Die einen wachsen (scheinbar), die anderen tun sich schwer: Die Leiharbeit auf der einen und der Bundesfreiwilligendienst in der Flüchtlingshilfe auf der andern Seite

Immer diese Zahlen. Man muss einerseits genau hinschauen, andererseits kann man ihnen auch viel entnehmen. Verdeutlichen kann man das an zwei aktuellen Beispielen aus der Arbeitsmarktstatistik.
Beginnen wir mit der Leiharbeit, ein bekanntlich sehr umstrittenes Beschäftigungssegment. »Leiharbeit ist in Deutschland auf dem Vormarsch. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion hervorgeht, nahm die Zahl sogenannter Verleihbetriebe in den vergangenen drei Jahren zu. Demnach zählte die Bundesagentur für Arbeit 2015 insgesamt 50.293 Betriebe, die Arbeitnehmer anderen Betrieben überlassen. Im Jahr 2013 waren es noch 46.755 solcher Firmen. Entsprechend hat sich auch die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland erhöht: Von 867.535 vor zwei Jahren auf 961.162 Beschäftigte im vergangenen Jahr«, kann man dem Artikel Leiharbeit soll häufiger unangekündigt kontrolliert werden entnehmen. Dort bezieht man sich auf die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Grünen Leiharbeit – Fakten und Kontrollen vom 24.02.2016. Der eine oder andere wird stutzig geworden sein bei der Zahl von 50.000 Verleihbetrieben. So auch Markus Krüsemann, der das in seinem Beitrag Warum es statt 18.000 plötzlich 50.000 Verleihbetriebe gibt thematisiert hat.

»In der Arbeitnehmerüberlassungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurde die Zahl der Verleihbetriebe jahrelang mit deutlich unter 20.000 angegeben. In aktuellen Presseberichten ist hingegen von mehr als 50.000 Betrieben die Rede, die Beschäftigte an andere Unternehmen ausleihen würden.« Das ist natürlich ein richtig heftiger Unterschied. Sollten innerhalb kürzester Zeit aus 18.000 gut 50.000 Verleihbetriebe geworden sein? Hat es einen derart großen Gründungsboom in der Arbeitnehmerüberlassung gegeben?

Ein Blick auf die Zahl der Leiharbeitnehmer in Deutschland zeigt zwar am aktuellen Rand einen Anstieg der so Beschäftigten um mehr als 100.000 innerhalb eines Jahres, aber das reicht offensichtlich für eine Ausdehnung der Leiharbeitsbranche in dem genannten Umfang nicht wirklich aus. Krüsemann geht in seinem Beitrag dieser Frage nach und klärt uns etwas auf: »Wo kommen plötzlich all die Betriebe her? … Die Antwort liegt in einer Umstellung der Statistik.« Er führt weiter aus:

»Während die Daten der Arbeitnehmerüberlassungsstatistik bis 2015 noch aus den halbjährlich versandten Meldungen der Verleihbetriebe stammten, hat die BA die Statistik zur Arbeitnehmerüberlassung auf das Meldeverfahren zur Sozialversicherung und damit auf eine andere Datenquelle umgestellt. Die Datenbasis für die neue Statistik bilden seitdem die laufenden Meldungen der Arbeitgeber im Rahmen des Meldeverfahrens zur Sozialversicherung. Die Umstellung erlaubt eine sehr viel genauere Erfassung der Beschäftigten und der Betriebe … ein Großteil der Arbeitgeber mit Verleiherlaubnis hat nicht für jeden seiner Betriebe einen gesonderten Meldebeleg abgegeben, sondern meist nur für das gesamte Unternehmen. Die genaue Anzahl der Betriebe mit mindestens einem Leiharbeitnehmer konnte so nicht erfasst werden. Klar war nur, dass sie deutlich höher liegen würde.«

Krüsemann bezieht sich auf den Methodenbericht Statistik zur Arbeitnehmerüberlassung auf Basis des Meldeverfahrens zur Sozialversicherung der Bundesagentur für Arbeit aus dem Dezember 2015.

Bei der Interpretation der alten und neuen Zahlen zu den Verleihbetrieben sollte man allerdings diesen Hinweis aus dem Methodenbericht der BA (S. 21) zur Kenntnis nehmen:
»Bei der Interpretation der statistischen Ergebnisse ist es wichtig zu beachten, dass in der Beschäftigungsstatistik Betriebe mit Leiharbeitnehmern gezählt werden. Diese Zahl ist nicht zu verwechseln mit der Anzahl der Arbeitgeber, welche eine Verleiherlaubnis besitzen. Ein solcher Arbeitgeber kann durchaus sehr viele Betriebe in verschiedenen Regionen besitzen, in der Leiharbeitnehmer beschäftigt sind. Über die Anzahl der Arbeitgeber, welche eine Verleiherlaubnis besitzen, kann die Beschäftigungsstatistik keine Aussagen machen, da eine Zuordnung von Betrieben zu Unternehmen, welche letztendlich Erlaubnisinhaber sind, nicht möglich ist.«
Wenn man allerdings de Zahl der Betriebe aus der alten und der neuen Statistik-Welt vergleicht, deren Schwerpunkt überwiegend oder ausschließlich die Arbeitnehmerüberlassung ist, dann zeigen sich keine erkennbaren Abweichungen.

Fazit: Die Erfassung der Betriebe ist genauer geworden, aber keineswegs kann man davon sprechen, dass sich die „Verleihunternehmen“ mehr als verdoppelt haben.

Es bleibt aber zum einen der Befund, dass die Zahl der Leiharbeiter zugenommen hat (und das trotz des insgesamt günstigen arbeitsmerklichen Umfelds, das dazu führt, dass der eine oder andere, der früher einen Leiharbeitsjob annehmen musste, weil es nichts anderes gab, heute bessere Auswahlmöglichkeiten hat). Das liegt auch daran, dass in immer mehr Bereichen auf das Instrument der Leiharbeit zurückgegriffen wird, was auch Auswirkungen hat auch die Zahl der Verleihbetriebe. Dazu nur ein Beispiel aus der bayerischen Provinz: In dem Artikel Leiharbeiter vom Maschinenring? wird über die Jahreshauptversammlung des Maschinen- und Betriebshilfsring Erding berichtet:

»Der Maschinen- und Betriebshilfsring Erding erschießt sich neue Arbeitsfelder, vor allem im Bereich der Betriebshilfe. Nach einer Strategiekonferenz gibt es Überlegungen, externe Kräfte auf Höfen einzusetzen, die dafür Bedarf anmelden. Mit einem solchen Service im Wege der Arbeitnehmerüberlassung würde der Ring dem Beispiel anderer Organisationen folgen: also Leiharbeit anbieten. Dazu müsse eine „Maschinenring Personaldienstleister GmbH“ gebildet werden.«

Solche Beispiele könnte man ohne Probleme  beliebig erweitern. Die Leiharbeit ist und bleibt offensichtlich ein Wachstumsfeld.

Abschließend ein Blick auf einen ganz anderen Bereich, den Bundesfreiwilligendienst. Aus dieser Welt kommt so eine Meldung zu uns: »10.000 neue Jobs im Bundesfreiwilligendienst sollten ehrenamtliche Flüchtlingshelfer entlasten. Bisher ist aber nur ein Bruchteil der Stellen vergeben«, berichtet Nils Wischmeyer in seinem Artikel Neue Freiwilligendienst-Stellen kaum besetzt.  Auch hier geht es vordergründig um nackte Zahlen, hinter denen allerdings höchst komplexe und angesichts des Themenfeldes Flüchtlingshilfe auch überaus relevante Tatbestände stehen. Die Bestandsaufnahme kommt ernüchternd daher:

»Das Ziel der Bundesregierung war klar: die erschöpften, ehrenamtlichen Helfer in der Flüchtlingshilfe entlasten. Dafür wollte das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (Bafza) ab dem 1. Dezember jährlich 10.000 neue Stellen im Bundesfreiwilligendienst schaffen. 50 Millionen Euro will das Bafza bis 2018 jährlich investieren. Doch mehr als drei Monate nach Beginn des Programms ist die Bilanz ernüchternd. Von den 10.000 zusätzlichen Stellen sind Anfang März gerade einmal knapp 1.800 besetzt, davon knapp 330 von Flüchtlingen.«

Dabei hieß es noch Anfang Dezember 2015: „Es gibt einen regelrechten Ansturm auf die Stellen“, so wird der Sprecher des BAFzA, Peter Schloßmacher, zitiert. Die Stellen dürfen nur von Flüchtlingen selbst oder Menschen, die Angebote für Flüchtlinge organisieren, besetzt werden.
Verteilt werden die 10.000 Stellen nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Dieser regelt in Deutschland auch die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer. Nach diesem Schlüssel stehen Thüringen knapp 270 neue Stellen zu, Bayern etwa 1.500. Die Streuung zwischen den Bundesländern bei der Umsetzung ist erheblich:

»So waren Mitte Februar bereits 100 der 270 Stellen in Thüringen besetzt. Das entspricht knapp 40 Prozent. In den westlichen Bundesländern ist der Anteil an vergebenen Jobs wesentlich geringer: Das Bundesland Bayern hatte Mitte Februar gerad einmal 80 der angedachten 1.500 Stellen und damit 5,3 Prozent vergeben.«

Vor dem Hintergrund der besonderen Konzeption, bei diesen Stellen vor allem Flüchtlinge selbst zu beschäftigen, sind diese Befunde mehr als ernüchternd:

»Nur drei Prozent der Stellen – knapp 330 – wurden von Flüchtlingen besetzt.«

Wie kann das sein? Es gibt doch genügend Flüchtlinge, sollte man meinen. Warum dann nur so ein überschaubares Ergebnis?

»Der Grund dafür sei ein einfacher: bürokratische Hürden. Als schwerwiegendstes Problem sehen die Johanniter die Notwendigkeit eines gesicherten Aufenthaltstitels. Denn wollen Flüchtlinge einen Bundesfreiwilligendienst antreten, müssen sie bereits als Flüchtlinge anerkannt sein. Migranten, die bisher nur geduldet oder noch im Asylverfahren sind, werden von den Stellen ausgeschlossen. Doch viele Geduldete würden über Jahre in Deutschland bleiben und sich gerne engagieren, sagt ein Sprecher der AWO.«

Hinzu kommen weitere bürokratische Hemmnisse: »Eine Schulleiterin aus Berlin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, berichtet, dass sie gerne einen Flüchtling engagieren würden. Doch der bräuchte dafür ein erweitertes Führungszeugnis. Bis er das hat, würden aber noch Monate vergehen. Bis dahin müsse man nun warten.«

Und natürlich – wieder einmal das Geld, denn für den Bundesfreilligendienst wird zurzeit ein sogenanntes Taschengeld von maximal 372 Euro gezahlt, das bei den Flüchtlingen aber mit den sonstigen Sozialhilfen verrechnet wird.

Man könnte aber neben aller berechtigten Kritik an den Regelungsvorgaben für diejenigen, die solche Programme (neben vielen anderen) umsetzen müssen, auch darauf hinweisen, dass das schlichtweg Zeit braucht, damit das ins Rollen kommt.

Wenn man die nicht hat, dann sollte man die Finger lassen von den vielgestaltigen Sonderprogrammen, Modellvorhaben und Einzelprojekten, sondern denen, die an der sozialpolitischen Front arbeiten, ein sehr flaches Regelwerk sowie ein an möglichst wenig Auflagen gebundenes Budget zur Verfügung stellen. Man könnte sich vorstellen, dass die in 95 Prozent der Fälle sehr gut und genau mit den Freiheitsgraden arbeiten können.

Ein betriebliches Integrationsjahr für Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose. Endlich ein großer Wurf?

Endlich mal nicht einer dieser kleinteiligen Vorstöße in der Debatte über die Frage, wie man die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge hinbekommen kann – und dann auch noch ohne Ausblenden der anderen, die schon hier sind und ebenfalls erhebliche Probleme haben, (wieder) auf dem Arbeitsmarkt landen zu können, also den Langzeitarbeitslosen. Und gleichsam als Sahnehäubchen oben drauf auch noch die Perspektive, dass der Ansatz – kommt er doch von einer Gewerkschaft – selbstverständlich nicht die eigenen Tarife unterlaufen soll.

Darum geht es: »Die IG Metall schlägt ein betriebliches Integrationsjahr für anerkannte Flüchtlinge und für Langzeitarbeitslose vor, um durch Arbeit ein selbständiges Leben zu ermöglichen.« so die Ankündigung in einer Pressemitteilung, die überschrieben ist mit IG Metall fordert betriebliches Integrationsjahr für Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose. Und weiter erfahren wir: »Das von der IG Metall geforderte Integrationsjahr soll neben einem Arbeitsplatz auch Integrations- und Sprachkurse für die Flüchtlinge umfassen. Qualifizierung und Arbeit sollen betriebsnah kombiniert werden. Finanziell gefördert würde das Integrationsjahr von der Bundesagentur für Arbeit. Dafür sollen bereits vorhandene Programme genutzt werden.«

Auf den ersten Blick kommt der Ansatz wie die lange gesuchte eierlegende Wollmilchsau daher, denn hier werden bekannte, für eine gelingende Arbeitsmarktintegration erfolgsträchtige Elemente vereint: Eine Förderung für die Arbeitgeber im Sinne einer Lohnkostenbezuschussung, um bestimmte Defizite des zu integrierenden Arbeitnehmers auszugleichen, eine Platzierung in der realen betrieblichen Welt über ein echtes Arbeitsverhältnis, die Verbindung von echter Arbeit und Qualifizierung, bei den Flüchtlingen besonders relevant die Sprachförderung und das alles unter dem konzeptionellen Dach des Gedankens, dass wenn die Betroffenen erst einmal schon den einen Fuß in der betrieblichen Tür haben, einige von ihnen auch den zweiten reinbekommen, wenn man mit ihnen positive Erfahrungen gesammelt und die positiven Potenziale zur Kenntnis genommen hat.

Und besonders wichtig vor dem Hintergrund der aktuell ich immer stärker Konfrontation aufladenden Debatte über eine angebliche Bevorzugung der Flüchtlinge der eben nicht nur lapidare Hinweis der Gewerkschaft: »Die von der IG Metall vorgeschlagenen Maßnahmen sollen nicht nur Flüchtlingen, sondern auch allen anderen am Arbeitsmarkt Benachteiligten offen stehen.«

Wie kann man sich das genauer vorstellen? Die Umsetzung solle auf Basis der tariflichen Entgelte erfolgen und der Arbeitgeber wird durch das heute schon vorhandene Instrument des Eingliederungszuschusses für seine Integrationsleistung entlastet, so die IG Metall. Es wären auch Teilzeitmodelle denkbar, die zusätzliche sprachliche Qualifikationen für Flüchtlinge, durchaus teilweise außerhalb der Arbeitszeit, ermöglichen. Denkbar sei eine Vier-Tage-Woche mit reduziertem Entgeltanspruch: vier Tage bezahlte Arbeit und ein Tag Sprachkurs. Und wenn das Integrationsjahr die Tür für eine Anschlussbeschäftigung eröffnet, dann könne die berufliche Qualifizierung beispielsweise durch den in der Metall- und Elektroindustrie bestehenden Tarifvertrag Bildungsteilzeit oder das Wegebauprogramm der BA fortgesetzt werden.

Aber die großen Zahlen, werden die einen oder anderen Kritiker einwerfen. Das mag vielleicht für einige wenige klappen – aber für so viele, die gekommen sind? Zusätzlich zu den vielen Langzeitarbeitslosen, die bekanntlich schon seit langem da sind und die ja auch profitieren sollen von dem neuen Ansatz.

Die IG Metall negiert die großen Zahlen keineswegs, sondern greift diese auf (allerdings in der Pressemitteilung leider dann doch wieder „nur“ reduziert auf die Flüchtlinge, die es in den Arbeitsmarkt zu integrieren gilt: »Nach aktueller Auskunft der Bundesagentur für Arbeit werden dem Arbeitsmarkt durch die Geflüchteten rund 380.000 Menschen zusätzlich zur Verfügung stehen können. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden rund 700.000 neue, zusätzliche  sozialversicherungspflichtige Stellen in Deutschland aufgebaut und 2,1 Millionen offene Stellen bei der Arbeitsagentur gemeldet.«
Also eigentlich kein Problem?

Über die allgemein gehaltenen Informationen aus der zitierten Pressemitteilung hinaus hat es weitere konkretisierende Informationen gegeben, die man der Presseberichterstattung entnehmen kann, beispielsweise IG Metall will Flüchtlinge mit kräftigen Lohnzuschüssen integrieren oder der von Stefan von Borstel unter diese Überschrift gesetzte Artikel: IG Metall fordert Integrationsjahr für Flüchtlinge.

Auch hier wieder erst einmal die großen Zahlen mit der relativierenden Botschaft dessen, was da auf uns zukommt, wenn man es aus der Vogelperspektive betrachtet. Borstel zitiert dazu Jörg Hofmann, den Vorsitzenden der IG Metall:

»Deutschland habe 420.000 Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten, rechnete Hofmann vor. Wenn jeder dieser Betriebe nur einen zusätzlichen Integrationsplatz zur Verfügung stellen würde, wäre die Arbeitsmarktintegration der Hartz-IV-Bezieher keine Frage fehlender Arbeitsplätze. Das größte Potenzial gebe es im deutschen Handwerk mit seinen 584.000 Betrieben.«

Bleibt die Frage nach dem Instrumentarium für die Förderung, da wurde seitens der IG Metall darauf hingewiesen, dass man kein neues Programm schaffen wolle, sondern ein vorhandenes Instrument nutzen möchte, das es schon seit langem gibt – den Lohnkostenzuschuss.  Der Arbeitsplatz soll mit einem Einstellungszuschuss von bis zu 50 Prozent gefördert werden. Diese Zuschüsse gibt es heute schon.

Ganz offensichtlich ist der „Eingliederungszuschuss“ nach § 88 SGB III gemeint: »Arbeitgeber können zur Eingliederung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Gründe erschwert ist, einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt zum Ausgleich einer Minderleistung erhalten (Eingliederungszuschuss).« Im § 89 SGB III finden wir Hinweise auf die mögliche Höhe und Dauer dieser Förderung: »Der Eingliederungszuschuss kann bis zu 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu zwölf Monate betragen. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, kann die Förderdauer bis zu 36 Monate betragen.« Nur der Vollständigkeit halber: Im § 90 SGB III ist als Sonderform noch der „Eingliederungszuschuss für behinderte und schwerbehinderte Menschen“ geregelt, bis zu 70% Lohnkostenzuschuss für 24 Monate, wobei die Laufzeit in besonders schweren Fällen und bei einem Alter ab 55 auf bis zu 96 Monate ausgedehnt werden kann.

Wie sieht die bisherige Nutzung dieses Instruments aus? Wenn man einen Blick in die Eingliederungsbilanzen der BA wirft, dann erfährt man beispielsweise für das Jahr 2014, dass es 77.032 Zugänge in eine Förderung über den Eingliederungszuschuss gegeben hat, davon 48.783 bei den besonders förderungsbedürftigen Personengruppen. Hinsichtlich der finanziellen Dimension: 2014 wurden insgesamt 5,56 Mrd. Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben (davon 2,7 Mrd. Euro im SGB III und 2,86 Mrd. Euro im SGB II). Auf den Eingliederungszuschuss entfielen davon 433 Mio. Euro, also (nur) fast 8%. Eine Vorstellung von den der Förderung zugrundeliegenden berücksichtigungsfähigen Löhnen vermittelt die durchschnittlichen Förderaufwendungen für dieses Instrument in Höhe von 666 Euro pro Monat.

Auf der einen Seite eine Bestätigung des grundsätzlichen Ansatzpunktes des IG Metall-Vorschlags wie aber auch zugleich Anlass für ein großes Fragezeichen kann man den Daten zum Erfolg des Instruments entnehmen. Beim Eingliederungszuschuss für die besondere Gruppe der Langzeitarbeitslosen wird eine Eingliederungsquote von 72,8% ausgewiesen (76,3% für alle Geförderten) – ein sehr hoher Wert. Der wiederum angesichts der Besonderheiten auch nicht überrascht, denn die Förderung gibt es nur, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht (und wir wissen schon seit langem – auch nicht wirklich überraschend: Je betriebsnäher die Förderung, um so höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Geförderten „hängen bleiben“ im Unternehmen, vor allem wenn man in Rechnung stellt, dass wir es in der Praxis mit einer „positiven Selektion“ dergestalt zu tun haben, dass man nicht gerade die Arbeitslosen, die mit mehreren Vermittlungshemmnissen belastet sind, sondern eher die „guten Risiken“ mit dieser Förderung versorgt).

Mit Blick auf das, was es bisher in diesem Bereich gibt, müssen wir also zum einen festhalten, dass es rein quantitativ gesehen um ein sehr überschaubares Fördervolumen geht – wir also mithin über eine gewaltige Aufstockung der Förderung sprechen, wenn der Vorschlag der IG Metall Wirklichkeit werden soll. Denn dann geht es nicht mehr wie 2014 um 77.000 Förderfälle mit dem Eingliederungszuschuss, sondern um mehrere Hunderttausend, vor allem, wenn nicht nur die Flüchtlinge, sondern grundsätzlich völlig richtig, auch die Langzeitarbeitslosen berücksichtigt werden sollen. Da beißt die Maus keinen Faden ab – wenn man diesen Weg gehen möchte, dann müssen wir die Mittel dafür erheblich aufstocken. Zur Finanzierung findet man in den vorliegenden Berichten keine wirklich verwertbaren Hinweise, außer Allgemeinplätze. So in dem Artikel von Borstel: »Zu den Kosten des Modells machte der IG-Metall-Chef keine Angaben. Es sei aber günstiger, als den Betroffenen Hartz-IV zu zahlen.«

Jeder wünscht sich endlich einen großen Wurf, aber angesichts der bisherigen Erfahrungen wie auch der Besonderheiten „des“ Arbeitsmarktes (den es als solchen gar nicht gibt), bleibt eine gehörige Portion Skepsis. Dies kann man auch an einem parallel vorgelegten konkreten Programm verdeutlichen: Aus Flüchtlingen werden Auszubildende, vermeldet das Bundesbildungsministerium.

»Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) haben dazu eine gemeinsame Qualifizierungsinitiative für junge Flüchtlinge gestartet. Ihr Ziel: Durch ein umfassendes Qualifizierungs- und Betreuungssystem sowie eine intensive fachliche Berufsorientierung und Berufsvorbereitung sollen Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sowie Asylbewerber oder Geduldete mit Arbeitsmarktzugang an eine Ausbildung im Handwerk herangeführt werden.«

Angesichts der Tatsache, dass etwa die Hälfte der Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten zu uns gekommen sind, unter 25 Jahre alt sind, überzeugt dieser Ansatzpunkt erst einmal. Es geht also auch hier um eine Personengruppe im Umfang von mehreren hunderttausend Personen. Vor diesem Hintergrund werfen wir dann aber mal ein Blick auf die angestrebten (das heißt bekanntlich noch lange nicht: realisierten) Zahlen, die man mit dem neuen Programm erreichen will:

»Das Programm wendet sich an Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sowie an Asylbewerber oder Geduldete mit Arbeitsmarktzugang. Voraussetzung für die Teilnahme an dem Programm ist, dass die jungen Flüchtlinge nicht mehr schulpflichtig und unter 25 Jahre sind, über gute Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen und sich im deutschen Ausbildungs- und Beschäftigungsmarkt orientieren können. Sie sollten deshalb einen Integrationskurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie das Programm „Perspektiven für junge Flüchtlinge“ der Bundesagentur für Arbeit durchlaufen haben, das auf eine Feststellung ihrer Kompetenzen und eine allgemeine Berufsorientierung ausgerichtet ist.
In der anschließenden „Berufsorientierung für Flüchtlinge“ bereitet das BMBF die jungen Flüchtlinge auf eine Ausbildung im Handwerk vor und setzt dabei auf eine vertiefte fachliche und praktische Berufsorientierung in den Bildungszentren des Handwerks … Das Handwerk unterstützt den Praxisbezug durch betriebliche Praktika für die Teilnehmer der speziellen Berufsorientierung und stellt die Infrastruktur der Bildungsstätten zur Verfügung.«

Soweit die Beschreibung des geplanten Programms. Und wie viele sollen daran partizipieren?

»Das Programm ist zunächst auf 24 Monate angelegt. Ziel ist die Integration von bis zu 10.000 Flüchtlingen in eine Handwerks-Ausbildung.«

„Bis zu 10.000“? Das haut einen jetzt nicht wirklich vom Hocker. Vielleicht kommt diese Bescheidenheit daher, dass wir es mit einer dieser klassischen „Litfaßsäulen“-Modellprogramme zu tun haben (mit denen wir gerade in der Arbeitsmarktpolitik immer wieder konfrontiert und vertröstet werden), nach dem Motto: Wir tun doch was. Oder aber dahinter steckt die Erkenntnis, dass die Arbeitsmarkt- und Ausbildungsintegration eine überaus sperrige Angelegenheit darstellt, die es aufgrund der ihr innewohnenden Komplexität und zugleich Individualität des konkreten Handelns aufgrund des damit verbundenen Aufwands unmöglich macht, das Rad an der ganz großen Zahl zu drehen.

An sich gute Nachrichten aus der Schattenwirtschaft. Wenn da nicht die Flüchtlinge wären, von denen Gefahr droht. Aber ist das wirklich so?

Es ist schon eine Krux mit dieser Schattenwirtschaft. Im vergangenen Jahr sollte sie steigen – „natürlich“ wegen dem Mindestlohn. Das ist jetzt nicht wirklich passiert, „natürlich“ wegen der „guten Konjunktur“. Aber bloß nicht ausruhen und freuen, denn nun sind es – „natürlich“ – die Flüchtlinge, die den positiven Trend gefährden. Spiegel Online bilanziert forsch: Das sei so, „weil viele Flüchtlinge illegal beschäftigt werden“. Klingt für viele auf den ersten Blick auch nachvollziehbar, aber kann man das dem Material wirklich entnehmen?

Zum Hintergrund: Jedes Jahr veröffentlicht das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) mit Sitz in Tübingen in Zusammenarbeit mit dem an der Universität Linz lehrenden Schattenwirtschaftsexperten Professor Friedrich Schneider Modellberechnungen zum Umfang der „Schattenwirtschaft“. Darunter versteht man Schwarzarbeit, aber auch illegale Beschäftigung (beispielsweise illegale Arbeitnehmerüberlassung) sowie weitere illegale Tätigkeiten.

Anfang Februar 2015 veröffentlichten die Forscher ihre Modellberechnungen für 2015 unter der Überschrift Langfristiger Rückgang der Schattenwirtschaft kommt zum Stillstand.
Darin findet man den Hinweis, „steigende Sozialbeiträge und die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 € (verstärken) die Anreize, in der Schattenwirtschaft zu arbeiten.“ Allerdings wurden auch gegenläufige Effekte gesehen: „Die robuste Situation auf dem Arbeitsmarkt und das geringe, aber positive erwartete Wirtschaftswachstum üben einen dämpfenden Effekt auf das Ausmaß der Schattenwirtschaft aus.“

Zum Einfluß des damals gerade erst eingeführten Mindestlohns schrieben die Wissenschaftler differenzierter:

»Der am 1. Januar 2015 eingeführte Mindestlohn in Höhe von 8,50 € wird die Schattenwirtschaft nach den Modellrechnungen um 1,5 Mrd. € erhöhen. Ergänzende Berechnungen auf der Basis des Sozio-ökonomischen Panels zeigen, dass in Bereichen mit hohem Vorkommen von Schwarzarbeit (persönliche Dienstleistungen, Landwirtschaft, Gaststätten und Hotels und Teile der Bauwirtschaft) vor der Einführung des Mindestlohns vielfach Löhne unter 8,50 € gezahlt wurden. Dies galt für knapp 40 % der Beschäftigten. Die gesamte zur Einhaltung des Mindestlohns notwendige Lohnsteigerung in diesen Bereichen beträgt 7 Mrd. €, also ein Mehrfaches des prognostizierten Anstiegs der Schattenwirtschaft. Nach der Modellschätzung wird also nur ein relativ kleiner Teil der notwendigen Anpassungen durch ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft umgangen.«

Gut, da war eben der gegenläufige Effekt durch die „gute Konjunktur“ stärker, so dass man davon nicht wirklich was merken konnte.

Und wie sieht es nun mit den Flüchtlingen aus? Was schreiben die Forscher in ihrem neuesten Bericht, der unter der Überschrift Gute Arbeitsmarktlage reduziert erneut die Schattenwirtschaft erschienen ist?

»Der Beschäftigungsanstieg auf dem offiziellen Arbeitsmarkt sowie das positive Wirtschaftswachstum werden im Jahr 2016 zu einem Rückgang der Schattenwirtschaft um ca. ein Prozent führen. Das Verhältnis von Schattenwirtschaft zu offizieller Wirtschaft reduziert sich dadurch auf 10,8. Andere Einflüsse machen sich kaum bemerkbar.«

Ja und die Flüchtlinge nun?

Spiegel Online klärt uns auf:

»Der Rückgang der Schwarzarbeit könnte den Studienautoren zufolge allerdings durch den Flüchtlingszuzug abgebremst werden. Sie rechnen verschiedene Modelle durch, denen zufolge zwischen 100.000 und 300.000 Flüchtlinge illegal beschäftigt sein werden, etwa als Putzkraft oder Hilfsarbeiter auf dem Bau. „Wegen der fehlenden Deutschkenntnisse vieler Schutzsuchender ist es wahrscheinlich, dass es zunächst Jobs im Niedriglohn-Sektor sein werden“, sagt Schneider.
Am plausibelsten sei wohl die Zahl 300.000. Das entspräche einer Wertschöpfung von 2,16 Milliarden Euro. „Die Flüchtlinge sind monatelang in ihren Unterkünften zum Nichtstun verdammt, also ist es doch naheliegend, dass sie irgendwann raus wollen und sich als Schwarzarbeiter verdingen“, sagt der Linzer VWL-Professor.«

In der schriftlichen Fassung von Schneider und IAW (2016) liest sich das – nun ja – irgendwie weniger aufregend:

„Flüchtlinge und Schattenwirtschaft: verlässliche Prognose nicht möglich“, schreiben sie auf Seite 2 des neuen Berichts. Warum das?

»Der Zustrom an arbeitsfähigen Personen erhöht das potenzielle Angebot an Arbeitskräften. Allerdings ist eine Modellabschätzung noch nicht möglich, zumal die Zusammensetzung des Flüchtlingsstroms noch nicht bekannt ist.«

Das Problem kennen andere Akteure, die sich mit der Flüchtlingsfrage beschäftigen, zur Genüge.

Was hat man also gemacht? Projektionen hat man gemacht:

»Um eine Vorstellung über mögliche Größenordnungen zu gewinnen, wurde eine Projektion der Schattenwirtschaft von Asylbewerbern und Flüchtlingen vorgenommen. Nach Angaben des IAB ist 2016 infolge der Zuwanderung mit einer Erhöhung des (legalen) Erwerbspersonenpotenzials um 380.000 Personen zu rechnen. Hinzu kommen diejenigen, deren Asylantrag noch bearbeitet wird oder die in Deutschland bleiben, obwohl ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Nach einer Abschätzung ist insgesamt mit ca. 800.000 Personen im erwerbsfähigen Alter zu rechnen.
Nimmt man an, dass 25 % dieser Personen in der Schattenwirtschaft tätig werden, so ergibt sich unter weiteren Annahmen über Arbeitsumfang und Entlohnung eine zusätzliche Wertschöpfung von knapp 1,5 Mrd. Euro.«

Der aufmerksame Leser wird erkannt haben, dass Spiegel Online eine höhere Wertschöpfung aus einem der Szenarien zitiert, während die Autoren selbst mit 1,5 Mrd. Euro darunter bleiben. Und nein, wir fragen jetzt nicht, warum man annimmt, dass 25 Prozent eine Tätigkeit in der Schattenwirtschaft aufnehmen werden. Projektionen leben von den Annahmen, die man macht.

Aber auch wenn es 25 Prozent sein sollten, worüber man streiten kann – die Ergebnisse in der Veröffentlichung von Schneider und IAW klingen nun wirklich eher ernüchternd:

»Nimmt man an, dass 25 % dieser Personen in der Schattenwirtschaft tätig werden, so ergibt sich unter weiteren Annahmen über Arbeitsumfang und Entlohnung eine zusätzliche Wertschöpfung von knapp 1,5 Mrd. Euro … Dieses zusätzliche Volumen der Schattenwirtschaft ist aber geringer als die für 2016 prognostizierte Abnahme der gesamten Schattenwirtschaft. Dies gilt auch für alternativ aufgestellt Szenarien.«

Wie man daraus „Doch der Trend gerät in Gefahr – weil viele Flüchtlinge illegal beschäftigt werden“ machen kann, wie in dem zitierten Spiegel Online-Artikel, bleibt ein Geheimnis des Mediums. Vielleicht hat man sich da aber auch nur gedacht, diese forsche Interpretation passt in den Zeitgeist. Und hängen bleibt bekanntlich oftmals das, was ganz oben steht. Und das aus einigen Annahmen herausdestillierte Diktum „weil viele Flüchtlinge illegal beschäftigt werden“ steht direkt unter der Artikelüberschrift, es wird sich einprägen und passt sicher derzeit vielen ins Weltbild.