Schwarze sowie einige andere Haushaltshilfen

So kann man es auf den Punkt bringen: 80 Prozent aller Haushaltshilfen arbeiten illegal. Was hängen bleibt, muss nicht weiter erläutert werden. Man könnte durchaus aber auch so eine Botschaft platzieren: Die Schwarzarbeit bei Haushaltshilfen ist »trotz der weiterhin hohen Zahlen in den vergangenen zehn Jahren erheblich zurückgegangen.« Beide Aussagen sind für sich genommen richtig und beziehen sich auf eine neue Veröffentlichung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW):

Dominik Enste: Arbeitsplatz Privathaushalt. IW-Kurzberichte 45/2016, Köln 2016.

Enste hat das Sowohl-als-auch in diese Formulierung gepackt: »Die Schwarzarbeit in Privathaushalten ist in den letzten 10 Jahren um bis zu einem Viertel gesunken. Dies ist insbesondere auf den großen Anstieg der Haushaltshilfen in Minijobs (plus 270 Prozent) zurückzuführen. Dennoch arbeiten weiterhin rund drei Millionen Haushaltshilfen in Deutschland schwarz.«
Dabei ist die Zahl der Privathaushalte, die eine Haushaltshilfe beschäftigen, in den vergangenen Jahren – Enste betrachtet die zehn Jahre von 2005 bis 2015 – relativ konstant geblieben. 2005 waren das 3,86 Millionen, für 2015 werden 3,62 Millionen Haushalte ausgewiesen. Zwischen 8 und 10 Prozent aller Haushalte haben in den zurückliegenden Jahren demnach eine Haushaltshilfe beschäftigt.

»Haushaltshilfen helfen überwiegend einerseits älteren Menschen und andererseits (gutverdienenden) Familien. Haushaltshilfen – zu schätzungsweise fünf Sechstel Frauen – können dabei grundsätzlich zwischen vier verschiedenen Beschäftigungsformen wählen. Neben einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in einem Haushalt besteht die Möglichkeit, über eine Dienstleistungsagentur seiner Arbeit nachzugehen, die Arbeit im Privathaushalt als Minijob anzumelden oder sich selbstständig zu machen«, so Dominik Enste.

Und es gibt natürlich noch eine fünfte Beschäftigungsform: die Haushaltshilfen arbeiten schwarz. Und das tun 80 Prozent von ihnen, folgt man den Schätzungen des IW. Auf der Grundlage der IW-Schätzung für das Jahr 2015 ergibt sich, dass »in etwa 3,6 Millionen Haushalte eine Haushaltshilfe beschäftigt (war). In demselben Jahr lag die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Haushaltshilfen nur bei etwa 47.000 Personen. Rund 300.000 Haushaltshilfen waren bei der Minijob-Zentrale angemeldet und rund 20.000 waren offiziell selbständig tätig. Unter der Annahme, dass eine Haushaltshilfe mit angemeldetem Minijob durchschnittlich in zwei bis drei Haushalten tätig ist, arbeiten damit zwischen 2,67 und 3 Millionen Haushaltshilfen in Deutschland schwarz.«

Man kann der Abbildung aber eben auch entnehmen, dass die Zahl der schwarz beschäftigten Haushaltshilfen in den vergangenen zehn Jahren deutlich abgenommen hat, die Schätzwerte des IW sind um ein Viertel kleiner geworden. »Insbesondere ist dies auf den großen Anstieg der Haushaltshilfen in Minijobs (plus 270 Prozent) zurückzuführen.« Eine besonders bedeutsame Rolle dabei spielt das „Haushaltscheck-Verfahren“ der Minijob-Zentrale, das die Anmeldung von Haushaltshilfen als Minijobber vereinfacht. Wenn der Arbeitgeber Privathaushalt diesen Weg nutzt, dann ist die Haushaltshilfe nicht nur legal beschäftigt, sondern mit einer Anmeldung über die Minijob-Zentrale können die Arbeitgeber 20 Prozent ihrer jährlichen Kosten, bis zu 510 Euro, steuerlich geltend machen.

Trotz dieser Vorteile sind „nur“ 300.000 Minijobberinnen in Privathaushalten offiziell gemeldet – das liegt aber auch daran, dass die geringfügige Beschäftigung bei 450 Euro gedeckelt ist und nicht wenige Putzfrauen haben einen offiziellen Minijob und arbeiten in den Privathaushalten zusätzlich schwarz. Viele, die eine Haushaltshilfe auf Minijobbasis, also ganz legal einstellen wollen (oder müssen), werden das kennen – wenn, dann bekommt man nur Angebote auf der Basis „brutto für netto“, als schwarz. Der theoretisch nutzbare Minijob ist schon „vergeben“.

Interessant sind natürlich die politischen Debatten, die sich um die Präsentation dieser Zahlen entwickeln. „Der Staat sollte Schwarzarbeit tolerieren“, so ist beispielsweise ein Artikel dazu überschrieben. Von wem dieses Zitat stammt? Natürlich, von Friedrich Schneider, „Schwarzarbeit-Experte“ an der Universität von Linz.

Er »fordert … sogar, dass der Staat Schwarzarbeit im Haushaltssektor tolerieren sollte. Der Wohlstandseffekt überwiege im Vergleich zum Steuerausfall, denn insbesondere Frauen könnten durch Haushaltshilfen mehr arbeiten, was dem Staat auch in Form von Abgaben wiederum zugutekomme, betonte Schneider: „Deshalb sollte sich der Staat hier großzügig zeigen und Schwarzarbeit im Haushaltssektor tolerieren“.«

Ganz offensichtlich hat der Experte hier einen eher volkswirtschaftlichen Blick auf das Themenfeld. Und man könnte natürlich ergänzend anführen, dass doch bereits heute, wo Schwarzarbeit verboten ist und zu entsprechenden rechtlichen Konsequenzen führt (oder sagen wir korrekter: führen würde), dennoch fast drei Millionen nicht-angemeldete Haushaltshilfen unterwegs sind, wir also de facto bereits eine von Schneider geforderte Tolerierung haben. Das liegt natürlich auch an dem evidenten Kontrollproblem in privaten Haushalten.

Aber die Forderung Schneiders muss weiter verstanden werden, er will offensichtlich eine Legalisierung der Schwarzarbeit in diesem Bereich.

»Wolfgang Buschfort, Sprecher der Minijob-Zentrale, ist von dieser Idee wenig begeistert. „Wer Schwarzarbeit im Haushaltsbereich akzeptiert, müsste das dann auch im gewerblichen Bereich tun. Das wäre ein fatales Signal“, sagte er.«

Aber es ist schon ein echtes Dilemma, das auch der Sprecher der Minijob-Zentrale anspricht: Den Druck zu erhöhen und Privathaushalte strenger zu kontrollieren, sei jedoch „nicht durchsetzbar“, so wird er in dem Artikel zitiert.

Gibt es Alternativen? Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, wird mit diesem Vorschlag zitiert:

Sie fordert …, dass Minijobs in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse überführt werden müssen. „Die Beschäftigten sollten über Vermittlungsagenturen regulär angestellt sein. Auf die Weise würde der ganze Bereich transparent, und wir kämen vom Vier-Augen-Prinzip hinter verschlossenen Türen weg.

Auch Brigitte Pothmer, Arbeitsmarkt-Expertin der Grünen im Bundestag, scheint diesem Ansatz folgen zu wollen: »Speziell geförderte Dienstleistungsagenturen könnten helfen, die Arbeit in Privathaushalten von Bürokratie zu befreien und existenzsichernde Jobs zu schaffen.« Aber zugleich kennt sie die Untiefen dieses nur auf den ersten Blick überzeugenden Lösungsansatzes: »Das könne aber nur eine Antwort sein, denn haushaltsnahe Dienstleistungen seien individuelle Beschäftigungsverhältnisse, die den sehr privaten und persönlichen Bereich betreffen würden.«

So ist das, die Idee mit den Agenturen gibt es schon lange, auch entsprechende Modellversuche wurden durchgeführt. Mit sehr ernüchternden, um nicht zu sagen mehr als enttäuschenden Ergebnissen. Zum einen wollen viele Kunden nicht einer Agentur, die dann irgendwen schickt, den Zugang zur eigenen Wohnung ermöglichen. Zum anderen aber, man muss es auch ansprechen, wollen offensichtlich viele Privathaushalte nicht auf die Kostenvorteile durch die Schwarzarbeit verzichten.

Was bleibt? Eine gewisse Ratlosigkeit aus Sicht derjenigen, die sich eine Welt der legalen Beschäftigungsformen wünschen.

An sich gute Nachrichten aus der Schattenwirtschaft. Wenn da nicht die Flüchtlinge wären, von denen Gefahr droht. Aber ist das wirklich so?

Es ist schon eine Krux mit dieser Schattenwirtschaft. Im vergangenen Jahr sollte sie steigen – „natürlich“ wegen dem Mindestlohn. Das ist jetzt nicht wirklich passiert, „natürlich“ wegen der „guten Konjunktur“. Aber bloß nicht ausruhen und freuen, denn nun sind es – „natürlich“ – die Flüchtlinge, die den positiven Trend gefährden. Spiegel Online bilanziert forsch: Das sei so, „weil viele Flüchtlinge illegal beschäftigt werden“. Klingt für viele auf den ersten Blick auch nachvollziehbar, aber kann man das dem Material wirklich entnehmen?

Zum Hintergrund: Jedes Jahr veröffentlicht das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) mit Sitz in Tübingen in Zusammenarbeit mit dem an der Universität Linz lehrenden Schattenwirtschaftsexperten Professor Friedrich Schneider Modellberechnungen zum Umfang der „Schattenwirtschaft“. Darunter versteht man Schwarzarbeit, aber auch illegale Beschäftigung (beispielsweise illegale Arbeitnehmerüberlassung) sowie weitere illegale Tätigkeiten.

Anfang Februar 2015 veröffentlichten die Forscher ihre Modellberechnungen für 2015 unter der Überschrift Langfristiger Rückgang der Schattenwirtschaft kommt zum Stillstand.
Darin findet man den Hinweis, „steigende Sozialbeiträge und die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 € (verstärken) die Anreize, in der Schattenwirtschaft zu arbeiten.“ Allerdings wurden auch gegenläufige Effekte gesehen: „Die robuste Situation auf dem Arbeitsmarkt und das geringe, aber positive erwartete Wirtschaftswachstum üben einen dämpfenden Effekt auf das Ausmaß der Schattenwirtschaft aus.“

Zum Einfluß des damals gerade erst eingeführten Mindestlohns schrieben die Wissenschaftler differenzierter:

»Der am 1. Januar 2015 eingeführte Mindestlohn in Höhe von 8,50 € wird die Schattenwirtschaft nach den Modellrechnungen um 1,5 Mrd. € erhöhen. Ergänzende Berechnungen auf der Basis des Sozio-ökonomischen Panels zeigen, dass in Bereichen mit hohem Vorkommen von Schwarzarbeit (persönliche Dienstleistungen, Landwirtschaft, Gaststätten und Hotels und Teile der Bauwirtschaft) vor der Einführung des Mindestlohns vielfach Löhne unter 8,50 € gezahlt wurden. Dies galt für knapp 40 % der Beschäftigten. Die gesamte zur Einhaltung des Mindestlohns notwendige Lohnsteigerung in diesen Bereichen beträgt 7 Mrd. €, also ein Mehrfaches des prognostizierten Anstiegs der Schattenwirtschaft. Nach der Modellschätzung wird also nur ein relativ kleiner Teil der notwendigen Anpassungen durch ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft umgangen.«

Gut, da war eben der gegenläufige Effekt durch die „gute Konjunktur“ stärker, so dass man davon nicht wirklich was merken konnte.

Und wie sieht es nun mit den Flüchtlingen aus? Was schreiben die Forscher in ihrem neuesten Bericht, der unter der Überschrift Gute Arbeitsmarktlage reduziert erneut die Schattenwirtschaft erschienen ist?

»Der Beschäftigungsanstieg auf dem offiziellen Arbeitsmarkt sowie das positive Wirtschaftswachstum werden im Jahr 2016 zu einem Rückgang der Schattenwirtschaft um ca. ein Prozent führen. Das Verhältnis von Schattenwirtschaft zu offizieller Wirtschaft reduziert sich dadurch auf 10,8. Andere Einflüsse machen sich kaum bemerkbar.«

Ja und die Flüchtlinge nun?

Spiegel Online klärt uns auf:

»Der Rückgang der Schwarzarbeit könnte den Studienautoren zufolge allerdings durch den Flüchtlingszuzug abgebremst werden. Sie rechnen verschiedene Modelle durch, denen zufolge zwischen 100.000 und 300.000 Flüchtlinge illegal beschäftigt sein werden, etwa als Putzkraft oder Hilfsarbeiter auf dem Bau. „Wegen der fehlenden Deutschkenntnisse vieler Schutzsuchender ist es wahrscheinlich, dass es zunächst Jobs im Niedriglohn-Sektor sein werden“, sagt Schneider.
Am plausibelsten sei wohl die Zahl 300.000. Das entspräche einer Wertschöpfung von 2,16 Milliarden Euro. „Die Flüchtlinge sind monatelang in ihren Unterkünften zum Nichtstun verdammt, also ist es doch naheliegend, dass sie irgendwann raus wollen und sich als Schwarzarbeiter verdingen“, sagt der Linzer VWL-Professor.«

In der schriftlichen Fassung von Schneider und IAW (2016) liest sich das – nun ja – irgendwie weniger aufregend:

„Flüchtlinge und Schattenwirtschaft: verlässliche Prognose nicht möglich“, schreiben sie auf Seite 2 des neuen Berichts. Warum das?

»Der Zustrom an arbeitsfähigen Personen erhöht das potenzielle Angebot an Arbeitskräften. Allerdings ist eine Modellabschätzung noch nicht möglich, zumal die Zusammensetzung des Flüchtlingsstroms noch nicht bekannt ist.«

Das Problem kennen andere Akteure, die sich mit der Flüchtlingsfrage beschäftigen, zur Genüge.

Was hat man also gemacht? Projektionen hat man gemacht:

»Um eine Vorstellung über mögliche Größenordnungen zu gewinnen, wurde eine Projektion der Schattenwirtschaft von Asylbewerbern und Flüchtlingen vorgenommen. Nach Angaben des IAB ist 2016 infolge der Zuwanderung mit einer Erhöhung des (legalen) Erwerbspersonenpotenzials um 380.000 Personen zu rechnen. Hinzu kommen diejenigen, deren Asylantrag noch bearbeitet wird oder die in Deutschland bleiben, obwohl ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Nach einer Abschätzung ist insgesamt mit ca. 800.000 Personen im erwerbsfähigen Alter zu rechnen.
Nimmt man an, dass 25 % dieser Personen in der Schattenwirtschaft tätig werden, so ergibt sich unter weiteren Annahmen über Arbeitsumfang und Entlohnung eine zusätzliche Wertschöpfung von knapp 1,5 Mrd. Euro.«

Der aufmerksame Leser wird erkannt haben, dass Spiegel Online eine höhere Wertschöpfung aus einem der Szenarien zitiert, während die Autoren selbst mit 1,5 Mrd. Euro darunter bleiben. Und nein, wir fragen jetzt nicht, warum man annimmt, dass 25 Prozent eine Tätigkeit in der Schattenwirtschaft aufnehmen werden. Projektionen leben von den Annahmen, die man macht.

Aber auch wenn es 25 Prozent sein sollten, worüber man streiten kann – die Ergebnisse in der Veröffentlichung von Schneider und IAW klingen nun wirklich eher ernüchternd:

»Nimmt man an, dass 25 % dieser Personen in der Schattenwirtschaft tätig werden, so ergibt sich unter weiteren Annahmen über Arbeitsumfang und Entlohnung eine zusätzliche Wertschöpfung von knapp 1,5 Mrd. Euro … Dieses zusätzliche Volumen der Schattenwirtschaft ist aber geringer als die für 2016 prognostizierte Abnahme der gesamten Schattenwirtschaft. Dies gilt auch für alternativ aufgestellt Szenarien.«

Wie man daraus „Doch der Trend gerät in Gefahr – weil viele Flüchtlinge illegal beschäftigt werden“ machen kann, wie in dem zitierten Spiegel Online-Artikel, bleibt ein Geheimnis des Mediums. Vielleicht hat man sich da aber auch nur gedacht, diese forsche Interpretation passt in den Zeitgeist. Und hängen bleibt bekanntlich oftmals das, was ganz oben steht. Und das aus einigen Annahmen herausdestillierte Diktum „weil viele Flüchtlinge illegal beschäftigt werden“ steht direkt unter der Artikelüberschrift, es wird sich einprägen und passt sicher derzeit vielen ins Weltbild.

Beim Mindestlohn-Bashing darf die Schattenwirtschaft nicht fehlen. Und wenn sie passend gemacht werden muss

Es sind harte Zeiten für die Mindestlohn-Befürworter. Überall wird man konfrontiert mit (angeblichen) Problemen, die durch die neue Lohnuntergrenze ans Tageslicht kommen. Nachdem im Vorfeld der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von vielen Ökonomen massive Beschäftigungsverluste vorhergesagt wurden, von denen die Bundesagentur für Arbeit bislang in ihren Zahlen, in denen sich das aufgrund der Kündigungsfristen schon hätte niederschlagen müssen, (noch) nichts erkennen kann (bzw. ganz im Gegenteil, wie ein Blick auf den Frühindikator des IAB zeigt: Das IAB-Arbeitsmarktbarometer ist im Januar 2015 zum vierten Mal in Folge gestiegen), hat sich in den vergangenen Tagen die hochgekochte Debatte verschoben auf das Feld des (angeblichen) „Bürokratiemonsters“, mit dem viele Unternehmen zu kämpfen haben. Aber auch hier wurde und wird immer öfter auf gewisse Widersprüche zwischen Behauptungen und Realität hingewiesen.

In dieser Situation „passen“ dann wie gerufen solche Schlagzeilen: Mehr Schwarzarbeit wegen MindestlohnWo mehr Lohn ist, ist mehr Schatten oder noch deutlicher, damit gar nicht erst Zweifel aufkommen: Mindestlohn befeuert Schwarzarbeit in Deutschland. Und andere Medien schreiben diese Aussage ab und reichen sie weiter. Es wird bei vielen Menschen hängen bleiben. Aber was ist dran an dieser Botschaft?

Besonders forsch daher kommt der Beitrag von Henning Krumrey von der WirtschaftsWoche: »Durch den neuen Mindestlohn nehmen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung um 1,5 Milliarden Euro zu … Das Ergebnis ist eindeutig: Der jahrelange Rückgang der Schattenwirtschaft erlahmt. Der Mindestlohn macht’s möglich.« 1,5 Mrd. Euro? Nicht nur grundsätzliche Skeptiker werden sich irritiert zeigen ob der Konkretheit der hier präsentierten Folgen des Mindestlohns für ein höchst subtiles und gleichsam naturbedingt nur schwach ausgeleuchtetes Feld, also der Schattenwirtschaft, zu der die Schwarzarbeit gezählt wird, die sich ja eben – wie der Name schon sagt – dadurch auszeichnet, dass sie im Verborgenen stattfindet und – wenn überhaupt – ihre Ausmaße nur geschätzt werden können.
Alle Artikel, die jetzt die Botschaft von den Auswirkungen des Mindestlohnes auf die Schattenwirtschaft transportieren, leiten ihre Aussagen aus einer Quelle ab:

Schneider, F./ Boockmann, B. (2015): Die Größe der Schattenwirtschaft – Methodik und Berechnungen für das Jahr 2015, Linz und Tübingen, 03.01.2015

Dort findet man auch Erläuterungen über die Methodik der Bestimmung des Umfangs der Schattenwirtschaft. Die Tabelle mit der Zeitreihe des Umfangs des geschätzten monetären Werts der Schattenwirtschaft in Deutschland von 1995 bis 2015 sowie des daraus resultierenden Anteils am Bruttoinlandsprodukts ist Schneider/Boockmann (2015: 22) entnommen. Man muss an dieser Stelle besonders zwei Aspekte hervorheben: 1.) Es handelt sich um Schätzgrößen, die bis auf konkrete Euro-Beträge heruntergerechnet werden, die auf zahlreichen Annahmen basieren. Und 2.) Die Schätzungen des Friedrich Schneider sind in der volkswirtschaftlichen Diskussion nicht unumstritten, es gibt erhebliche Zweifel vor allem an der ausgewiesenen Höhe der Schattenwirtschaft (vg. zur Kritik an der Methodik der verwendeten Schätzverfahren beispielsweise U. Thießens (2011): Schattenwirtschaft: Vorsicht vor hohen Makroschätzungen, in: Wirtschaftsdienst, H. 3/2011, S. 194-201).

Wenn man sich die zeitliche Entwicklung der hier ausgewiesenen Werte anschaut, dann muss man in einem ersten Schritt feststellen, dass die Schattenwirtschaft seit Anfang des Jahrtausends mit einem kurzen Ausreißer im Krisenjahr 2009 rückläufig war bzw. ist. Die zentrale, nunmehr auch kolportierte These lautet, dass dieser Rückgang eigentlich weiter gehen würde, wäre da nicht der die Schattenwirtschaft erhöhenden Effekt des gesetzlichen Mindestlohns – der aber, so wird uns dann erklärt, wieder „kompensiert“ wird durch die Schattenwirtschaft senkenden Effekte: »Dämpfend wirkt dagegen die Senkung der Rentenbeiträge von 18,9 % auf 18,7 %« (S. 25). Ganz offensichtlich – ohne das hier vertiefen zu können – gehen die Autoren von einem recht mechanistischen Modell der Schwarzarbeit aus. Steigen die Sozialabgaben etwas an (oder werden sie etwas gesenkt), dann nimmt die Schwarzarbeit zu (oder ab). Auf so einer recht simplifizierenden Logik (im Sinne eines „Ausweicheffekts“) basieren letztendlich auch die aktuellen Werte, die eine Zunahme der Schwarzarbeit durch den Mindestlohn behaupten. Die angedeutete Schlichtheit des Arguments findet man dann in diesem Zitat aus dem bereits erwähnten Artikel von Henning Krumrey:

»Der Wirkungsmechanismus beim Mindestlohn ist einfach. Durch die steigenden Kosten müssen die Unternehmen entweder die Preise erhöhen oder Arbeitskräfte abbauen. Steigende Preise machen es für die Kunden attraktiver, die gewünschte Leistung ohne offizielle Rechnung zu bekommen. Und entlassene Kräfte werden versuchen, ihre Fähigkeiten auf anderem Wege zu Geld zu machen. Leicht anschaulich wird dies am Beispiel der Friseurinnen. Wenn ein Salon die Preise erhöht und die Zahl der Mitarbeiter ausdünnt, wachsen die Haare der Kunden längst nicht langsamer. Aber es ist nun für die Friseurin wie die Verbraucher attraktiver, die Fachkraft zu Haarschnitt oder Dauerwelle in die eigene Wohnung kommen zu lassen.«

Ach, wenn die Welt doch so einfach wäre wie sie von manche Ökonomen so gerne gepinselt wird. Gerade an seinem scheinbar plausiblen Beispiel mit den Friseuren kann man aktuell zeigen, wie Berichte aus der Branche selbst nahelegen, dass es diesen Effekt nach der dort vorgenommenen Einführung eines Mindestlohnes, der bereits vor dem gesetzlichen Mindestlohn implementiert wurde, nicht gegeben hat. Zurückgegangen ist lediglich das Volumen der Trinkgelder, mit denen viele Kunden in der Vergangenheit eine Teilkompensation der niedrigen Bezahlung versucht haben.

Eine Kritik der gegenwärtig kolportierten Meldungen über einen Anstieg der Schwarzarbeit durch den Mindestlohn kann man in dem Beitrag Mindestlohn und Schwarzarbeit – eine Prognose über einen gar nicht so negativen Zusammenhang wie es zunächst scheint nachlesen. Der Autor dieses Blog-Beitrags stellt nach einem Blick in die Veröffentlichung von Schneider und Boockmann fest: Der Mindestlohn wird rechnerisch nur in einem eher geringen Maße ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft nach sich ziehen, was ja nun eine ganz andere Aussage ist als die, die derzeit durchs Dorf getrieben wird. Wie wird das begründet? Hier eine Erläuterung aus dem Blog-Beitrag:

»Die Autoren der Studie haben den sog. Ausweicheffekt explizit für Tätigkeitsfelder mit sowieso schon hohem Aufkommen von Schwarzarbeit berechnet. In diesen Bereichen arbeiten immerhin 12,8 Prozent aller Beschäftigten, von denen mit 39 Prozent ein relativ hoher Anteil im Jahr 2012 unter 8,50 Euro verdient hat. Für diesen Bereich haben die Forscher einen rechnerischen Anpassungsbedarf in Höhe von sieben Milliarden Euro ermittelt, was nichts anderes bedeutet als dass die Löhne in diesen Tätigkeitsfeldern infolge des Mindestlohns um sieben Mrd. Euro erhöht werden, damit dieser vollumfänglich eingehalten wird. Für alle anderen Tätigkeitsfelder liegt der Anpassungsbedarf bei weiteren rechnerisch knapp zehn Milliarden Euro.
Sieht man mal von der Frage ab, ob solche Modellrechnungen überhaupt prognostische Relevanz haben: Wenn man die in den Schätzungen berechnete Mindestlohnwirkung von 1,5 Mrd. Euro dem errechneten Anpassungsbedarf von knapp 17 Milliarden Euro gegenüber stellt, so wird klar, dass bei einer Mindestlohnwirkung von unter neun Prozent nur wenige der von Mindestlöhnen betroffenen Jobs in die Schattenwirtschaft wechseln dürften.«

Der namentlich nicht ausgewiesene Blogger dieses Beitrags hat dann darauf hingewiesen, dass die „Schattenwirtschaftsforscher“ selbst eine sehr relativierende Bewertung in ihrer Studie vornehmen. Diese Stelle findet man bei Schneider/Boockmann (2015) auf der Seite 29 ihrer Veröffentlichung:

»Nur ein kleiner Teil der von den Mindestlöhnen betroffenen Jobs wechselt also in die Schattenwirtschaft. Nach der Modellschätzung wird also nur ein relativ kleiner Teil der notwendigen Anpassungen durch ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft umgangen.«

Das nun hört sich ganz anders an als die Schlagzeilen zu Mindestlohn und Schattenwirtschaft, die allerdings bei vielen hängen bleiben werden.