Und durch ist sie … Zum Umbau der Krankenkassenfinanzierung und den damit verbundenen Weichenstellungen

Manche sozialpolitischen Themen, die der Gesetzgeber derzeit behandelt, werden wochenlang durch die Medien rauf und runter dekliniert, man denke hier nur an das „Rentenpaket“ oder die Mindestlohngesetzgebung. Andere hingegen, die ebenfalls Millionen Menschen tangieren, rutschen irgendwie durch. Teilweise hängt das auch damit zusammen, dass die kurzfristigen Folgen des gesetzgeberischen Handelns positiv kommuniziert werden können („Die Beiträge zur Krankenversicherung werden für mindestens 20 Millionen Menschen sinken“), weil man die Änderungen in einem günstigen Umfeld platzieren konnte, aber keiner mehr genau auf die mittel- und langfristigen Auswirkungen durch die Weichenstellungen, die man heute vornimmt, schaut. Ein Lehrbuchbeispiel dafür ist der beschlossene Umbau der Finanzierung der Krankenkassen.

Bis zum Jahr 2008 gab es kassenindividuelle Beitragssätze, teilweise mit einer erheblichen Varianz zwischen den einzelnen Krankenkassen. Dann wurde von der damaligen Großen Koalition das System grundlegend verändert – 2009 wurde der „Gesundheitsfonds“ eingeführt, gewissermaßen der „dritte Weg“ im damaligen Lager-Streit zwischen einer „Bürgerversicherung“ und der „Gesundheitsprämie“ (zur Geschichte dieses Instruments und zur damaligen kontroversen Debatte vgl. z.B. die Beiträge von Klaus Jacobs, Wolfram F. Richter, Jürgen Wasem, Anke Walendzik, Frank Schulz-Nieswandt im Wirtschaftsdienst, Heft 10/2008).

Für alle Versicherten wurde ein bundeseinheitlicher Beitragssatz eingeführt. Die Einnahmen,  die darüber generiert werden, müssen von den Kassen in einem ersten Schritt an den „Gesundheitsfonds“ abgeführt werden. Das Bundesversicherungsamt, dass den Fonds verwaltet, verteilt dann die Einnahmen in Form einer Zuweisung wieder an die einzelnen Kassen auf der Basis eines morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (RSA). Der bundeseinheitlicher Beitragssatz von 15,5 % verteilt sich – anders als in der früheren Welt – nicht mehr paritätisch auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern die Arbeitnehmerseite muss einen höheren Beitragssatz zahlen (8,2 % statt 7,3 % auf der Arbeitgeberseite), da die Versicherten einen besonderen Beitragsanteil in Höhe von 0,9 Prozentpunkten alleine aufzubringen haben. Gesetzliche Krankenkassen, die mit den aus dem Gesundheitsfonds zugeteilten Mitteln ihre Ausgaben nicht refinanzieren können, müssen bislang einen einkommensunabhängigen Zusatzbeitrag von ihren Versicherten erheben (seit 2011 im Grunde nicht mehr nach oben begrenzt, aber mit einem Sozialausgleich, mit dem verhindert werden soll, dass der Zusatzbeitrag mehr als zwei Prozent des beitragspflichtigen Einkommens in Anspruch nimmt).

Doch die neue Große Koalition wird dieses System umstellen – mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG). Die wesentlichen Punkte die Finanzierung der Krankenkassen betreffend kann man so zusammenfassen:

»Der Gesetzentwurf sieht vor, den paritätisch finanzierten Beitragssatz auf 14,6% zu senken, während der Arbeitgeberanteil bei 7,3% bestehen bleibt. Einkommensunabhängige pauschale Zusatzbeiträge werden abgeschafft, stattdessen wird der Zusatzbeitrag in Zukunft als prozentualer Anteil von den beitragspflichtigen Einnahmen erhoben. Da so der Solidarausgleich bei den Zusatzbeiträgen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung organisiert wird, ist ein steuerfinanzierter Sozialausgleich nicht mehr erforderlich und Mehrbelastungen des Bundes entfallen. Prämien zahlen Krankenkassen ihren Versicherten nicht mehr aus, stattdessen entlasten sie sie über niedrigere Beiträge« (Reichert 2014).

Frohe Botschaften werden unter das Volk gebracht: Der bisher nur von den Versicherten gezahlte Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozent entfällt ebenso wie die pauschalen Zusatzbeiträge und der steuerfinanzierte Sozialausgleich. Vor diesem Hintergrund passt es dann offensichtlich auch, wie der zuständige Minister zitiert wird: »Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geht davon aus, dass mindestens 20 Millionen GKV-Mitglieder zumindest vorübergehend weniger zahlen.«   Aber man achte genau auf die Formulierung: Der Minister erwartet, dass ein Teil der Versicherten „zumindest vorübergehend“ weniger zahlen muss. Der Kern des Problems liegt im Wörtchen „vorübergehend“. Denn an die Stelle des bisherigen Sonderbeitrags (nur) der Versicherten und des ebenfalls nur von den Versicherten ggfs. aufzubringenden pauschalen Zusatzbeitrags wird es zukünftig die Möglichkeit für die Krankenkassen geben, (wieder) einkommensabhängige Zusatzbeiträge zu erheben – mithin wird also der bundeseinheitliche Beitragssatz nach oben hin geöffnet für eine erneute kassenindividuelle Beitragssatzdifferenzierung, denn die einen Krankenkassen werden – wenigstens für eine bestimmte Zeit – ohne einen solchen Zusatzbeitrag auskommen können, während andere Krankenkassen je nach finanzieller Situation einen solchen von ihren Versicherten erheben müssen.

Der sozialpolitische entscheidende, hoch problematische Punkt ist die Tatsache, dass der Zusatzbeitrag alleine von den Versicherten aufgebracht werden muss und dass der Arbeitgeber-Anteil von 7,3% auf Dauer eingefroren wird. Das aber bedeutet nichts anderes, als dass alle zukünftigen Kostenanstiege in der Gesetzlichen Krankenversicherung, wenn diese dann ihren Niederschlag finden in entsprechend steigenden Beitragssätzen zur GKV, ausschließlich von den Versicherten zu tragen sind.

Kritik an diesem Punkt kommt sogar aus den Reihen der Union, so seitens der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), wobei die gesetzliche Fixierung des Arbeitgeberbeitrags problematisiert wird: »Die Abschaffung der pauschalen Zusatzbeiträge ist richtig, hat aber eine gefährliche Nebenwirkung. Arbeitnehmer und Rentner tragen in Zukunft das Risiko der Kostensteigerungen im Gesundheitswesen alleine«, so wird Christian Bäumler von der CDA zitiert in dem Artikel CDU-Arbeitnehmer rütteln an Krankenkassen-Reform, wobei das Rütteln allerdings nichts verändert hat. Immerhin, so könnte man es formulieren, rütteln die wenigstens, während der sozialdemokratische Obergesundheitsexperte Karl Lauterbach in tiefster großkoalitionärer Demutshaltung auch noch das Ganze zu loben meint zu müssen, was irgendwie peinlich rüberkommt:  »Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erwiderte, mit den neuen Beitragssätzen würden zunächst einmal faktisch die Arbeitnehmer entlastet und nicht die Arbeitgeber«, so wird er zitiert. Er bemüht sich wirklich, irgendein positiv daherkommendes Argument vortragen zu können – und sei es noch so verbraucht und schlichtweg auch inhaltsleer. Beispielsweise dieses hier:

»SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach lobte das Gesetz, „weil es der endgültige Abschied von kleinen oder großen Kopfpauschalen ist“. Denn bisher können Kassen pauschale Zusatzbeiträge in festen Eurobeträgen nehmen.«

Klasse. Gleichsam ein virtuelles Problem. Denn: Wegen der guten Finanzlage der Kassen wurden gar keine pauschalen Zusatzbeiträge mehr erhoben.

Aber der Zeitpunkt für die Veränderung des Beitragssatzerhebungsmechanismus ist gut gewählt, denn (noch) sitzen die Kassen auf gewissen Reserven, die es ermöglichen werden, am Anfang bei vielen Kassen mit einem niedrigeren Beitragssatz als heute zu beginnen. Aber dann wird es in die andere Richtung gehen: »Gesundheitsökonom Jürgen Wasem hatte bereits vor Monaten den Zusatzbeitrag für 2017 im Schnitt auf 1,3 bis 1,5 Prozent vom Einkommen taxiert, das Bundesversicherungsamt auf 1,6 bis 1,7 Prozent.« Wohlgemerkt, nur für die Versicherten. Und es sollte bedacht werden, dass die ebenfalls vorgesehene Kürzung des Bundeszuschusses aus Steuermitteln an die GKV die Rücklagen des Gesundheitsfonds schnell abbauen und zur Folge haben wird, dass die geplanten einkommensabhängigen Zusatzbeiträge schnell ansteigen. Auch der Bundesrechnungshof sieht hier Probleme: »Noch schwimmt der Gesundheitsfonds im Geld. Doch der gekürzte Bundeszuschuss und weitere Belastungen lassen das Polster schmelzen. Sinken ab 2016 die Fonds-Zuweisungen an die Kassen, dann wären höhere Zusatzbeiträge unvermeidbar«, kann man dem Beitrag Rechnungshof warnt vor schrumpfendem Geldpolster entnehmen.

Fazit: Hinsichtlich der Finanzierung muss man feststellen, dass sich der Staat zum einen wieder zurückzieht, was den steuerfinanzierten Bundeszuschuss angeht, obgleich doch diese Mittel immer begründet wurden mit dem Ausgleich für gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die seitens der GKV geleistet werden, also mit „versicherungsfremden“ Leistungen. Dies zeigt einmal erneut, wie (un)sicher Finanzierungszusagen seitens des Staates sind bzw. sein können. Zum anderen wird der gesamte zukünftige Kostenanstieg strukturell auf den Schultern der Versicherten abgelegt, die sich damit dann herumschlagen müssen, wodurch die Arbeitgeberseite in Milliarden-Höhe entlastet wird.

Was aber ganz besonders frustrierend ist: Wieder einmal werden die wirklich relevanten, strukturellen Fragen der Gesetzlichen Krankenversicherung auf die lange Bank geschoben: Nichts, aber auch gar nichts hört man zu der Systemfrage GKV und PKV, also dem dualen Krankenversicherungssystem in Deutschland mit all seinen strukturellen Problemen. Kein Wort zu der dringend notwendigen Erweiterung der Finanzierungsbasis der GKV. Und nur Stille hinsichtlich der zahlreichen Schnittstellen zwischen der GKV und der Pflegeversicherung, die dringend einer systematischen Neuordnung bedürfen.

Eine Art Arbeitsverweigerung der Großen Koalition. Auch hier werden wertvolle Jahre verschenkt, in denen man hätte was tun können. Das wird man später sicher feststellen. Hinterher.

Irgendwie zurück in die Vergangenheit und das auf Kosten der Versicherten? Zur Reform der Finanzierung der Krankenkassen

Und schon wieder muss man sich ein neues Gesetzeskürzel merken: „GKV-FQWG“, so heißt die neueste Begriffskreation aus dem Bundesgesundheitsministerium. Oder in epischer Langform: „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG)“. Den Entwurf zu diesem Gesetz hat der Bundesgesundheitsminister Größe (CDU) zumindest schon mal durch das Bundeskabinett gebracht, jetzt geht das dann seinen weiteren parlamentarischen Gang. Eines der Kernelemente des vorliegenden Gesetzentwurfs ist die Neuregelung der Art und Weise der Finanzierung der einzelnen Krankenkassen, die man so ausdrücken kann: Irgendwie zurück in die Vergangenheit und das auf Kosten der Versicherten.

Mit Vergangenheit sind die Jahre bis 2009 gemeint, denn bis dahin gab es kassenindividuelle Beitragssätze für die Versicherten, mithin also teurere und billigere Kassen. Dann kam es zu einer fundamentalen Veränderung des Finanzierungssystems mit der Einführung des Gesundheitsfonds, denn damit verbunden war die Installierung eines über alle Kassen einheitlichen Bundesbeitragsatzes in Höhe von 15,5% des beitragspflichtigen Einkommens. Die Einnahmen auf der Basis dieses Beitragssatzes fließen in den Fonds, aus dem wiederum dann die Mittel weiterverteilt werden auf die einzelnen Kassen. Krankenkassen, die ihren Finanzbedarf nicht durch Beiträge aus dem Gesundheitsfonds decken können, müssen seit 2009 einen Zusatzbeitrag erheben. 2011wurde die Begrenzung der Höhe dieser Beiträge aufgehoben. Auf der anderen Seite können Krankenkassen, so sie denn dazu in der Lage sind, Überschüsse in Form von Prämien an ihre Mitglieder ausschütten.
Damit soll jetzt Schluss sein, mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf kehrt man wieder zurück zu einem System der kassenindividuellen Beitragssätze.Und wenn man einen ersten flüchtigen Blick auf die neue Krankenkassenfinanzierung, die am 1. Januar 2015 das Licht der Welt erblicken soll, wirft, dann scheinen die Versicherten die großen Gewinner zu sein. Denn immerhin, so ist dem Entwurf des Gesetzes zu entnehmen, sinkt der Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung von bislang 15,5% auf nur noch 14,6% und der Arbeitnehmer-Anteil soll von derzeit mindestens 8,2% auf 7,3% reduziert werden. Also müsste das ein Tag der Freude sein für die Versicherten.

Aber schauen wir genauer hin. In der Abbildung sind die wichtigsten Elemente der bestehenden und der nunmehr geplanten neuen Finanzierung der Krankenkassen skizziert.

Nina von Hardenberg schreibt in ihrem Artikel „Übersichtlicher – und manchmal teurer„:
»Ein Teil der 52 Millionen Kassenmitglieder muss Anfang 2015 wahrscheinlich tatsächlich etwas weniger für die Krankenversicherung ausgeben. Laut Gesetzesentwurf soll der Pflicht-Beitragssatz der Krankenkassen zum 1. Januar 2015 von derzeit 15,5 auf 14,6 Prozent sinken. Damit wird nach Einschätzung des Ministers allerdings keine Kasse auskommen. Die Kassen dürfen dann den Beitragssatz individuell wieder etwas nach oben schrauben. Manche Kassen werden aber weniger benötigen als die zuletzt pauschal gültigen 15,5 Prozent. Ihre Versicherten würden also Geld sparen.« Hingegen werden andere Kassen mit den 14,6% nicht auskommen und einen höheren Beitragssatz von den Versicherten verlangen.

Was für die eine oder andere Krankenkasse eine erhebliche Vereinfachung und Erleichterung der Erhebung von Zusatzbeiträgen im Vergleich zur heutigen Situation darstellt, kann und wird sich für zahlreiche Versicherte als ein Bumerang-Effekt erweisen:

  • Im bisherigen System können die Krankenkassen, wenn sie mit den zur Verfügung gestellten Finanzmittel nicht auskommen, zwar einen Zusatzbeitrag von ihren Versicherten erheben, dieser ist allerdings ausgestaltet als ein pauschaler, einheitlicher Fixbeitrag für alle Versicherten, hinzu kommt ein so genannter „Sozialausgleich“ im Sinne einer Schutzklausel vor Überforderung von niedrigen Einkommen durch den Zusatzbeitrag. Die Erhebung des Zusatzbeitrags, der ja von den Versicherten alleine getragen werden muss, ist mit erheblichen administrativen Aufwendungen verbunden.
  • Die neue Finanzierungssystematik beinhaltet neben dem allgemeinen Beitragssatz ebenfalls die Option, einen Zusatzbeitrag erheben zu können, wenn die Finanzmittel aus dem Gesundheitsfonds für die jeweilige Kasse nicht ausreichend sein sollten. Allerdings – und das ist der entscheidende Unterschied zum bisherigen System – verlässt der Gesetzgeber die bisherige Systematik eines pauschalen, einheitlichen Fixbetrags für alle Versicherten der Kasse, stattdessen führt man (wieder) einen prozentualen Zusatzbeitrag gemessen am jeweiligen Einkommens ein. Auf den ersten Blick scheint das sozialpolitisch eine sinnvolle Sache zu sein, denn durch die prozentuale, also anteilige Ausgestaltung des Zusatzbeitrags werden natürlich höhere Einkommen stärker herangezogen als kleine oder mittlere Einkommen. Mit diesem Argument werden sicherlich Vertreter der SPD zu punkten versuchen. Die Kassen selbst werden von diesem Punkt der Finanzierungsreform äußerst angetan sein, denn anders als beim bisherigen Zusatzbeitrag erledigt die Einziehung des neuen Zusatzbeitrags der Arbeitgeber durch die entsprechende Abführung vom Gehalt seines Mitarbeiters. Hier besteht insgeheim sicher die Hoffnung, dass durch diesen „en passant“ erfolgenden Abzug direkt beim Arbeitgeber der einzelne Versicherte weniger motiviert sein wird, seine bisherige Krankenkasse zu verlassen und zu einer billigeren Kasse zu wechseln.
  • Allerdings muss man in aller Deutlichkeit sehen, dass mit dem neuen System der gesamte zukünftige Finanzierungsbedarf der Krankenkassen einseitig auf die Schultern der versicherten Arbeitnehmer verlagert wird, den der Anhebungsspielraum der Kassen für den prozentualen Zusatzbeitrag ist nicht mehr begrenzt und gleichzeitig fällt der im bestehenden System vorhandene Sozialausgleich, nachdem es eine Belastungsdeckelung bei den Versicherten gibt, vollständig weg.

Florian Diekmann hat seinen Artikel über den Gesetzentwurf überschrieben mit „Auf Kosten der Versicherten„. Die Umsetzung der einseitigen Verschiebung zukünftiger Beitragsbelastungen auf die Arbeitnehmer in der GKV ist eine Umsetzung dessen, was in dem Koalitionsvertrag zwischen SPD und den Unionsparteien vereinbart worden ist – aber bereits daran hatte es aus den Reihen der Sozialdemokratie Kritik gegeben (vgl. hierzu beispielsweise den Artikel „SPD will Arbeitgeber stärker zur Kasse bitten“ aus dem Februar dieses Jahres, wobei es besser geheißen hätte, Teile der SPD wollen das). Die Abschaffung des alten pauschalen Zusatzbeitrags wird aus Sicht der Kritiker mit einer neuen Ungerechtigkeit erkauft.

Aber damit nicht genug, denn Diekmann weist auf einen weiteren Tatbestand hin, der sich übrigens einbettet in die auch in der Rentenversicherung beobachtbare Indienstnahme des Beitragszahlers zur Entlastung des Bundeshaushalts: »Denn zusätzlich stößt sich auch noch der Staat im großen Stil auf Kosten der Versicherten gesund: Deutlich mehr als zehn Milliarden Euro wollen Gröhe und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bis zum Jahr 2018 im Vergleich zur aktuellen Gesetzeslage beim Gesundheitssystem einsparen.« Also bei den Steuergeldern, die ansonsten eigentlich in die GKV hätten fließen sollen, muss man hier anfügen.
Und das geht so:

»Eigentlich ist per Gesetz festgelegt, dass der Bund 14 Milliarden Euro pro Jahr in den Gesundheitsfonds zahlt – als ohnehin nur teilweisen Ausgleich für versicherungsfremde Leistungen wie die Familien-Mitversicherung. Doch bereits im vergangenen Jahr überwies Schäuble lediglich 11,5 Milliarden Euro, auch für 2015 ist dieser Betrag vorgesehen. In diesem Jahr werden es mit 10,5 Milliarden Euro gar noch weniger sein. Insgesamt entsteht so ein 8,5-Milliarden-Euro-Loch im Gesundheitsfonds.«

Für eine gewisse Übergangszeit wird dieses Loch aus den derzeit gut gefüllten Schatullen des Gesundheitsfonds und damit aus Beitragsmitteln gegenfinanziert werden können. Aber die allgemeine Kostenentwicklung und der Entzug der Steuermilliarden werden alsbald den Druck im Kessel ansteigen lassen. Und die dann auszustellende Rechnung wird der Versicherte alleine zu stemmen haben. Die Arbeitgeber sind auf Dauer abgekoppelt von den Beitragssatzsteigerungen. Bundesgesundheitsminister Größe verteidigt die Entscheidung, dass der Beitragssatz der Arbeitgeber eingefroren bleibt. „Höhere Beiträge würden die Wirtschaft belasten und damit Arbeitsplätze gefährden“, so wird er zitiert. Da sind sie wieder, die berüchtigten „Lohnnebenkosten“.