Was denn nun? „Schock-Bericht“ oder es ist besser geworden? Die Pflege alter Menschen, ihre Qualität und die Berichterstattung darüber

Die „Qualität“ der Pflege von Menschen – ein schwieriges Thema, das immer wieder mal an die Oberfläche dringt, zumeist wenn die Qualität mit Füßen getreten wird. Pflegenotstand, Pflegemissstände, Pflegefehler – so geht das dann durch die Berichterstattung. Mit einem besonderen Fokus auf die Pflegeheime, obgleich es natürlich auch in der häuslichen Pflege zahlreiche Pflegeprobleme gibt, aber das, was in den mehr oder weniger eigenen vier Wänden passiert, dringt kaum in die Öffentlichkeit, die Berichterstattung hat hier ein eindeutiges Heim-Gefälle. In weiten Teilen der Bevölkerung löst die Vorstellung, als pflegebedürftiger Mensch in einem Pflegeheim zu landen, teilweise Horrorvorstellungen aus. Die durch solche reißerischen Überschriften sicherlich befördert werden: Schock-Bericht: So schlecht ist Pflege wirklich, so die BILD-Zeitung. Und legt gleich einen nach: » Keine Schmerztherapie, schlechte Versorgung bei Inkontinenz und Unterernährung.« Viele werden sich an dieser Stelle schon wieder verabschieden, werden doch alle Befürchtungen, die man in sich verspürt, offensichtlich wieder einmal an das Tageslicht befördert. Man muss an dieser Stelle wissen, dass der Artikel über den neuen Pflege-Qualitätsbericht des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) berichtet. Und der hat seine Pressemitteilung etwas anders überschrieben: Pflegequalität in Heimen und durch Pflegedienste hat sich verbessert. Was soll man davon halten? Vielleicht nähern wir uns so der Auflösung: „Der Bericht zeigt, dass sich die Pflegequalität in den letzten zehn Jahren deutlich verbessert hat. Er zeigt aber auch, dass noch viel zu tun ist.« Mit diesen Worten wird Gernot Kiefer vom GKV-Spitzenverband zitiert.

Die Erfahrungen der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) sowie des PKV-Prüfdienstes mit Qualitätsprüfungen in ambulanten Pflegediensten und stationären Pflegeeinrichtungen müssen im Abstand von drei Jahren in einem Bericht veröffentlicht werden, was nun im 4. Pflege-Qualitätsbericht erfolgt ist. Die Qualitätsprüfungen erfolgen jährlich in allen ambulanten Pflegediensten und stationären Pflegeeinrichtungen.

Hier eine Auswahl von wichtigen Ergebnissen der Prüfungen. Zuerst zum stationären Pflegesektor:
Die MDK-Gutachter untersuchten bei einer Zufallsstichprobe von zehn Prozent der Pflegebedürftigen jeder Einrichtung den Versorgungszustand und die Pflegemaßnahmen. Im Vergleich zum dritten Pflege-Qualitätsbericht 2012 gab es deutliche Verbesserungen bei der  Dekubitusprophylaxe und der Vermeidung von freiheitsentziehenden Maßnahmen.

Zur Verbesserung im Bereich der Dekubitusprophylaxe:

» 43,3 Prozent der Heimbewohner hatten ein Dekubitusrisiko. Bei zwei Dritteln davon (75,6 Prozent) wandte das Pflegepersonal Prophylaxen wie Lagerungswechsel an und setzte Hilfsmittel ein. In 24,4 Prozent der Fälle wurde dies jedoch versäumt oder nicht in ausreichendem Umfang erbracht. In 2012 wurde die Prophylaxe in 59,3 Prozent der Fälle umgesetzt; bei 40,7 Prozent der Betroffenen erfolgte sie nicht.«

Zur Verbesserung im Bereich der freiheitseinschränkenden Maßnahmen:

»Der Anteil der Bewohner, bei denen freiheitseinschränkende Maßnahmen  wie Bettgitter oder Gurte eingesetzt wurden, ist seit dem letzten Pflegequalitätsbericht von 20 Prozent der Bewohner auf 12,5 Prozent zurückgegangen. Bei 91,9 Prozent der Betroffenen lagen richterliche Genehmigungen vor. 2012 war dies bei nur 88,8 Prozent der Fall. Nicht zuletzt durch die Beratung der MDK-Prüfer werden inzwischen häufiger Alternativen zu freiheitseinschränkenden Maßnahmen eingesetzt, zum Beispiel Matratzen auf dem Boden oder Sensormatten zum Schutz vor Stürzen.«
Und wie sehen die behaupteten Verbesserungen im Bereich der ambulanten Pflege aus?

Zur Verbesserung der Beratung bei Sturzrisiko:

»Bei 81,7 Prozent der in ihrer Wohnung aufgesuchten Pflegebedürftigen haben die Prüfer einen Beratungsbedarf zum Sturzrisiko gesehen. Bei 83,6 Prozent dieser Pflegebedürftigen war eine Beratung nachvollziehbar durchgeführt worden. In 16,4 Prozent der Fälle war die Beratung nicht nachvollziehbar. Im Vergleich zum letzten Bericht ist eine deutliche Verbesserung zu verzeichnen – damals erhielten nur 49,9 Prozent eine Beratung.«

Zur Verbesserung der Wundversorgung und Druckgeschwüre:

»Bei 5,5 Prozent der in die Prüfung einbezogenen Personen lag eine ärztliche Verordnung für eine Wundversorgung einer chronischen Wunde oder eines Dekubitus vor. Bei 85,7 Prozent der betroffenen Pflegebedürftigen erfolgte diese Wundversorgung nach dem aktuellen Stand des Wissens, bei 14,3 Prozent war dies nicht der Fall – so wurden hygienische Grundsätze nicht beachtet. 2012 waren die Maßnahmen bei 78,7 Prozent der Betroffenen sachgerecht. Somit konnte die Versorgungsqualität gesteigert werden – auch wenn weiterhin Verbesserungsbedarf besteht.«

Erfolge und Mängel – so die Überschrift eines Artikels über die Ergebnisse. Zu den Erfolgen haben wir schon einige Zahlen gesehen, wie aber sieht es mit den Mängeln aus? »Schwächen attestierten die Prüfer den Heimen dagegen bei der Betreuung von Schmerzpatienten. Immerhin 35 Prozent aller Heimbewohner leiden unter chronischen Schmerzen. Doch bei 20 Prozent von ihnen wurde die aktuelle Pein nicht genau erfasst. Schlimm ist das vor allem für Demenzkranke, die ihr Leid häufig nicht artikulieren können und dann vielleicht nur durch aggressives Verhalten auffallen, dessen Ursache unerkannt bleibt«, so Nina von Hardenberg und Berit Uhlmann in ihrem Artikel. »Besonders kritisch sehen auch die Prüfer die Kontinenz. „Zu oft werden pflegebedürftige Menschen mit Windeln oder Kathetern versorgt, obwohl es gar nicht nötig wäre“, kritisiert Peter Pick, Geschäftsführer des Spitzenverbandes des Medizinischen Dienstes. Er forderte, Pflegebedürftige beim Toilettengang besser zu unterstützen. 76 Prozent der Heimbewohner trugen 2013 Windeln oder andere Inkontinenzeinlagen, deutlich mehr als zuvor. Experten kritisieren seit Jahren, dass alte Menschen gewickelt werden, weil den Pflegern die Zeit fehlt, sie zur Toilette zu bringen.«

Fazit: Folgt man den Ergebnissen des 4. Pflege-Qualitätsberichts, dann hat sich in einigen Punkten etwas zum Besseren entwickelt. Und jede dieser Verbesserungen darf aus Sicht der Betroffenen nicht unterschätzt werden.

Allerdings ergeben sich natürlich Fragen, da es sich um eine Prüfung einmal im Jahr handelt und dann nur eine Stichprobe der Pflegebedürftigen an einem Tag zu einem bestimmten Zeitpunkt untersucht wird – nach Kriterien, so die Kritiker, die nicht wirklich die „Qualität“ des Pflegeprozesses abzubilden vermögen. Nun ist das mit der „Qualität“ immer so eine Sache, eine ganz besondere Sache ist das in der Pflege. Das Grunddilemma lässt sich so formulieren: Für die pflegebedürftigen Menschen stellt sich die Frage nach der Qualität als eine „24-Stunden-Frage“, denn sie sind rund um die Uhr in einer äußerst verletzlichen Situation, sie sind oftmals den Pflegekräften und deren Umgang mit ihnen ausgesetzt, ohne sich wehren zu können. Qualität für sie kann nur im Kontinuum des Pflegeprozesses stattfinden. Wenn externe Prüfer an einem bestimmten Tag vorbei kommen und dann einen Blick auf die Menschen, vor allem aber auf die Dokumentation dessen, was (angeblich) getan worden ist, werfen – dann besteht naturgemäß die Gefahr, dass beispielsweise enorme Anstrengungen unternommen werden (müssen), die Dokumentation auf den Stand zu bringen und zu halten, der bei den Prüfungen abgearbeitet wird. Auch wenn möglicherweise das, was tatsächlich passiert ist, nicht kongruent ist zu dem, was in den Akten vermerkt ist.

Man kann es drehen und wenden wie man will, ungeachtet der nicht weg zu diskutierenden Bedeutung von externen Prüfungen: Eine „echte“ Qualitätssicherung kann sich nur aus zwei Quellen speisen: Zum einen natürlich aus dem tatsächlichen Tun des Pflegepersonals, aus deren Haltung gegenüber den ihnen anvertrauten Menschen. Und zum anderen aus einer permanenten und nur dadurch wirklich nachhaltigen Begleitung des Lebens der Pflegebedürftigen durch ihre Angehörige und andere Besucher beispielsweise eines Pflegeheims. Wobei diese Begleitung dann auch zu Rückmeldungen an die Verantwortlichen führen sollte, damit diese wissen, dass man kontinuierlich auf sie und ihr Tun schaut. Anders formuliert: So wichtig die punktuelle Arbeit der Medizinischen Dienste der Krankenkassen auch sein mag, an der sozialräumlichen Einbettung der Pflegeeinrichtungen und der Pflegedienste führt kein Weg vorbei. Es bedarf vieler „Kümmerer“ vor Ort, damit die Pflege nicht aus dem Ruder läuft.

Beatmungspatienten in einem Bürogebäude und der Frust der Behörden mit einem renitent schlechten Pflegeheim. Aus den Niederungen realer Pflegemissstände

Man ist einiges gewohnt, wenn es um die Berichterstattung über Pflegemissstände geht. Aber bei dieser Meldung müssen selbst die Zyniker unter der Beobachtern mehr als schlucken: Feuerwehr räumt illegale Pflege-WG an der Hansastraße, so Bettina Ansorge in einem Bericht aus der Stadt Dortmund: »Geräumt werden Räume im dritten Stock. In ihnen leben nach Angaben der Feuerwehr vier Menschen. Drei von ihnen müssen mit Maschinen beatmet werden. Zwei von ihnen haben Infektionskrankheiten – deswegen tragen die Rettungsdienst-Mitarbeiter Schutzanzüge.« Man muss zur Einordnung wissen, es geht hier um ein Bürogebäude. In der „Wohnung“ hätten niemals intensiv pflegebedürftige Menschen untergebracht werden dürfen. »Eigentlich als Büroräume vermietet, hatte der Mieter die Räume an eine Firma untervermietet, die dort die vier Patienten untergebracht hatte. Sie wurden nach Angaben der Feuerwehr von einem Pfleger versorgt.« Bei einem Brand hätten die Patienten nicht gerettet werden können – daher wurde wegen Gefahr in Verzug geräumt. Nun stellt sich hier die berechtigte Frage: Was machen Beatmungspatienten in einem Bürogebäude? Wie konnte es überhaupt zu so einem abgründigen Geschäftsmodell kommen?  

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Man bittet das Bundesverfassungsgericht um „Hilfe in höchster Not“. Es geht also um die Pflege. Um die Pflege von Menschen mit Grundrechten

»So eine Verfassungsklage hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben: Sieben Musterkläger fordern das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf, gegen den Pflegenotstand in Deutschland einzuschreiten und den Gesetzgeber „zur Einhaltung seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtungen“ zu bewegen«, so Heribert Prantl in seinem Artikel Aufschrei gegen den Pflegenotstand. Das erscheint juristisch wagemutig und spektakulär, zugleich menschlich bewegend. Die Nöte der Beschwerdeführer, die zwischen 35 und 89 Jahre alt sind und die aufgrund ihrer Lebenssituation damit rechnen müssen, in einem Pflegeheim untergebracht zu werden, sind dem höchsten deutschen Gericht in einer 112-seitigen Klageschrift zugestellt worden. Hinter den Klägern steht der Sozialverband VdK. Dem VdK gehe es nicht darum, dass das Bundesverfassungsgericht gesetzgeberisch tätig werden solle, was es gar nicht kann, sehr wohl aber das: »Wenn die Richter in Karlsruhe aber zu dem Schluss kommen, dass der Staat seine Schutzpflichten gegenüber Pflegebedürftigen bislang verletzt, muss der Gesetzgeber in einer bestimmten Frist Abhilfe schaffen«, so der Verband in seiner Pressemitteilung VdK-Verfassungsbeschwerde für menschenwürdige Pflege eingereicht. Ausgearbeitet wurde die Verfassungsbeschwerde vom Rechtsprofessor Alexander Graser, Ordinarius für Öffentliches Recht, Politik und Rechtsvergleichung an der Universität Regensburg, sowie dem Rosenheimer Rechtsanwalt Christoph Lindner. Um gleich jede Hoffnung auf kurzfristige Ergebnisse zu dämpfen: Das Verfassungsgericht wird erst einmal die Zulässigkeit der Beschwerden prüfen und sollte sie diese bejahen, dann kann sich die Dauer des Verfahrens strecken. Möglicherweise jahrelang.

Was nun genau wird in der Klageschrift vorgetragen? Dazu Heribert Prantl in seinem Artikel:

»Die Liste von deutschlandweiten Versorgungsmängeln, die die Klage aufzählt, ist lang. Moniert wird unter anderem die sogenannte Fixierung, also die Fesselung von Patienten, die zu oft auch ohne die notwendige richterliche Anordnung praktiziert wird; sie führt nicht selten zum Tod durch Strangulation. Rund 150.000 Menschen, so die Klage, dürften von „freiheitsbeschränkenden Maßnahmen“ dieser Art betroffen sein. Moniert wird die gezielte Ruhigstellung von Demenzkranken durch Psychopharmaka, um so Pflegepersonal einzusparen und die Einstufung des Betroffenen in eine höhere Pflegestufe zu erreichen. Moniert wird mangelnde Vorsorge gegen Druckgeschwüre bei bettlägerigen Patienten; mindestens 25.000 solcher „Dekubiti“ seien durch ordentliche Pflege vermeidbar. Moniert wird, dass viel zu viele Demenzkranke per Magensonde ernährt werden. Derzeit gibt es in Deutschland hunderttausend Patienten, die per „Schlauch im Bauch“ ernährt werden.«

Der VdK selbst hat seine Argumente für die Verfassungsklage auch in seinem Video-Beitrag zusammengefasst:

Und dann ein wichtiger, wenn nicht der zentrale Punkt dieses Vorstoßes hin zu besseren Bedingungen der Pflege: »Leid wird es in Pflegeheimen immer geben. Das gesteht auch die Verfassungsklage ein. Was unvermeidbar ist, muss und darf der Staat dulden«, so Prantl mit Blick auf die Argumentation der Verfassungsklage. Aber wann ist diese Grenze der Unvermeidbarkeit von Leid überschritten? Wann endet die Duldung durch den Staat und wann beginnen die Schutzpflichten des Staates? Das wird schwierig werden.

Zwanzig Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung, so wird die VdK-Präsidentin Ulrike Macher in der Süddeutschen Zeitung zitiert, müsse endlich dafür gesorgt werden, dass Menschen in Würde altern können. Man erbitte vom Verfassungsgericht „Hilfe in schreiender Not“. Immerhin haben die Medien die Angelegenheit aufgegriffen, wieder einmal über die Pflege zu berichten und die Klage als Aufhänger dafür zu verwenden (vgl. nur beispielhaft den Hintergrund-Beitrag Verfassungsbeschwerde für menschenwürdige Pflege des Deutschlandfunks).

Aber wird man diese Hilfe vom höchsten Gericht auch bekommen? So sehr man sich gerade an dieser Stelle eine volle Bejahung wünschen würde, plausibel ist so ein Ergebnis eher nicht.
Warum das? Man könnte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass bereits vor kurzem folgende Meldung in den Medien rezipiert wurde: Verfassungsklage für bessere Pflege abgeschmettert. Also bereits an der Schwelle der (Nicht-)Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde. Auch bei dieser Klage wurden ähnliche oder die gleichen Argumente vorgetragen, die man nun auch wieder in der vom VdK unterstützten Klage findet.

»Die Argumentation: Weil der Staat seit Jahren Missständen in deutschen Pflegeeinrichtungen tatenlos zuschaue, vernachlässige er seine Schutzpflicht gegenüber Pflegebedürftigen. Deren Rechte würden in vielerlei Hinsicht verletzt – zum Beispiel das auf Würde, auf Gleichheit, auf körperliche Unversehrtheit«, so der Artikel Für bessere Bedingungen: Heimchef zieht vors Verfassungsgericht. Auch dieser Punkt entspricht der Wahrnehmung vieler Pflegeexperten:

So müssen wegen Personalüberlastung Bewohner immer wieder warten, bis sie zur Toilette gebracht werden und bis ihnen Essen eingegeben wird. In Urlaubs- oder Krankheitszeiten sei es unmöglich, immobile Senioren ständig vorschriftsgemäß zu drehen. Die Folge: erhöhte Dekubitus-Gefahr, also Wundliegen. Rieger: „Eine Haftung als Heim muss daher ausgeschlossen werden, da es schlicht unmöglich ist, mit dem vorgegebenen Personal und den Mitteln die Vorschriften einzuhalten.“

Also gute und an vielen Stellen zutreffende Argumente – und dennoch wurde sein Ansinnen vom Bundesverfassungsgericht abschlägig beschieden. Dies allerdings weniger wegen der Inhalte oder eine fehlenden substanziellen Begründung, denn die hat das BVerfG gar nicht erst geprüft. Die Entscheidung zur Ablehnung wird formalistisch begründet: Am Montag, 18. August, hatte Armin Rieger seine Verfassungsbeschwerde für bessere Pflege abgeschickt, bereits kurze Zeit später bekam er die Mitteilung, dass sie nicht zugelassen wird. Begründung: Für bessere Pflege in Senioreneinrichtungen dürften nur diejenigen klagen, die dort leben. Rieger dagegen ist Geschäftsführer und Mitinhaber des „Haus Marie“. Man möchte dem Gericht nicht zu nahe treten, aber so ganz konsequent erscheint diese etwas gewillkürt daherkommende Grenze nun auch wieder nicht, denn auch ein Heimleiter kann ein Betroffener sein – vor allem von Zuständen, die als systematisch generiert angesehen werden.

Aber die formalistische Ablehnungsbegründung des BVerfG könnte sich auch bei dem – anders gelagerten – Ansatz des VdK als Bumerang erweisen, da es sich auch hier um Einzelkläger handelt, die (noch) nicht in einem Heim leben und eine andere Politik wollen angesichts dessen, dass ihnen dann droht.

Aber auch wenn wir einmal spekulieren, dass das Bundesverfassungsgericht entscheiden sollte, man lässt das Verfahren zu, weil wenigstens eine „halbseitige“ Betroffenheit angenommen wird. Was dann? Wo soll das Gericht die beschriebene Grenze zwischen einem unabwendbaren Leid und einer Konsequenz aus einer unterentwickelten Ressourcenlage oder einer unterlassenen Heimaufsicht auf der anderen Seite ziehen? Ab wann kippt in praxi die Schuldfrage von der einen zur anderen Seite?

Unabhängig von dem skizzierten – eher pessimistischen – Blick auf die Erfolgswahrscheinlichkeit des Unterfangens sind solche Aktivitäten – eingebettet in zahlreiche andere Vorstöße – wichtig, um das Thema Pflege weiter auf der Tagesordnung zu lassen. Denn so ein Streik, wie ihn diese Tage die Lokführer hingelegt haben, kann man sich im Bereich der Altenpflege wahrlich nicht vorstellen. Also muss man andere Kanäle suchen.