Schon wieder eine „Reform“ – jetzt die „der“ Pflege. Von Beitragsmitteln und ihrer Verwendung, einem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff in der Dauerschleife des täglich grüßenden Murmeltiers und anderen Merkwürdigkeiten

Bekanntlich zucken viele Menschen – und das nicht ohne Grund – zusammen, wenn sie in einem der vielen Felder der Sozialpolitik die Ankündigung einer „Reform“ zu hören bekommen. Denn damit war in den zurückliegenden Jahren – seien wir ehrlich – oftmals weniger Fortschritt und Verbesserung verbunden, sondern Einschränkungen und Abbau, zuweilen auch Exklusion.
Hinsichtlich der von der Großen Koalition angestrebten nächsten „Pflegereform“ – die korrekter (wieder einmal) primär als Reform der Pflegeversicherung bezeichnet werden muss – gibt es auf den ersten Blick mehrere sehr ambitionierte Zielsetzungen: Es soll mehr Geld für die Pflege organisiert , endlich ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff in die Versorgungsrealität gehoben werden, es soll mehr Personal geben und einiges anderes mehr. Offensichtlich – so könnte man meinen – hat die Politik nun endlich die immer lauter werdenden Stimmen aus der Pflege selbst vernommen, die dringend konkrete Verbesserungen anmahnen und sich in der Öffentlichkeit zu Wort melden  – ob mit breiten Zusammenschlüssen wie dem „Bündnis für gute Pflege„, in dem sich zahlreiche Wohlfahrts-, Sozial- und Pflegeverbände zusammengeschlossen haben oder dem Aktionsbündnis „Pflege am Boden„, die mit bundesweiten Flashmob-Aktionen um Aufmerksamkeit für ihr Anliegen streiten.

Doch noch ist nichts in trockenen Tüchern bei der anstehenden Pflegereform und ob es sich wirklich um Verbesserungen handeln wird, darüber kann und muss man mit einer gehörigen Portion Skepsis streiten. Unterstützung für das Lager der Skeptiker kann man auch solchen Überschriften entnehmen: „Verschenktes Geld“ – Streit um Rücklagen für die Pflege, so hat Rainer Woratschka seinen Beitrag überschrieben oder wie wäre es damit: „Es wird nicht nur Gewinner geben“. Laumann über die Pflegereform, so hat Anno Fricke ein Interview mit Karl-Josef Laumann, seines Zeichens „Bevollmächtigter der Bundesregierung für Patientenrechte und Pflege“ im Rang eines Staatssekretärs im Bundesgesundheitsministerium, überschrieben.

Und in diesem Interview findet sich ein interessantes Zitat des Herrn Laumann: Seiner Meinung nach sollte bei der nun umzusetzenden Pflegereform ein Aspekt stärker beachtet werden: »… nämlich dass das Beitragsgeld ausschließlich für die Pflegebedürftigen da ist, und für diejenigen, die die Pflegearbeit leisten.«

Da kann man nur zustimmen. Aber schauen wir genauer hin, was denn mit dem Geld des Beitragszahlers eigentlich geplant ist. Das hat Rainer Woratschka so zusammengefasst:

»Bisher ist vorgesehen, den Pflegebeitrag für die geplante Reform Anfang 2015 um 0,3 Prozentpunkte zu erhöhen – und davon ein Drittel in die Rücklage fließen zu lassen. Das entspräche 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Mit der Reserve soll der vorhergesagte Ausgabenanstieg in den Jahren zwischen 2035 und 2055 abgefedert werden, wenn die geburtenstärksten Jahrgänge ins Pflegealter kommen. Die restlichen 2,4 Millionen Euro sollen in sofortige Leistungsverbesserungen fließen.
Für einen zweiten Reformschritt, den versprochenen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, soll der Beitrag Anfang 2017 um weitere 0,2 Punkte steigen. Vorgesehen ist etwa eine differenziertere Einstufung der Pflegebedürftigen, die Abschaffung der so genannten Minutenpflege und mehr direkte Zuwendung statt bloß körperbezogener Leistungen. Davon sollen vor allem Demenzkranke profitieren.«

Diesen Ausführungen kann man zwei zentrale Sollbruchstellen entnehmen: Zum einen die Frage der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und zum anderen die angesprochene Rücklage für die Zukunft, auch als „Vorsorgefonds“ tituliert.

Zur Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs: Man muss an dieser Stelle daran erinnern, dass ein neuer Pflegebedürfigkeitsbegriff kein neuer konzeptioneller Schritt ist, vielmehr pflastern Kommissionen und Gutachten seinen bisherigen Weg – und ein erkennbares Muster, das sich rückblickend so zusammenfassen lässt: schieben, verschieben, aufschieben:

Im Herbst 2006 wurde der erste Pflegebeirat ins Leben gerufen, der die Aufgabe hatte, das Modellvorhaben mit dem Titel „Maßnahmen zur Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines Begutachtungsinstruments zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI“ zu begleiten. Der Bericht des „Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ wurde am 29. Januar 2009 an die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt übergeben.  Im Mai 2009 wurde durch den Beirat der Umsetzungsbericht fertiggestellt. »Zum 1. März 2012 wurde durch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr erneut einen Expertenbeirat einberufen, der fachliche und administrative Fragen zur konkreten Umsetzung klären sollte. Am 27. Juni 2013 hat der Expertenbeirat den „Bericht zur konkreten Ausgestaltung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ dem Bundesministerium für Gesundheit übergeben. Politische Entscheidungen, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff gesetzlich zu verankern, stehen bisher aus«, so der GKV-Spitzenverband.
Und was sagt Pflegebeauftragter Laumann im Frühjahr 2014?

»Man braucht Zeit, um den Pflegebedürftigkeitsbegriff vernünftig umzusetzen. Zunächst müssen wir untersuchen, ob es Gewinner und Verlierer gibt. Das müssen wir mit den MDK und einer Reihe von Menschen, die neu pflegebedürftig werden, quer durch alle Bundesländer untersuchen. Der neue Begriff bedeutet auch, dass mit den Einrichtungen Pflegesätze neu verhandelt werden müssen. Das geht nicht von heute auf morgen. Eines muss ganz klar sein: Wir müssen den neuen Begriff in dieser Wahlperiode komplett umsetzen, ganz eindeutig.«

Da von allen Seiten akzeptiert wird, dass die Umsetzung eines neuen Pflegebdürftigkeitsbegriffs mehr Geld kosten wird (wobei die konkrete Höhe durchaus umstritten ist, aber: Dass die anvisierten 2,4 Milliarden Euro für das Vorhaben nicht reichen, ist Konsens unter vielen Experten) und gleichzeitig in der dargestellten Finanzplanung eine Anhebung des Beitragssatzes zur Finanzierung dieses Teils der Pflegereform erst für 2017 vorgesehen ist – also in dem Jahr, in dem die nächste Bundestagswahl stattfinden wird – können sich die Aufschiebe-Skeptiker bestätigt fühlen.

Zur Einführung eines (kapitalgedeckten) „Vorsorgefonds“ in der gesetzlichen Pflegeversicherung: Man muss sich in einem ersten Schritt einmal grundsätzlich klar machen, was die Große Koalition hier beabsichtigt: Innerhalb einer umlagefinanzierten Sozialversicherung soll aus Beitragsmitteln gespeist ein kapitalgedeckter Fonds angelegt werden.
Das hat es aus guten Gründen noch nie gegeben.

In dem Artikel von Woratschka wird der Bremer Wissenschaftler Heinz Rothgang zitiert, ein Experte auf dem Gebiet der Pflegefinanzierung, mit Blick auf die Zeitachse: Der Fonds sei „genau dann wieder leer, wenn die höchste Zahl an Pflegebedürftigen erreicht wird“.

Laut Koalitionsvertrag soll die nicht näher bezifferte Rücklage bis zu ihrer Verwendung von der Bundesbank verwaltet werden. Doch die bedankt sich. Angesichts des Auf und Ab beim GKV-Zuschuss traut die Bundesbank der Stetigkeit der öffentlichen Hand nicht, so die Zusammenfassung unter der Überschrift „Bundesbank hält wenig von Vorsorgefonds in Staatsregie“ in der Ärzte Zeitung.

Dazu schreibt die Bundesbank selbst in ihrem Monatsbericht März 2014:

»Ab 2015 soll … der Beitragssatz schrittweise um insgesamt 0,5 Prozentpunkte angehoben werden. Davon sollen 0,4 Prozentpunkte unmittelbar zur Finanzierung der laufenden Ausgaben eingesetzt werden und das den verbleibenden 0,1 Prozentpunkten entsprechende Beitragsaufkommen zunächst in eine (von der Bundesbank verwaltete) Rücklage geleitet werden. Das ausgedehnte Leistungsvolumen wird künftige Generationen noch stärker zusätzlich belasten, weil die schrumpfende Gruppe der für das Beitragsaufkommen besonders relevanten Erwerbstätigen die Pflegeleistungen für die wachsende Gruppe der Leistungsempfänger im Wesentlichen wird finanzieren müssen. Mit dem Aufbau einer Rücklage können die heutigen Beitragszahler zwar stärker und mit dem Abschmelzen zukünftige Beitragszahler weniger zusätzlich belastet werden. Nach dem Verzehr der Finanzreserven wird das höhere Ausgabenniveau dann aber durch laufend höhere Beiträge gedeckt werden müssen. Inwiefern die beabsichtigte Beitragsglättung tatsächlich erreicht wird, hängt von den weiteren Politikreaktionen ab. Nicht zuletzt die aktuelle Erfahrung zeigt, dass Rücklagen bei den Sozialversicherungen offenbar Begehrlichkeiten entweder in Richtung höherer Leistungsausgaben oder auch zur Finanzierung von Projekten des Bundes wecken. Zweifel an der Nachhaltigkeit einer kollektiven Vermögensbildung unter staatlicher Kontrolle erscheinen umso eher angebracht, je unspezifischer die Verwendung der Rücklagen festgelegt wird« (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2014, S. 10).
Eine deutliche Kritik.

Betrachtet man also wie hier geschehen nur zwei sehr wichtige Komponenten der anstehenden „Pflegereform“, dann wird das Lager der Skeptiker eher gestärkt aus der aktuellen Bestandsaufnahme herausgehen. Wir lassen uns aber natürlich gerne vom Gegenteil überzeugen.

Wenn Eltern Geld brauchen von ihren Kindern … Neue Entscheidung des BGH zum Elternunterhalt im Rahmen der Pflegekosten

Alle Fragen rund um die Pflege werden immer mehr zum gesellschaftspolitischen Megathema der vor uns liegenden Jahre. Und der Pflegebedarf wird nicht nur aufgrund der demografischen Entwicklung deutlich ansteigen, mit allen daran gekoppelten Herausforderungen an die Sicherstellung einer menschenwürdigen Versorgung der Pflegebedürftigen. Das alles ist nicht umsonst, sondern es ist in vielen Fällen richtig teuer. Zuerst einmal für die Betroffenen, die neben ihrer Rente und den Leistungen aus der Pflegeversicherung auch ihr gesamtes Vermögen einsetzen müssen – wenn sie denn welches haben. Und wo es Vermögende gibt, sind die Vermögenslosen nicht weit und nicht wenige. Und das sind natürlich oft auch die Menschen, die aufgrund ihrer Erwerbsbiografie nur durchschnittliche oder gar unterdurchschnittliche Erwerbseinkommen und damit Rentenansprüche erzielt haben. Die sind dann ab einer bestimmten Pflegephase, häufig im Zusammenhang mit einer stationären Versorgung, auf Leistungen der „Hilfe zur Pflege“ nach dem SGB XII, also seitens des kommunalen Sozialamtes, angewiesen, weil die knappe Rente und die Teilkaskobeträge aus der Pflegeversicherung nicht ausreichen, um die Heimkosten zu decken. Die Sozialämter zahlen auch, aber sie versuchen dann, das Geld wenigstens teilweise wieder reinzuholen von den Kindern der Betroffenen, wenn es welche gibt. Rechtsgrundlage für diese Heranziehung der Kinder ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).

Dort finden wir die folgende, hier maßgebende Norm:

§ 1601 BGB Unterhaltsverpflichtete
Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren

§ 1603 BGB Leistungsfähigkeit
(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

Mit der vor allem aus § 1603 BGB abgeleiteten Problematik, in welchem Umfang die Kinder herangezogen werden dürfen, hat sich erneut der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung beschäftigt, die gleich genauer beschrieben wird.
Vorweg aber eine kurze Darstellung  des Elternunterhalts, gefunden in dem instruktiven Beitrag „Pflege: Zuzahlung für Angehörige„, vor allem mit Blick auf die Frage der (möglichen) Höhe der Zuzahlung der Kinder zu den Pflegekosten:

»Maßgeblich für eine mögliche Unterhaltspflicht ist zunächst das Nettoeinkommen.
Hiervon dürfen noch die Versicherungsbeiträge, Kreditverpflichtungen, sowie berufsbedingte Aufwendungen (Werbungskosten) abgezogen werden. Die Zwischensumme daraus ergibt das sogenannte „bereinigte Nettoeinkommen”.
Vom diesem bereinigten Nettoeinkommen können zusätzlich etwaige Unterhaltskosten für geschiedene Ehepartner einschließlich der gemeinsamen Kinder abgezogen werden (für die Kinder nur aber dann, wenn diese polizeilich nicht in Ihrem Haushalt gemeldet sind).
Die Summe daraus ergibt den so genannten Selbstbehalt, welcher zurzeit 1.400 € pro Monat beträgt. Das bedeutet: wenn Ihnen nach Abzug der o. g. Kosten weniger als etwa 1.400 € monatlich zum Leben bleiben, muss dem Sozialamt nichts für die Pflege–Kosten dazu gezahlt werden.
Bleibt jedoch mehr übrig, müssen Familienangehörige zum Pflegeunterhalt etwas dabei steuern – und zwar die Hälfte aus der Differenz zwischen dem bereinigtem Nettoeinkommen und dem Selbstbehalt.« (Nur eine aktualisierende Anmerkung, die man auch später der Besprechung der neuen BGH-Entscheidung entnehmen kann: Seit dem 1. Januar 2013 liegt der Selbstbehaltsbetrag bei 1.600 Euro).

Der Berechnung des dann heranzuziehenden „bereinigten Nettoeinkommens“ der Kinder liegt folgende Logik zugrunde: Wenn man Kredite laufen hat, dann mindern die die Bemessungsgrundlage für den Elternunterhalt: »Als vermindernd gelten alle privaten Verbraucherkredite, Bauspardarlehen und Bank- oder Versicherungshypotheken zum Kauf, zur Modernisierung oder Renovierung einer Immobilie. Als relevante Ausgaben können nicht nur die Zinsbelastungen, sondern auch die Tilgungszahlungen angesetzt werden. Alle Kosten werden zu 100% angerechnet.«
Anders sieht es aus, wenn die Kinder Vermögen gebildet haben, denn grundsätzlich gilt, dass dieses ebenfalls einzusetzen ist für die Unterhaltsverpflichtung gegenüber den eigenen Eltern. Grundsätzlich bedeutet wie immer: Es gibt Ausnahmen von dieser Regel:

»Die Sozialämter erlauben in aller Regel ein bestimmtes Mindestvermögen, welches je nach Kommune aber sehr unterschiedlich sein kann. Meistens liegt der erlaubte Betrag zwischen 20.000 und 30.000 Euro. Wer mehr Sparvermögen hat, muss es zum Pflege–Unterhalt solange einsetzen, bis es an das erlaubte Mindestvermögen grenzt. Die Behörde darf ein Sparvermögen für die Pflege jedoch generell nicht anrechnen, wenn es zur eigenen Altersvorsorge über Lebens- oder Rentenversicherungen dient. Sie darf es auch dann nicht anrechnen, wenn die Auflösung eines Sparvertrages/einer Kapitalanlage mit finanziellen Verlusten verbunden wäre – oder aus anderen Gründen unwirtschaftlich ist.«

Ein für viele Menschen sicher sehr wichtige Frage: Wie sieht es aus mit dem Wohneigentum des Kindes bzw. der Kinder? Grundsätzlich gilt hier Entwarnung, wenn der Angehörige selbst darin wohnt und dies der Hauptwohnsitz ist, denn dann ist das Wohneigentum nach der Rechtsprechung des BGH vor einer Verwertung geschützt – und wieder muss man ein „aber“ einschieben: Das Sozialamt kann für das Wohnen im eigenen Haus einen geldwerten Vorteil ansetzen, der wie ein zusätzliches Einkommen hinzu gerechnet wird bei der Bestimmung des „bereinigten Nettoeinkommens“.

Und wie ist es eigentlich mit den Schwiegereltern? Muss man für die auch zahlen? Auch hier wieder grundsätzlich eigentlich nicht. Und dann das „aber“:

»Bei Ehepartnern mit nur einem Verdiener steht das bereinigte Nettoeinkommen jedoch zur Hälfte dem anderen Partner zu. Beträgt das Einkommen des Allein-verdieners also mehr als 2.800 €, muss er eine Zuzahlung auch für die Pflege-Kosten der Schwiegereltern leisten.«

Alles klar? Der eine oder die andere könnte jetzt durchaus auf die Idee kommen, dass es bei dieser Gemengelage „vernünftig“ wäre, vor dem Eintreten eines kostenträchtigen Pflegefalls sowohl bei den Betroffenen wie auch bei den Kindern alles auf den Kopf zu hauen, Schulden zu machen (die man ja, wie wir erfahren haben, unter bestimmten Bedingungen abziehen kann), also bloß kein Vermögen aufzubauen. Das ist durchaus richtig, wenn man es denn nur auf diese Gemengelage beziehen würde.

Jetzt aber zu der neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), die sich auseinandersetzt mit der oftmals strittigen Frage nach der „Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt„, die sich natürlich in dem grundsätzlichen Spannungsfeld bewegt, dass die einen möglichst eingeschränkt leistungsfähig daherkommen möchten, während die Kommunen einen möglichst hohen Zuzahlungsbetrag realisieren möchten.

Zuerst einmal der Sachverhalt, mit dem der XII. Zivilsenat des BGH konfrontiert wurde:

»Die 1926 geborene Mutter des Antragsgegners lebt in einem Altenpflegeheim. Weil sie die Heimkosten nicht vollständig aus ihrer Rente und den Leistungen der Pflegeversicherung aufbringen kann, gewährt der Antragsteller ihr Leistungen der Sozialhilfe. Im vorliegenden Verfahren verlangt der Antragsteller Erstattung der in der Zeit von Juli 2008 bis Februar 2011 geleisteten Beträge. Die Beteiligten streiten allein darüber, ob der Antragsgegner aus seinem Einkommen oder aus seinem Vermögen leistungsfähig ist.«

In der weiteren Beschreibung des Sachverhalts bekommen wir eine Konkretisierung der allgemeinen Beschreibung des Elternunterhalts und seiner Berechnung, mit der dieser Beitrag begonnen hat:

»Der Antragsgegner erzielte im Jahr 2008 ein Jahresbruttoeinkommen in Höhe von 27.497,92 €, woraus das Oberlandesgericht ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 1.121 € errechnet hat. Er ist Eigentümer einer aus drei Zimmern bestehenden Eigentumswohnung, deren Wohnvorteil das Oberlandesgericht mit 339,02 € ermittelt hat. Außerdem ist der Antragsgegner hälftiger Miteigentümer eines Hauses in Italien, dessen anteiliger Wert vom Antragsteller mit 60.000 € angegeben ist, und verfügt über zwei Lebensversicherungen mit Werten von 27.128,13 € und 5.559,03 € sowie über ein Sparguthaben von 6.412,39 €. Eine weitere Lebensversicherung hatte der Antragsgegner gekündigt und deren Wert zur Rückführung von Verbindlichkeiten verwendet, die auf dem Haus in Italien lasteten.«

Vor dem Amtsgericht ist der Sohn der pflegebedürftigen Mutter verurteilt worden, rückständigen Unterhalt in Höhe von insgesamt 5.497,78 € an das Sozialamt zu zahlen. Das Amt wollte aber noch mehr, was das Oberlandesgericht zurückgewiesen hat, wie den ganzen Antrag gleich mit. Das Oberlandesgericht hat auf der Grundlage der Einkünfte und Nutzungsvorteile von insgesamt rund 1.460 € die Leistungsfähigkeit des Sohnes verneint, weil der für den Elternunterhalt geltende, ihm zu belassende Selbstbehalt von 1.500 € nicht überschritten sei. Das nun wiederum lehnt der BGH ab, weil das nicht rechtsfehlerfrei zustande gekommen sei (weil das Nettoeinkommen nicht richtig bestimmt worden sei und weil damals noch die Grenze des Selbstbehalts bei 1.400 Euro lag, erst zum 1. Januar 2011 wurde der Selbstbehalt auf 1.500 € und zum 1. Januar 2013 auf 1.600 € erhöht.

Aber bei der neuen Entscheidung geht es nicht um Fragen der Berücksichtigung des laufenden Einkommens: Von besonderer Bedeutung sind die weiteren Ausführungen des Bundesgerichtshofs zum Einsatz des Vermögens im Rahmen des Elternunterhalts:

»Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das unterhaltspflichtige Kind grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einsetzen. Einschränkungen ergeben sich aber daraus, dass nach dem Gesetz auch die sonstigen Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen sind und er seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht zu gefährden braucht. Dem dient auch die eigene Altersvorsorge, die der Unterhaltsschuldner neben der gesetzlichen Rentenversicherung mit weiteren 5 % von seinem Bruttoeinkommen betreiben darf. Entsprechend bleibt dann auch das so gebildete Altersvorsorgevermögen im Rahmen des Elternunterhalts unangreifbar … Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass der Wert einer angemessenen selbst genutzten Immobilie bei der Bemessung des Altersvermögens eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen grundsätzlich unberücksichtigt bleibt, weil ihm eine Verwertung nicht zumutbar ist. Übersteigt das sonstige vorhandene Vermögen ein über die Dauer des Berufslebens mit 5 % vom Bruttoeinkommen geschütztes Altersvorsorgevermögen nicht, kommt eine Unterhaltspflicht aus dem Vermögensstamm nicht in Betracht.«

Fazit: Gewisse Schutzplanken für das selbst genutzte Wohneigentum sowie ein überschaubarer Vermögensanteil für die eigene Altersversorgung werden durch diese Entscheidung eingezogen, aber grundsätzlich gilt: Auch der Vermögensstamm der Kinder muss eingesetzt werden, wenn es um die Frage der Zuzahlungen zu den Pflegekosten der Eltern geht. Wir können davon ausgehen, dass die Fragen des Elternunterhalts in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen werden – vor allem, wenn die vielen Alten mit sehr niedrigen Renten in die Pflegebedürftigkeit rutschen.

Im Schneckentempo durch ein gesellschaftspolitisches Minenfeld: Pflegepolitik im Dickicht der Expertenbeiräte, wohlfeiler Forderungen und den Niederungen ihrer Realität

In den Anfangszeiten des Internets wurde „www“ gerne auch mal übersetzt mit „warten, warten, weiterwarten“. Mit Blick auf die deutsche Pflegepolitik könnte man dies abwandeln in „warten, weiterwarten, Pflegereform“, wobei an dieser Stelle darauf Wert gelegt wird, dass Reform hier in seinem ursprünglichen Sinne verstanden wird, also als eine Verbesserung eines Handlungsfeldes, nicht als Abbau sozialstaatlicher Leistungen, was mittlerweile aber leider die vorherrschende Verständnisvariante von „Reform“ in der Sozialpolitik geworden ist.

Nehmen wir als Beispiel das – es lässt sich leider nicht in weniger drastischen Worten formulieren – „Gewürge“ um eine Weiterentwicklung des von allen Seiten als defizitär und kontraproduktiv gebrandmarkten Pflegebedürftigkeitsbegriffs als Grundlage für Leistungen nach dem SGB XI, also der Pflegeversicherung. Bereits die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte noch zu Zeiten der Großen Koalition die Erarbeitung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs bei einem dafür eingesetzten Pflegebeirat in Auftrag gegeben. Im Jahr 2009 hatte dann dieser Pflegebeirat, damals noch unter dem Vorsitz von Dr. Jürgen Gohde, einen ersten Bericht veröffentlicht (im Januar 2009 den Abschlussbericht und im Mai 2009 einen Umsetzungsbericht).

Leider in einem Jahr, in dem eine Bundestagswahl stattgefunden hat, was dann dazu führte, dass man die Umsetzung auf die sich anschließende Legislaturperiode verschoben hat. Das nun war die derzeit gerade zu Ende gehende Legislaturperiode der schwarz-gelben Koalition, die am Anfang ihrer Regierungszeit ja eigentlich die Ergebnisse des Pflegebeirats hätte umsetzen sollen. Statt das zu tun, wurde ein neuer Pflegebeirat berufen mit dem gleichen Arbeitsauftrag wie der erste. Der bisherige Vorsitzende des Gremiums, Jürgen Gohde, lehnte nach einigen Gesprächen die Übernahme des Vorsitzes des neu-alten Gremiums ab, war ihm doch schnell klar geworden, dass hier erneut hinsichtlich der dringend notwendigen Reform der Pflegeversicherung auf Zeit gespielt werden sollte, um gerade nichts tun zu müssen, weil man immer auf den Beirat verweisen konnte. Insofern war es auch „konsequent“, dass der neue „Expertenbeirat zur konkreten Ausgestaltung eines neuen Pflegebedürftig­keitsbegriffs“ erst im Frühjahr 2012 seine Arbeit aufnehmen konnte – wohl wissend, dass damit die Ergebnisse des Gremiums genau in dem nächsten Wahljahr veröffentlicht werden, so dass man erneut die konkrete Umsetzung von was auch immer in die dann kommende Legislatur verschieben kann. So ist es ja jetzt auch gekommen.

Nach vielen Querelen wurde Ende Juni 2013 der „Bericht des Expertenbeirats zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlicht – begleitet von viel Kritik vor allem angesichts der relativen Unverbindlichkeit der finanziellen Konsequenzen der Vorschläge, was aber vom Gremium mit den fehlenden Vorgaben über den finanziellen Rahmen für eine Reform seitens der Politik begründet wurde. Abkehr von der Minutenpflege und dem engen Verrichtungsbezug, fünf Pflegegrade statt bislang drei Pflegestufen, so wichtige inhaltlich Punkte. Vor allem sollen künftig kognitiv und psychisch beeinträchtigte Menschen noch stärker von Pflegeleistungen profitieren als heute.

»Inoffiziell empfiehlt der Beirat, mindestens zwei Milliarden Euro im Jahr mehr ins System zu stecken. Im Bericht taucht diese Zahl nicht auf«, so Sunna Gieseke in ihrem Artikel „Die Krux mit den zwei Milliarden„. Wobei man diese zwei Milliarden Euro eher als eine untere Untergrenze zu verstehen ist: »Wenn mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs viele besser und niemand schlechtergestellt werden solle, koste das Berechnungen des Pflegebeirats von 2009 etwa 4,2 Milliarden Euro im Jahr mehr«, so wird in dem Artikel SPD-Politikerin Hilde Mattheis zitiert. Jetzt ahnt man auch schon, warum viele in der Politik kalte Füße bekommen, wenn es um solche und dann auch noch zusätzlich zu mobilisierenden Beträge geht.

Insgesamt ist das also angesichts der erheblichen Probleme in der pflegerischen Versorgung der Menschen eine wunderbare Vorlage in Zeiten des Wahlkampfs – man muss an dieser Stelle aber sofort ein „eigentlich“ einfügen: Eigentlich eine gute Vorlage, wenn man denn mit diesem Thema punkten könnte. Aber man kann es drehen und wenden wie man will – obgleich Millionen Menschen und ihre Familie von Pflege betroffen sind in ihren unterschiedlichen Konfigurationen, eiern viele Politiker um dieses Themenfeld herum, als handelt es sich um ein Minenfeld, das man meiden sollte. Ehrliche Politiker sagen einem auch – wie heißt das heute neudeutsch: off-the-record – warum: Weil man mit Pflege angesichts der Komplexität der dort relevanten Fragen und vor allem angesichts der eigentlich erforderlichen (und dann auch zu finanzierenden) Ressourcen angesichts der Begrenzungen der Handlungsspielräume keine großen Blumentöpfe gewinnen kann, weil die oftmals berechtigten Forderungen aus dem Alltag immer größer sein werden als das, was die Politik real zu gestalten in der Lage zu sein scheint, um das mal etwas umständlich zu formulieren. Ein Politiker hat das mal auf den Punkt gebracht, als er sagte: Pflege ist ein „Verliererthema“, da kann man als Politiker nur verlieren.

Auch wenn es dem einen oder der anderen in der Politik nicht zusagt – damit erledigen sich ja nicht die realen Probleme und die zunehmende Zahl an Berichten über „Pflegemissstände“ oder „Pflegenotstand“ mag als Indiz angeführt werden, dass der Problemdruck im System steigt. Man muss an dieser Stelle in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass das nicht nur Probleme sind, die den stationären Altenpflegebereich betreffen, obgleich die Heime immer im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen – dort finden sich eben am ehesten die Beispiele, während über die Probleme im ambulanten und erst recht im häuslich-privaten Pflegebereich schlichtweg schwieriger zu berichten ist, was aber nicht heißt, dass dort keine oder deutlich weniger Probleme vorhanden sind.

Aber zurück zum Wahlkampf. Trotz der einschränkenden Ausführungen über das „Verliererthema“ Pflege hat sich die SPD in Person ihres Kanzlerkandidaten Steinbrück dem Thema angenommen und recht konkrete Forderungen formuliert: „Mehr Geld für mehr Pflegekräfte„, so Guido Bohsem in der Süddeutschen Zeitung. Anlass dafür ist der Versuch eines Schulterschlusses zwischen der SPD und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Beide kritisieren, dass sich Schwarz-Gelb bisher nicht zu einer Reform der Pflegeversicherung durchgerungen hat. Das will Kanzler-Kandidat Steinbrück jetzt nachholen. Der Gewerkschaft ver.di geht es vor allem die Bezahlung der Pflegekräfte: Die Löhne müssten zwischen zehn und zwanzig Prozent steigen, um die in den kommenden Jahren benötigte Zahl an Fachkräften anzulocken, so ver.di-Chef Frank Bsirske. Laut Bsirske verdienen Pflegefachkräfte derzeit im Durchschnitt etwa 2.130 Euro im Monat. In der Krankenpflege lägen die Gehälter etwa 200 Euro höher. Die SPD fordert zusätzlich 125.000 Mitarbeiter für die Betreuung pflegebedürftiger Menschen zu gewinnen. Nun ist schon ein höhere Bezahlung ein heißes Eisen in diesem Bereich, aber auch wenn man die in der Pflege arbeitenden Menschen besser vergüten würde, man müsste erst einmal 125.000 zusätzliche Fachkräfte finden – nach allem, was wir bereits derzeit im System sehen, gibt es diese zusätzliche Zahl an Fachkräften gar nicht. Insofern ist es richtig und wichtig, dass der SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück auch und gerade die Ausbildung anspricht und dabei auf eine leider nur scheinbare Skurrilität hinweist – dass man trotz des doch von allen Seiten beschworenen Bedarfs an Fachkräften für die Ausbildung in der Altenpflege meistens sogar noch Geld mitbringen soll. In dem Artikel wird Steinbrück mit den Worten zitiert, »dass er das bislang fällige Schulgeld für die Ausbildung der Pflegekräfte abschaffen wolle. Es sei ein Skandal, dass die Azubis auch noch Geld zahlen müssten. In den meisten Bundesländern gibt es diese monatliche Gebühr, die im Schnitt bei 125 Euro liegt. Bayern und Niedersachsen haben das Schulgeld bereits abgeschafft … Steinbrück kündigte erneut an, den Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte anheben zu wollen. Derzeit sind 2,05 Prozent vom Bruttolohn fällig, für Kinderlose 2,3 Prozent. Dadurch würden etwa sechs Milliarden Euro im Jahr zusätzlich ins System fließen. Diese Mittel reichten aus, um Demenzkranke besser zu betreuen, die künftigen Pflegekräfte kostenlos auszubilden und die derzeit Beschäftigten besser zu bezahlen, sagte Steinbrück.«

Vor dem Hintergrund dieser Vorschläge passt es dann auch, dass zeitgleich seitens der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ein Positionspapier zum Thema veröffentlicht wurde, für das der Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe, Jürgen Gohde, maßgeblich verantwortlich ist:

Dirk Engelmann, Jürgen Gohde, Gerd Künzel und Severin Schmidt: Gute Pflege vor Ort. Das Recht auf eigenständiges Leben im Alter. Positionspapier im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin, August 2013

Das KDA zitiert in der Pressemitteilung „Deutschland braucht ein neues Verständnis von Pflege“ die Forderung des 25köpfigen Expertengremiums »einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff so rasch wie möglich einzuführen, die Teilhabemöglichkeiten älterer Menschen am gesellschaftlichen Leben zu verbessern, neue Wohnformen zu fördern und der Pflege eine Bedeutung zu geben, die nicht mehr ignoriert werden kann – in den Kommunen, in der Infrastruktur sowie in den Sozialgesetzen. Die Arbeitsgruppe hat die Probleme im derzeitigen System identifiziert. So sei das heutige Sozialrecht noch nicht ausreichend auf die Pflege ausgerichtet. Leistungen seien nicht genügend aufeinander abgestimmt, es fehle mit wachsender Dramatik an Fachpflegekräften. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege seien häufig deshalb schlecht, weil sich die Pflegenden wenig Zeit für ihre Kunden nehmen könnten. Familien müssten besser unterstützt werden, wenn sie einen Pflegefall betreuten. Die Experten sahen faktisch keine Stellschraube im Pflegesystem, die nicht neu justiert werden müsse. Dazu  zähle auch eine deutlich bessere Finanzausstattung.«

Auch die KDA- und FES-Expertengruppe bezieht sich auf eine Erweiterung des bisherigen dreistufigen hin zu einem aus fünf Stufen bestehenden Pflegebedürftigkeitsbegriffs, wie er im neuen Bericht des Pflegebeirats – aufbauend auf die Vorarbeiten des Berichts aus dem Jahr 2009 – entfaltet worden ist. Als neu wird herausgestellt, dass auch Fragen der kommunalen Infrastruktur und eines fachübergreifenden Gesamtkonzeptes in dem Positionspapier angerissen worden sind. „Die Zukunft der Pflege liegt im Quartier“, so wird Jürgen Gohde in dem Artikel „Experten wollen mehr häusliche Pflege„von Anno Fricke zitiert. Die Experten sehen »ihr Programm als Blaupause eines zig Milliarden Euro schweren Investitionsprogramms, mit dem in den kommenden 15 Jahren ausreichend altersgerechte Wohnungen entstehen sollen, damit so viele Menschen wie möglich zu Hause gepflegt werden könnten.«

Letzendlich geht es um die Rückübertragung der Pflege in die Verantwortung der Kommunen.

Nichts in diesem Handlungsfeld ist wirklich neu, wenn man ehrlich ist, so auch die Behauptung, dass nunmehr die Fragen kommunaler Infrastruktur angerissen worden sind. Diese Fragen werden natürlich schon seit Jahren verhandelt und viele Kommunen und auch Träger haben hier versucht, neue Akzente zu setzen, ob das nun „Bielefelder Modell“ oder wie auch immer genannt wird. Wenn man zuspitzen muss, dann zeigen sich drei zentrale Probleme in diesem Feld: Zum einen die erhebliche kommunale Varianz (also wir haben ganz aktive und innovative Kommunen und gleichzeitig natürlich auch solche, die sich durch einen Totstell-Reflex charakterisieren lassen), zweitens sind die zahlreichen versäulten sozialrechtlichen Regelungen und die daran hängenden unterschiedlichen institutionellen Interessen eine echte strukturelle Barriere für eine im positiven Sinne wirkenden Kommunalisierung und drittens geht es wie immer um das liebe Geld und da fristet die bisherige kommunale Altenhilfe ein Mauerblümchendasein. Gerade zu diesem letzten Aspekt wurde vor kurzem eine interessante Publikation des Diakonischen Werks vorgelegt, die sich explizit mit dieser unangenehmen Frage befasst:

Diakonie Deutschland: Finanzierung von Altenarbeit im Gemeinwesen (= Diakonie-Texte 04.2013), Berlin, 2013.

Zurück zu dem neuen Positionspapier. Anno Fricke schreibt hierzu in senem Kommentar „Steinbrück im Pflegestellen-Dilemma„, die »Vorschläge des Kuratoriums Deutsche Altershilfe und der Friedrich-Ebert-Stiftung (sehen) vor, über Prävention und Rehabilitation Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich hinauszuschieben oder ganz zu vermeiden. Zudem sollen die vorhandenen medizinischen, pflegerischen und sozialen ambulanten und stationären Versorgungseinrichtungen zu „integrierten medizinisch-pflegerischen Versorgungszentren“ weiterentwickelt werden. Das klingt gut. Nur: In der jüngeren Vergangenheit hat die Entwicklung einer wie immer gearteten integrierten Versorgung eher stagniert als Fortschritte gemacht. Auch die think tanks der Sozialdemokraten gehen mit ihrem richtigen Vorschlag den zweiten Schritt vor dem ersten.«

Das ist richtig, aber sie machen – so möchte man ergänzend anfügen – wenigstens überhaupt einen Schritt, während die derzeit regierenden Parteien durch eine – wenn überhaupt – nebulöse Inaussichtstellung einer besseren Welt natürlich nach der Wahl auffallen, selbst aber keine konkreten Vorschläge zur Abstimmung stellen. Vor dem Hintergrund der Ausführungen zum „Verliererthema“ Pflege aus Sicht wahlkämpfender Politiker verhalten sich die Regierungsparteien also durchaus „rational“ und die Kommentar-Überschrift „Steinbrück im Pflegestellen-Dilemma“ scheint dieses Verhalten auch noch zu bestätigen, denn kritisiert wird der, der konkrete Vorschläge gemacht hat, während die Wegducker und Abtaucher wieder einmal ungeschoren davon zu kommen scheinen. Das ist das eigentlich wirklich traurige an dieser Geschichte. Über alles andere könnte man diskutieren und streiten, beispielsweise über das neue Positonspapier, aber nicht über Nichts. Man kann nur hoffen, dass die Realitäts- und letztendlich Arbeitsverweigerung den Verantwortlichen auf die Füße fällt und dann richtig weh tut. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.