»Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, sieht die Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt auf einem guten Weg. Die Entwicklung in den vergangenen vier Jahren sei deutlich besser als von Arbeitsmarktexperten vorhergesagt«, so beispielsweise diese Meldung aus dem September 2019: Integration „besser als vorhergesagt“. »Zuvor hatte das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) erklärt, die Integration von Flüchtlingen gehe schneller voran als zunächst angenommen. Im Herbst dürften ungefähr 40 Prozent der Flüchtlinge in erwerbsfähigem Alter einer Beschäftigung nachgehen.« Und die positive Berichterstattung setzt sich im noch neuen Jahr fort: Flüchtlinge in Hessen schneller als erwartet in Arbeit, so ist einer der vielen Artikel aus den vergangenen Tagen überschrieben. Darin wird Frank Martin, der Chef der Arbeitsagentur in Hessen, mit diesen Worten zitiert: „Dass die Arbeitsmarktintegration so schnell gelingen würde, haben wir nicht erwartet“, urteilt er. Dabei gelinge es besser, Fachkräfte zu integrieren als Menschen, „die lediglich eine Helfertätigkeit ausüben“.
Allerdings gibt es dann auch differenzierende Hinweise: Der Trend geht zur Leiharbeit, so ist beispielsweise der Artikel von Valerie Eiseler überschrieben: »Immer mehr Geflüchtete arbeiten, aber Bürokratie und fehlende Qualifikation stehen häufig im Weg.«
»Die Beschäftigungsquote steigt, die Arbeitslosenquote sinkt: Auf den ersten Blick lassen die Zahlen zur Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen Gutes vermuten. Für den Herbst 2019 erfasst der Zuwanderungsmonitor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) eine Beschäftigungsquote von 36,6 Prozent unter Personen aus Asylherkunftsländern.« Hört sich erst einmal gut an. »Dennoch gibt es weiterhin Probleme bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. Allein der Erhalt der Arbeitserlaubnis ist eine Hürde. Nur Personen, die einen positiven Asylbescheid haben, als Flüchtling anerkannt sind oder unter subsidiärem Schutz stehen, dürfen uneingeschränkt einer Tätigkeit nachgehen oder sich selbstständig machen.«
Und wo sind die unterkommen, die den Sprung auf den Arbeitsmarkt geschafft haben? »Die meisten derjenigen mit Arbeitserlaubnis sind in der Leiharbeitsbranche untergekommen«, so Eiseler. Dazu auch dieser Artikel von Lena Becher: Flüchtlinge am Arbeitsmarkt: Mehr als jeder Siebte in Leiharbeit. Hinzu kommt: Von den im Juni 2019 rund 284.000 erfassten Beschäftigten deutschlandweit arbeiteten mehr als die Hälfte auf Helferniveau.
»Das eigene Fachniveau zum Beispiel über eine Ausbildung aufzubauen, ist für viele Geflüchtete aufgrund der Anforderungen der Berufsschulen nicht einfach. In den Jahren, in denen sie Sprache und Grundlagen lernen, verdienen sie folglich nur einen geringen Lohn. Daher ziehen … viele die Leiharbeit der beruflichen Ausbildung vor«, so Eiseler in ihrem Artikel.
Und auch dieser Hinweis ist relevant: »Besonders schlecht sehen die Beschäftigungszahlen bei geflüchteten Frauen aus. Die Erhebungen der Bundesagentur zeigen, dass im Juni 2019 Männer rund 87 Prozent der Erwerbstätigen aus Asylherkunftsländern ausmachten, während es bei den Frauen nur rund 13 Prozent waren.« Die Unterschiede seien nicht nur auf die Familienkonstellation zurückzuführen, wie bereits aus früheren Studien bekannt ist.
Licht und Schatten – ein Blick auf die Zahlen am Beispiel von Rheinland-Pfalz
Auch für das Bundesland Rheinland-Pfalz kann man auf den ersten Blick von einer Erfolgsgeschichte sprechen. Der Beschäftigungsaufbau hinsichtlich der Menschen mit Fluchthintergrund ist beeindruckend:
Mittlerweile sind nach den aktuell verfügbarsten Zahlen gut 16.000 Menschen aus den außereuropäischen Asylherkunftsländer in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Wo sind die untergekommen? Die folgende Abbildung zeigt die sechs wichtigsten Wirtschaftszweige, in denen mehr als 75 Prozent der Menschen mit einem Fluchthintergrund arbeiten:
Besonders auffällig ist der Befund, dass die gesamtwirtschaftliche gesehen überschaubaren Bereiche Leiharbeit und das Gastgewerbe so stark vertreten sind. Und wie stark, verdeutlicht diese Abbildung, bei der die prozentuale Verteilung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auf die genannten sechs Wirtschaftszweige getrennt für die Menschen mit Fluchthintergrund und für die deutschen Beschäftigten dargestellt wird:
In Rheinland-Pfalz ist also fast jeder dritte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus einem der außereuropäischen Asylherkunftsländer in der Leiharbeit oder im Gastgewerbe gelandet – von den deutschen Beschäftigten sind es gerade mal 3,7 Prozent.
Nun muss man an dieser Stelle wahrlich nicht ausführlich begründen, welche Besonderheiten mit der Beschäftigung in der Leiharbeit verbunden sind. Auf alle Fälle muss man in Rechnung stellen, dass hier die Beschäftigungsfluktuation besonders hoch und die Bezahlung der Leiharbeiter eher niedrig ist. Dass so viele Flüchtlinge hier landen, hängt natürlich auch mit dem Profil vieler Stellen zusammen, die über die Arbeitnehmerüberlassung vergeben werden: es sind überwiegend Jobs auf dem Helferniveau. Vor diesem Hintergrund überrascht dann auch nicht die folgende Abbildung:
Und schaut man sich die Arbeitsuchenden im Kontext Fluchtmigration an, also diejenigen, die einen Job suchen, dann wird man zum einen feststellen, dass mindestens 36,3 Prozent keinen Schulabschluss haben und weitere 12 Prozent so etwas wie einen Hauptschulabschluss (wahrscheinlich sind die Werte für diejenigen, die keinen Schulabschluss haben, noch höher, denn die Statistik der BA weist für immerhin 20,6 Prozent der Menschen mit einem Fluchthintergrund keine Angabe zu einem Schulabschluss aus, man kann hier plausibel davon ausgehen, dass darunter viele ohne irgendeinen Schulabschluss sind.
Bereits in Deutschland geborene und aufgewachsene Menschen ohne Schulabschluss haben erhebliche Probleme, überhaupt einen Fuß in den deutschen Arbeitsmarkt zu bekommen. Bei den Flüchtlingen ohne Schulabschluss kommt erschwerend hinzu, dass viele von ihnen massive Sprachprobleme haben.
Vor diesem Hintergrund überrascht es denn auch nicht, dass hinsichtlich des Anforderungsniveaus des Zielberufs die BA-Statistik die folgenden Anteilswerte ausweist:
➔ Helfer: 73,9 Prozent
➔ Fachkraft/Spezialist: 15,1 Prozent
➔ Experte: 3,2 Prozent
Und es ist ebenfalls keine Überraschung, wenn man darauf hinweist, dass Helferjobs nicht nur charakterisiert sind durch ein vergleichsweise hohe Beschäftigungsstabilität und sich hier oftmals drehtürmäßig Phasen der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit abwechseln. Sondern auch, dass selbst wenn man eine solche Beschäftigung hat, man von den dort realisierbaren Einkommen kaum über die Runden kommen kann, geschweige denn eine Familie zu versorgen in der Lage ist. Dieser Zusammenhang erklärt dann auch die letzte Abbildung:
Wenn auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit einem Fluchthintergrund ansteigt, sehen wir zugleich eine Stabilisierung der Zahl der Hartz IV-Empfänger auf hohem Niveau, die auch nicht in dem Maße rückläufig ist, wie die Beschäftigtenzahl ansteigt. Was vor dem Hintergrund der skizzierten Schwerpunkte der Beschäftigung und der dort realisierbaren Einkommen auch nicht überrascht. Zugleich muss man aus einer arbeitsmarktlichen, aber auch generell aus einer integrationsorientierten Perspektive zur Kenntnis nehmen, dass viele Frauen nicht nur von der Arbeitsmarktintegration ausgeschlossen sind, sondern sie ziehen sich oftmals generell zurück in die Rolle der Mutter, die auch meint, an keinem Sprach- und Integrationskurs teilnehmen zu müssen. Natürlich spiegelt das teilweise das vormoderne Rollenverständnis vieler Zuwanderer wieder. Aber es wird sich in den vor uns liegenden Jahren höchst wahrscheinlich bitter rächen, wenn man diese Exklusionsprozesse nicht wenigstens offen – und das bedeutet in diesem Fall: kritisch – anzusprechen und aufzubrechen versucht.