Es geht voran mit der Integration der Geflüchteten aus den „Asylherkunftsländern“ in den Arbeitsmarkt. Wie immer lohnt ein etwas genauerer Blick auf die Zahlen

Seit 2015 sind Hunderttausende Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Seit dem vergangenen Jahr stehen die vielen Menschen, die als Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Allein 2022 waren es über 1,1 Millionen Menschen – zu 80 Prozent Frauen, Kinder und Jugendliche, die hier Schutz gesucht und gefunden haben. Sofort ging es auch hier um die angeblichen bzw. tatsächlichen Potenziale für den deutschen Erwerbsarbeitsmarkt. Dazu der Beitrag Geflüchtete aus der Ukraine und der deutsche Arbeitsmarkt vom 10. März 2023 sowie Bundesagentur für Arbeit: Auswirkungen der Fluchtmigration aus der Ukraine auf den Arbeitsmarkt und die Grundsicherung für Arbeitsuchende, Nürnberg, Juni 2023. Die Zuwanderung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge vor allem im vergangenen Jahr hat maßgeblich zu der bislang größten Nettozuwanderung in der bundesdeutschen Geschichte beigetragen und selbst der Wert des „Fluchtjahres“ 2015 wurde deutlich übertroffen.

Das Statistische Bundesamt berichtet dazu unter der Überschrift Nettozuwanderung von knapp 1,5 Millionen Personen im Jahr 2022: »Der Anstieg gegenüber 2021 ist vor allem darauf zurückzuführen, dass infolge des russischen Angriffskriegs viele Schutzsuchende aus der Ukraine nach Deutschland kamen. Im Jahr 2022 wurden rund 1,1 Millionen Zuzüge und 138.000 Fortzüge von Menschen aus der Ukraine erfasst. Dabei fand die Zuwanderung aus der Ukraine vor allem von März bis Mai 2022 statt … Deutliche Anstiege der Nettozuwanderung verzeichnete die Statistik auch aus Syrien (2022: +68.000, 2021: +41.000) sowie aus Afghanistan (2022: +55.000, 2021: +31.000) und der Türkei (2022: +49.000, 2021: +19.000). Auch diese Entwicklungen stehen im Kontext von Fluchtmigration und steigenden Asylantragszahlen.« Zu den (wieder steigenden) Zahlen von Asylsuchenden hat das Bundesinnenministerium bereits Anfang des Jahres berichtet: »Im Jahr 2022 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 244.132 Asylanträge gestellt, dies sind 27,9 Prozent mehr als im Vorjahr 2021.«

Was ist mit den vielen Geflüchteten, die 2015 nach Deutschland gekommen sind?

Wir sind immer noch damit beschäftigt, die vielen Menschen, die vor allem 2015 und danach zu uns gekommen sind, nicht nur zu versorgen, sondern sie auch in den Erwerbsarbeitsmarkt zu integrieren. Da nimmt man solche Meldungen interessiert zur Kenntnis: Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigung Geflüchteter steigt deutlich: »Die Beschäftigung von Geflüchteten ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das geht aus einer neuen Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor«, berichtet Alisha Mendgen in ihrem Artikel.

»Noch 2015 lag die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bei weniger als 100.000. Bis einschließlich Juni 2023 ist die Zahl auf mehr als 500.000 geklettert. In die Daten wurden die Geflüchteten aus acht Herkunftsländern einbezogen: Afghanistan, Eritrea, Iran, Irak, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien.«

Da sind sie, die sogenannten „Asylherkunftsländer“, genauer: Die Staaten, aus denen die meisten Flüchtlinge gekommen sind (und immer noch kommen).

„Syrische Geflüchtete seien mittlerweile zu mehr als 50 Prozent in den Arbeitsmarkt integriert“, wird Daniel Terzenbach zitiert, Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit (BA). Wobei man nicht zu schnell lesen sollte, denn „in den Arbeitmarkt integriert“ kann vieles (und wenig) bedeuten. Die meisten Menschen werden an eine „normale“ Beschäftigung denken. Aber je nach Abgrenzung wird bei der Beschäftigung alles mitgezählt, also beispielsweise auch eine ausschließlich geringfügige Beschäftigung („Minijobs“). Und selbst wenn man sich begrenzt auf „sozialversicherungspflichtige (Teilzeit- und Vollzeit-)Beschäftigung“ könnte man hinsichtlich der Bewertung der Arbeitsmarktintegration auf die Idee kommen, nach dem über diese Tätigkeit realisierten Einkommen zu fragen oder der Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse. Denn wenn, so eine durchaus naheliegende These, Geflüchtete zwar erwerbsarbeiten, aber das nur zu (sehr) geringen Löhnen, dann wird daraus eine fortdauernde Abhängigkeit von aufstockenden Leistungen im Grundsicherungssystem resultieren, vor allem, wenn mehrere Personen versorgt werden müssen.

Und in diesem Kontext ist dann eine ergänzende Äußerung des Herrn Terzenbach von Interesse, die in dem Artikel von Alisha Mendgen zitiert wird: »Syrische Geflüchtete seien mittlerweile zu mehr als 50 Prozent in den Arbeitsmarkt integriert, sagte Terzenbach. Das sei allerdings „ein männliches Phänomen“. Bei syrischen Frauen sei die Zahl geringer. Das hänge auch mit der Kinderbetreuung zusammen, fügte der Arbeitsmarktexperte hinzu.«

➔ Man sollte an dieser Stelle deutlicher werden: Die Beschäftigungsquote der geflüchteten Frauen nicht nur aus Syrien ist sehr niedrig. Und das hat mitnichten nur mit dem Problem fehlender oder nicht passender Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu tun. Das wurde hier bereits in der Vergangenheit kritisch thematisiert: So am 10. Dezember 2020, am Ende des ersten Pandemijahres, in dem Beitrag Es geht (nicht mehr?) voran. Zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt vor dem Hintergrund der Corona-Krise: Neben allen notwendigen kritischen Hinweisen, ob wirklich genug getan wird, um gerade den Frauen und darunter den Müttern passende Angebote für Integrations- und vor allem Sprachförderung zu machen (so beispielsweise die Ausführungen von Yuliya Kosyakova: »… da gibt es noch einen Nachholbedarf beim Spracherwerb. Frauen, die sich intensiv um ihre Kleinkinder kümmern, sind klar im Nachteil. Wir brauchen folglich ein breiteres Angebot an Sprachkursen mit Kinder-Betreuung. Generell wurde bei den Integrationsbemühungen der Fokus bislang eher auf Männer gelegt, weniger auf Frauen. Das halte ich für ein Problem«), so muss man auch sehen, dass es nicht nur eine Seite gibt und nicht nur eine Bringschuld, denn – so bereits in einem Beitrag aus dem Januar 2020 – »man (muss) aus einer arbeitsmarktlichen, aber auch generell aus einer integrationsorientierten Perspektive zur Kenntnis nehmen, dass viele Frauen nicht nur von der Arbeitsmarktintegration ausgeschlossen sind, sondern sie ziehen sich oftmals generell zurück in die Rolle der Mutter, die auch meint, an keinem Sprach- und Integrationskurs teilnehmen zu müssen. Natürlich spiegelt das teilweise das vormoderne Rollenverständnis vieler Zuwanderer wieder. Aber es wird sich in den vor uns liegenden Jahren höchst wahrscheinlich bitter rächen, wenn man diese Exklusionsprozesse nicht wenigstens offen – und das bedeutet in diesem Fall: kritisch – anzusprechen und aufzubrechen versucht.«

In der aktuellen Arbeitsmarktberichterstattung der Bundesagentur für Arbeit findet man diesen wichtigen Hinweis: Sowohl hinsichtlich der Erwerbstätigen insgesamt wie auch der wichtigen Gruppe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben wir mittlerweile die „Corona-Delle“ überwunden und einen neuen Rekordstand der Beschäftigung erreicht. »Die sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung lag im April um 117.000 oder 0,5 Prozent und die sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung3 um 173.000 oder 1,7 Prozent über dem Vorjahreswert. Der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigten belief sich … auf 29,8 Prozent (Vorjahr: 29,6 Prozent).«

Für den April 2023 werden also 290.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr ausgewiesen als ein Jahr zuvor. Dabei lohnt ein detaillierter Blick: »Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Deutschen hat sich geringfügig um 72.000 oder 0,2 Prozent auf 29,42 Mio. verringert … Ausschlaggebend für diese Entwicklung dürften der demografisch bedingte Rückgang und die Alterung der deutschen erwerbsfähigen Bevölkerung sein, nicht mehr durch steigende Erwerbsneigung und Beschäftigungsaufnahmen von Arbeitslosen ausgeglichen werden konnten.«

Also müssen die 290.000 neuen Jobs von anderen besetzt worden sein. Dazu schreibt die BA: »Der Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Vergleich zum Vorjahr beruht allein auf Ausländern. Ihre Zahl hat sich um 362.000 oder 7,4 Prozent auf 5,23 Mio. erhöht. Der Beschäftigungszuwachs der Ausländer entfällt zu 268.000 auf sogenannte Drittstaaten und zu 95.000 auf den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz. Große Wachstumsbeiträge kommen aus den Ländern der EU-Osterweiterung (+83.000), den osteuropäischen Drittstaaten (+86.000; darunter Ukraine: +72.000), den Asylherkunftsländern (+46.000) und dem Westbalkan (+44.000).«

Da tauchen sie also aktuell wieder auf, die „Asylherkunftsländer“ – nochmals zur Erinnerung, über welche Länder wir hier sprechen: Afghanistan, Eritrea, Iran, Irak, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. Offensichtlich läuft das wie eingangs in Aussicht gestellt mit der Arbeitsmarktintegration.

Schauen wir uns hinsichtlich der Geflüchteten aus diesen „Asylherkunftsländern“ die Entwicklung seit 2015 an:

Anmerkung: Bei der hier ausgewiesenen Zahl an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind die ausschließlich geringfügig Beschäftigten nicht enthalten.

Zum einen erkennt man tatsächlich den kontinuierlichen Anstieg der Beschäftigten. Bereits im Sommer 2022 waren es 446.000. Man erkennt aber auch, dass die Zahl der Regelleistungsberechtigten im Hartz IV- bzw. neuerdings „Bürgergeld“-System auf einem kontinuierlich hohen Niveau verharrt, Ende 2022 waren es gut 885.000 Menschen aus den „Asylherkunftsländern“. Das gilt auch für die Teilgruppe der „erwerbsfähigen Leistungsberechtigten“ (ELB) im Grundsicherungssystem, gut 565.000 im Dezember 2022.

Das deutet darauf hin, dass es in vielen Fällen trotz einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht gelingt, aus der Hilfebedürftigkeit und der daraus resultierenden aufstockenden Leistungen herauskommen zu können. Es wurde hier bereits auf die naheliegende Hypothese hingewiesen, dass man auch einen Blick werfen muss auf die konkrete Ausgestaltung der Beschäftigungsintegration – sowohl was die Dauer angeht wie natürlich auch die realisierte Lohnhöhe.

Bereits im Januar 2020 wurde hier ausgeführt, dass über 70 Prozent der Geflüchteten in Helferberufen tätig waren. »Und es ist ebenfalls keine Überraschung, wenn man darauf hinweist, dass Helferjobs nicht nur charakterisiert sind durch ein vergleichsweise hohe Beschäftigungsstabilität und sich hier oftmals drehtürmäßig Phasen der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit abwechseln. Sondern auch, dass selbst wenn man eine solche Beschäftigung hat, man von den dort realisierbaren Einkommen kaum über die Runden kommen kann, geschweige denn eine Familie zu versorgen in der Lage ist.«

Wenn man einen Blick wirft auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den „Asylherkunftsländern“ Ende Juni 2022, dann ergibt sich das folgende Bild: Damals wurden 446.660 entsprechend Beschäftigte aus diesen Ländern ausgewiesen – davon übrigens 70 Prozent in einer Vollzeitbeschäftigung. 297.653 oder 66,6 Prozent waren ohne einen Berufsabschluss (insgesamt bezogen auf alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lag dieser Anteilswert bei 19,1 Prozent, bei Deutschen 14 Prozent und bei Ausländern insgesamt bei 49,3 Prozent).

Im vergangenen Jahr wurde von 54,7 Prozent der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten aus den „Asylherkunftsländern“ berichtet, die unter der offiziellen Niedriglohnschwelle (die bundeseinheitliche Niedriglohnschwelle lag im April 2022 bei einem Bruttostundenverdienst von 12,50 Euro) verdient haben – insgesamt belief sich dieser Anteilswert auf 18,1 Prozent, bei Deutschen waren es 15,1 Prozent, bei den Ausländern insgesamt 35,6 Prozent.

Das alles erklärt dann die erkennbare Verfestigung der Hilfebedürftigkeit auch bei einer Integration in eine (Vollzeit)Erwerbsarbeit.

Wer eine materialreiche Darstellung mit vielen differenzierten Daten auch zu den einzelnen Ländern, aus denen die Geflüchteten kommen, sucht, der wird in dieser 111 Seiten starken Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Bundestag fündig:
➔ Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern, Bundestags-Drucksache 20/6319 vom 04.03.2023.

Das Institut für Arbeitsmarkt – und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht seit 2015 einen monatlich erscheinenden „Zuwanderungsmonitor“. Aus dem Zuwanderungsmonitor Juni 2023 diese vergleichende tabellarische Übersicht:

Anmerkungen: EU-27 bezeichnet die 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union seit 1. Februar 2020 (ohne deutsche Staatsangehörige). EU-2 bezeichnet die Beitrittsstaaten vom 1. Januar 2007: Bulgarien und Rumänien. EU-8 bezeichnet die Beitrittsstaaten vom 1. Mai 2004: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn. Asylherkunftsländer bezeichnet Personen mit einer Staatsangehörigkeit der zugangsstärksten Herkunftsländer von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien.
Beschäftigung und damit die ausgewiesenen Beschäftigungsquoten beziehen sich auf „abhängig Beschäftigte“, also sozialversicherungspflichtig und auch ausschließlich geringfügig Beschäftigte.

Schaut man sich die vom IAB präsentierten Werte an, dann wird deutlich, dass noch eine Menge zu tun ist hinsichtlich einer (erfolgreichen) Integration in den Arbeitsmarkt: Die Beschäftigungsquote der Menschen aus den Asylherkunftsländern liegt bei 41,4 Prozent (die erst seit dem letzten Jahr zugewanderten Ukrainnerinnen und Ukrainer erreichen bereits 22,3 Prozent* und viele sind noch in den vorbereitenden Sprachkursen und werden demnächst in das Beschäftigungssystem kommen). Die „SGB II-Hilfequote“ wird mit 45,5 Prozent ausgewiesen und liegt damit erheblich höher als bei den Ausländern insgesamt (21,3 Prozent) oder gar den Deutschen (mit 8,6 Prozent).

*) Die BA ordnet diesen Wert so ein: »Die Beschäftigungsquote für ukrainische Staatsangehörige lag im April bei gut 22 Prozent. In dieser Quote sind allerdings auch diejenigen ukrainischen Staatsangehörigen enthalten, die schon vor Kriegsbeginn in Deutschland gelebt und gearbeitet haben. Interpretiert man die Veränderung der Bevölkerung und Beschäftigung seit Februar 2022 als Kriegsflüchtlinge und setzt die Veränderungen zueinander ins Verhältnis, so errechnet sich ein Wert von knapp 17 Prozent.« (Bundesagentur für Arbeit: Auswirkungen der Fluchtmigration aus der Ukraine auf den Arbeitsmarkt und die Grundsicherung für Arbeitsuchende, Nürnberg, Juni 2023, S.9).