Auf der Rutschbahn in die Todeszone: Das allmähliche Verschwinden des Garantiezinses für Lebensversicherungen und der beklagenswerte Zustand der deutschen Altersvorsorge

Schon seit geraumer Zeit gibt es in einem Teil der Medien
eine (zunehmend) kritische Berichterstattung über die Tiefen und Untiefen der
privaten Altersvorsorge vor allem im Umfeld der Diskussion über die
„Riester-Rente“. Gerade die Lebensversicherung steht seit längerem und immer
öfter unter Berichterstattungs-Beschuss. Die Kapital-Lebensversicherung ist –
bzw. war – eine der wichtigsten Säulen, gerade bei denen, die gar keine
Alternative haben zu einer privaten Absicherung, weil sie beispielsweise als
Selbständige gar nicht eingebunden sind in die soziale Absicherung durch die
umlagefinanzierte Rentenversicherung. Und das Finanzprodukt (Kapital-)Lebensversicherung
ist erneut in die Schlagzeilen geraten. Vor einiger Zeit schon verunsicherten
Meldungen, das immer mehr Versicherungen eine Abkehr von
Lebensversicherungspolicen mit Garantiezins ankündigen – nach Generali und
Talanx folgte im September auch der Branchenriese Ergo. Und da ist er schon,
der „Garantiezins“. Denn der soll nun endgültig fallen mit Beginn des neuen
Jahres. Um nur einige der Schlagzeilen zu zitieren: Warum
der Garantiezins ausgedient hat
, Trumpfkarte
verloren
Eine Hiobsbotschaft für die Altersvorsorge oder auch Ist
die Lebensversicherung jetzt am Ende?
: »Die Bundesregierung will bei neuen
Lebensversicherungen keinen Garantiezins mehr vorgeben. Weil der als
Hauptargument für die Policen galt, steht der Altersvorsorgeklassiker vor dem
Aus.« Auch der Bund der Versicherten (BdV) stößt in dieses Horn: Bundesregierung
will klassische Lebensversicherung beenden
, so hat man dort eine
Pressemitteilung überschrieben. Der Vorstandssprecher des BdV, Axel Kleinlein,
wird mit diesen markigen Worten zitiert: „Die Bundesregierung spielt mit dem
Vertrauen der Bürger in Lebensversicherungen, private Renten, Riester-Renten,
Rürup-Renten und betriebliche Altersvorsorge.“ Alle diese Wege der
Altersvorsorge sind bisher stark geprägt von den klassischen Verträgen mit
Garantiezins.


Es geht hier nicht um irgendeine Kleinigkeit. Ein Großteil
der mehr als 90 Millionen laufenden Lebensversicherungsverträge basiert auf dem
Modell einer Kapital-Lebensversicherung mit Garantiezins. Der eigentlich Höchstrechnungszins
heißt, was den einen oder anderen jetzt irritieren mag, denn aus Sicht der
meisten Kunden ist der Garantiezins ein Mindestzins in dem Sinne, dass man
diesen Zins mindestens bekommt, wobei viele nicht wissen, dass die
Mindestzinsen nur für den sogenannten Sparanteil eines Vertrages gelten. Daher
sind klassische Verträge nur dann rentabel, wenn die zusätzlich gegebene
Überschussbeteiligung ein zusätzliches Plus bringt.

»Der Höchstrechnungszins ist bei der klassischen Lebens- und
Rentenversicherung der Zinssatz, den Versicherungsunternehmen ihren Kunden
maximal für das angesparte Geld versprechen dürfen. Für Versicherer ist der
Zins also eine gesetzlich vorgegebene Obergrenze, die den Wettbewerb um allzu
kühne Zinsversprechen unterbinden sollte«, während aus Sicht der Kunden dieser
Zinssatz eine andere Bedeutung hat, da er sie informiert, »wie viel der
Versicherer ihm mindestens für das Ersparte zusichern, also garantieren, muss.
Die Garantie ist also die Untergrenze«, kann man diesen Erläuterungen
entnehmen. Die garantierte Rendite – wohlgemerkt nur auf den Sparanteil der
Beiträge innerhalb der Lebensversicherung (also die 80 bis 90 Prozent, die nach
Abzug der Vertriebs- und Verwaltungskosten übrig bleiben; unter
Berücksichtigung dieser Randbedingungen kommt man dann bei ausgewiesenen 1,25
Prozent „Garantiezinsen“ auf eine faktische Rendite in Höhe von noch
mickrigeren 0,5 Prozent) – ist angesichts der Niedrigzinsen am Kapitalmarkt von
einst 4 Prozent auf mittlerweile 1,25 Prozent gesunken. Und nun soll er ganz
fallen, für Neuverträge ab dem 1. Januar 2016.
Zu den Hintergründen verweist das Bundesfinanzministerium
auf die schärferen Eigenkapitalvorschriften Solvency
II
, die ab dem kommenden Jahr gelten, mit denen die Versicherungsbranche
krisenfester gemacht werden soll. Danach müssen Versicherer für langfristige
Versprechen an Kunden wie den Garantiezins mehr Eigenmittel zurücklegen.

Interessant an dieser Stelle die zum Vorstoß der
Bundesregierung abweichende
Positionierung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
:
„Zur Gewährleistung langlaufender Lebensversicherungsprodukte mit
Zinsgarantien, die nicht gegen Zinsänderungsrisiken abgesichert sind, ist auch
in Zukunft eine Vorgabe für den höchstzulässigen Rechnungszins nötig“, so Peter
Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des GDV. Die Aussage überrascht,
denn sie steht dem Trend der Branche entgegen, stärker garantielose Policen
anzubieten. Auch die Versicherungsmathematiker der einflussreichen Deutschen Aktuarvereinigung machen sich für
eine Beibehaltung
der Vorgabe
bei klassischen Lebensversicherungsprodukten stark – allerdings
mit einem Veränderungsvorschlag zum heutigen System:

»In den ersten 15 Jahren soll der Höchstrechnungszins ein
fester Zinssatz sein, der sich am Kapitalmarkt orientiert; in der Zeit danach
ein vorsichtigerer Wert, der der langfristigen volkswirtschaftlichen Erwartung
mit einem Sicherheitsabschlag folgt und ebenfalls bereits anfänglich festgelegt
wird. So können auch weiterhin fest garantierte Zinsen in marktangemessener
Höhe die Basis für eine erfolgreiche Altersversorgung und eine ergänzende
Überschussbeteiligung sein.«

Über die Motive vor allem der GDV, für den einen oder
anderen überraschend gegen die geplante Streichung des Garantiezinssatzes zu
argumentieren, kann man natürlich nur spekulieren. Den meisten, gerade in
Deutschland extrem risikoaversen und sicherheitsorientierten Kunden sind
Garantiezusagen wichtig – und die Berücksichtigung dieses psychologischen
Moments wird wahrscheinlich hinter der Positionierung stehen, denn bei den
(potenziellen) Kunden kommt jetzt vor allem die für die Verkaufe der Produkte
unangenehme Botschaft an, da gibt es „nichts“ mehr zu holen.
Grundsätzlich wird es Versicherern auch künftig möglich
sein, Lebensversicherungen mit einer garantierten Verzinsung anzubieten, worauf
der GDV beispielsweise hinweist. Allerdings müssen sie dann zusehen, dass sie die
Eigenkapitalvorschriften, die sich aus Solvency II ergeben, erfüllen – und die
sind teuer. Nicht nur deshalb verabschieden sich immer mehr Versicherer schon
seit längerem – wie bereits angedeutet – von dem Produkt Lebensversicherung mit
Garantiezins. Stefan Kaiser hat seinen Artikel zu dieser Entwicklung so
überschrieben: Gut
für die Versicherer, schlecht für die Kunden
: »Die deutschen
Lebensversicherer bieten immer häufiger Policen ohne Garantiezins an. Das soll
die Renditechancen der Anleger erhöhen – nutzt aber vor allem den Anbietern.«
Die Allianz beispielsweise ist von sich selbst begeistert bzw. genauer von der neuen
garantiezinsfreien Police „Perspektive„.
Mittlerweile hat das Unternehmen noch vier weitere Produkte ohne garantierte
Verzinsung aufgelegt, die teilweise auch an die Entwicklung von Aktienindizes
geknüpft sind. Insgesamt machen solche Policen mittlerweile 63 Prozent des Neugeschäfts
mit Privatkunden aus, berichtet Stefan Kaiser in seinem Artikel. Zu kritisieren
ist vor allem die für den Kunden die Intransparenz der neuen Produkte, die noch
schlimmer ist als bereits bislang. Er wird mit heutigen Renditeversprechen
geködert und muss sich verlassen, dass das Unternehmen das auch realisieren
kann über einen jahrzehntelangen Zeitraum. Da muss man schon sehr viel
Gottvertrauen in Ergo & Co. haben. Stefan Kaiser dazu: »Tatsächlich haben
die neuen Produkte für die Versicherer den Vorteil, dass diese die genaue
Verzinsung für die Kunden erst am Ende festlegen müssen. Sie entscheiden dann
je nach Marktlage. Garantiert ist dem Kunden zum Beginn des Ruhestandes in der
Regel nur das eingezahlte Kapital – ohne jegliche Rendite.«
Strategisch gesehen geht es den Versicherungsunternehmen vor
allem um einen vollständigen Risikotransfer auf die Versicherten. Also für die
ist das natürlich ein schlechtes Geschäft, vor dem man sich vor allem mit Blick
auf die Nutzung für die Altersvorsorge hüten sollte.

Das ist eine Melodie, die von den beiden Journalisten Holger
Balodis und Dagmar Hühne seit langem immer wieder gespielt wird. Sie betreiben
eine eigene Website unter www.vorsorgeluege.de
und haben vor einigen Jahren das Buch Die
Vorsorgelüge. Wie Politik und private Rentenversicherungen uns in die
Altersarmut treiben
veröffentlicht und nun im September 2015 nachgelegt mit
einem neuen Buch unter dem derben Titel Garantiert
beschissen! Der legale Betrug mit den Lebensversicherungen
. Sie verweisen
auf drei Systemfehler, aus denen die Tatsache entspringt, dass für die meisten
Versicherten die ganze Angelegenheit ein Verlustgeschäft ist: a) Kostenklau, b)
Stornoklau, c) Lebenserwartungsklau. Damit legen sie tatsächlich den Finger auf
systematisch offene Wunden in diesem Bereich.
Nun könnte der eine oder andere einwenden mit Blick auf die
Lebensversicherungen und den Niedergang sowie die nun anstehende Beerdigung des
Garantiezinssatzes, dass das alles schlimm ist, aber „nur“ die Neufälle
tangieren wird und diejenigen, die schon vor Jahren abgeschlossen haben, sind
dann fein raus aus, weil sich ja bei ihnen nichts ändern wird. Auch hier aber
gießen zumindest die Verbraucherschützer eine Menge Wasser in den Wein. Der BdV
befürchtet
auch Nachteile für Altverträge: „Zwar sind die Garantien schon bestehender
Verträge ziemlich sicher, die neuen Maßnahmen der Bundesregierung werden aber
negativ auf die Überschüsse durchschlagen“, so Axel Kleinlein. Sinkende
Überschüsse könnten dann zu einer noch unrentableren Altersvorsorge führen.
Denn, so der BdV: Die Überschüsse in den Beständen der klassischen Tarife
dienten bisher als Verkaufsargument für den Vertrieb von Neuverträgen mit
Garantiezins. Das fällt jetzt in der neuen Welt weg.
Und wieder stehen wir skeptisch-enttäuscht vor der Szenerie
einer ja auch staatlicherseits seit langem geforderten und geförderten
stärkeren privaten Altersvorsorge. Bekanntlich wurde ein Teil der
Sicherungsfunktion der guten alten umlagefinanzierten Rentenversicherung auf
Kosten der vor allem den Versicherungsunternehmen dienenden Säule der privaten
Altersvorsorge abgebaut – ohne dass es wirklich und gerade bei denen, die
besonders darauf angewiesen wären, zu einer tatsächlichen Kompensation der
Ausfälle kommen wird. Würde es sich nur um Sahnehäubchen handeln, die im
schlimmsten Fall wegfallen, dann wäre die Lage anders zu bewerten. Wir sprechen
hier aber von der existenziellen Sicherungsfunktion eines
Alterssicherungssystems.

Aber auch wenn man – rein hypothetisch mal hier gedacht –
die Entwicklung vor allem seit der „Riester-Rentenreform“ der damaligen
rot-grünen Bundesregierung Anfang des neuen Jahrtausends rückgängig machen. Das
würde den vielen Selbstsändigen und darunter vor allem den vielen
soloselbständigen Kümmerexistenzen nicht helfen. Wieder einmal sehen wir die Mega-Aufgabe
eines Umbaus des Alterssicherungssystems, der alle ausweichen, auch die
derzeitige Große Koalition. Aber das wird uns einholen, das ist gewiss.

Gewinner und Verlierer gibt es immer, vor allem, wenn es um Geld geht. Und Geldpolitik ist auch ein sozialpolitisches Thema. Und da genau so umstritten wie generell der ganze Ansatz der EZB unter den Ökonomen

Mehr als eine Billion Euro wird die EZB bis September nächsten Jahres in die Märkte spülen. Monat für Monat sollen es 60 Mrd. Euro sein. Es muss an dieser Stelle nicht darüber sinniert werden, was man mit so viel Geld Gutes tun könnte – für die Menschen, die Hilfe brauchen, aber auch für die Volkswirtschaften durch echten Konsum und Investitionen in Menschen. Darum geht es der EZB nicht. Welche Effekte die „Geldschwemme“ auf die Realwirtschaft, auf die Kreditvergabe und auf die Inflationsrate haben wird, lässt sich nur schwer vorhersagen und darüber streiten sich die Ökonomen derzeit heftig – allein die begriffliche Einordnung als „Geldschwemme“ wird von manchen Volkswirten abgelehnt, stellvertretend hierzu Heiner Flassbeck in seinem Beitrag Die EZB hat entschieden, aber entschieden ist nichts.

Unabhängig davon kann man beispielsweise zwei ganz handfeste Auswirkungen der Geldpolitik der EZB beobachten: Die Zinsen für europäische Staatsanleihen, auch für die der Krisenländer des Euro-Raumes, verzeichneten neue Renditetiefstände, was von der EZB ja auch so gewollt ist. Gleichzeitig kann man an den Aktienmärkten ein wahres Kursfeuerwerk beobachten, der DAX stieg in diesen Januartagen bis auf über 10.700 Punkte und damit auf ein neues Allzeithoch. Natürlich hat eine dermaßen starke Medikation, wie sie von der EZB dem Euro-Patienten verordnet wird, auch Nebenwirkungen. Auf eine davon hat bereits vor einiger Zeit Yves Mersch, Mitglied im Direktorium der EZB, in einer Rede offen hingewiesen: Eine ultralockere Geldpolitik mit massenhaften Wertpapierankäufen scheine die Einkommensungleichheit in der Gesellschaft zu vergrößern, so seine Aussage, über die Philip Plickert in seinem Artikel Die EZB-Geldpolitik macht Reiche noch reicher berichtet. Offensichtlich bezieht sich Plickert dabei auf diese Rede von Mersch: Monetary policy and economic inequality vom 17.10.2014.

Unterstützung bekommt diese Kritiklinie sogar von einer Seite, die man auf den ersten Blick vielleicht am wenigsten hier erwartet hätte: »Sahra Wagenknecht von der Linkspartei wetterte, Draghi liefere ein „Dopingmittel für die Finanzmärkte“, das die Reichen noch reicher mache.«
Und die Linke Wagenknecht reiht sich offenbar ein in eine illustre Runde an Kritikern aus ganz unterschiedlichen (partei)politischen Schützengräben:

»Der CSU-Generalsekretär bezeichnete Draghi als „Gehilfen der Spekulanten“. Und die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch wetterte, Draghi betreibe eine „asoziale“ Politik: „Vermögende werden noch vermögender. Arme werden ärmer.“ Die Flutung der Märkte mit 1 Billion Euro bewirke eine „Umverteilung von unten nach oben wie noch nie in der Geschichte“. Auch der Spekulant George Soros, der auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Draghis Anleihekaufprogramm als „überwältigend“ lobte, macht sich Sorgen über eine Zunahme der Ungleichheit deswegen: „Das dürfte ernsthafte politische Folgen haben.“«

Wie aber soll das funktionieren mit der steigenden Einkommens- und Vermögensungleichheit durch die lockere Geldpolitik? Plickert berichtet über mehrere Wirkungskanäle, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden:

1.) Während einfache Haushalte hauptsächlich Arbeitseinkommen beziehen, haben die reicheren meist Kapitaleinkünfte. Steigen die Kurse, weil die Geldpolitik locker ist oder die Zentralbank sogar direkt Wertpapiere kauft, erhöht das die Ungleichheit.
2.) Zweitens profitieren jene mehr als andere von der Geldpolitik, die näher an den Finanzmärkten sitzen und schneller reagieren, also professionelle Finanzmarktakteure eher als kleinere, passive Anleger mit weniger Informationen. Auch hier haben die Vermögenden die Nase vorn.
3.) Und drittens bewirkt die lockere Geldpolitik eine Umverteilung weg von den Geldbesitzern hin zu den Wertpapierbesitzern. Während sie die Kurse in die Höhe treibt, leiden die einfacheren Bürger mit kleinem Vermögen darunter, dass sie für ihre Ersparnisse kaum noch Zinsen erhalten.
4.) Als weiteren Effekt kann man den Anstieg der Immobilienpreise hinzuzählen, der auch von der Flut billigen Geldes getrieben ist. Ärmere Haushalte, die zur Miete wohnen, sind gegenüber Häuser- und Wohnungseigentümern im Hintertreffen.

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, sprach von einem „riesigen Vermögenseffekt“ durch die Börsengewinne im Zuge der extrem lockeren Geldpolitik, so Plickert in seinem Artikel. Das EZB-Programm habe einen „sehr starken umverteilenden Effekt“ – es bewirke eine Umverteilung nach oben. Und der umverteilende Effekt zugunsten der Reicheren sei in Europa besonders stark ausgeprägt, weil die Quote der Aktionäre und Wertpapierbesitzer in der breiten Bevölkerung geringer ist als in den USA.

Plickert weist allerdings auch darauf hin, dass es andere Studien gibt, »die günstige Effekte eines Anleihekaufs der Zentralbank für die Geringverdiener erkennen. Wenn es mit der lockeren Geldpolitik gelingt, die Konjunktur zu stimulieren und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, profitieren davon gerade die unteren Schichten … Ärmere Menschen seien auch häufiger Schuldner und profitierten von billigeren Kreditzinsen.«

Mit der hier referierten These von der ungleichheitssteigernden Wirkung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hat sich Tilman Weigel in seinem Blog-Beitrag Lässt die EZB die Ungleichheit steigen? auseinandergesetzt und das von ihm gesetzte Fragezeichen ist nicht nur rhetorisch gemeint, sondern es drückt die grundsätzlichen Zweifel aus, die er hat. Seine anfragend daherkommende Argumentation geht so:

»Dass sinkende Zinsen die Aktienmärkte beflügeln, ist eine weitgehend akzeptierte Annahme. Denn weil die EZB Anleihen kauft, schichten Investoren ihr Kapital in Aktien und Immobilien um. Das, so die Argumentation der Kritiker, erhöht die Ungleichheit. Denn Arme besitzen keine Aktien und selbst die Mittelschicht verliert eher Geld als sie gewinnt, denn ihre Ersparnisse stecken oft in verzinslichen Anlagen.
Allerdings erscheint mir der Effekt fast paradox. Umgekehrt würde das ja bedeuten, bei einer stärkeren Nachfrage nach Kapital und damit steigenden Zinsen, müsste die Ungleichheit abnehmen. Eigentlich sollten ja eher die von einer Entwicklung profitieren, die ein Gut anbieten, das knapp ist.
Zumal die höheren Aktienkurse ja vorrübergehend sein dürften. Durch sie sinkt die Rendite der Aktien, gemessen beispielsweise im Kurs-Gewinn-Verhältnis.«

Und noch einen weiteren kritischen Aspekt sieht er:

»Vor allem aber erstaunt mich, dass niemand davon spricht, dass niedrige Zinsen ja zwei Seiten haben. Während die Gläubiger darunter leiden, profitieren die Schuldner. Wer arm ist, zieht also keinen Nutzen aus dem Anstieg der Aktienkurse, wohl aber aus der geringeren Belastung durch Schulden. Und Schulden hat in den unteren Einkommensschichten letztendlich jeder, den die Staatsschulden lasten auf allen, während die Gläubiger eher den mittleren und oberen Einkommensgruppen angehören.«

Seine Vermutung geht dahin, dass zwischen temporären und dauerhaften Effekten unterschieden werden muss, um zu einer genaueren Einschätzung kommen zu können. Hypothesen über Hypothesen. Wie so oft bei sozialwissenschaftlichen Themen mehr Fragezeichen als gesichertes Wissen, was nicht wirklich überraschend ist, vor allem bei derart komplexen Systemen.

Deshalb abschließend – scheinbar – etwas Konkretes hinsichtlich der sozialpolitischen Implikationen der Geldpolitik. Zu Wort gemeldet hat sich Maximilian Zimmerer, Vorstandsmitglied des Versicherungskonzerns Allianz und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat seine Ausführungen unter die kompakte Überschrift gestellt: „Was die EZB tut, schadet der Altersvorsorge“. Da schlägt angesichts der faktischen Bedeutung der privaten Altersvorsorge für das Alterssicherungssystem und der bereits heute in diesem Teilbereich vielfach kritisierten Sicherungslücken das sozialpolitische Herz schneller. Zimmerers Diagnose: „Langfristiges Sparen lohnt kaum noch, und damit entsteht eine große Gefahr für künftige Rentner.“

Das hört sich bedrohlich an – aber vielleicht dient es der Wahrheitsfindung, dass man korrigierend anmerken sollte, dass eine große Gefahr vor allem und erst einmal für das Geschäftsmodell der Versicherer droht bzw. sich diese schon längst an die Oberfläche gearbeitet hat, denn die mit konventionellen Anlagestrategien immer kleiner werdenden Renditen, die sich noch erwirtschaften lassen, fließen ja nun nicht eins zu eins an die sparenden Altersvorsorger, sondern der finanzindustrielle Komplex gibt was davon ab und behält den Rest. Dieses Modell nun wird tatsächlich angesichts des weltweiten Niedrigzinsumfeldes, das schon seit Jahren zu beobachten ist, wie auch aufgrund der gewaltigen Menge an renditesuchende Kapitals immer schwieriger bzw. immer unattraktiver. Also Gefahr droht zuallererst einmal Allianz & Co., dann in einem zweiten Schritt den auf Kapitaldeckung setzenden bzw. auf diese verwiesenen Sparern – und über kurz oder lang dem ganzen System, dessen Legitimationsbasis sich in Auflösung befindet. Allerdings ist aus dieser Perspektive die aktuelle Geldpolitik der EZB nur eine weiterer, verstärkender Impuls in Richtung Abgrund, keineswegs der Auslöser.

Dafür ist Geld da. Die Riester-Rente und ihre Förderung, die wirkliche Wirklichkeit der Zahlen und das offensichtliche Unvermögen, mit Scheitern umgehen zu können

Also normalerweise ist es ja so, dass die Haushaltspolitiker versuchen, zukünftige Ausgaben klein zu rechnen oder zu verschieben. Da werden dann Annahmen gemacht, die so konstruiert sind, dass die daraus resultierenden Kosten geringer ausfallen als es dann tatsächlich kommt. An so etwas ist man gewöhnt. Aber den umgekehrten Fall findet man weitaus seltener. Die Kalkulation der Steuermittel für die Riester-Rentenförderung folgt offensichtlich diesem Ausnahmemuster. »Die Ausgaben für die staatliche Förderung der Riester-Rente werden nach Angaben der Bundesregierung bis 2019 voraussichtlich um rund 920 Millionen Euro steigen. Nach 2,41 Milliarden Euro im vergangenen Jahr rechnet der Arbeitskreis Steuerschätzung für 2019 mit Aufwendungen an Altersvorsorgezulagen von 3,3 Milliarden Euro«, kann man dem Artikel Förderung der Riester-Rente steigt bis 2019 entnehmen – und schreibt damit eine lange Geschichte der Fehlkalkulation fort, wie wir noch sehen werden.

Der Aufbau einer staatlich geförderten zusätzlichen Altersvorsorge (Riester-Rente) war und ist ein Kernstück der Rentenreform 2001 – neben der deutlichen Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung im Umlageverfahren durch die massive Absenkung des Rentenniveaus sowie einer „Dämpfung“ des eigentlich vorzunehmenden Rentenanstiegs durch Eingriffe in die Rentenanpassungsformel. Die Förderung wird in Form von Zulagen und einem zusätzlichen Sonderausgabenabzug ausgezahlt, wobei die Deutsche Rentenversicherung für die Abwicklung der staatlichen Förderung zuständig ist. Nun wurde in den vergangenen Jahren immer öfter auch kritisch berichtet über Sinn und Unsinn der unterschiedlichen Formen der Riester-Rente und ihrer Förderung, wobei sich diese Debatten in der Regel auf Fragen der „Rendite“ dieser kapitalgedeckten Form der privaten Altersvorsorge bezogen haben und beziehen. Offensichtlich hat die kritisch-ablehnende Perspektive ihre Wirkung entfalten können – denn die Inanspruchnahme dieser geförderten Form der Altersvorsorge schwächelt doch ganz erheblich, um das mal nett zu formulieren.

Ein erster flüchtiger Blick auf die Zahlen scheint hingegen eine „Erfolgsgeschichte“ anzuzeigen: Im Sommer des Jahres 2014 »wurden fast genau 16 Mio. Riester-Verträge gezählt. Die Versicherer liegen mit knapp 10,9 Mio. Policen unangefochten auf dem ersten Platz. Gefolgt von den Fondsgesellschaften mit gut 3 Mio. Verträgen. Nahezu 1,3 Mio. Menschen  wohnriestern und gut 800.000 Riester-Verträge konnten Banken und Sparkassen an die Vorsorgeenthusiasten bringen.« Aber die wirkliche Wirklichkeit sieht anders aus, man kann nicht nur davon sprechen, dass das Riester-System schwächelt, sondern man muss sagen, »dass es an die Wand gefahren ist, denn seit dem Jahr 2011 ist klar erkennbar, dass die Zahl der neuen Verträge stagniert und die Wachstumsgeschichte vorbei ist: Im Jahr 2007 wurden mit fast 2,1 Mio. Policen die meisten Riester-Verträge neu abgeschlossen. Im Jahr 2013 hingegen haben sich nur noch 453.000 Menschen neu für das „Riestern“ entschieden und unter Berücksichtigung der Vertragsabgänge kann man erkennen, dass sich bei der Zahl der Verträge seit 2011 nichts mehr bewegt.« Außerdem muss man berücksichtigen, dass knapp 20 Prozent der Verträge ruhend gestellt sind und damit nicht (mehr) bespart werden.
»Nur auf 12,7 Millionen werden noch Beiträge eingezahlt … Nur 6,4 Millionen Versicherte zahlen den vollen Satz von 4 Prozent des Bruttoeinkommens ein, nur sie bekommen die volle Zulage – vier Millionen Frauen und 2,4 Millionen Männer. Hier hatte sich die Bundesregierung deutlich mehr Zuspruch erhofft, denn insgesamt könnten hierzulande 35,7 Millionen Menschen riestern«, so Kerstin Schwenn in ihrem Artikel Die Deutschen „riestern“ viel zu wenig.

Von den Beschäftigten werden mit Blick auf die Gesamtzahl der Riester-Verträge etwas mehr als ein Drittel erreicht – was aber eben auch heißt, dass zwei Drittel nicht partizipieren werden können von dieser ja eben nicht zusätzlichen Säule der Alterssicherung, denn die Zahlungen aus der Riester-Rente sollen ja – so der ursprüngliche Plan der rot-grünen Bundesregierung bei der Rentenreform um die Jahrtausendwende – die Absenkung des Rentenniveaus in der eigentlichen Rentenversicherung wieder kompensieren für die Betroffenen. Was natürlich bei solchen (Nicht-)Inanspruchnahmequoten auch nicht annähernd gelingen kann. Der Vollständigkeit halber sei noch hinzugefügt, dass aus sozialpolitischer Sicht besonders erschwerend hinzu kommt, dass die Haushalte, die über sehr niedrige oder durchschnittliche Einkommen verfügen, was sich dann ja auch über die Rentenformel abbilden wird in der Höhe der Leistungen aus der 1. Säule der Alterssicherung, eine überdurchschnittliche Nicht-Inanspruchnahme aufweisen, anders gesagt: Je wohlhabender die Haushalte, desto größer ist der Mitnahmeeffekt der staatlich geförderten Riester-Rente. Dass viele Versicherte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gar keine „Rendite“ aus ihren Sparmodellen erhalten werden, weil sie das dafür erforderliche Alter nicht erreichen werden oder dass die einzigen, die wirklich bislang profitiert haben, der finanzindustrielle Komplex war, wurde und wird auch immer wieder berichtet, so dass in der Gesamtschau bei vielen, die vorher dem Staat vertraut haben, dass er in ihrem Sinne handeln wird, wenn er so etwas einführt, nicht mehr glauben und dann lieber verzichten auf irgendeine Förderung.

Aber das alles lässt die Bundesregierung völlig kalt, wenn es um die Kalkulation der (angeblich) in Zukunft erforderlichen Steuermittel geht. Sie glaubt an den Erfolg der Riester-Story. Wie ein uneinsichtiger Wiederholungstäter werden sich auch die nun vorgelegten Zahlen in Rauch auflösen. Darauf hat dankenswerterweise der Bundestagsabgeordnete Markus Kurth von den Grünen auf der Basis einer Anfrage an die Bundesregierung hingewiesen, die ihm nun geantwortet hat.
Er hat sich die Zahlen geben lassen, wie sich realen Ausgaben für die steuerliche Förderung der Riester-Renten, also die Altersvorsorgeaufwendungen, entwickelt haben – und das dann verglichen mit den kalkulierten Steuermitteln für die staatliche Förderung, wie sie in den Steuerschätzungen der Jahre 2009 bis 2012 in Ansatz gebracht worden sind. Das Ergebnis verdeutlich eindrucksvoll die Abbildung. Man ist fast schon geneigt, etwas blumig zu bilanzieren: Wie eine Herde wilder Pferde stürmen die Steuerschätzer immer wieder in unerreichbare Regionen des Bedarfs an Steuermitteln für die Riester-Förderung – und werden dann von der Realität der tatsächlichen Inanspruchnahme eingeholt. Offensichtlich aber – siehe die Abbildung – gibt es keinen erkennbaren Lerneffekt. Der grüne Abgeordnete wird hinsichtlich der von ihm kritisierten Schönrechnerei zitiert mit den Worten: „Seit Jahren gibt sich die Bundesregierung der Illusion hin, dass die Riester-Rente immer beliebter wird.“

Nun könnte man an dieser Stelle kopfschüttelnd ob der (letztendlich nicht nur) rechnerischen Merkwürdigkeiten den Beitrag schließen. Dennoch kann und muss man weiterdenken. Denn offensichtlich sind wir konfrontiert mit einem grandiosen Scheitern des bestehenden Systems der staatlichen Förderung der privaten Altersvorsorge, die ja – bei allem Zurückbleiben hinter den hochgerechneten Erwartungen – jedes Jahr gut 2,5 Mrd. Euro verschlingt, von denen viele Euros in den Taschen der Finanzindustrie hängen bleiben. Von 2002 bis 2014 wurde die Riesterrente insgesamt mit 27,4 Milliarden Euro aus Steuermitteln subventioniert. Und beharrlich erscheint das Unvermögen der Bundesregierung, aus der faktischen Entwicklung irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. Davon abweichend gibt es unterschiedliche Positionierungen, wie es (nicht) weitergehen soll in diesem Bereich.

»Wer etwas gegen Altersarmut tun will, muss die Riesterförderung endlich stoppen und die gesetzliche Rente stärken. Denn Riestern kann und wird den Niedergang der gesetzlichen Rente nicht ausgleichen«, so der Bundestagsabgeordnete Matthias Birkwald von den Linken in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau unter der Überschrift Die Riesterrente ist ein kolossaler Flop. Seine Diagnose deckt sich mit der Kritik vieler anderer:

»Schon im März 2008 begründete die Linke ihren Antrag mit dem Titel „Riesterrente auf den Prüfstand stellen“ wie folgt: „Tatsächlich wird das Gesamtversorgungsniveau aus gesetzlicher Rente und Zusatzvorsorgeleistungen aus der Riesterrente in Zukunft nicht einmal jenes Sicherungsniveau erreichen, welches vor der ,Riesterreform‘ allein aus der gesetzlichen Rente geleistet wurde.“ Das war damals schon wahr und die aktuellen Zahlen aus dem Rentenversicherungsbericht 2014 bestätigen das noch einmal eindrücklich: Zwischen 2000 und 2014 sank das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente vor Steuern von 53 auf 48 Prozent und wird 2028 auf 44,4 Prozent geschrumpft sein. Selbst mit Riesterrente und – das sei hinzugefügt – unter völlig unrealistischen Annahmen von vier Prozent Verzinsung und Verwaltungskosten von zehn Prozent werden wir dann nur bei einem Gesamtsicherungsniveau von 50,6 Prozent angekommen sein. Zwischen 2014 und 2028 sollen laut der Bundesregierung die Löhne um 51,3 Prozent steigen, die gesetzliche Rente aber nur um 39 Prozent.

Im Klartext: Die Kürzungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel verschärfen den Niedergang der gesetzlichen Rente Jahr für Jahr. Riestern kann und wird den Niedergang der gesetzlichen Rente nicht ausgleichen.«

So weit, so bekannt und grundsätzlich auch richtig. Was aber tun? Birkwald plädiert in seinem Beitrag für ein 3-Punkte Programm:

»Erstens: Die staatliche Riesterförderung wird gestoppt. Wer heute schon einen Riester-Vertrag hat, soll die bisher angesparten Gelder reibungslos und freiwillig auf sein persönliches Rentenkonto bei der Deutschen Rentenversicherung einzahlen können.

Zweitens: Die in den kommenden Jahren vorgesehenen jährlichen 3,5 Milliarden Euro Riesterförderung werden zur Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus eingesetzt. Damit ließe sich dauerhaft eine zusätzliche Rentenerhöhung von 1,5 Prozent finanzieren.

Drittens: Die Kürzungsfaktoren werden aus der Rentenanpassungsformel gestrichen und die Rückkehr zu einem angemessenen und lebensstandardsichernden Rentenniveau vor Steuern in Höhe von 53 Prozent wird langfristig durch eine jährliche moderate Beitragssatzerhöhung finanziert. «

Am eher anderen Ende sind dann Positionen zu verorten wie des Vorsitzenden der CDU-Sozialausschüsse, Karl-Josef Laumann: Es müsse darüber diskutiert werden, wie die Riester-Rente profitabler werde. Eine Option sei, die private Altersvorsorge verpflichtend einzuführen. Darüber würde sich die Finanzwirtschaft sicher sehr freuen, denn die, so Schwenn in ihrem Artikel, »sorgt sich ums Geschäft, weil gerade die Jüngeren mit eher niedrigen Einkommen zögern, einen Vorsorgevertrag abzuschließen.«

Und die Grünen? Der bereits erwähnte Bundestagsabgeordnete Markus Kurth wird in dem Schwenn-Artikel so zitiert: »Kurth sagt, viele fürchteten, dass sie im Alter ohnehin nur die staatliche Grundsicherung bekämen – auf die das Riestern angerechnet werde. Nur jeder Fünfte mit einem Haushaltseinkommen von weniger als 1200 Euro sorge „riestergefördert“ vor. Kurth fordert als Anreiz, die Einführung eines Freibetrages bei der Grundsicherung zu prüfen. „Das wäre eine Lösung“, sagte er. „Allerdings eine teure, denn den Freibetrag müsste man wohl auch für die gesetzliche Rente gewähren.“ Geringverdiener sollten jedenfalls höhere Zulagen bekommen. Außerdem müssten Riester-Produkte transparenter werden.«

Der eigentliche weiterführende Vorschlag von ihm kommt dann: „Wir könnten uns auch ein neues Riester-Basisprodukt vorstellen, gespeist aus einem öffentlichen Fonds, öffentlich administriert und gemanagt durch die Deutsche Rentenversicherung – so ähnlich wie in Schweden“, sagte Kurth.
Zu diesem Ansatz vgl. auch Markus Kurth: Private Altersvorsorge stärken! Das Basisprodukt in öffentlich-rechtlicher Hand, 23.12.2014. Der Referenzpunkt für dieses „Grüne Basisprodukt“ die 3. Säule des Alterssicherungssystems betreffend sind offensichtlich die Erfahrungen, die man in Schweden gesammelt hat. Dazu kann man dem Kurth-Papier entnehmen:

»Beim skandinavischen Modell des staatlichen Vorsorgefonds investieren die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Teil ihres Einkommens in staatliche Fonds. Diese sind ausschließlich den Anlageinteressen der Vorsorgenden gewidmet. Information, Kontrolle und Standards bei der Anlage werden groß geschrieben. In Schweden, wo die so genannte Premiepension von einer neu geschaffenen Behörde verwaltet wird, wählt der oder die Versicherte gemäß der individuellen Risikobereitschaft und auf der Grundlage verlässlicher Informationen aus einem überschaubaren Pool von staatlich geprüften und zertifizierten Produkten aus. Die jährlichen Kosten betragen lediglich etwa ein Zehntelprozent des verwalteten Vermögens.«

Aus dem Bundesarbeitsministerium hört man dazu – wie zu vielen anderen Baustellen in der Sozialpolitik – nichts. Möglicherweise ist die Ministerin, Andrea Nahles (SPD) erschöpft bzw. stillgelegt nach Rentenpaket und Mindestlohn und/oder angesichts dessen, was auf sie noch zukommen wird – Stichwort Tarifeinheitsgesetz – bedient mit solchen Systemfragen. Aber vielleicht ist es auch ganz anders, denn man arbeitet ja bislang den Koalitionsvertrag ab und da steht eine weitere „Rentenreform“ (man mag diesen Begriff schon nicht mehr hören) drin: Die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge. Möglicherweise will man da zeigen, was man „gelernt“ hat: Mehr in Richtung auf eine Verpflichtung zur Vorsorge marschieren, damit sich die Leute nicht so einfach entziehen können, den von der Riester-Ebbe „gebeutelten“ Versicherungsunternehmen und Banken neue Produktperspektiven eröffnen und dann auch noch durch Instrumente wie die Entgeltumwandlung weiter dazu beitragen, dass die Arbeitnehmer ihre „Betriebsrente“ letztlich selbst finanzieren und zugleich die eigenen Rentenansprüche aus der 1. Säule nach unten fahren. Möglicherweise heißt natürlich nicht hoffentlich. In diesem Fall gilt das ganz besonders.

Abb.: MdB Markus Kurth, Aufwendungen Altersvorsorgezulage in Mio. Euro