Die Pflegeversicherung vor der Zahlungsunfähigkeit? Eine Milliarde Euro kann vielleicht das aktuelle Loch stopfen, aber das Grundproblem nicht lösen

»Ein Minus von 2,5 Milliarden Euro werde die Pflegeversicherung in diesem Jahr einfahren, warnen die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Damit wäre der Puffer durch die letzte Beitragserhöhung bereits aufgebraucht.« Das konnte man Anfang 2021 dieser Meldung entnehmen: Pflegeversicherung steuert auf Defizit von 2,5 Milliarden Euro zu. »Nach Prognosen des GKV-Spitzenverbands werden bei den Pflegekassen Einnahmen von 50,3 Ausgaben von 52,8 Milliarden Euro gegenüberstehen. Das zu erwartende Defizit von 2,5 Milliarden Euro müsse aus dem Pflegeausgleichsfonds ausgeglichen werden«, so hieß es am Anfang dieses Jahres. »Der GKV-Spitzenverband forderte die Regierungskoalition auf, noch vor der Bundestagswahl die Finanzierungsprobleme in der Pflege anzugehen. Ohne eine Reform müssten spätestens 2022 die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen.« Und auch eine konkrete Hausnummer wurde genannt: »Nötig sei ein dauerhafter Steuerzuschuss von bis zu neun Milliarden Euro pro Jahr.«

Ein paar Monate später erreichen uns solche Meldungen: Milliarden-Finanzspritze für Pflegekasse: »Während der Pandemie wurde die Kasse der Pflegeversicherung immer leerer. Die Beiträge konnten das Loch nicht füllen. Deshalb droht nun eine Zahlungsunfähigkeit. Der Bund soll nun innerhalb von Tagen eine Milliarde Euro überweisen.« Dass die Pflegeversicherung derart knapp bei Kasse ist, beruhe auf „unvorhergesehenen pandemiebedingten Mehraufwendungen“. Was muss man sich darunter vorstellen?

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Nichts Neues aus den deutschen Schützengräben des dualen Krankenversicherungssystems. Und warum die private Krankenversicherung dennoch wahrscheinlich ein Auslaufmodell ist

In den heutigen Zeiten ist es fast schon erleichternd, wenn man sich wenigstens in einem Politikfeld auf unerschütterliche Gewissheiten verlassen kann. Dazu gehört die in aller Regelmäßigkeit immer wieder thematisierte Existenzfrage des im internationalen Vergleich ziemlich einmaligen dualen Krankenversicherungssystems in unserem Land – und die erwartbare Empörungswelle von der Gegenseite, die das weit von sich weist. Die allermeisten Menschen, also gut 90 Prozent, sind in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), während die restlichen 10 Prozent in der Privaten Krankenversicherung (PKV) ihr Eigenleben führen (können, manchmal aber auch müssen, weil sie beispielsweise im Alter nicht mehr rauskommen, es aber gerne würden).

Nun gibt es seit vielen Jahren eine dieser für Deutschland so typischen Lager-Diskussionen: Die einen fordern die Abschaffung der PKV und die Einführung einer „Bürgerversicherung“ für alle, die anderen schäumen vor Wut angesichts dieses Ansinnens. Zuweilen gibt es dann für den einen oder anderen Irritationen angesichts der Befürworter einer Abschaffung des Sondersystems der PKV, die man da nicht erwartet hätte. Ein Beispiel wäre hier die Bertelsmann-Stiftung, die bei vielen Linken als vordenkerhafter und multiplizierender Arm des Neoliberalismus gilt – aber von dieser Stiftung wird seit Jahren immer wieder für eine „integrierte Krankenversicherung“ und damit für eine Abschaffung der bisherigen eigenständigen PKV geworben (vgl. hierzu grundsätzlich den Beitrag  Systemkohärenz im Gesundheitswesen. Plädoyer für eine integrierte Krankenversicherung von Stefan Etgeton, Uwe Schwenk und Jan Böden bereits aus dem Jahr 2013).

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Der Zahnersatz ist in einer älter werdenden Gesellschaft sicher. Ein sicheres Geschäft für Zahnärzte, für Anbieter privater Zusatzversicherungen und eine teure Angelegenheit für viele Patienten

In vielen Bereichen der medizinischen Versorgung sind es die Menschen gewohnt, dass ihre Krankenkassen die gesamten Kosten einer notwendigen Behandlung übernehmen – und in der Regel ist den meisten Kassenpatienten aufgrund der eigenen Welt der Finanzierungssysteme zwischen Kassen und Ärzten sowie anderen Gesundheitsberufen gar nicht bewusst, wie viel Geld da fließt.

Das ändert sich dann, wenn es um Zuzahlungen in Euro und Cent geht, die Patienten neben ihren Krankenkassenbeiträgen für bestimmte Leistungen abdrücken müssen. Und die können richtig weh tun. Beispielsweise wenn es um Zahnersatz geht. Spätestens dann wird man schmerzhaft daran erinnert, dass es möglicherweise besser gewesen wäre, hätte man früher mehr für die Erhaltung der eigenen Zähne getan.

Foto: © Stefan Sell

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