Outsourcing als eine Quelle für die zunehmende Lohnungleichheit in Deutschland

Outsourcing ist ein sehr weit gefasster Oberbegriff für teilweise sehr unterschiedliche Prozesse innerhalb des Wirtschaftslebens. Darunter würde die Abgabe einer bislang von eigenen Beschäftigten betriebenen Werkskantine an ein Catering-Unternehmen, dass die fortan im Auftrag als ein „Betrieb im Betrieb“ bewirtschaftet, genauso subsumiert werden wie die Auslagerung der Produktion eines Automobilherstellers an einen rumänischen Standort. Zum Outsourcing gehört beispielsweise auch das Vorgehen im Bereich der Paketdienste, über Subunternehmer-Ketten auf eigene Mitarbeiter im klassischen Sinne verzichten zu können (man denke hier an GLS oder Hermes), sondern die Arbeit von „selbständigen“ Paketfahrern erledigen zu lassen. Oder generell die Fremdvergabe innerhalb eines Unternehmens über das Instrumentarium der Leiharbeit oder die Vergabe an eine Fremdfirma über die Nutzung von Werk- und Dienstverträgen. Und mit Leiharbeit und Werkverträgen haben wir bereits Stichworte aufgerufen, die seit Jahren immer wieder überaus kritisch diskutiert werden hinsichtlich der Folgen ihrer immer intensiveren Nutzung in vielen Unternehmen.

In diesen Tagen beginnt eine erneute und massive Kampagne der IG Metall gegen die aus ihrer Sicht oftmals missbräuchlichen Inanspruchnahme von Werkverträgen – vgl. dazu bereits den Blog-Beitrag Outsourcing mit Folgen: Werkverträge im Visier. Die IG Metall versucht, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen vom 1. September 2015 sowie den Beitrag Problemfall Werkvertrag. Das System der verlängerten Werkbank von Johannes Schulten und Jörn Boewe.
Das Problem ist wie so oft bei Fragen des Arbeitsmarktes: Es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern eben auch viele Grautöne. Das kann man sich verdeutlichen am Beispiel der Werkverträge. An sich ist diese Rechtshülle nicht verwerflich, sie bildet viele Geschäftsbeziehungen ab, die gar nicht anders abgewickelt werden könnten. Wenn man einen Maler beauftragt, das eigene Wohnzimmer zu streichen, dann schließt man einen Werkvertrag. Es macht auch nicht wirklich Sinn, den Maler in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis einzustellen. Wenn man ein Schreibbüro beauftragt, mehrere Stunden Audio-Aufzeichnungen von Interviews im Rahmen eines Forschungsprojekts abzutippen, dann ist das eine sinnvolle Fremdvergabe. Insofern macht es aus Sicht einer Effizienzsteigerung durch Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen durchaus Sinn, Aufgaben auszulagern und nicht selbst zu machen.

Der IG Metall und anderen geht es aber nicht um diese nicht-vermeidbaren Fälle der Auslagerung. Sondern um eine Auslagerung, die überwiegend oder ausschließlich veranstaltet wird, um die „zu hohen“ Kosten der Stammbeschäftigten zu drücken, in dem Leiharbeit und/oder Werkverträge in Anspruch genommen werden, um das Kostendifferential zu nutzen.

»Mehr als zwei Drittel der Betriebe kauften inzwischen Leistungen bei anderen Firmen ein, ergab eine Umfrage der IG Metall unter gut 4000 Betriebsratsvorsitzenden. In fast drei Vierteln dieser Fälle müssten die Beschäftigten der Werkvertragsfirmen zu schlechteren Bedingungen arbeiten als ihre festangestellten Kollegen. Häufig sei eine solche Fremdvergabe von Arbeit per Werkvertrag mit niedrigeren Löhnen, längeren Arbeitszeiten oder weniger Urlaubstagen verbunden«, so der Artikel IG Metall beklagt Missbrauch von Werkverträgen.

In diesem Zusammenhang – zugleich über das Feld der IG Metall hinausreichend – interessant sind die Ergebnisse einer Studie, die vor kurzem vom Institut Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn veröffentlicht worden sind:

Deborah Goldschmidt and Johannes F. Schmieder: The Rise of Domestic Outsourcing and the Evolution of the German Wage Structure. Discussion Paper No. 9194. Bonn: IZA, July 2015

Das Institut hat die dazu gehörende Pressemitteilung lapidar überschrieben mit: Outsourcing erhöht Lohnungleichheit in Deutschland. Daraus einige interessante Befunde:

»Die Forscher dokumentieren das Ausmaß des Outsourcings für Wirtschaftsbereiche, die besonders von dieser Entwicklung profitieren: Reinigungs-, Sicherheits- und Logistikdienstleistungen (RSL) sowie Zeitarbeitsfirmen. Während 1975 nur rund zwei Prozent aller Beschäftigten für RSL-Dienstleister oder Zeitarbeitsfirmen tätig waren, stieg dieser Anteil bis 2008 auf fast acht Prozent an.« Die beiden Wissenschaftler haben sich auf Situationen konzentriert, in denen Betriebe ganze Gruppen von Arbeitskräften gemeinsam an Dienstleister auslagern, um die Fälle auszuschließen, dass nur diejenigen Mitarbeiter ausgelagert werden, die in den Augen des Arbeitgebers eine geringere Produktivität aufweisen.

»Die Löhne fallen nach der Auslagerung deutlich und liegen nach zehn Jahren etwa 10-12 Prozent niedriger als die von vergleichbaren Arbeitern, die nicht ausgelagert wurden. Die Verluste sind am höchsten für Reinigungspersonal und Zeitarbeiter. Etwas geringer fällt der Effekt für Logistikarbeiter aus, z.B. LKW-Fahrer oder Kantinenmitarbeiter.«

Und weiter:

»Attraktiv ist das Auslagern von vorher betriebseigenen Prozessen und Aufgaben vor allem für Unternehmen, die relativ hohe Löhne bezahlen und an Tarifverträge gebunden sind. Das führt in vielen Fällen dazu, dass Arbeitskräfte in ohnehin schlecht bezahlten Berufen in ihrem neuen Beschäftigungsverhältnis weitere Lohneinbußen in Kauf nehmen müssen. Entsprechende Folgen hat der Trend für die Lohngerechtigkeit: Die Simulationen legen nahe, dass allein das Outsourcing im Reinigungs-, Sicherheits- und Logistikbereich etwa 10% des Gesamtanstiegs der Lohnungleichheit in Deutschland erklären kann.«

Outsourcing mit Folgen: Werkverträge im Visier. Die IG Metall versucht, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen

Werkverträge? Da denken viele Menschen an die Ausbeutung osteuropäischer Billigarbeiter auf deutschen Schlachthöfen oder auf den vielen Baustellen im Land. Und das die Regaleinräumer in den Discountern oftmals Werkvertragskräfte sind, hat man auch schon mal gehört. Irgendwie ein Thema aus den untersten Etagen des Arbeitsmarktes, wo die Niedriglöhner arbeiten (müssen). Aber nur wenige werden vor Augen haben, dass das auch in ganz umfangreichen Maße auf hoch qualifizierte Kräfte zutreffen kann, beispielsweise auf Ingenieure in der Forschung und Entwicklung in der Automobilindustrie. Das Thema Werkverträge und ihre Ausbreitung in der Welt der Wirtschaft ist also nicht neu, aber offensichtlich – folgt man der Wahrnehmung der großen Industriegewerkschaft IG Metall, die das volkswirtschaftliche Rückgrat der deutschen Industrie beackert – nimmt die aus ihrer Sicht missbräuchliche Nutzung eines Teils der Werkverträge zum Zwecke des Lohndumping zu und deshalb fordert man die Bundesregierung auf, auf dieser Baustelle wie im Koalitionsvertrag im Grunde auch vereinbart, endlich regulatorisch tätig zu werden.

Die Art und Weise der etwas umständlichen Formulierung der thematischen Einleitung dieses Beitrages soll darauf hinweisen, dass es gar nicht so einfach ist, hier eine klare, also eindeutige Beschreibung des Problems und der möglichen Lösung vorzunehmen. Da macht es Sinn, zuerst einmal die Gewerkschaft selbst anzuhören. Die hat ihre Pressemitteilung dazu so überschrieben: IG Metall wendet sich gegen Werkverträge, die zum Lohndumping missbraucht werden. Betriebsräte-Umfrage 2015: Werkverträge ersetzen immer mehr Stammarbeitsplätze. Der kann man entnehmen: Die IG Metall kritisiert den Missbrauch – es geht jedoch nicht um das Vertragskonstrukt Werkvertrag an sich. In der Metall- und Elektroindustrie seien vor allem die Bereiche Kontraktlogistik, industrielle Services sowie Entwicklungsdienstleister betroffen, so ein Ergebnis einer Befragung von mehr als 4.000 Betriebsratsvorsitzenden. Jörg Hofmann, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, wird mit diesen Worten zitiert: „Wir kritisieren nicht die sinnvolle Arbeitsteilung zwischen dem Produzenten von Fahrzeugen oder Maschinen und Spezialisten, die hierfür Dienstleistungen anbieten: Daneben hat sich aber eine Praxis der Auslagerung entwickelt, die alleine auf Lohndumping baut, um Extraprofite einzustreichen.“ Auch hier wieder: Kein Generalangriff, sondern ein differenzierter Blick auf eine bestimmte Form der Inanspruchnahme von Werk- und Dienstverträgen.

Der Impuls der IG Metall ist in einigen Medien sofort aufgegriffen worden – berührt er doch einen Kernbereich dessen, was in der Industrie abläuft. Die WirtschaftsWoche hat ihren Artikel dazu überschrieben mit IG Metall attackiert Outsourcing in der Industrie. Und Stefan Sauer schreibt in der Berliner Zeitung: Werkverträge spalten Belegschaft in „unterschiedliche Klassen“. Er verdeutlicht gleich am Anfang seines Beitrags, warum das Thema so sperrig und eben nicht einfach in „gut“ und „böse“ zu unterteilen ist:

»Werkverträge gibt es seit mehr als 100 Jahren. Die im Bürgerlichen Gesetzbuch niedergelegten Regularien ermöglichen es Unternehmen, andere Firmen mit speziellen Aufgaben zu betrauen, etwa mit dem Betrieb von Kantinen oder der Gebäudereinigung. Insoweit sind Werkverträge in einer komplexen, arbeitsteiligen Wirtschaft nicht wegzudenken.«

Ganz anders – aus Sicht der Gewerkschaften – stellt sich das dar, wenn Leistungen, die bislang von den Stammbelegschaften erbracht worden sind, von außen billiger eingekauft werden. Genau das ist die Stoßrichtung der IG Metall, die wie erwähnt auf der Grundlage einer Befragung von mehreren tausend Betriebsratsvorsitzenden argumentiert:

»Danach werden in mittlerweile 69 Prozent der Unternehmen Arbeiten an Fremdfirmen vergeben. In einer ersten Betriebsratsumfrage 2012 waren es 60 Prozent gewesen. Besonders größere Arbeitgeber mit mehr als 1000 Beschäftigen setzten verstärkt auf Werkverträge. In gut einem Drittel dieser Betriebe wurden 2015 mehr Fremdfirmen angeheuert als 2012, in nur neun Prozent der Unternehmen kam es zu einem Rückgang.«

Nun ist die rein quantitative Zunahme gar nicht das zentrale Problem aus Sicht der Arbeitnehmervertreter, sondern der veränderte Charakter der Werk- und Dienstverträge: Ging es früher vor allem um Arbeiten, die mit dem eigentlichen Unternehmenszweck eher am Rande zu tun hatten, so sind mittlerweile häufig auch zentrale Bereiche betroffen.

Anders gesagt: Die Werk- und Dienstverträge fressen sich vom Rand rein in den Kern dessen, was die produzierenden Unternehmen tun – und tangieren damit, um einen betriebswirtschaftlichen Terminus zu verwenden, die Kernkompetenz, deren Erledigung der Stammbelegschaft bislang die vergleichsweise hohen Löhne garantiert hat.

»Die Gewerkschaft macht dies an drei Beispielen fest: In 36 Prozent der Betriebe mit mehr als 1000 Mitarbeitern seien in der Forschungs- und Entwicklung Fremdfirmen tätig. Im Fahrzeugbau liege der Anteil sogar bei 50 Prozent.
Ein Drittel der in den Unternehmen mit Logistikaufgaben betrauten Arbeitnehmer sei mittlerweile bei Fremdfirmen angestellt, 2005 habe der Anteil noch bei fünf Prozent gelegen. Und auch die Wartung und Reinigung von Maschinen werde mittlerweile nur noch zu 70 Prozent von Stammbeschäftigten erledigt, zu 30 Prozent von Werkvertragsfirmen. Diese stellen in den genannten Bereichen mehr als 100 000 Beschäftigten in der Branche.«

»In fast drei Viertel aller Fälle müssen die Beschäftigten der Werkvertragsfirmen zu schlechteren Bedingungen arbeiten als ihre Kollegen, die fest angestellt sind«, so die IG Metall in ihrer Pressemitteilung. Was das bedeutet? Längere Arbeitszeiten, weniger Urlaub, geringere Stundenlöhne und schlechtere Altersvorsorge. Und wenn man beispielsweise an die Werkverträgler in den Fertigungsstätten der deutschen Automobilindustrie denkt: Sie haben auch keinen Zugang zu den zahlreichen und aufgrund jahrzehntelanger Arbeit der Gewerkschaft erkämpfter betrieblicher Sozialleistungen und „natürlich“ profitieren sie auch nicht von den Prämien, in deren Genuss die Stammbeschäftigten kommen (können).

Nun sind diese Probleme nicht neu, sondern sie werden bereits seit längerem kritisch diskutiert – man denke hier nur an die Dokumentation Hungerlohn am Fließband – Wie Tarife ausgehebelt werden über Werkverträge bei Daimler, die im ARD-Fernsehen am 13. Mai 2013 zur besten Sendezeit (und kurz vor der Präsentation der neuen S-Klasse des Konzerns) ausgestrahlt wurde und dazu geführt hat, dass der schwäbische Weltkonzern gegen den SWR mit der Forderung auf Nicht-Verbreitung der Fernsehbeitrags und der gerichtlichen Feststellung, dass die Aufnahmen mit versteckter Kamera unzulässig seien, vor Gericht gezogen ist – bislang allerdings in zwei Instanzen erfolglos.

Der Hintergrund für die aktuellen Aktivitäten der IG Metall ist eine bislang nicht eingelöste Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus dem Dezember 2013. Dort findet man auf der Seite 49 die folgende Absichtserklärung:


Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen verhindern
Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen verhindert werden. Dafür ist es erforderlich, die Prüftätigkeit der Kontroll- und Prüfinstanzen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu konzentrieren, organisatorisch effektiver zu gestalten, zu erleichtern und im ausreichenden Umfang zu personalisieren, die Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats sicherzustellen, zu konkretisieren und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung zu sanktionieren. Der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber dürfen auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht bessergestellt sein, als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Der gesetzliche Arbeitsschutz für Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer muss sichergestellt werden.
Zur Erleichterung der Prüftätigkeit von Behörden werden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt.

Das hört sich einfacher an, als es in der Wirklichkeit – in der bekanntlich der Teufel im Detail steckt – ist. Letztendlich und vereinfacht gesagt geht es um die (dann auch noch rechtssichere) Abgrenzungsfrage von „guten“ versus „schlechten“ Werkverträgen. Bert Losse und Max Haerder erläutern dazu in ihrem Artikel IG Metall attackiert Outsourcing in der Industrie:

»Die Bundesarbeitsministerin hat eine Reform der Werkverträge seit ihrem Amtsantritt auf der Agenda und will die heikle Reform noch in diesem Herbst auf den Weg bringen. Denn spätestens ab kommendem Frühjahr, wenn diverse Landtagswahlen die politische Agenda bestimmen, dürfte es schwierig werden, umstrittene Gesetze wie eine Werkvertragsregulierung durch den Bundestag zu peitschen.
Daher plant die SPD-Politikerin eine Art Paketlösung. Nahles will die Werkverträge gemeinsam mit der Zeitarbeit regulieren, wobei Letzteres deutlich einfacher sein dürfte – nicht zuletzt, weil die Eckpunkte bei der Zeitarbeit vergleichsweise detailliert im Koalitionsvertrag festgezurrt wurden. Das ist im Fall der Werkverträge anders. Ministeriums-Fachleute geben zu, dass es kompliziert werden könnte, nun eine Regelung zu finden, mit der Gewerkschaften, Arbeitgeber und der Koalitionspartner gleichermaßen leben können.«

Wie kompliziert die zu regelnde Materie aus rechtswissenschaftlicher Sicht ist, verdeutlicht das im vergangenen Jahr vorgelegte Gutachten der beiden Arbeitsrechtler Christiane Brors und Peter Schüren: Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verhindern. Gutachten für das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Februar 2014. Eine kurze Zusammenfassung einiger Aspekte findet sich in dem Artikel Werkverträge: Den Dschungel lichten.

Vor diesem Hintergrund darf man gespannt sein, was die Bundesarbeitsministerin von ihrem Ministerium im Herbst vorlegen lässt. Wichtige Forderungen der Gewerkschaftsseite werden allerdings nicht berücksichtigt werden, also beispielsweise die Forderung nach Mitbestimmung beim Einsatz von Werkverträgen – auch der zitierte Passus im Koalitionsvertrag stützt diese These, denn dort ist lediglich die Rede davon, die „Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats“ sicherzustellen, von Mitbestimmung steht da nichts. Und Nahles – auch wenn sie wollte – wird darüber keineswegs hinausgehen (können), ist sie doch seit dem Mindestlohn und dem Rentenpaket koalitionsintern kaltgestellt, was gewerkschaftsfreundliche Regulierungen angeht und zum anderen laufen die Wirtschaftsverbände bereits jetzt Sturm gegen eigentlich jede Regelung in diesem Bereich, denn aus ihrer Sicht handelt es sich um rein unternehmerische Entscheidungen, in die man sich nicht rein reden lassen will.

Vielleicht muss man die Intensivierung der IG Metall-Kampagne gegen Werkverträge – so soll es als nächste Stufe am 24.09.2015 an nahezu allen Standorten der deutschen Automobilhersteller einen Aktionstag geben und die Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der Automobilhersteller und Zulieferer werden einen gemeinsamen Aufruf an die Politik absetzen – vor dem Hintergrund eines wirklich heftigen organisationspolitischen Dilemmas der IG Metall sehen: Durch das zunehmende Outsourcing verliert die Gewerkschaft den tarifpolitischen Zugriff auf immer mehr Beschäftigte. Wenn sich ihre Organisationshoheit nur noch auf die Stammbelegschaften verengt und immer mehr Werkvertragsarbeitnehmer in tarif- und mitbestimmungslosen Unternehmen befinden, dann wird die Schlagkraft der IG Metall erheblich abnehmen.

Insofern könnte am Ende des Prozesses – wir bewegen uns hier natürlich im Bereich der Spekulation – ein Ergebnis stehen, dass man trotz der großen Kritik an den Werkverträgen in Anerkenntnis ihrer betriebswirtschaftlicher Funktionalität (zu der auch – man muss es sagen dürfen – eine gewisse Stabilisierungsfunktion der Arbeitsbedingungen der Insider gehört, was auch die teilweise Ambivalenz der Betriebsräte bei diesem Thema erklären kann) wie aber auch angesichts der Tatsache, dass es gerade für produzierende Unternehmen immer auch die Option eines ausländischen Outsourcing gibt, das nicht selten als Damoklesschwert instrumentalisiert wird, wenn man nicht den Kostensenkungsvorgaben in den Unternehmen entgegenkommt, die derzeit heftig und verständlicherweise auch beklagte Auffächerung der Tarifstruktur nach unten (vgl. aktuell dazu Metall-Arbeitgeber fordern neuen Einstiegstarif) letztendlich mitgehen wird, wenn sie denn unter dem Dach der IG Metall stattfindet. Hinweise auf diese strategische Ausrichtung gibt es – gerade in dem so wichtigen Bereich der Logistik, deren Unternehmen sich über Werkverträge immer tiefer in die Kernprozesse der Automobilhersteller und anderer Schwergewichte der Stahl- und Metallindustrie fressen und die eigentlich – auch nach der DGB-Abgrenzung – unter die Zuständigkeit der Gewerkschaft ver.di fallen. Da ist die IG Metall dann auch schon mal auf Konfrontationskurs gegen ver.di gegangen, erinnert sei hier an die „Machtübernahme“ der Metaller beim Logistik-Unternehmen Stute (vgl. dazu meinen Blog-Beitrag Wenn unterschiedlich starke Arme eigentlich das Gleiche wollen und sich in die Haare kriegen: „Tarifeinheit“ aus einer anderen Perspektive vom 3. September 2014). Das alte Motto „Ein Betrieb = eine Gewerkschaft“ kann dann eine ganz neue Dimension bekommen, wenn man den „Betrieb“ ausweitet auf die vor- und nebengelagerten Betriebe.

Wie gesagt, alles derzeit zwangsläufig nur Spekulation.

Arbeitswelten: In der Fleischindustrie ist alles besser geworden! Wirklich? Und beim Daimler sprudeln die Gewinne – und die Fremdvergabe boomt

Viele werden sich erinnern an die Reportagen, Dokumentationen und Artikel, in denen die Verhältnisse im „Billigschlachthaus“ Deutschland angeprangert wurden, vor allem die Ausbeutung osteuropäischer Werkvertragsarbeiter, nicht nur hinsichtlich einer extrem niedrigen Bezahlung, sondern auch angesichts teilweise nur noch als kriminell zu bezeichnender Unterbringungsverhältnisse. Und keiner möge behaupten, dass mediale Berichterstattung nichts verändern kann – sie kann Druck aufbauen, Politiker zum Jagen tragen, Verbesserungen auslösen. Das war gerade in dieser Schmuddel-Branche der Fall (vgl. dazu auch den Beitrag Billig, billiger, Deutschland. Wie sich die Umsätze in der deutschen Fleischindustrie verdoppeln konnten und warum der Mindestlohn ein fragiler Fortschritt ist vom 15.11.2014). Zugleich lehrt die Erfahrung, dass man immer wieder die Dinge auf Wiedervorlage legen muss, um nachzuschauen, ob die Veränderungen nur angekündigt oder temporärer Natur waren und sich zwischenzeitlich eventuell die alten Verhältnisse wieder eingestellt haben. »Etwa ein Jahr ist es her, dass die Fleischbranche feierlich Besserung gelobte: Die Ausbeutung osteuropäischer Billiglöhner, von Subunternehmen in die Schlachthöfe geschickt, sollte ein Ende haben, ebenso die Unterbringung der Menschen in Schrottimmobilien zu Wuchermieten.« So beginnt ein Artikel von Karl Doeleke, mit der allerdings die Hoffnungen relativierenden Überschrift Zweifel an Reformen in der Fleischindustrie. Damals wurde ein Verhaltenskodex der Fleischwirtschaft ins Leben gerufen, der auch Mindestlohn und soziale Standards für Wohnungen regelt. Überwacht werden soll der von unabhängigen Wirtschaftsprüfern. Hört sich gut an. Nun aber hat die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ das gemacht, was bereits angedeutet wurde – den Sachverhalt nicht nur auf Wiedervorlage legen, sondern ihn auch mit Leben füllen, in dem einige scheinbar einfache Fragen gestellt werden: Werden die Regeln im Kodex alle umgesetzt? Welche Schlachtkonzerne verpflichten ihre Subunternehmer dazu? Wie wird die Einhaltung überwacht? Die Antworten darauf fielen sparsam aus.

mehr