Gewinner und Verlierer gibt es immer, vor allem, wenn es um Geld geht. Und Geldpolitik ist auch ein sozialpolitisches Thema. Und da genau so umstritten wie generell der ganze Ansatz der EZB unter den Ökonomen

Mehr als eine Billion Euro wird die EZB bis September nächsten Jahres in die Märkte spülen. Monat für Monat sollen es 60 Mrd. Euro sein. Es muss an dieser Stelle nicht darüber sinniert werden, was man mit so viel Geld Gutes tun könnte – für die Menschen, die Hilfe brauchen, aber auch für die Volkswirtschaften durch echten Konsum und Investitionen in Menschen. Darum geht es der EZB nicht. Welche Effekte die „Geldschwemme“ auf die Realwirtschaft, auf die Kreditvergabe und auf die Inflationsrate haben wird, lässt sich nur schwer vorhersagen und darüber streiten sich die Ökonomen derzeit heftig – allein die begriffliche Einordnung als „Geldschwemme“ wird von manchen Volkswirten abgelehnt, stellvertretend hierzu Heiner Flassbeck in seinem Beitrag Die EZB hat entschieden, aber entschieden ist nichts.

Unabhängig davon kann man beispielsweise zwei ganz handfeste Auswirkungen der Geldpolitik der EZB beobachten: Die Zinsen für europäische Staatsanleihen, auch für die der Krisenländer des Euro-Raumes, verzeichneten neue Renditetiefstände, was von der EZB ja auch so gewollt ist. Gleichzeitig kann man an den Aktienmärkten ein wahres Kursfeuerwerk beobachten, der DAX stieg in diesen Januartagen bis auf über 10.700 Punkte und damit auf ein neues Allzeithoch. Natürlich hat eine dermaßen starke Medikation, wie sie von der EZB dem Euro-Patienten verordnet wird, auch Nebenwirkungen. Auf eine davon hat bereits vor einiger Zeit Yves Mersch, Mitglied im Direktorium der EZB, in einer Rede offen hingewiesen: Eine ultralockere Geldpolitik mit massenhaften Wertpapierankäufen scheine die Einkommensungleichheit in der Gesellschaft zu vergrößern, so seine Aussage, über die Philip Plickert in seinem Artikel Die EZB-Geldpolitik macht Reiche noch reicher berichtet. Offensichtlich bezieht sich Plickert dabei auf diese Rede von Mersch: Monetary policy and economic inequality vom 17.10.2014.

Unterstützung bekommt diese Kritiklinie sogar von einer Seite, die man auf den ersten Blick vielleicht am wenigsten hier erwartet hätte: »Sahra Wagenknecht von der Linkspartei wetterte, Draghi liefere ein „Dopingmittel für die Finanzmärkte“, das die Reichen noch reicher mache.«
Und die Linke Wagenknecht reiht sich offenbar ein in eine illustre Runde an Kritikern aus ganz unterschiedlichen (partei)politischen Schützengräben:

»Der CSU-Generalsekretär bezeichnete Draghi als „Gehilfen der Spekulanten“. Und die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch wetterte, Draghi betreibe eine „asoziale“ Politik: „Vermögende werden noch vermögender. Arme werden ärmer.“ Die Flutung der Märkte mit 1 Billion Euro bewirke eine „Umverteilung von unten nach oben wie noch nie in der Geschichte“. Auch der Spekulant George Soros, der auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Draghis Anleihekaufprogramm als „überwältigend“ lobte, macht sich Sorgen über eine Zunahme der Ungleichheit deswegen: „Das dürfte ernsthafte politische Folgen haben.“«

Wie aber soll das funktionieren mit der steigenden Einkommens- und Vermögensungleichheit durch die lockere Geldpolitik? Plickert berichtet über mehrere Wirkungskanäle, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden:

1.) Während einfache Haushalte hauptsächlich Arbeitseinkommen beziehen, haben die reicheren meist Kapitaleinkünfte. Steigen die Kurse, weil die Geldpolitik locker ist oder die Zentralbank sogar direkt Wertpapiere kauft, erhöht das die Ungleichheit.
2.) Zweitens profitieren jene mehr als andere von der Geldpolitik, die näher an den Finanzmärkten sitzen und schneller reagieren, also professionelle Finanzmarktakteure eher als kleinere, passive Anleger mit weniger Informationen. Auch hier haben die Vermögenden die Nase vorn.
3.) Und drittens bewirkt die lockere Geldpolitik eine Umverteilung weg von den Geldbesitzern hin zu den Wertpapierbesitzern. Während sie die Kurse in die Höhe treibt, leiden die einfacheren Bürger mit kleinem Vermögen darunter, dass sie für ihre Ersparnisse kaum noch Zinsen erhalten.
4.) Als weiteren Effekt kann man den Anstieg der Immobilienpreise hinzuzählen, der auch von der Flut billigen Geldes getrieben ist. Ärmere Haushalte, die zur Miete wohnen, sind gegenüber Häuser- und Wohnungseigentümern im Hintertreffen.

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, sprach von einem „riesigen Vermögenseffekt“ durch die Börsengewinne im Zuge der extrem lockeren Geldpolitik, so Plickert in seinem Artikel. Das EZB-Programm habe einen „sehr starken umverteilenden Effekt“ – es bewirke eine Umverteilung nach oben. Und der umverteilende Effekt zugunsten der Reicheren sei in Europa besonders stark ausgeprägt, weil die Quote der Aktionäre und Wertpapierbesitzer in der breiten Bevölkerung geringer ist als in den USA.

Plickert weist allerdings auch darauf hin, dass es andere Studien gibt, »die günstige Effekte eines Anleihekaufs der Zentralbank für die Geringverdiener erkennen. Wenn es mit der lockeren Geldpolitik gelingt, die Konjunktur zu stimulieren und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, profitieren davon gerade die unteren Schichten … Ärmere Menschen seien auch häufiger Schuldner und profitierten von billigeren Kreditzinsen.«

Mit der hier referierten These von der ungleichheitssteigernden Wirkung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hat sich Tilman Weigel in seinem Blog-Beitrag Lässt die EZB die Ungleichheit steigen? auseinandergesetzt und das von ihm gesetzte Fragezeichen ist nicht nur rhetorisch gemeint, sondern es drückt die grundsätzlichen Zweifel aus, die er hat. Seine anfragend daherkommende Argumentation geht so:

»Dass sinkende Zinsen die Aktienmärkte beflügeln, ist eine weitgehend akzeptierte Annahme. Denn weil die EZB Anleihen kauft, schichten Investoren ihr Kapital in Aktien und Immobilien um. Das, so die Argumentation der Kritiker, erhöht die Ungleichheit. Denn Arme besitzen keine Aktien und selbst die Mittelschicht verliert eher Geld als sie gewinnt, denn ihre Ersparnisse stecken oft in verzinslichen Anlagen.
Allerdings erscheint mir der Effekt fast paradox. Umgekehrt würde das ja bedeuten, bei einer stärkeren Nachfrage nach Kapital und damit steigenden Zinsen, müsste die Ungleichheit abnehmen. Eigentlich sollten ja eher die von einer Entwicklung profitieren, die ein Gut anbieten, das knapp ist.
Zumal die höheren Aktienkurse ja vorrübergehend sein dürften. Durch sie sinkt die Rendite der Aktien, gemessen beispielsweise im Kurs-Gewinn-Verhältnis.«

Und noch einen weiteren kritischen Aspekt sieht er:

»Vor allem aber erstaunt mich, dass niemand davon spricht, dass niedrige Zinsen ja zwei Seiten haben. Während die Gläubiger darunter leiden, profitieren die Schuldner. Wer arm ist, zieht also keinen Nutzen aus dem Anstieg der Aktienkurse, wohl aber aus der geringeren Belastung durch Schulden. Und Schulden hat in den unteren Einkommensschichten letztendlich jeder, den die Staatsschulden lasten auf allen, während die Gläubiger eher den mittleren und oberen Einkommensgruppen angehören.«

Seine Vermutung geht dahin, dass zwischen temporären und dauerhaften Effekten unterschieden werden muss, um zu einer genaueren Einschätzung kommen zu können. Hypothesen über Hypothesen. Wie so oft bei sozialwissenschaftlichen Themen mehr Fragezeichen als gesichertes Wissen, was nicht wirklich überraschend ist, vor allem bei derart komplexen Systemen.

Deshalb abschließend – scheinbar – etwas Konkretes hinsichtlich der sozialpolitischen Implikationen der Geldpolitik. Zu Wort gemeldet hat sich Maximilian Zimmerer, Vorstandsmitglied des Versicherungskonzerns Allianz und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat seine Ausführungen unter die kompakte Überschrift gestellt: „Was die EZB tut, schadet der Altersvorsorge“. Da schlägt angesichts der faktischen Bedeutung der privaten Altersvorsorge für das Alterssicherungssystem und der bereits heute in diesem Teilbereich vielfach kritisierten Sicherungslücken das sozialpolitische Herz schneller. Zimmerers Diagnose: „Langfristiges Sparen lohnt kaum noch, und damit entsteht eine große Gefahr für künftige Rentner.“

Das hört sich bedrohlich an – aber vielleicht dient es der Wahrheitsfindung, dass man korrigierend anmerken sollte, dass eine große Gefahr vor allem und erst einmal für das Geschäftsmodell der Versicherer droht bzw. sich diese schon längst an die Oberfläche gearbeitet hat, denn die mit konventionellen Anlagestrategien immer kleiner werdenden Renditen, die sich noch erwirtschaften lassen, fließen ja nun nicht eins zu eins an die sparenden Altersvorsorger, sondern der finanzindustrielle Komplex gibt was davon ab und behält den Rest. Dieses Modell nun wird tatsächlich angesichts des weltweiten Niedrigzinsumfeldes, das schon seit Jahren zu beobachten ist, wie auch aufgrund der gewaltigen Menge an renditesuchende Kapitals immer schwieriger bzw. immer unattraktiver. Also Gefahr droht zuallererst einmal Allianz & Co., dann in einem zweiten Schritt den auf Kapitaldeckung setzenden bzw. auf diese verwiesenen Sparern – und über kurz oder lang dem ganzen System, dessen Legitimationsbasis sich in Auflösung befindet. Allerdings ist aus dieser Perspektive die aktuelle Geldpolitik der EZB nur eine weiterer, verstärkender Impuls in Richtung Abgrund, keineswegs der Auslöser.

Diesseits und jenseits der verständlichen Empörung: Gesetzliche Regelung der Kinderarbeit in Bolivien

Kinderarbeit geht gar nicht. So der völlig richtige Standpunkt aus unserer Sicht. Vor diesem Hintergrund müssen einen solche Schlagzeilen nicht nur irritieren, sondern empören: „Sie schuften für die Reichen. Kinderarbeit in Bolivien“ oder „Legal jobben ab 10“. Boliviens Parlament erlaubt Kinderarbeit ab zehn Jahren. Das klingt bizarr, skandalös – und gleichzeitig muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Regelung nicht zuletzt auf Forderungen von Kindern und Jugendlichen selbst zurückgeht. Was ist da genau los?

»Kinderarbeit ist eine bedrückende soziale Realität in den meisten Ländern dieser Erde, die von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) der Vereinten Nationen so redlich wie erfolglos bekämpft wird. Weltweit gibt es nach Schätzungen der ILO etwa 215 Millionen Kinderarbeiter«, so Sebastian Schoepp in seinem Artikel Sie schuften für die Reichen. In Bolivien hat nun das umstrittene Gesetz zur Kinderarbeit die parlamentarischen Hürden genommen, das vorsieht, dass ab August 2015 Jugendliche mit einem Mindestalter von 14 Jahren regulär arbeiten gehen dürfen und die gleichen Rechte wie Erwachsene genießen. »Umstritten sind jedoch die Ausnahmen«, so Jürgen Vogt in seinem Artikel Legal jobben ab 10. Denn:

»Auf Antrag dürfen Kinder zwischen 10 und 14 Jahren, jedoch nur zu ihrem eigenen Nutzen, und Kinder zwischen 12 und 14 Jahren auch zugunsten anderer arbeiten. Die entsprechende Genehmigung muss die zuständige Kinder- und Jugendschutzbehörde erteilen. Dabei soll streng auf die schulische Erziehung geachtet werden.«

Im Vorfeld der Gesetzgebung hat man sich vor allem über die Frage gestritten, ob mit der gesetzlichen Regelung der Kinderarbeit Tür und Tor geöffnet werde oder ob lediglich die bestehenden Verhältnisse auf eine gesetzliche Basis gestellt werden.
In der Region ist Bolivien mit dieser Gesetzgebung Vorreiter – auf dem Papier, denn die Realität sieht nach Angaben von JürgenVogt so aus:

»Nach Angaben der Internationale Arbeitsorganisation ILO arbeiten in Lateinamerika und der Karibik rund 13 Millionen Kinder. 1973 hatte die ILO zwar die Kinderarbeit unter 14 Jahren geächtet, die Wirklichkeit in zahlreichen Mitgliedstaaten sieht jedoch anders aus. Eine Erhebung des bolivianischen Statistikamts im Jahr 2008 ergab, dass bereits knapp 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von 5 bis 17 Jahren arbeiten. In absoluten Zahlen schätzte die Behörde 850.000 Fälle. Knapp 90 Prozent arbeiten unter prekären Bedingungen im Bergbau und bei Zuckerrohranbau und -ernte. Knapp 80 Prozent bekommen keinen Lohn, sondern gelten lediglich als Mithelfer ihrer Familien.«

Diese Hintergründe muss man kennen, denn mit dem bei uns viel gescholtenen Gesetz – das in weiten Teilen der Berichterstattung reduziert wird auf die zu Recht erst einmal Empörung hervorrufende Aussage „Bolivien erlaubt Kinderarbeit ab 10“ – » wäre Kinderarbeit unter anderem im Bergbau und beim Zuckerrohr, bei der Backsteinherstellung und bei Sammeln von gefährlichen Abfällen ab August 2015 verboten«, wie Vogt ausführt. Jedenfalls auch wieder auf dem Papier.
Unterstützung bekommt die bolivianische Gesetzgebung von den in der Union der arbeitenden Kinder und Jugendlichen Boliviens Unatsbo zusammengeschlossenen Betroffenen. Kinder und Jugendliche haben sie sich in vielen Ländern Lateinamerikas zu gewerkschaftsähnlichen Gruppen zusammengeschlossen, es gibt sogar einen länderübergreifenden Dachverband der Niños, Niñas y Adolescentes Trabajadores (NAT), der „Arbeitenden Jungen, Mädchen und Jugendlichen“. Von denen gibt es eine professionell gestaltete Website. Dort wird die Forderung erhoben, die „Diskriminierung“ der arbeitenden Kinder und Jugendlichen zu beenden »und sie in ihrer Funktion als arbeitende Mitglieder der Gesellschaft zu respektieren, die nicht nur gezwungenermaßen zum Lebensunterhalt der Familie beitragen, sondern sogar Selbstbewusstsein aus ihrer Rolle als Miternährer ziehen«, wie Schoepp anmerkt.

»Das eigentlich Skandalöse ist … nicht das bolivianische Gesetz, sondern die Tatsache, dass Kinderarbeit in Ländern wie Bolivien so alltäglich ist, dass man ihr schon die Gesetze anpasst«, so Schoepp, der zugleich zu wissen meint, wie man das Problem wirklich lösen könnte: »Wer gegen Kinderarbeit ist, muss durch sein Konsumverhalten mithelfen, dass Erwachsene in armen Ländern genug verdienen. Wer gegen Kinderarbeit ist, darf keine Fünf-Euro-T-Shirts kaufen, obwohl er sich faire Preise leisten könnte. Wer gegen Kinderarbeit ist, darf keine Rohstoffe verbrauchen, die von Kindersklaven aus gefährlichen Minen gekratzt werden. Wer gegen Kinderarbeit ist, kann kein Weltwirtschaftssystem gutheißen, das die Länder in einen Wettlauf darum zwingt, wer am billigsten produziert.«

Das nun wieder lässt sich wesentlich einfacher schreiben als in die Tat umsetzen. Mit einer vergleichbaren Problematik haben wir es zu tun, wenn man an die Debatten über die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Näherinnen in Ländern wie beispielsweise Bangladesch denkt. So wurde und wird auch hier argumentiert, die Billigstpreise für die Konsumenten hier bei uns seien nur möglich, weil die Menschen in den produzierenden Ländern ausgebeutet werden zu den immer wieder skandalisierten Bedingungen – man nehme nur die aktuelle Debatte rund um die Billigmodekette „Primark“ als Beispiel: Arbeiter nähen Hilferufe in Kleidung ein, so berichteten Medien, wobei bis heute die Echtheit nicht bestätigt wurde, das betroffene Unternehmen selbst meldete: Primark bezeichnet Hilferufe nach Untersuchung als Fälschung. Es könnte sich auch um eine gelungene Informationsguerilla-Strategie handeln. Aber man kann es drehen und wenden wie man will: Wenn man ein T-Shirt für vier Euro hier bei uns im Laden kauft, dann kann das nur deshalb erfolgen, weil wir es mit extremen Ausbeutungsverhältnissen im globalen Wirtschaftssystem zu tun haben (vgl. dazu den Beitrag von Sascha Klemz „Das System Primark und die globale Ausbeutung“ auf Jungle World). Bei den Protesten gegen Primark und die „Billigmode“ allgemein wird viel auf ethische Aspekte verwiesen, wie auch in dem zitierten Kommentar von Schoepp. Allerdings postuliert Peter Nowak in seinem Beitrag „Ethischer Konsum reicht nicht“ (ebenfalls auf Jungle World), dass bei dieser Debatte die Rolle und die Bedeutung gewerkschaftlicher Organisierung in den Fabriken des globalen Südens ausgeblendet wird, denn nur dort, vor Ort, lassen sich nachhaltige Veränderungen durchsetzen.

Und noch ein zweiter kritischer Punkt der bisherigen Debatte über die „Billigmode“. Die berechtigte Kritik an den Billigstpreisen bei uns und den Voraussetzungen in den Produktionsländern, um diese Preise möglich werden zu lassen, darf nicht zu dem Fehlschluss führen, dass „teurer = besser = ethisch korrekter“ bedeutet. Die aktuelle Berichterstattung über das Gebahren von Premium-Marken spricht hier Bände: Hugo Boss soll in der Türkei und in Kroatien Armutslöhne zahlen, um nur ein Beispiel zu nennen.

Man muss eine Mehrebenendiskussion führen, so schwer das auch ist. Neben der Frage, wie man durch rechtliche Fortschritte und gewerkschaftliche Gegenmacht in den betroffenen Ländern für eine Verbesserung der Bedingungen sorgen kann, sollte auch der Blick gerichtet werden auf die Frage, ob wir nicht wieder einen Teil der globalisierten Textilproduktion zurückholen können – und das auch noch zu ordentlichen Bedingungen. Dass das nicht völlig illusionär ist, mag die Geschihcte der Sina Trinkwalder mit ihrem Unternehmen Manomama verdeutlichen (vgl. dazu Schreck der Wirtschaftsbosse: »Sina Trinkwalder belegt mit ihrer Firma Manomama, dass Stundenlöhne für Näherinnen von mindestens 10 Euro wirtschaftlich tragbar sind.« Und zwar in Augsburg, Deutschland.

Die OECD kritisiert die „unsoziale Wirtschaftspolitik“ in Deutschland und ermutigt zu „Reformen für nachhaltiges Wachstum mit mehr sozialer Teilhabe“

Alle zwei Jahre unternimmt die OECD eine umfassende Analyse der Volkswirtschaften ihrer Mitgliedsländer und veröffentlicht die dann als OECD Wirtschaftsberichte. Jetzt ist die neueste Version für Deutschland veröffentlicht worden (vgl. OECD-Wirtschaftsberichte: Deutschland 2014). Aber die Organisation bleibt nicht nur bei einer Bestandsaufnahme des volkswirtschaftlichen Zustandes, sondern gibt auch Empfehlungen, manche werden von ungebetenen Ratschlägen sprechen: OECD-Wirtschaftsbericht ermutigt Deutschland zu Reformen für nachhaltiges Wachstum mit mehr sozialer Teilhabe, so überschreibt die OECD ihre eigene Pressemitteilung. Aus einer sozialpolitischen Perspektive interessant sind die medialen Reaktionen, was sich bereits in den Headlines bemerkbar macht: OECD kritisiert unsoziale Wirtschaftspolitik in Deutschland oder Zu arm für den Aufschwung – um nur zwei Beispiele aus der Presselandschaft herauszugreifen – das verweist auf sozialpolitisch hoch relevante Aussagen.

David Böcking bringt in seinem Artikel die kritische Dimension der OECD-Analyse für Deutschland auf den Punkt: »Riskante Rentengeschenke, wachsender Niedriglohnsektor, Energiewende auf Kosten der Verbraucher: Im neuen Wirtschaftsbericht der Industrieländerorganisation OECD für Deutschland steckt jede Menge Kritik. Vom Wachstum in der Bundesrepublik müssten mehr Bürger profitieren.«

Und auch hier steht der Arbeitsmarkt im Mittelpunkt der Problemdiagnosen: „Deutschlands Wirtschaft boomt. Doch der Arbeitsmarkt spaltet sich in Privilegierte und Prekäre“, kann man einem Artikel entnehmen, der in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde und der über den neuen OECD-Bericht informiert.

Damit wird explizit ein Problemfeld angesprochen, was seit Jahren beachtet und diskutiert wird – die zunehmende Polarisierung auf dem deutschen Arbeitsmarkt und der immer stärker werdenden, für nicht wenige Menschen lebenslängliche Ausgrenzung von halbwegs normaler Erwerbstätigkeit. Und vor dem Hintergrund der behaupteten Polarisierung ist es dann auch kein Widerspruch, dass wir mit der eben nur scheinbar widersprüchlichen Gleichzeitigkeit einer erheblichen „Verhärtung“ bzw. „Verfestigung“ der Langzeitarbeitslosigkeit sowie eines teilweise eklatanten Fachkräftemangels in ganz bestimmten Berufen bzw. Regionen konfrontiert werden.

Die OECD verschweigt keineswegs die im internationalen Vergleich niedrige Arbeitslosenquote (gemessen an der registrierten Arbeitslosigkeit) und den erfolgreichen Abbau eines Teils der Erwerbslosigkeit in den vergangenen Jahren. Aber dann werden zahlreiche Problemstellen identifiziert:
»Problematisch seien … der stark angewachsene Niedriglohnsektor und der hohe Anteil von Menschen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Auch habe sich die stark gesunkene Arbeitslosigkeit nicht positiv auf das Armutsrisiko im Lande ausgewirkt. Insgesamt habe die Aufwärtsmobilität von Geringverdienern sogar abgenommen.«

Quelle der Abbildung: OECD (2014)

Die Abbildung verdeutlicht die Besonderheiten der Geringverdiener in Deutschland im Vergleich zum Durchschnitt aller EU 27-Staaten (gemessen an dem jeweiligen Anteil der Geringverdiener an den abhängig Beschäftigten). In Deutschland gibt es in den betrachteten Bereichen immer einen größeren Niedrigverdiener-Anteil an der jeweiligen Gruppe – außer bei den Hochqualifizierten, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt auch in der Hinsicht gut fahren. Aber für die gering Qualifizierten resultiert eine deutlich größere Betroffenheit von Niedriglöhnen als in anderen EU-Staaten.
Die OECD lobt zum einen die vorgesehene Einführung eines Mindestlohns, zum anderen gibt sie einen wichtigen Hinweis für die arbeitsmarktpolitische Debatte bei uns, denn der Bericht fordert Deutschland auf, »die noch immer relativ weit verbreitete Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen, indem die Beschäftigungschancen für Betroffene durch gezielte Zuschüsse und Weiterbildungsanreize verbessert werden.«

Auf der Empfehlungsseite der OECD stehen weitere Vorschläge:

»Eine Möglichkeit, das Wachstumspotenzial zu steigern, sieht der Bericht darin, den Faktor Arbeit weniger zu besteuern und die Sozialabgaben, vor allem für Geringverdiener, zu senken. Zum Ausgleich schlägt er vor, die Grundsteuern auf Immobilienbesitz nach aktualisierten Wertansätzen zu erheben und Gewinne aus dem Verkauf fremdgenutzer Immobilien nicht mehr von der Steuer zu befreien. Desweiteren plädiert er dafür, Umverteilungsausgaben für Rentner aus dem allgemeinen Steueraufkommen und nicht über Sozialversicherungsbeiträge zu finanzieren. Diese Maßnahme sei beschäftigungs- und wachstumsfreundlich und könne die Last gleichmäßiger auf alle Steuerzahler verteilen.«

Damit werden wichtige Kontrapunkte zur gegenwärtigen Regierungspolitik gesetzt.

Aber die OECD bleibt einem Teil ihres wirtschaftspolitischen Erbguts treu: Der Forderung nach mehr „Liberalisierung“ bzw. Deregulierung: »Auch Reformen im Dienstleistungssektor können helfen, das Wachstum zu stärken. Schon heute leistet der Sektor in Deutschland den größten Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung. Anders als im Verarbeitenden Gewerbe erhöhte sich die Produktivität bei Unternehmensdienstleistungen in den vergangenen zehn Jahren vergleichsweise wenig. Der Bericht regt daher an, die Regulierung in den Netzindustrien, in freien Berufen und in einigen Branchen des Handwerks weiter zu lockern und so zu mehr Wettbewerb beizutragen.«

Jenseits der sozialpolitischen Baustellen in Deutschland, aber inmitten der Frage nach unserer Mit-Verantwortung: Bangladesch, Katar und Indien

Screenshot-Collage Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online und Guardian

Immer wieder ist es angebracht, über den nationalen Tellerrand der sozialpolitischen Baustellen hinauszuschauen und den Blick zu weiten. Schauen wir also nach Bangladesch, nach Katar und nach Indien.

Viele werden sich erinnern: Es war die (bisher) größte Katastrophe in der Geschichte der Textilindustrie: 1.130 Menschen starben im April 2013 beim Einsturz einer Fabrik in Bangladesch, 332 Menschen gelten immer noch als vermisst. Es gab mindestens 1.800 Verletzte. Eine kurze Zeit lang wurden die Arbeitsbedingungen der vielen Näherinnen in Bangladesh thematisiert und eine im Ansatz kritische Diskussion über unsere Mit-Verantwortung schaffte es gar auf die Talkshow-Ebene, beispielhaft sei hier erinnert an die Sendung „Billigkleidung aus Bangladesch – sind wir schuld am Tod der Näherinnen?“ von Günther Jauch im ARD-Fernsehen am 26.05.2013 – um dann schnell wieder abgelöst zu werden von anderen Themen und Ereignissen. Immerhin hieß es dann, die betroffenen Menschen und Familien vor Ort in der Textilhölle werden entschädigt und einige Textilkonzerne übten sich nach außen in Nachdenklichkeit. Vor diesem Hintergrund muss dann diese Meldung wieder einmal enttäuschen: »Fast ein Jahr danach warten die Näherinnen immer noch auf Hilfe der Firmen, für die sie geschuftet haben. Doch die schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu«, so kann man es dem Artikel mit der zutreffenden Überschrift „Im Stich gelassen“ entnehmen.

In dem Artikel von Hans Leyendecker und Anne Ruprecht wird beispielhaft die Geschichte der Näherin Jasmin Akther erzählt. Sie »arbeitete in der achtstöckigen Textilfabrik Rana Plaza in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Sie nähte Blusen für Deutschland, T-Shirts für England und was sonst noch so alles im Dauer-Akkord produziert werden musste. Immer war „Deadline“. Ihr Monatslohn lag weit unter 50 Dollar, trotz der vielen Überstunden.« Dann kam der Einsturz der Fabrik, in der sie gearbeitet hat. »Jasemin Akther überlebte. Aber sie wurde schwer verletzt, kann kaum noch gehen, nicht mehr arbeiten. Ihre Familie kommt nur schwer über die Runden. Sie hat einen Kredit aufnehmen müssen und muss für diesen Kredit 40 Prozent Zinsen zahlen. Die Näherin wartet auf Hilfe der Unternehmen, für die sie geschuftet hat. Sie wartet auch auf Hilfe deutscher Firmen.«

Was wurde den Menschen nicht alles versprochen, so lange die Journalisten aus aller Welt ihr Blitzlicht auf die Szenerie gerichtet hatten. Das ist nun aber schon lange vorbei.
Großzügige Entschädigungen für die Hinterbliebenen der Toten, volle Bezahlung der medizinischen Kosten, Weiterzahlung von Löhnen und, wenn irgend möglich, sichere Renten wurde den Menschen wie eine nicht erreichbare Wurst vor die Augen gehängt.

Und wie sieht die Bilanz aus?

»Nur die irische Firma Primark hat eine Million Dollar für Soforthilfe auf den Weg gebracht und sich um medizinische Versorgung gekümmert.« Und die anderen? Schätzungsweise 29 Modeunternehmen aus aller Welt haben aus Rana Plaza Waren bezogen. Billigketten wie Walmart (USA) waren darunter. Auch Marken des mittleren Segments wie etwa Benetton (Italien). Auch die drei deutschen Unternehmen, KiK, Adler Mode und NKD waren darunter. Auf Initiative von Gewerkschaften und der Kampagne für saubere Kleidung (CCC) wurden alle Unternehmen Mitte September vergangenen Jahres nach Genf zu Entschädigungsverhandlungen bei der ILO, der Internationalen Arbeitsorganisation der UN, eingeladen. Ganze neun Unternehmen schickten Leute nach Genf. Aus Deutschland kam nur Kik. Die allermeisten Unternehmen blieben den Verhandlungen fern.
Die Unternehmen warten ab, verweisen auf dunkle Sub-Lieferanten.

Der Artikel endet nicht ermutigend: »Die Näherin Jasemin Akther erkennt die KiK-Bluse aus der „Verona Pooth Kollektion 2013“, die in den Trümmern lag, sofort wieder. Sie drückt sie an sich – eine Erinnerung an diesen schrecklichen Tag, den viele da draußen längst vergessen haben.«

Dass internationale Aufmerksamkeit und Protest schnell wieder verpufft und man so weiter machen kann wie vorher – diese Erfahrungen machen nicht nur Näherinnen in Bangladesch, sondern auch die Sklavenarbeiter aus dem Nepal und anderen asiatischen Ländern, die auf den Baustellen für die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar schuften müssen. So kann man dem Artikel „Erneut Dutzende Tote auf WM-Baustellen“ entnehmen: »Die internationalen Proteste gegen die menschenunwürdigen Bedingungen auf den WM-Baustellen in dem Wüstenland haben nichts bewirkt – es sterben nach wie vor Dutzende ausländischer Arbeiter.« Bereits im September des vergangenen Jahres wurde weltweit über skandalöse Zustände auf den Baustellen in Katar berichtet und man hätte erwarten können, dass sich wenigstens etwas ändert. Nun aber neue Schreckensmeldungen, deren Quelle ein Artikel ist, der im „Guardian“ veröffentlicht wurde: „Qatar World Cup: 185 Nepalese died in 2013 – official records„. Eine erschreckende Bilanz tut sich hier auf:

»According to the documents the total number of verified deaths among workers from Nepal – just one of several countries that supply hundreds of thousands of migrant workers to the gas-rich state – is now at least 382 in two years alone. At least 36 of those deaths were registered in the weeks following the global outcry after the Guardian’s original revelations in September.«

Wie in dem Zitat bereits angedeutet – es war ebenfalls der „Guardian“, der im verhangenen Jahr die öffentliche Wahrnehmung für die unhaltbaren Zustände in Katar überhaupt erst hergestellt hat, vgl. hierzu den Artikel Revealed: Qatar’s World Cup ’slaves‘ vom 25. September 2013.
»Die Gesamtzahl der Opfer, die das umstrittene Großereignis inzwischen gefordert hat, dürfte wesentlich höher liegen. Denn die Regierungsdokumente, die dem „Guardian“ vorliegen, stammen nur aus Nepal. Die Nepalesen stellen aber lediglich ein Sechstel der insgesamt rund zwei Millionen Mann starken Gastarbeiterarmee in Katar – Tote aus weiteren Nationen sind also sehr wahrscheinlich«, so Spiegel Online.

Die Bestandsaufnahme ist ernüchternd: Die katarischen Scheichs »beuten die Gastarbeiter weiterhin systematisch aus, pferchen sie in armselige Unterkünfte und scheren sich nicht um die Sicherheit auf den WM-Baustellen. Und die Fußballfunktionäre setzen ihnen kaum etwas entgegen.« Und genau da liegt der Link zu unserer Mit-Verantwortung, denn natürlich könnten und müssten die nationalen Fußballverbände und unter ihnen besonders die großen und einflussreichen Druck ausüben auf die Funktionäre der Fifa, damit die sich endlich bewegen.

Statt dessen lernen wir eine weitere Lektion, die vor allem für die Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) eine ganz wichtige darstellt: Die Scheidegrenze zwischen konkreter Verbesserung der Lebenslage der Menschen, für die man sich einsetzt, und der Instrumentalisierung durch die, die sich an den Menschen bereichern, ist eine ganz schmale. Das muss CCC gerade von den Textilkonzernen in Bangladesch erfahren und im Fall von Katar erfahren wir:

»Der Chef des WM-Organisationskomitees, Hassan al-Thawadi, verkündete in der vergangenen Woche via „Bild“-Zeitung erste Erfolge. So sei eine Charta für den Arbeitsschutz entwickelt worden, die mit Human Rights Watch und Amnesty International besprochen worden sei. Bei den Organisationen ist das Papier allerdings bislang nicht angekommen. In der „Süddeutschen Zeitung“ dementierten Sprecher beider Organisationen, ein entsprechendes Papier gesehen zu haben.«

Abschließend soll noch über Indien berichtet werden – ein weiteres Beispiel für das, worum es sowohl in Bangladesch wie auch in Qatar letztendlich geht: Sklavenarbeit in „modernen Zeiten“. Und wieder hat das wie in Katar mit einer boomenden Bauwirtschaft zu tun, nur in diesem Fall nicht, um für einige wenige Wochen gigantische Fußball-Arenen in die Wüste zu setzen, damit sich die Weltfußballgemeinde für ein paar Spiele daran ergötzen kann, sondern in Indien geht es um einen generellen Bauboom, der mit dem wirtschaftlichen Wachstum dieses riesigen Schwellenlandes verbunden ist und von diesem vorangetrieben wird.  Ein Bestandteil dieses Baubooms ist eine stetig steigende Nachfrage nach Ziegeln, für deren Produktion Menschen, darunter sogar Kinder, unter sklavenähnlichen Bedingungen eingesetzt werden. So jedenfalls die Erkenntnisse, die man einem Artikel des „Guardian“ entnehmen kann: „Blood bricks: how India’s urban boom is built on slave labour„.  Es handelt sich um einen wirklich beeindruckenden Artikel, den man unbedingt gelesen haben sollte. Man schätzt, dass es landesweit mehr als 150.000 Ziegeleien gibt, in denen etwa 10 Millionen Menschen beschäftigt sind.

Andrew Brady von Union Solidarity International (USI), einer NGO aus Großbritannien, die sich für die Verbesserung der Arbeite- und Lebensbedingungen der in der indischen Ziegelindustrie beschäftigten Menschen engagiert, wird mit einer harten Bewertung zitiert: “It’s modern-day slavery“. Und weiter wird er zitiert mit den Worten: »Entire families of men, women and children are working for a pittance, up to 16 hours a day, in terrible conditions. There are horrific abuses of minimum wage rates and health and safety regulations, and it’s often bonded labour, so they can’t escape.« Ein BBC-Bericht hat Anfang des neuen Jahres sogar vierjährige Kinder entdeckt, die zur Arbeit eingesetzt worden sind.

Und auch hier werden wir – wie so oft – Zeuge der enormen Kluft zwischen Theorie und Praxis:

»New guidelines for multinationals, introduced in 2011 by the United Nations and the Organisation of Economic Cooperation and Development, specify that such companies should have direct responsibility for human rights abuses anywhere in their supply chains. But little is being done to enforce these regulations.«

Zumindest gibt es jetzt eine „Blood Bricks Campaign„, die versucht, ein Stück weit Öffentlichkeit herzustellen. Man sollte das nicht geringschätzen:
»In partnership with Indian human rights group, Prayas, they have been working to organise brick kiln workers into unions, an initiative that has already seen 70% wage rises in some areas.«

Aber die Akteuere sind sich bewusst, dass es mehr internationalen Druck geben muss, damit sich was ändert:

»The campaign comes after the Observer’s recent revelations of horrific labour abuses on Abu Dhabi’s new pleasure island of Saadiyat, where new outposts of the Louvre and Guggenheim museums are under construction. The investigation discovered thousands of workers living in squalid conditions, passports confiscated and trapped until they paid back hefty recruitment fees.«

Und so schließt sich wieder der Kreis zu den anderen Beispielen: „It’s a world-wide issue“, so wird Andrew Brady von Union Solidarity International (USI) zitiert. Und er soll hier auch das Schlusswort bekommen:

“We’re merely using India as the example, but we’ve seen the same abuses with projects in Qatar and Brazil for the World Cup and Olympics – iconic projects built on the back of the blood and sweat of bonded labour. It’s time to put an end to this trade in blood bricks.”

Eine harte Packung: Ungleichheit und soziale Polarisierung im Spiegel neuer Zahlen

Es gibt sie, diese Tage, an denen man förmlich bombardiert wird mit Zahlen und Aussagen, die auf fundamentale gesellschaftliche Entwicklungslinien verweisen. So ein Tag fängt beispielsweise an mit einer solchen Botschaft: Das Statistische Bundesamt bringt es in der für die Bundesstatistiker so typisch trockenen Art und Weise, aber zugleich absolut zutreffend schon in der Überschrift der Pressemitteilung über den neuen „Datenreport 2013“ auf den Punkt: „Mehr Jobs, aber auch mehr Armut„. Die Süddeutsche Zeitung titelt dazu: ”Reiches Deutschland, armes Deutschland“ und Spiegel Online gar: „Arme Deutsche sterben früher„. Eine Zusammenfassung einiger ausgewählter Aspekte aus dem neuen „Datenreport 2013“ kann man auf der Facebook-Seite von „Aktuelle Sozialpolitik“ nachlesen.

Aber damit noch nicht genug: „Deutschland vernachlässigt arme Rentner„, so berichtet Spiegel Online über eine neue OECD-Studie, die Online-Ausgabe der Welt überschreibt einen Artikel dazu mit: „Geringverdiener bekommen ein Rentenproblem„. Was ist hier los?

Die OECD hat eine neue Studie vorgestellt, aus der wir für Deutschland die folgende Perspektive entnehmen können: Nach derzeitigem Stand würden „die Rentenbezüge für Menschen mit verhältnismäßig kleinem Gehalt gegen Mitte dieses Jahrhunderts so niedrig sein wie in kaum einem anderen OECD-Land“, sagte die Leiterin der Abteilung für Sozialpolitik, Monika Queisser. Die Ökonomen der OECD analysieren die Lebensstandardänderung beim Eintritt in den Ruhestand. Die wird gemessen an den so genannten „Ersatzraten“:

»Sie zeigen an, wie hoch die Bezüge von Rentnern im Verhältnis zu ihrem früheren Einkommen in Zukunft liegen werden. Im Schnitt aller 34 Länder liegt die Rate bei 54 Prozent des Bruttoeinkommens. Wer in Deutschland 2012 zu arbeiten beginnt und sein Leben lang Rentenbeiträge zahlt, kann laut OECD später 42 Prozent seines durchschnittlichen Bruttoeinkommens erwarten. Das ist nicht einmal halb so viel wie beim Spitzenreiter Niederlande, der auf eine Ersatzrate von stolzen 89 Prozent kommt.«

Immerhin bekommt man in Deutschland mehr als in Großbritannien, wo Durchschnittverdiener nur knapp ein Drittel ihres früheren Einkommens erhalten.

Allerdings: Das sind die Durchschnittswerte. Und die Daten für die Geringverdiener zeigen für Deutschland ein weitaus schlechteres Bild:

»Deutlich schlechter sieht der Vergleich jedoch bei Geringverdienern aus, die nur über die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens verfügen. Sie erhalten laut Studie in den meisten OECD-Ländern deutlich höhere Ersatzraten als Durchschnittsverdiener und werden somit vor Altersarmut geschützt. In Dänemark bekommen Niedrigverdiener 121 Prozent ihres früheren Einkommens, in Israel sind es 104 Prozent. Ganz anders in Deutschland: Hier erhalten Geringverdiener genauso wie der Durchschnitt nur 42 Prozent ihres Einkommens. Damit landet Deutschland noch hinter Polen (49 Prozent) auf dem letzten Platz.«

Nun wird an dieser Stelle immer wieder kritisch angemerkt, dass der Lebensstandard nicht nur von der Rente abhängig sei, sondern beispielsweise auch von Vermögenstatbeständen wie dem Besitz eines Hauses oder einer Eigentumswohnung. Doch auch da sieht es im internationalen Vergleich für einen Teil der in Deutschland lebenden Menschen nicht gut aus:

»So profitiert nur jeder zweite Deutsche im Ruhestand vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung. Im OECD-Schnitt sind es dagegen 76 Prozent.«

Und auf die immer wieder beschworenen Umverteilungseffekte staatlicher Leistungen kommen nicht berauschend daher:

»Staatliche Leistungen erhöhen das Einkommen der deutschen Rentnergeneration um durchschnittlich 30 Prozent, zehn Prozentpunkte unter dem OECD-Schnitt.«

Derzeit – gleichsam als Folgewirkung der „alten“ Erfolgsstory Rentenversicherung steht Deutschland nicht gut da beim Thema Altersarmut. Allerdings:

»Der (neue) Datenreport 2013 zeigt aber, dass die Armutsgefährdung gerade bei älteren Deutschen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat.«

Die OECD weist darauf hin, dass viele Länder anders als Deutschland die Geringverdiener bei ihren Sparbeschlüssen verschont haben.

Was zu tun wäre? Ein relativ naheliegendes Konzept wäre die Besserstellung der Geringverdiener in der Rentenversicherung. Also eine stärkere Umverteilung innerhalb der Rentenversicherung. Wir hatten in der Vergangenheit solche Umverteilungselemente, die mittlerweile abgeschafft worden sind, beispielsweise die Rente nach Mindesteinkommen. Eine Mindestrente wäre die logische Antwort auf diese Entwicklungen. Beispielsweise.