende Banden mit. Sie schleusen Arbeitskräfte aus Osteuropa ein, die keinen Arbeitsvertrag erhalten, sondern als Ein-Mann-Unternehmen bei Großprojekten arbeiten und sich vorher als selbstständiger Gewerbebetrieb anmelden müssen. So entgehen dem Staat Abgaben. Den Trend gebe es im ganzen Ruhrgebiet.«

Aber nicht nur dort, sondern auch in anderen Regionen unseres Landes. Der „krasseste“ Fall aus der Welt der „Ein-Mann-Unternehmen“, über den die Dortmunder berichten können: »2013 ließ das Hauptzollamt nach zwei Jahren Ermittlungen eine Gerüstbaufirma auffliegen, die auf diese Weise bis zu 150 Mann je Baustelle beschäftigte. Am Ende standen 25 Millionen Euro Schaden beim Staat, 70 Durchsuchungen und sieben Haftbefehle.«

Quelle: Die Zollverwaltung: Jahresstatistik 2013, Berlin, März 2014, S. 18

Ein Blick auf die Tabelle aus der Jahresstatistik 2013 der Zollverwaltung verdeutlicht den bundesweiten Umfang und Ergebnisse der letzten drei Jahre im Bereich der Schwarzarbeitsbekämpfung.

Mit Blick auf den erwähnten „Trend, was die Billigst-Arbeitskräfte aus Osteuropa betrifft, ist die dann die folgende Meldung interessant: Der Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich zu Wort gemeldet. Er nimmt bei der Begrenzung von Sozialmissbrauch durch Zuwanderer die Verantwortlichen in Deutschland ins Visier. „Wenn wir den Missbrauch einschränken wollen, dürfen wir den Blick nicht nur auf die Zuwanderer selbst richten“, so wird er zitiert. Und weiter: „Wir müssen uns auch genau die Leute und Strukturen anschauen, die aus eigenen, niederen Interessen Zuwanderer hierher holen und sie ausbeuten.“

»Es könne nicht sein, dass Menschen, die kein Wort Deutsch sprächen, mit perfekt ausgefüllten Anträgen auf dem Amt erschienen und Kindergeld oder gar einen Gewerbeschein beantragten. „Da geht es um gezieltes Anlocken von Zuwanderern zur Ausbeutung ihrer Arbeitskraft hier in Deutschland. Auch da müssen wir klar gegen vorgehen.“«

Das sind seitens der Regierung neue Töne in der Debatte über den „Missbrauch“ und vielleicht hat er sich vor seiner eigenen Verve erschrocken, denn sogleich relativiert er das, denn das Problem sei  auf sechs bis sieben Städte in Deutschland begrenzt. Es ist sicher so, dass es in einigen Großstädten eine massive Konzentration der Problematik gibt – darüber wurde bereits vor längerem berichtet, vgl. nur als Beispiel den lesenswerten Artikel über Frankfurt von Katharina Iskandar aus dem Jahr 2012: „Alles was kommt„: Die Bulgaren »werden angelockt von großen Versprechungen und werden doch nur ausgebeutet, auf dem Bau oder bei der Miete. Viele tausend Scheinselbständige soll es allein in Frankfurt geben, der Hauptstadt der „Bulgarenindustrie“.«

Um so gespannter dürfen wir angesichts dieser Ankündigung sein: »Der Innenminister und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wollen in dieser Woche einen Plan zur Bekämpfung des Sozialmissbrauchs durch EU-Zuwanderer vorstellen.«

Gespannt muss man deshalb sein, weil sich hier die gleiche Problematik stellt wie bei der immer noch offenen Frage, wie es weitergehen soll bei der Frage des Hartz IV-Anspruchs von Zuwanderern aus EU-Staaten. Über allem schwebt das Prinzip der Personenfreizügigkeit innerhalb der EU, eines der Grundrechte der Gemeinschaft. Und dieNiederlassung als Selbständige war schon vor dem Inkrafttreten der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit eine der formal legalen Möglichkeiten der Einwanderung zur Arbeitsaufnahme. Der im Titel dieses Beitrags genannte „Teil-Missbrauch“ bezieht sich darauf, dass das grundsätzlich legal ist, die selbständige Tätigkeit. Missbräuchlich wird es erst dann, wenn es sich um Scheinselbständigkeit handelt. Womit wir wieder bei der Zollverwaltung angekommen wären und deren Kampf gegen die realen Ausprägungen des Missbrauchs der Scheinselbständigkeit.

Apropos Zollverwaltung: Schon gegenwärtig hört man immer wieder Klagen aus den Reihen derjenigen, die an der Front der Missbrauchsbekämpfung ihren Mann und ihre Frau stehen, dass es zu wenig Personal gibt. Hier nun gibt es eine weitere Verbindungslinie zu einem höchst aktuellen Thema, der anstehenden Einführung eines Mindestlohngesetzes, denn man kann es drehen und wenden wie man will, die Einhaltung eines gesetzlichen Mindestlohnes muss kontrolliert werden. In dem diese Tage veröffentlichten Referentenentwurf eines Mindestlohngesetzes (MiLoG) gibt es im dritten Abschnitt einen § 14 zu der Frage der Kontrolle mit dem schönen Inhalt:
»Für die Prüfung der Einhaltung der Pflichten eines Arbeitgebers nach § 1 Absatz 1 in Verbindung mit § 2 sind die Behörden der Zollverwaltung zuständig.« Und im hinteren Teil des Entwurfs findet man die folgende „Erläuterung“ zum den §§ 14-16 des Gesetzentwurfs: »Für die Kontrolle und Durchsetzung des allgemeinen Mindestlohns werden weitestgehend die entsprechenden Vorschriften des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes übertragen. Diese haben sich bei der Kontrolle und Durchsetzung von Branchenmindestlöhnen bewährt« (S. 40 des Entwurfs vom 18.03.2014).

Es wird jetzt aber viele sicher nicht überraschen, dass der Gesetzentwurf leider nichts darüber aussagt, wer das genau machen soll. Also die, die schon da sind in der Zollverwaltung? Dann müssten ja einige bisher unnütze (oder gar keine) Dinge gemacht haben, auf die man nun verzichten kann, um die dadurch freiwerdenden Ressourcen auf das neue Aufgabenfeld zu verteilen. Wenn das aber nicht der Fall ist und man nicht gleichzeitig das Personal ausweitet, dann muss die neue, zusätzliche Arbeit auf Kosten der anderen Arbeit gehen. Logisch.
Dietmar Seher spricht in seinem Artikel diesen Aspekt an:

»Während IG-Bau-Chef Robert Feiger 10.000 neue Fahnder fordert, sieht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eher die Notwendigkeit interner Umbauten beim Zoll.«

Die Forderung nach 10.000 neue Fahnder erscheint von außen betrachtet eher wie die Umsetzung des Mottos „Steigen wir mal hoch ein“. Aber wenn auf der anderen Seite ein Minister die „Notwendigkeit interner Umbauten“ als Antwort auf Personalbedarf sieht, dann sollte einen das mehr als skeptisch stimmen. Denn es handelt sich hier ja wirklich um neue, zusätzliche Aufgaben, die mit dem gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen geschaffen werden und die müssen angesichts der erwartbaren Umgehungsversuche eines Teils der Unternehmen kontrolliert werden und das gerade am Anfang eigentlich mit abschreckender Wirkung. So weit die Theorie.

Die (professionelle) Altenpflege wächst, die (selbst zu tragenden) Kosten dafür besonders und im Schatten müht sich weiter das schwarze Schaf der Pflegefamilie

Der „Pflegereport 2013„, herausgegeben von der Krankenkasse Barmer GEK und von Heinz Rothgang, Rolf Müller und Rainer Unger vom Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) an der Universität Bremen verfasst, bescheinigt der Altenpflege ein anhaltendes Wachstum, was angesichts der allgemeinen Daten nicht überrascht: »Die Zahl Pflegebedürftiger ist mit 2,5 Millionen (2011) auf einem neuen Höchststand und wird bis 2050 auf 4,5 Millionen steigen. Wesentliche Ursache ist der demografische Wandel. Es gibt große regionale Unterschiede. So wird die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 in Brandenburg um 72 Prozent steigen, in Bremen nur um 28 Prozent. Im Bundesdurchschnitt wird ein Plus von 47 Prozent erwartet.«

Es zeigt sich ein Trend hin zu professioneller Versorgung. Besonders stark sind die ambulanten Pflegedienste gewachsen: Sie haben 2012 fast 23 Prozent der pflegebedürftigen Menschen betreut – so viele wie nie zuvor (2008 waren es noch 20,9 Prozent gewesen). Dagegen stagnierte der Anteil der Heimpflege in den letzten Jahren und sank zuletzt leicht auf 28,8 Prozent. »Dementsprechend sind laut Report die Personalkapazitäten in der ambulanten Pflege zwischen 1999 und 2011 mit 64 Prozent schneller gewachsen als die Zahl der Betten in Pflegeheimen. Diese hätten um 36 Prozent zugenommen« („Ambulante Pflege nimmt weiter Fahrt auf„).

Wer den gesamten Pflegereport 2013 – der dieses Jahr als Schwerpunktthema die Rehabilitation bei Pflege behandelt – lesen möchte, der kann den hier abrufen als PDF-Datei:

Heinz Rothgang, Rolf Müller und Rainer Unger: BARMER GEK Pflegereport 2013. Schwerpunktthema: Reha bei Pflege (= Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 23), Siegburg 2013 » PDF-Datei

Erneut gestiegen sind nach Berechnungen der Bremer Wissenschaftler die Eigenanteile, die privat zur Finanzierung der Pflege aufgebracht werden müssen.

Bei den Leistungen der Pflegeversicherung handelt es sich um pauschalierte bzw. gedeckelte Leistungen, die nicht bedarfsdeckend sind. Nicht umsonst sprechen wir hier auch von einer „Teilkaskoversicherung“. Aufgrund der bis 2007 fehlenden und seitdem unzureichenden Leistungsdynamisierung steigen die Eigenanteile an den Pflegekosten, die vom Pflegebedürftigen selbst zu tragen sind, weiter an. In der stationären Pflege übersteigt inzwischen der insgesamt aufzubringende Eigenanteil die Pflegeversicherungsleistungen in allen Pflegestufen deutlich, und auch bei den rein pflegebedingten Kosten, die gemäß der ursprünglichen Planung bei Einführung der Pflegeversicherung vollständig von der Versicherung übernommen werden sollten, betrugen die durchschnittlichen Eigenanteile Ende 2011 bereits monatlich 346 Euro (Pflegestufe I), 532 Euro (Pflegestufe II) bzw. 760 Euro (Pflegestufe III), erläutern die Bremer Wissenschaftler in ihrer Pressemitteilung zum neuen Pflegereport. Die Pflegeversicherungsleistungen decken deutlich weniger als die Hälfte des Gesamtheimentgelts ab. Der Tabelle aus dem Pflegereport 2013 mit der Entwicklung der einzelnen Komponenten kann man entnehmen, dass bereits im Jahr 2011 der privat aufzubringende Eigenanteil der Pflegebedürftigen bei stationärer Versorgung im Durchschnitt über die drei Pflegestufen zwischen 1.380 bis 1.802 Euro lag.

Hinter solchen Zahlen stecken zahlreiche ganz unterschiedliche Schicksale und man sollte auch die Folgewirkungen solcher Eigenanteilsbeträge nicht unterschätzen. Zum einen steigt die finanzielle Überforderung vieler betroffener Pflegebedürftiger, die auf eine Heimunterbringung angewiesen sind – und das bedeutet nicht nur die Verwertung des gesamten eigenen Vermögens (sofern solches vorhanden  ist) und den Rückgriff auf die Verwandten ersten Grades, also die Kinder, die teilweise erhebliche Beträge abführen müssen, sondern bei vielen mittellosen bzw. einkommens- und  vermögensschwachen Personen muss das Sozialamt einspringen mit der „Hilfe zur Pflege“ nach dem SGB XII. Die Ausgaben dafür steigen (wieder) kontinuierlich an.

Zum anderen sind die Pflegekosten auch ein Grund mit für die Ausbreitung eines höchst umstrittenen, aber weit verbreiteten Phänomens in der Pflege und Betreuung der Pflegebedürftigen in ihrem häuslichen Kontext: Gemeint ist hier der Einsatz osteuropäischer Pflege- und Betreuungskräfte, zumeist in halblegaler bzw. illegaler Form in den Haushalten der Betroffenen.

»Immerhin gibt es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund eine Million Deutsche, die zu Hause betreut werden. Offiziell durch ihre Angehörigen. Inoffiziell, schätzt das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung, beschäftigen rund 150.000 Familien Osteuropäerinnen, die mit im Haushalt wohnen und die Alten pflegen. Da viele Pflegerinnen sich alle paar Wochen abwechseln, kommen die Forscher auf rund 400.000 schwarz arbeitende Frauen. Das Arrangement scheint vielen eine einfache Lösung für das Problem mit dem plötzlichen Pflegefall in der Familie zu sein. Die Frauen bekommen 1.000 bis 1.400 Euro, bar auf die Hand«, so Anette Dowideit in ihrem Artikel „Viele Kinder nennen ihre Mütter ‚Bankautomat‘„. In dem Artikel werden Maria und Agnieszka aus Polen porträtiert. Nur in Deutschland können sie genug Geld verdienen, um ihre Familien zu versorgen. Beispielsweise Agnieszka, die hier bei einem älteren Ehepaar auf 1.300 Euro im Monat kommt. Das sind fast drei mal so viel, wie sie in Polen in einem Vollzeitjob verdienen könnte. »Sie schläft im Haus und ist so rund um die Uhr verfügbar. Muss die Frau nachts zur Toilette, steht sie mit auf, um ihr zu helfen.«

Aber alles hat seinen Preis und viele der Osteuropäerinnen hinterlassen Kinder in ihrer Heimat, die zuweilen völlig auf sich allein gestellt sind – und darauf will Anette Dowideit aufmerksam machen:

»Pendelmigration, wie Soziologen das nennen, ist ein großes Problem für Osteuropa. Ganze Generationen von Kindern wachsen wegen des Lohngefälles zwischen West und Ost ohne Mütter auf. In Polen sind es mindestens 100.000, rechneten Forscher der Universität Warschau vor drei Jahren aus. Je weiter östlich man geht, umso verbreiteter ist das Problem. In der Ukraine sollen fünf bis sieben Millionen Kinder betroffen sein, schätzt der Verein Caritas International. Das sei nicht nur sozial, sondern auch wirtschaftlich eine Katastrophe, sagen Experten. Es verursache eine „neue Klasse von Straßenkindern“, ohne soziale Vorbilder, durch Omas oder Tanten versorgt, aber nicht erzogen, die schlechte Leistungen in der Schule ablieferten, viel Alkohol tränken, Drogen nähmen.«

Und – leider – durchaus passend vor dem Hintergrund des anstehenden Weihnachtsfestes:

»Natürlich wüssten viele Auftraggeber in Deutschland, dass sie durch das Arrangement die Notlage einer polnischen Familie ausnutzen, sagt der Kölner Pflegeforscher Michael Isfort, stellvertretender Vorsitzender des Instituts für angewandte Pflegeforschung. Manche Angehörige schützten sich vor diesem Wissen, indem sie den Hintergrund der Frau ausblendeten. „Andere versuchen, den Arbeitsvertrag umzudeuten. Sie reden sich ein, eigentlich gehöre die fremde Frau doch nach kurzer Zeit zur Familie.“ Was oft nicht funktioniert. Die Pflegerin kommt mit zu Familienfesten, sitzt Weihnachten mit am Weihnachtsbaum – obwohl sie mit den Gefühlen ganz weit weg ist. „Das kann schnell für alle Beteiligten zum Krampf werden“, sagt Isfort.«

Man muss ganz klar sehen und es auch so deutlich sagen: Solange wir dieses erhebliche Wohlstandsgefälle innerhalb der Europäischen Union haben, wird es zahlreiche Menschen geben, die auch unter Inkaufnahme einer Pendelmigration versuchen werden, einen Teil vom Kuchen abzubekommen und die eigene materielle Lage zu verbessern. Zwar wird sich allein aufgrund der massiven Einbrüche aufgrund der demografischen Entwicklung in den osteuropäischen Staaten das Pflegepotenzial für diese intensive Form der häuslichen Betreuung und Pflege in den vor uns liegenden Jahren deutlich reduzieren, aber wir haben zum einen bereits sehr viele Osteuropäerinnen bei uns im Land und außerdem wird das auch noch einige Zeit so andauern. Insofern kann man mit wirklich guten Gründen diese Situation beklagen und die Folgen bzw. Auswirkungen für die Frauen, Aber man wird grundsätzlich an dem Tatbestand nichts verändern können, dazu ist das Wohlstandsgefälle schlichtweg zu groß. Also hat der Staat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, im Interesse der Pflegebedürftigen, vor allem aber der Frauen aus dem Ausland, die sich hier an der Pflegefront oftmals aufopfern, deren Beschäftigung zu regulieren. Praktisch würde das bedeuten, dass man akzeptiert, dass es sich hier um einen eigenen Beschäftigungsbereich handelt, zum anderen muss man aber sicherstellen, dass die Frauen, Die per se aufgrund des Lohngefälles in einer Ausbeutungssituation stecken, wenigstens ordentlich behandelt werden und man muss sie einbinden in eine flächendeckende Infrastruktur der begleitenden Unterstützung. Schon vor Jahren wurde auf die vorhandenen Missstände wie auch auf den Bedarf an einer rechtlich (für beide Seiten) besseren Lösung hingewiesen und eine solche eingefordert. Bisher hat sich hier allerdings so gut wie gar nichts bewegt, ganz offensichtlich steckt die Politik bei diesem Thema ihren Kopf ganz tief in den Sand.

Nun aber scheint sich doch etwas zu bewegen, überschreibt doch die bereits erwähnte Anette Dowideit einen anderen Artikel mit „Schwarzarbeit in der Pflege soll legalisiert werden„: Wir müssen den Weg zurück in die Legalität ebnen, so wird der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, zitiert. Möglicherweise sollen die Pflegekassen künftig die Sozialversicherungskosten für die Frauen übernehmen, so der Hinweis in dem Artikel auf aktuelle Überlegungen. Man muss an dieser Stelle allerdings auch darauf hinweisen, dass mit einem solchen Verfahren verbunden wäre, dass der Staat gleichsam auf der absoluten ökonomischen Abhängigkeit der betroffenen Frauen aus Osteuropa aufbaut und deren überdurchschnittlichen und eigentlich nicht rechtskonformen Arbeitseinsatz legalisiert und damit der Ausbeutung aufgrund der gegebenen Wohlstandsunterschiede Vorschub leistet und diese stabilisiert. Auf der anderen Seite ist es wohlfeil, wenn man sich auf einen rigorosen Standpunkt stellt. Das entlastet nicht von der Tatsache, dass man auch unangenehme Kompromisse eingehen muss, da sich offensichtlich zahlreiche Familien diese Option bedienen(müssen) und man vor diesem Hintergrund eine Antwort geben sollte, wie man das ganze in geordnetere Bahnen lenken könnte.

Das alles ist keine neue Idee, sondern ganz offensichtlich will man sich an die aktuelle Rechtslage in Österreich anlehnen, die schon vor Jahren den mühevollen Weg der versuchten Legalisierung der osteuropäischen Pflege- und Betreuungskräfte eingeschlagen haben.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: man geht davon aus, dass schätzungsweise 100.000 bis 150.000 Familien auf osteuropäische Pflege-und Betreuungkräfte zurückgreifen. Insgesamt werden derzeit über eine Million Pflegebedürftige ausschließlich von ihren Angehörigen (oder mit Unterstützung der Pflege- und Betreuungskräfte aus anderen Ländern) zuhause gepflegt. In vielen Familien sind es also die Angehörigen alleine, die diese gesellschaftlich absolut wertvolle und unabdingbare Arbeit erledigen – in aller Regel handelt es sich hierbei um Frauen, die diese Aufgabe stemmen.  Die Unterstützung und Hilfestellung für diese oftmals aufreibende Arbeit muss unbedingt im Zuge der Verbesserung der Leistungen in der Pflegeversicherung wie auch durch eine entsprechende Pflegeinfrastruktur vor Ort ausgebaut werden. Wenn es uns aber gelingen würde, durch eine Legalisierung der vorhandenen und weiterhin auch erwartbaren Beschäftigung von Osteuropäerinnen gleichzeitig dazu zu kommen, dass man die Familien, die solche Arbeitskräfte einsetzen, verpflichtet, sowohl professionelle ambulante Pflegedienste regelmäßig ins Haus zu lassen und den betroffenen Frauen aus Osteuropa die Möglichkeit eröffnet, sich zu treffen, auszutauschen und von professionellen Pflegebegleitern betreut zu werden, dann kann man ganz handfeste Verbesserungen der Lebensbedingungen erreichen. Das wäre doch aller Anstrengung wert.