Nicht nur für Banken gibt es einen „Reservefallschirm“. Auch für faktisch entleihende Unternehmen, die einen (Schein-)Werkvertrag nutzen

Das ist ein weiteres frustrierendes Aktenzeichen für alle, die gegen den Missbrauch von (Schein)Werkverträgen kämpfen und denen sich in der Wirklichkeit immer wieder die bestehende Rechtslage in den Weg stellt, die seit langem identifiziert, diskutiert, und kritisiert wird. Und für deren Abänderung – durch eine kleine Änderung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – die Regierung alle Zeit der Welt gehabt hätte. Sie hat es aber bis heute nicht getan, sondern die Bundesarbeitsministerin hat lediglich angekündigt, auf der Basis des Koalitionsvertrags im Herbst die Sache mal anzugehen. Warum eigentlich erst im Herbst? Aber zuvor der Sachverhalt: Das angesprochene Aktenzeichen lautet 16 BV 121/13 und markiert einen Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 08.04.2014.
Thorsten Blaufelder hat in dem Blog seiner Kanzlei die Besprechung des Urteils unter die Überschrift „Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung führt nicht zu Festanstellung“ gestellt, was zwar nicht grundsätzlich gilt, aber leider den Kern des konkreten Sachverhalts trifft.

Der erste Satz der Entscheidung des Arbeitsgerichts betoniert das Problem ein in die bestehende Rechtslage:

»Wird ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber in einem anderen Unternehmen im Wege eines Werk-/Dienstvertrages eingesetzt und stellt sich der Einsatz in Wirklichkeit als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerk-/Scheindienstvertrag) heraus, wird kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem anderen Unternehmen (Entleiher) begründet, soweit der Arbeitgeber (Verleiher) über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis iSd. § 1 Abs.1 Satz 1 AÜG verfügt.«

Alles klar? Was wir hier erneut erleben müssen ist das Ziehen des „Reservefallschirms“, wie das der Arbeitsrechtler Peter Schüren mal ausgedrückt hat. Bevor die sich dahinter verbergende Problematik erläutert wird, hier erst einmal der Sachverhalt um was und wen es in dem nun zum Abschluss gebrachten Verfahren geht. Hier ein Zitat aus dem Blog-Beitrag von Thorsten Blaufelder:

»In dem Werk befindet sich die Entwicklungsabteilung für Pkw-Motoren, -Achsen und -Getriebe. Bereits seit 2009 wird dort ein Entwicklungsingenieur als „Fremdarbeitskraft“ beschäftigt. Der Einsatz erfolgt auf der Basis von Werk- oder Dienstverträgen jeweils für bestimmte Projekte, zuletzt bei der Weiterentwicklung des Dieselmotors OM 651.
Der Betriebsrat meint, es handele sich um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung. Es bestehe daher ein Arbeitsverhältnis zu Mercedes-Untertürkheim, und der Entwicklungsingenieur könne dort auch selbst für den Betriebsrat kandidieren.
Das Arbeitsgericht Stuttgart wies den entsprechenden Antrag des Betriebsrats nun aber ab. Zwar gebe es „nicht unerheblich Indizien“, dass die Werk- und Dienstverträge nur Scheinverträge sein könnten. Doch selbst wenn man dies annehme, sei kein Arbeitsverhältnis im Mercedes-Werk Untertürkheim entstanden.
Denn die Firma, bei der der Entwicklungsingenieur angestellt sei, verfüge über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Nach den gesetzlichen Vorgaben könne daher „kein Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert werden“. Vielmehr bleibe das Arbeitsverhältnis zur Leihfirma bestehen.«
Und hier sind wir wieder angekommen bei dem Schürenschen „Reservefallschirm“. Was muss man sich darunter vorstellen? Dies ist bereits beschrieben worden in meiner Veröffentlichung aus dem vergangenen Jahr:

Sell, Stefan: Lohndumping durch Werk- und Dienstverträge? Problemanalyse und Lösungsansätze (= Remagener Beiträge zur Sozialpolitik 13-2013), Remagen, 2013

Dort findet man die folgenden Erläuterungen:

»Eigentlich ist die Sache relativ einfach: Wenn unter dem Deckmantel eines Werk- oder Dienstvertrags faktisch eine Arbeitnehmerüberlassung betrieben wird, dann sind die Konsequenzen, die bereits heute im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelt sind, hart und einfach: Der Schein-Vertrag ist nichtig, der Arbeitsvertrag zwischen dem faktischen Verleiher und den überlassenen Arbeitnehmern ebenfalls nd der überlassene Arbeitnehmer wird zum Arbeitnehmer des Entleihers mit allem daraus resultierenden Ansprüchen. Besonders bedrohlich für den Entleiher ist die Strafbarkeit wegen Beitragshinterziehung gemäß § 266a StGB. Besonders aus diesem Bedrohungsszenario könnte eine wirkungsvolle Abschreckung funktionieren, so dass viele Unternehmen, die in Inhouse-Outsourcing praktizieren, darauf achten müssen, die Grenzen zu Arbeitnehmerüberlassung nicht zu überschreiten. Was aber soll an dieser Stelle das „könnte“ im letzten Satz? Es soll überleiten zu dem bereits erwähnten Schlupfloch, mit dem man den dadurch erreichen Abschreckungseffekt wieder neutralisieren kann.

Denn „erfreulicherweise“ für den Auftraggeber funktioniert die skizzierte Abschreckungswirkung heute nicht richtig – und zwar dann nicht, wenn der Scheinwerkunternehmer oder Scheindienstleister über eine Überlassungserlaubnis verfügt. Wenn das der Fall ist, dann tritt die beschriebene Rechtsfolge eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher nicht ein. Die Ansprüche des eigentlich überlassenden Arbeitnehmers richten sich in diesem Fall nicht gegen das Entleih-Unternehmen, sondern gegen das Verleih-Unternehmen. Und genau diese Konstruktion ist in der Praxis weit verbreitet: Die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis fungiert demnach als „Reservefallschirm“ bei verdeckter Überlassung. Im Ergebnis bedeutet das, dass der faktische Entleiher bei einem Scheinwerk- oder Scheindienstvertrag praktisch kein Risiko eingeht, aber die Kostenvorteile, die sich realisieren lassen, mitnehmen kann.« (Sell 2013: 6 f.)
Eine „geniale“ Konstruktion für das faktisch entleihende Unternehmen. Und genau das ist im vorliegenden Fall zur Anwendung gekommen, wenn wir von den „nicht unerheblichen Indizien“ ausgehen, die vom Gericht selbst angesprochen werden, dass es sich um Schein-Werk- bzw. Dienstverträge handelt.

Voraussetzung ist – wie ausgeführt – das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis beim (Schein-)Werkvertragsunternehmen. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann greifen auch bei der bestehenden Rechtslage die beschriebenen schmerzhaften Rechtsfolgen für den faktischen Entleiher. Das gleiche Unternehmen, das im vorliegenden Fall von der Regelung profitiert hat, konnte sich bei einer anderen Fallkonstellation nicht auf Kosten Dritter exkulpieren, worauf Thorsten Blaufelder in seinem Blog-Beitrag hinweist:

»Am 01.08.2013 hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Stuttgart entschieden, dass die Daimler AG im Werk Möhringen zwei IT-Fachkräfte über Jahre mit Scheinwerkverträgen beschäftigt hat. Hier hatte das LAG beiden eine Festeinstellung zugesprochen. Zur Begründung hatte es aber ausdrücklich darauf verwiesen, dass der mit den Scheinwerkverträgen beauftragte IT-Dienstleister nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte«.
Das angesprochene Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 1. August 2013  kann man unter dem Az. 2 Sa 6/13 einsehen.

Ärgerlich an der ganzen Angelegenheit ist der Tatbestand, dass auf diese offensichtliche Regelungslücke schon seit langem hingewiesen wird – und auch auf den relativ einfachen Lösungsansatz für den Gesetzgeber:

»Aus der Logik einer anzustrebenden Abschreckungswirkung liegt der Lösungsansatz für dieses Problem auf der Hand: Man muss durch eine gesetzgeberische Änderung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz den Durchgriff der Sanktionen auf den Auftraggeber sicherstellen.

Der Arbeitsrechtler Peter Schüren hat hierzu einem handhabbaren – und gesetzgeberischen Willen vorausgesetzt auch schnell umsetzbaren – Vorschlag entwickelt: Um zu verhindern, das Schein-Werk- bzw. Schein-Dienstverträge unter dem „Schirm“ einer vorhandenen Überlassungserlaubnis gelangen, sollte der bestehende Gesetzeswortlaut im § 9 Nr. 1 AÜG geändert werden. Vorgeschlagen wird die folgende Ergänzung des § 9 Nr. 1 AÜG (die Ergänzung ist hier kursiv hervorgehoben):
„Unwirksam sind:
1. Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 erforderliche Erlaubnis hat oder bei vorhandener Erlaubnis die Überlassung des Leiharbeitnehmers nicht eindeutig als Arbeitnehmerüberlassung kenntlich macht,“ (Schüren 2013: 178) … Durch diese überaus scharf wirkende Ergänzung innerhalb des AÜG würde der faktische Entleiher erhebliche Sanktionen fürchten müssen, bis hin zur Strafbarkeit seines Verhaltens, was eine erhebliche Abschreckungswirkung entfalten würde. Vor einem solchen Hintergrund würden sich die allermeisten Unternehmen mehrfach gegen die Möglichkeit abzusichern versuchen, dass es sich bei ihren Werkverträgen um Schein-Werkverträge handeln könnte, da die Sanktionen für sie massiv wären. Zumindest das beschriebene und heute existierende Schlupfloch für die Auftraggeber wäre geschlossen.« (Sell 2013: 11 f.)

Nur als kleine Erinnerungs-Fußnote: Als die SPD noch in der Opposition war, hat sie entsprechende Anträge im Bundestag und von ihr regierte Bundesländer über den Bundesrat eingebracht, die von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung aber abgelehnt worden sind, genau so wie die damaligen Anträge von Grünen und Linken. Aber meines Wissens ist die SPD jetzt schon einige Zeit in der neuen Bundesregierung vertreten und dann sogar prominent im Arbeitsministerium.

Das hätte also schon längst geändert werden können, wenn man denn wollte. Also darf man wieder einmal fragen: Was macht Berlin? Und vor allem – wann machen die das, was zu machen wäre?

Ausprobieren, hängen bleiben und alles wird gut? Es gibt einen „Klebeeffekt“ der Leiharbeit – in der Leiharbeit. Sonst kaum.

Die Leiharbeit mal wieder. In der letzten Zeit ist es ruhiger geworden, die aktuellen Debatten haben sich verschoben auf die Problematik der Werkverträge. Schon allein vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse einer neuen IAB-Studie aus Hessen besonders interessant. In dieser Untersuchung hat man sich mit einem Argument auseinandergesetzt, das immer wieder von den Befürwortern der Leiharbeit als eines der Instrumente zur Arbeitsmarkt-Flexibiliserung vorgetragen wird: der so genannte „Klebeeffekt“.

Dahinter steht die Annahme, dass einige Leiharbeiter durch die Tätigkeit in einem entleihenden Unternehmen von diesem „entdeckt“ und übernommen werden, also im Entleihunternehmen „hängen bleiben“. Man kann sich diesen Effekt vorstellen als eine Art verlängerte Ausprobierzeit. Wenn es so wäre, dann kann man die Leiharbeit als „Sprungbrett“ in „normale“ Beschäftigung dar- und herausstellen. Diese hier skizzierte (angebliche) Funktionalität war eines der Hauptargumente der Befürworter der umfassenden Deregulierung der Leiharbeit im Kontext der Umsetzung der „Hartz-Reformen“.

Die noch unveröffentlichte Studie zur „Arbeitnehmerüberlassung in Hessen“, erstellt von Alfred Karloff, Timo Lepper und Carola Bunkert, über die in der Frankfurter Rundschau von Martin Brust unter dem Titel „Zeitarbeit ist kein Sprungbrett“ berichtet wird, kommt zu zwei interessanten Ergebnissen:

  • Leiharbeit ist kein Sprungbrett in reguläre Beschäftigung. In der Studie haben die IAB-Wissenschaftler die Berufsbiografien von Menschen verglichen, die sich arbeitslos gemeldet und im ersten Jahr nach ihrer Meldung bei einer Zeitarbeitsfirma angefangen haben oder eben nicht. In der Gruppe jener, die als Leiharbeiter anheuerten, „konnten wir keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme einer regulären Beschäftigung feststellen“, so wird einer der drei Verfasser zitiert.
  • Die Studie hat auch fest gestellt, »dass Personen jener Gruppe, die nach Eintritt ihrer Arbeitslosigkeit in die Zeitarbeit gegangen ist, in den folgenden fünf Jahren mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Job haben als Personen aus der Vergleichsgruppe – allerdings nur im Bereich der Leiharbeit. „Wer in Leiharbeit eintritt, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, in der Leiharbeit zu bleiben“ … Wenn es einen Klebeeffekt gibt, dann also den von Leiharbeitern in der Leiharbeit.«

Wie ist man zu diesen Ergebnissen gekommen? Man hat Lebensläufe von Personen verglichen, die sich zwischen 2000 bis 2004 in Hessen arbeitslos gemeldet haben, und deren Entwicklung für maximal fünf Jahre verfolgt. »Aus rund 11.000 Personen haben sie rund 500 herausgefiltert, die innerhalb des ersten Jahres der Arbeitslosigkeit bei einem Verleiher angefangen haben. Für die Vergleichsgruppe haben sie für jede Person „statistische Zwillinge“ gesucht, also einen Datensatz, der dem ersten möglichst vollständig gleicht – aber eben ohne Job in der Zeitarbeit.«
Auch den naheliegenden Einwand, dass hier bei einem Vergleich der beiden Gruppen (mit und ohne Leiharbeit) Äpfel mit Birnen verglichen werden, thematisieren die Autoren der neuen Studie:

»Falls Personen mit problematischen Biografien überdurchschnittlich oft als Zeitarbeiter anfingen, dann würde dies die Ergebnisse verzerren. Allerdings hätten sie diese Möglichkeit geprüft und er halte die Wahrscheinlichkeit für eine Verfälschung für sehr niedrig.«

Bei aller Kritik und Aufregung an und über die Leiharbeit muss man aber einerseits auch sehen, dass es sich bei der Leiharbeit insgesamt, also aus Sicht des gesamten Beschäftigungssystem gesehen, um eine überschaubare Größenordnung handelt, andererseits ist die Bedeutung der Leiharbeit für einzelne Branchen und Betriebe – vor allem für die Bundesagentur für Arbeit sowie die Jobcenter selbst – sehr groß:

»Im März dieses Jahres waren laut Arbeitsagentur Hessen etwa 2,5 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hessen im Bereich Zeitarbeit angestellt. Zugleich kamen knapp 27 Prozent der gemeldeten freien Stellen aus dem Zeitarbeitssektor.«

Hier ist eine durchaus diskussionsbedürftige Amalgamisierung der – institutionenegoistisch verständlichen – Anreize bei den Anbietern der Leistungen  festzustellen: Die Arbeitsagenturen und die Jobcenter profitieren einerseits angesichts der vielen Stellenangebote von den Leiharbeitsfirmen, auch und gerade vor dem Hintergrund, dass sie aus anderen Branchen kaum oder nur sehr wenige Stellenangebote bekommen. Und jede „Übergabe“ in Erwerbsarbeit ist eine Integration. Wenn man daran gemessen wird, macht es „Sinn“, mit der Leiharbeit zu kooperieren, denn hier stehen Aufwand und Ertrag in einem sehr günstigen Verhältnis, man kann das also durchaus entsprechend pushen.
Auf der Seite gibt es einen weiteren wichtigen Vorteil, diesmal für die Leiharbeitsunternehmen: Durch die vielen Stellenangebote, die oftmals auch quantitativ aufgeblasen werden,  kommt man kostengünstig, soll heißen: umsonst, an die Stellenprofile von Arbeitsuchenden, die dann besonders wertvoll sind, wenn man wieder neuen und unvorhersehbaren Arbeitskräftebedarf hat.

So kommt das eine zum anderen. Aber nach dieser neuen Studie sollte man auf keinen Fall unwidersprochen behaupten, das dass alles nur zum Wohl der Arbeitslosen passiert.

Werkverträge und Leiharbeit stärker in die Zange nehmen? Nordrhein-Westfalen präsentiert Studie zur gesetzlichen Eindämmung von Missbräuchen

Die Themen Leiharbeit und Werkverträge sind an sich schon heftig umstritten – und nun gießt das rot-grüne Nordrhein-Westfalen weiter Öl ins Feuer mit der Präsentation einer neuen Studie, in der eine weitergehende Regulierung dieser beiden Felder diskutiert und transportiert wird. Das arbeitsrechtliche Gutachten mit dem trocken daherkommenden Titel „Vorschläge für eine gesetzliche Regelung zur Eindämmung von Missbräuchen beim Fremdpersonaleinsatz und zur Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie“ wurde von Prof. Dr. Christiane Brors und Prof. Dr. Peter Schüren im Kontext der Initiative „Faire Arbeit – fairer Wettbewerb“ des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers Guntram Schneider (SPD) erstellt.

Es sind vor allem zwei konkrete Vorschläge aus dem Gutachten der Arbeitsrechtler, die die Debatte über eine stärkere Regulierung von Werkverträgen und Leiharbeit befeuern werden:

Zum einen:  Die Arbeitgeber sollen künftig nachweisen, dass die Beschäftigten tatsächlich echte Werkvertrags-Mitarbeiter sind und kein Schein-Werkvertrag vorliegt. Vorgeschlagen wird also eine Umkehr der Beweislast. Der Arbeitsminister Schneider wird mit den Worten zitiert: »Wenn ein Mitarbeiter aufzeigt, dass er in die Arbeitsorganisation genauso eingebunden ist, wie ein Kollege aus dem Stammpersonal, dann muss das Unternehmen beweisen, dass dies nicht der Fall ist. Kann es das nicht, dann ist es automatisch der tatsächliche Arbeitgeber und haftet. Der Arbeitnehmer kann sich dann einklagen.«

Zum anderen: Bei der Leiharbeit geht es um das Ziel der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern und Stammpersonal. Nach spätestens neun Monaten Einsatz soll mindestens der gleiche Lohn wie beim Stammpersonal gezahlt werden. Der Entleiher, also die Firma, für die gearbeitet wird, haftet als Bürge für diese Lohnzahlung. Leiharbeit soll so nur noch möglich sein, um einen vorübergehenden Bedarf beim Entleiher abzudecken.

Die Übersicht über die wichtigsten Regelungsvorschläge von Brors/Schüren (2014: 5) verdeutlicht die wesentlichen Vorschläge:

1.) Leiharbeit: Die legale Überlassung von Leiharbeitnehmern ist nur noch zur Deckung eines „vorübergehenden“ Bedarfs beim Entleiher zulässig. Das soll in § 1 Abs. 2 AÜG unmissverständlich formuliert werden. Darüber hinaus soll bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen eine Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern Stammpersonal zwingend vorgeschrieben werden. Der zumeist deutlich niedrigere Tariflohn in der Leiharbeit ist nur bei unbefristeten Leiharbeitsverhältnissen möglich. Nach neun Monaten Einsatz im Entleiher Unternehmen muss ausnahmslos mindestens der gleichen Stundenlohn wie beim Entleiher gezahlt werden. Dabei soll der Entleiher als Bürge für die Lohnzahlung haften.

2.) Scheinwerkverträge, Scheindienstverträge und Scheinselbstständigkeit: die Arbeitnehmer, die über einen Scheinwerkvertrag illegal überlassen werden oder Schein selbstständig sind, sollen sich nach den Vorschlägen bei demjenigen, für den sie abhängig arbeiten, mithilfe einer Beweislastumkehr leichter einklagen können. Sie müssen nur nachweisen, dass sie in seiner Betriebsorganisation tätig sind. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass dies im Rahmen eines ordentlichen Werk- oder Dienstvertrags oder einer selbstständigen Tätigkeit erfolgt – sonst steht seiner Arbeitgeberstellung fest.

3.) Ausländer mit entsenden Bescheinigung: hier ist aufgrund der europäischen Rahmenbedingungen die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses als Konsequenz einer Beschäftigung in einem Scheinwerkvertrag nicht möglich. Die Autoren schlagen hier vor, bei illegalen Überlassung und Scheinselbstständigkeit einen vollen Anspruch auf die Vergütung zuzüglich des Arbeitgeberanteils in der Sozialversicherung vorzusehen, denn damit würde der Kostenvorteil aufgehoben und das müsste abschreckend wirken.

Die beiden Autoren plädieren dafür, den Betriebsrat einen stark abgesicherten, dauerhaften Unterrichtungsanspruch bei fremden Personaleinsatz zuzugestehen. Wenn dieses Informationsrecht des Betriebsrats verletzt wird, dann ist der Einsatz unzulässig.

Soweit die wichtigsten Vorschläge der beiden Arbeitsrechtler, die dann im weiteren Gang des Gutachtens begründet und ausformuliert werden.

Natürlich melden sich bereits erste kritische Stimmen zu Wort. So berichtet Lena Kreymann in ihrem Artikel „Kratzen an der Oberfläche„:

Der Vorsitzende des DGB Nordrhein-Westfalen, Andreas Meyer-Lauber, kritisierte gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung am Mittwoch, gleiche Bezahlung erst nach neun Monaten sei unzureichend. »Dann ist weit über die Hälfte der Leiharbeiter schon wieder raus aus dem Betrieb.«

Und zu dem vorgeschlagenen abgesicherten Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats bei fremden Personaleinsatz schreibt Kreymann:

Die Betriebsräte können sich dem Entwurf zufolge umfassender über die Werkverträge in einem Betrieb informieren. Der Haken hierbei: Ein Mitspracherecht ist nicht vorgesehen. Ein Werkvertrag sei schließlich ein Auftrag an eine Fremdfirma, erklärte Schüren dazu. »Dies würde einen Kernbereich der unternehmerischen Freiheit einschränken.«

Schlussendlich sollte man bedenken, dass die heute vorgelegten Vorschläge der Arbeitsrechtler noch weit davon entfernt sind, gesetzliche Realität zu werden. Der Arbeitsminister Schneider (SPD) versteht sie denn auch als Konkretisierung der Vorhabensbeschreibung im Koalitionsvertrag.

Immerhin ist es mit dem neuen Gutachten gelungen, weitere Bausteine für partikulare Lösungsansätze gerade in dem um sich greifenden Problemfeld der Werkverträge zur Diskussion zu stellen.