Da kann man schon durcheinander kommen: In Deutschland fehlen eine Million Wohnungen, gleichzeitig finden die Statistiker 500.000 Wohnungen mehr als angenommen. Auf alle Fälle gilt: Die Wohnungsfrage ist/wird ein großes Thema

Diese Tage durfte die Öffentlichkeit endlich die ersten Ergebnisse der „kleinen“ Volkszählung erfahren, die im Jahr 2011 durchgeführt worden ist. Dabei musste man nicht nur zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland immerhin 1,5 Millionen Menschen weniger hat, sondern auch, dass es angeblich 500.000 Wohnungen mehr gibt als man bislang angenommen hat.
So teilt uns das Statistische Bundesamt hierzu in einer Pressemitteilung mit: »In Gebäuden mit Wohnraum … gab es 40,8 Millionen Wohnungen – das waren 500.000 mehr als in der bislang gültigen Fortschreibung des Wohnungsbestandes. Deutschland zeichnet sich im internationalen Vergleich traditionell durch eine niedrige Eigentümerquote aus, also den Anteil der bewohnten Wohnungen, die von den Eigentümern selbst bewohnt werden. Zwar ist die Eigentümerquote in den letzten Jahren langsam aber kontinuierlich gestiegen – am Zensusstichtag betrug sie 45,8 %. Damit wohnte aber immer noch die Mehrheit der Haushalte zur Miete. In Wohngebäuden liegt die Leerstandsquote in Deutschland insgesamt bei 4,4 % …, im Osten ist sie allerdings höher als im Westen.«

Diese Meldung ist besonders relevant vor dem Hintergrund einer anschwellenden Diskussion über die Wohnungsfrage als neue soziale Frage, vor allem in den (groß)städtischen Räumen: »Ob in Berlin, Hamburg oder München: Laut Mieterbund und Studentenwerk wird das Wohnen in den größten Städten für viele unbezahlbar. Wenn nicht schnell zahlreiche Neubauten entstehen, müssen etliche Menschen wegziehen«, können wir in dem Artikel „Deutschlandweit fehlen eine Million Wohnungen“ von Maris Hubschmid lesen. Bereits zu Beginn verdeutlicht der Beitrag das Problem, dass man eben nicht von „der“ Wohnungsnot reden könne, denn der Befund ist eine zunehmend polarisierte Entwicklung: »In Brandenburg stehen immer mehr Häuser leer – und in Berlin herrscht Wohnungsnot.« Allein in den Ballungsräumen fehlen heute schon 250.000 Wohnungen, behauptet der Deutsche Mieterbund (DMB) auf seiner Jahrestagung, die dieses Jahr in München stattgefunden hat (vgl. hierzu: Bezahlbare Wohnungen fehlen – Wohnkosten und Mieten steigen. Bundesbürger fordern aktive Wohnungs- und Mietenpolitik ein). »Leerstandsquoten von unter 1 Prozent in Großstädten (München 0,6 %, Hamburg 0,7 %) – Wohnungsfachleute sehen eine Leerstandsquote von 3 Prozent als Fluktuationsreserve für notwendig an – und drastisch steigende Wiedervermietungsmieten sind Zeichen der aktuellen Wohnungsnot«, so der Mieterbund. Bei Neuvermietungen, das zeigen aktuelle Umfragen, liegt der Quadratmeterpreis inzwischen bis zu 40 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, so Hubschmid in ihrem Beitrag.

In keiner deutschen Stadt steigen die Mieten für frei verfügbare Wohnungen schneller als in Berlin. Dies geht aus einer aktuellen Erhebung hervor: 40 Prozent mehr in fünf Jahren: Bei Neuvermietungen liegt Berlin damit bundesweit an der Spitze. Der Wert für Berlin bezieht sich auf „Angebotsmieten“ und auf die Jahre 2007 bis 2012. Der Wohnungsmangel in Berlin wird brutal, so wird Ulrich Pfeiffer vom Forschungsinstitut empirica in dem Beitrag zitiert. Die Wohnungsnot sei die Kehrseite der Popularität der Stadt. Pfeiffer weist darauf hin, dass sich in Berlin eine „duale Mietergesellschaft“ herauszubilden beginnt: »Wer künftig eine Wohnung suche, werde mit der „brutalen“ Lage am Markt konfrontiert – „die Mehrheit der Mieter“ könne dagegen „friedlich den Vorzug alter und daher günstiger Mietverträge“ genießen.« Das erklärt auch die derzeitige – insgesamt betrachtet noch „günstige“ – Positionierung Berlins im Großstädtevergleich: »Denn der Blick auf die absoluten Mietpreise zeigt, dass frei verfügbare Wohnungen in Berlin zu einem Durchschnittspreis von rund 9,50 Euro je Quadratmeter und Monat angeboten werden. Damit liegt die Hauptstadt im bundesweiten Städtevergleich nur im Mittelfeld, etwa auf dem Mietniveau von Köln. Die höchsten Mieten werden in München gefordert, im Durchschnitt 13 Euro je Quadratmeter und Monat, gefolgt von Frankfurt am Main und Hamburg mit 10,50 Euro beziehungsweise 11,50 Euro.«

Der Mieterbund benennt das Problem und die folgenden Daten zum Preisanstieg bei Wiedervermietungen von Wohnraum:

»Bei einem Mieterwechsel, das heißt beim Abschluss eines neuen Mietvertrages, können Vermieter die Miete nahezu nach Belieben festsetzen. Konsequenz ist, dass in angespannten Wohnungsmärkten – also in Groß- und Universitätsstädten – die Wiedervermietungsmieten deutlich über den Mieten in bestehenden Mietverhältnissen – der ortsüblichen Vergleichsmiete – liegen. Mieter, die in Frankfurt eine Wohnung neu anmieten, müssen heute 31 Prozent mehr zahlen, als dort ortsüblich ist, also im Durchschnitt gezahlt wird. In München beträgt die Differenz 28 Prozent, in Düsseldorf 25 Prozent, in Hamburg 24 Prozent und in Berlin 19 Prozent. Am größten ist der Preisunterschied zwischen Wiedervermietungsmieten und Mieten in bestehenden Mietverhältnissen in Konstanz (44 %), Münster (40 %), Regensburg (39 %) und Heidelberg (36 %).«

Es stellt sich natürlich die Frage, ob und wie man politisch gegen diese Entwicklung vorgehen kann. Der Mieterbund fordert eine Obergrenze für Preiserhöhungen bei Neuvermietung. Wiedervermietungsmieten dürfen höchstens 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Bei bestehenden Mietverhältnissen dürfe die Miete um höchstens 15 Prozent in vier Jahren steigen (derzeit sind es 20 Prozent in drei Jahren).

Man muss aber auch sehen, dass teilweise langjährige Entwicklungen jetzt negativ zu Buche schlagen und auch vor dem Hintergrund, dass der Wohnungsmarkt beweglich ist wie ein Tanker, keine einfachen und schnell wirksamen Patentrezepte verfügbar sind, denn (1) jahrelang wurden zum einen zu wenig neue Wohnungen gebaut, (2) zum anderen sind zahlreiche bislang preisgünstige Sozialwohnungen aus der Preisbindung entlassen worden. Zu beiden Problemen nennt der Mieterbund wieder Zahlen, die das Ausmaß verdeutlichen können:

(1) Bundesweit müssten jährlich 140.000 bis 150.000 neue Mietwohnungen fertiggestellt werden, davon rund ein Viertel als Sozialwohnungen. In den letzten vier Jahren, zwischen 2008 und 2011, bewegten sich die Fertigstellungszahlen auf einem historischen Tiefstand. Schätzungsweise 65.000 bis 70.000 Mietwohnungen wurden nur noch pro Jahr bundesweit neu gebaut.

(2) »Zwischen 2002 und 2010 ist der Bestand an öffentlich geförderten Wohnung in Deutschland von 2,4 Millionen auf 1,6 Millionen Wohnungen zurückgegangen. Allein um den Sozialwohnungsbestand auf diesem niedrigen Niveau zu stabilisieren, werden 100.000 neue preis- und belegungsgebundene Wohnungen in Deutschland benötigt – durch Neubau, Ankauf von Belegungsbindungen oder Preisbindungen aufgrund von Modernisierungsförderungen.«

Auf alle Fälle haben die Oppositionsparteien SPD, Grüne und die Linke den gesellschaftspolitischen Sprengsatz, der in dem Thema liegt, erkannt und fordern eine entsprechende Mietpreisgrenze – und diese Tage hat sich die Bundeskanzlerin bei der Andeutung der geplanten Wahlversprechen der Union nicht nur zum Erstaunen ihres Koalitionspartners FDP einer solchen Forderung „im Prinzip“ angeschlossen.

Die Bundesregierung hat zwischenzeitlich das Mietrecht verändert, um eine Modernisierung von Wohnungen zu erleichtern und Kostensteigerungen zu begrenzen. Aber die Kritik an der Unvollkommenheit dieser Änderungen ist vielstimmig. Eine gute Übersicht findet sich in der Hintergrund-Sendung „Wohnen wird immer mehr zum Luxus. Das neue Mietrecht ändert daran wenig“ des Deutschlandfunks.

Aber auch eine Mietpreisbremse würde – darüber muss man sich im Klaren sein – das evidente „doppelte Angebotsproblem“ in den (groß)städtischen Räumen nicht lösen – es könnte aufgrund der Wirkungen auf Investitionsentscheidungen dieses sogar noch als ungewollter Nebeneffekt verschärfen. Das „doppelte Angebotsproblem“ – und das verdeutlicht die sozialpolitische Dimension des Problems – besteht darin, dass es nicht nur generell einen Mangel an Wohnraum gibt, was zunehmen wird, sondern darüber hinaus einen besonderen Mangel an Wohnungen im unteren Preissegment für die vielen einkommensschwachen Haushalte. Und die müssen heute schon einen überdurchschnittlichen Anteil ihres Haushaltseinkommens für Miete (und Nebenkosten) aufbringen und wenn sie auf staatliche Transferleistungen wie Hartz IV angewiesen sind, dann sind sie mit dem Problem konfrontiert, dass sie zum einen immer wieder konfrontiert werden mit den Diskrepanzen der gegebenen Mietpreise und dem, was die Jobcenter als „angemessene Kosten“ der Unterkunft zu akzeptieren bereit sind, zum anderen beispielsweise Energiepreisanstiege nur unvollkommen in ihren Leistungen abgebildet sind.

Insgesamt – dazu bedarf es keiner großen prognostischen Anstrengung – wird die Wohnungsfrage (wieder) zu einer „neuen“ sozialen Frage. Und wieder einmal erweist sich, dass man besser auf die Kassandra-Rufe derjenigen, die vor Jahren schon den flächendeckenden Rückzug des Staates aus dem sozialen Wohnungsbau als eine fatale Entwicklung gegeißelt haben, gehört hätte statt wie so oft, den Kurzfrist-Ökonomen zu glauben, die immer nur die jeweils aktuelle Lage sehen und diese dann fortschreiben.

Krankenhausbetten, die sich gleichsam selbst füllen? Zumindest für Österreich wird das behauptet

In der Gesundheitsökonomie gibt es einen erst einmal sperrig daherkommenden Terminus namens „angebotsinduzierte Nachfrage“. Schaut man sich im Netz nach Definitionen um, dann findet man beispielsweise solche Definitionsversuche: „Die Informationsasymmetrie zwischen Arzt und Patient gibt dem Arzt die Möglichkeit, auf den Umfang der „Nachfrage“ nach seinen Leistungen zu seinem ökonomischen Vorteil Einfluss zu nehmen. Bei entsprechender Information über Diagnose- und Therapiemöglichkeiten hätte der Patient diese Leistungen nicht nachgefragt.“ Und dazu einen weiteren Hinweis: „Amortisationsdruck bei hohen Geräteinvestitionen zwingt dazu, nicht indizierte Leistungen zu erbringen.“ Ein allgemein bekanntes Problem, das schon seit langem diskutiert und das irgendwie auch nachvollziehbar erscheint, wenn man von monetären Interessen ausgeht.
Schauen wir vor diesem Hintergrund in unser Nachbarland Österreich, die erst vor kurzem in der Öffentlichkeit erwähnt wurden angesichts der bei ihnen im internationalen Vergleich sehr hohen Krankenhausinanspruchnahme: Anfang April war in einer OECD-Studie zu lesen, dass der Wert von 261 Krankenhausaufenthalten pro 1.000 Einwohnern und Jahr in Österreich international gesehen die Spitze darstellt.

Andreas Wetz berichtet in seinem Artikel „Spitalsbetten als Krankmacher„:

»Viele Spitalsaufenthalte und Operationen sind in Österreich nicht auf objektiv festgestellte Krankheiten und Gebrechen zurückzuführen, sondern schlicht auf das Vorhandensein entsprechender Spitalsbetten: Betten, die Politiker in der Vergangenheit errichten ließen, und die nun unbedingt belegt – und damit finanziert – werden müssen. Das ist das Ergebnis einer noch unveröffentlichten Forschungsarbeit eines Dissertanten aus Salzburg.«

Florian Habersberger, der selbst einige Jahre in der Krankenhausverwaltung tätig war, hat mit seinen Berechnungen nachgewiesen: Wenn in der Vergangenheit in einer Region die Zahl der Krankenhausbetten um 1% gestiegen ist, dann stiegen automatisch auch die Zahl der Krankenhausaufenthalte: Bei der Inneren Medizin um 1,72%, bei der Urologie um 1,62%, in der Orthopädie um 1,48%. Seine zentrale These lautet, dass dort, wo Überkapazitäten von Betten aufgebaut wurden, auch besonders eifrig eingewiesen und operiert wird. Und man kann ihm laut Artikel auch nicht damit kommen, dass man doch die unterschiedliche Struktur der Einwohner in den Regionen berücksichtigen müsse, zumindest gilt dies nicht für den immer wieder und gerne vorgetragenen demografischen Faktor: Habersberger hat die von ihm untersuchten Regionen um demografische Besonderheiten bereinigt, da in Regionen mit einer statistisch älteren Bevölkerung automatisch mehr Einweisungen entstehen.

Naheliegend – wie so oft im Gesundheitswesen  – ist die Vermutung, dass das was mit dem jeweiligen Finanzierungssystem zu tun haben muss. So auch die Diskussion in Österreich im Kontext der Befunde von Habersberger und der Blick auf die frühere und heutige Krankenhausfinanzierung offenbart zahlreiche Parallelen zu der Entwicklung in Deutschland: »Bis 1996 rechneten Spitäler nach der Zahl jener Tage ab, die ein Patient im stationären Betrieb verbrachte, was dazu führte, dass die ständig wachsenden Bettenburgen gefüllt werden mussten. Das ging so weit, dass in manchen Spitälern ab Freitagmittag keine Patienten mehr entlassen wurden, um sie noch bis Montagmorgen in Betreuung halten zu können. Auf dem Höhepunkt verbrachte der durchschnittliche Patient 11,2 Tage im Krankenhaus«, können wir in einem erläuternden Beitrag lesen. Das erinnert an das ehemalige System der tagesgleichen Pflegesätze in der deutschen Krankenhausfinanzierung. Bereits vor den Deutschen gab es in Österreich Änderungen, die wir hier mit dem Fallpauschalengesetz Anfang der 2000er Jahre nachvollzogen haben: »1997 führte Österreich die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) ein. Seither gibt es pro Leistung (zum Beispiel dem Einsetzen einer Hüftprothese) eine Anzahl von Punkten, für die die Kassen eine bestimmte Summe bezahlen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer ging drastisch zurück. Heute liegt ein Patient – je nach Rechenmodell – nur noch zwischen 5,7 und 6,5 Tagen im Spital.« Aber das System reagiert entsprechend auf die neuen Rahmenbedingungen: Die Krankenhäuser hatten jetzt einen Anreiz, möglichst viele Einzelleistungen bei möglichst kurzer Aufenthaltsdauer zu erbringen. Was sie auf getan haben. Mit der Folge, dass die Belagstage pro Patienten zwar zurückgegangen sind, aber die Fallzahl deutlich anstieg, nämlich von seinerzeit 1,8 Millionen auf zuletzt 2,8 Millionen im Jahr 2011.

Wie so vieles ist auch diese Art und Weise der Finanzierung aus den USA importiert worden. Da lohnt ein Blick auf die Situation dort, was Oliver Grimm in seinem Beitrag „Im Spitalwesen geht es nicht um Moral. Sondern einzig ums Geschäft“ versucht. Die von ihm präsentierten Daten sind beeindruckend: »Im Jahr 2011 gaben die Amerikaner in Summe 2,7 Billionen Dollar (2,1 Billionen Euro) für ihr Gesundheitswesen aus … Das waren 17,9 Prozent der Wirtschaftsleistung: Ein Rekord im Kreis der industrialisierten Staaten. Die USA geben einen doppelt so hohen Anteil ihres Bruttoinlandsprodukts für die Gesundheit aus wie der Durchschnitt der OECD-Länder. Der Staat und die Bürger teilen sich diese Ausgaben im Verhältnis 49 zu 51. Jeder fünfte Dollar entfällt dabei auf das Medicare-Programm. Präsident Lyndon B. Johnson schuf diesen Eckpfeiler seiner sozialstaatlichen „Great Society“-Agenda im Jahr 1965, um für Senioren über 65 sowie behinderten jüngeren Menschen die Krankenversorgung leistbar zu machen. Finanziert wird das in erster Linie mit den Einnahmen aus der Lohnsteuer. Die Senioren zahlen geringfügige Eigenbeiträge.« Experten in den USA konstatieren: »Medicare ist die Maschine, die in diesem Land die Ausgaben antreibt.« Das Systemproblem der Amerikaner bei Medicare: Das Programm gibt  den Senioren Versorgungsrechte, deckelt aber die Preise nicht, was wiederum die Anbieter dazu verleiten muss, an der Preisschraube zu drehen. Ein Teil der hohen Kosten in den USA lässt sich auch dadurch erklären, dass die Verwaltungskosten des US-Gesundheitswesens dreimal so hoch sind wie im OECD-Schnitt, nicht nur, aber auch aufgrund des Fallpauschalensystems, das in den USA noch mal differenziert nach den einzelnen Versicherungen, die mit den Leistungsanbietern Verträge schließen müssen und das auch tun.

Von den USA lernen, heißt eben nicht immer siegen lernen.

Statistiker schrumpfen Deutschland: 1,5 Millionen Menschen weniger. Dafür hat man 500.000 Wohnungen gefunden

Was für eine Nachricht – es ist weniger voll geworden in Deutschland, immerhin sind jetzt auch ganz offiziell 1,5 Millionen Menschen „verloren“ gegangen – „nur“ noch 80,2 Millionen Menschen leben in der Bundesrepublik. Besonders betroffen von der Einwohnerschrumpfung sind die Stadtstaaten Berlin (diese Stadt ist nicht nur arm, aber sexy, sondern seit heute auch um 180.000 Einwohner kleiner) und Hamburg. Der Schwund liegt vor allem an den Ausländern: »In Deutschland leben … deutlich weniger Ausländer als bislang angenommen. 6,2 Millionen ausländische Staatsbürger wurden gezählt – 1,1 Millionen weniger als gedacht«, so Spiegel Online in einem ersten Bericht über die neuesten Ergebnisse des „Zensus 2011“.

Die Gruppe der Menschen mit einem „Migrationshintergrund“ (dabei berücksichtigen die Statistiker jeden, der nach 1955 nach Deutschland eingewandert ist oder der mindestens einen zugewanderten Elternteil hat) ist natürlich deutlich größer als die Gruppe der Ausländer: »Insgesamt lebten in Deutschland etwa 15 Millionen Personen mit Migrationshintergrund; das waren rund 19 Prozent der Bevölkerung. Den höchsten Anteil hatte im Ländervergleich mit 27,5 Prozent Hamburg. Im Osten Deutschlands lag dieser Anteil in allen Bundesländern unter 5 Prozent, in Berlin haben 23,9 Prozent einen Migrationshintergrund.« Knapp 55 Prozent der Deutschen lebten zur Miete – und gleichzeitig erfahren wir durch die Zahlensammelei, dass 500.000 Wohnungen mehr vorhanden sind, als man bislang dachte.

Natürlich fragt sich der eine oder die andere, wie es denn dazu kommen konnte, dass man eine solche Bereinigung der Einwohnerzahlen vermelden muss. Hierzu finden wir erste Hinweise in dem Artikel „Warum Deutschland geschrumpft ist“ von Pascal Paukner:

»Die Gründe für die starken Korrekturen, die nun nötig waren, liegen weit in der Vergangenheit. Die letzte Volkszählung in Westdeutschland fand 1987 statt. In der DDR wurde letztmalig 1981 gezählt. Als sich West und Ost wiedervereinigten, wurden die Daten zusammengeworfen und über Jahrzehnte fortgeschrieben … Für die Fortschreibung der Bevölkerungszahl nutzt die Behörde mehrere Datenquellen: Die Geburten- und Sterbefälle der Standesämter, die als sehr akkurat gelten. Sowie die Angaben der Einwohnermeldeämter über Zu- und Wegzüge, die als fehleranfällig gelten, weil Wegzüge ins Ausland im Gegensatz zu Umzügen im Inland selten den Behörden gemeldet werden. Da passt es auch ins Bild, dass die Daten in Berlin, Hamburg und Baden-Württemberg besonders stark korrigiert werden mussten. Dort wohnen überdurchschnittlich häufig Menschen mit Migrationshintergrund.«

Aber auch die nun ausgewertete neue „Volkszählung“ ist mit Fehlern behaftet – denn sie ist eigentlich keine richtige Volkszählung, wie sie noch 1987 in der alten Bundesrepublik durchgeführt wurde, weil man beim „Zensus 2011“ im Wesentlichen vorhandene Datenbestände abgeglichen hat und nur eine Stichprobe aus der Grundgesamtheit befragt hat. Dies zum einen, weil man Angst hatte vor Widerständen gegen eine neue „richtige“ Volkszählung (was allerdings in Zeiten von Facebook & Co. mit einem großen Fragezeichen zu versehen ist) und – natürlich – um Kosten z sparen, die mit einer Vollerhebung verbunden wären.

Wer sich genauer über die neue Datenlage informieren möchte, der wird reichlich Material finden auf der Webseite „Zensus 2011 – Fakten zur Bevölkerung in Deutschland„, die das Statistische Bundesamt anlässlich der heutigen Pressekonferenz eingerichtet hat. Dort kann man auch zahlreiche Daten abrufen.

Sozialpolitisch gesehen sind die hier nur angerissenen Ergebnisse hoch relevant und sie bergen so einigen Sprengstoff: Denn die Statistiker bekommen jetzt einige zusätzliche Arbeit, deren Ergebnisse wiederum für die sozialpolitische Diskussion elementar sein werden:  Diverse Angaben über Deutschland müssen neu berechnet werden – so etwa alle Pro-Kopf-Angaben wie zum Beispiel die Geburtenrate. Man darf gespannt sein.