Brandstifter unterwegs. Osteuropäische Saisonarbeiter in der Druckerpresse der Stimmungsmache kurz vor den Europawahlen. Und die Zahlen werden gebogen, bis sie passen

„Feuergefährlich ist viel, aber nicht alles, was feuert, ist Schicksal, Unabwendbares.“
Max Frisch, Biedermann und die Brandstifter

Dass die BILD-Zeitung mit harten Bandagen kämpft, ist hinlänglich bekannt. Aber die Salve, die man nun abgefeuert hat und das nicht zufällig kurz vor den anstehenden Europawahlen, verbreitet schon eine brandgefährliche Substanz: So kassieren EU-Ausländer bei uns ab! – und damit gleich eine (scheinbar) konkrete Summe hängen bleibt: „Jährlich 3 Milliarden Euro für Kindergeld und Hartz IV“.

Und dann nimmt man sich die polnischen Saisonarbeiter vor: Kindergeld-Stopp für Saisonarbeiter!, fordern Politiker, weiß die BILD-Zeitung. Und weiter: »Immer mehr EU-Ausländer bekommen Stütze aus Deutschland für ihre in der Heimat lebenden Kinder«. Und dann wird der Leser mit der nächsten Milliardenzahl konfrontiert: »Saisonarbeiter aus dem EU-Ausland bekommen bis zum Jahresende rund eine Milliarde Euro Kindergeld aus Deutschland für ihre in der Heimat lebenden Kinder.« Man beziehe sich dabei auf Angaben der FAZ, in deren Online-Ausgabe am 11.05.2014 ein Artikel von Sven Astheimer erschienen ist mit der ebenfalls knackig daherkommenden Überschrift Kindergeld für EU-Ausländer kostet Milliarden

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Was soll bzw. kann (nicht) durchgesetzt werden mit der „Durchsetzungsrichtlinie“? Die EU, das Lohngefälle und die Arbeitnehmerrechte

Bekanntlich dauern viele Prozesse und vor allem Entscheidungen auf der europäischen Ebene sehr lange. Zahlreiche Akteure müssen beteiligt werden, immer wieder ungeklärt sind teilweise die Zuständigkeiten bzw. die Mitbestimmungsmöglichkeiten der einzelnen Institutionen im europäischen Gefüge. Und allein schon die Koordination von so vielen Ländern, die Mitglied in der EU sind, stellt mehr als ein mathematisches Problem dar. Besonders schwierig wird es, wenn die Interessen der einzelnen Länder stark voneinander abweichen und es dann auch noch um Arbeitnehmerrechte gehen soll. Dann können sich die damit verbundenen Prozesse wie ein überaus hartnäckiges, an den Schuhsohlen klebendes Kaugummi erweisen. Deutlich machen kann man diesen Tatbestand am Beispiel der so genannten „Entsenderichtlinie“. Eigentlich eine gut gemeinte Sache. Es geht ganz korrekt um die „Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern“. Dazu muss man wissen, dass die Entsenderichtlinie ursprünglich geschaffen worden war, um ins Ausland „entsandte Arbeiter“ vor einer Verschlechterung zu schützen. Und nun verhandeln EU-Kommission, EU-Ministerrat und Europaparlament seit geraumer Zeit über eine so genannte „Durchsetzungsrichtlinie“, mit der – auch hier wieder steht am Anfang eine gute Absicht – auf die massive Kritik an Wirksamkeitsproblemen der Entsenderichtlinie reagiert werden soll.

Zur Bewertung dessen, was derzeit diskutiert wird, muss an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass es am Anfang darum ging, die besser geschützten bzw. abgesicherten Arbeitnehmer bei einer Tätigkeit im europäischen Ausland davor zu bewahren, schlechteren Bedingungen ausgesetzt zu werden. So konnten beispielsweise Franzosen damit im EU-Ausland arbeiten, ohne die großzügige französische Sozialversicherung zu verlieren. Bekanntlich ändern sich die Zeiten – und gerade die Franzosen müssen das seit einiger Zeit schmerzhaft erleben, wie das Stefan Brändle in seinem Artikel „Feldzug gegen Billigarbeit“ am Beispiel der Zahl der „Lowcost-Arbeiter“ aus anderen Ländern in Frankreich beschrieben hat. Baufirmen oder Großbauern in Frankreich haben im vergangenen Jahr etwa 350.000 Arbeiter vorwiegend aus Osteuropa geholt, wie Schätzungen der französischen Arbeitsverwaltung besagen. Osteuropäer werden angeheuert, kosten sie im Durchschnitt doch dreimal weniger – statt rund 20 bloß etwa sechs bis sieben Euro pro Stunde, Sozialabgaben eingerechnet. Wie es zu solchen Kostenunterschieden kommen kann? Brändle dazu:

»Ein Rumäne kostet seinen französischen Arbeitgeber deshalb deutlich weniger, weil die Sozialabgaben in seinem Land viel niedriger sind als in Frankreich. Er hat zwar laut Direktive Anspruch auf den im Land oder der Branche gültigen Mindestlohn. Den erhält er aber nur auf dem Papier: Meist werden davon diverse Ausgaben für Kost und Logis abgezogen – selbst wenn er auf dem Zeltplatz oder im Hühnerstall übernachtet.«

Europaweit soll eine Million Arbeiter aufgrund der EU-Richtlinie in Partnerstaaten „entsandt“ sein. Frankreich stellt damit ein Drittel dieser „Lowcost-Arbeiter“. In Deutschland sollen es laut Bundesregierung 180.000 sein – wahrscheinlich sind es aber viel mehr, denn die als Scheinselbständige hierher geschickten Wanderarbeiter werden nicht mitgezählt, da sie als „Selbständige“ offiziell nicht unter die Entsenderichtlinie fallen.

Eigentlich, so könnte man es formulieren, ist aber doch die Rettung bereits unterwegs, denn seit längerem wird im Angesicht der kritischen Befunde über die entsenden Richtlinie über eine Weiterentwicklung derselben diskutiert und die EU-Kommission hat bereits vor längerem einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Allerdings wurde bereits Anfang des vergangenen Jahres heftige Kritik an den Plänen der Kommission geübt: »Eine überarbeitete Fassung soll Abhilfe schaffen, doch das Gegenteil ist der Fall«, so Ruth Reichstein in ihrem Beitrag „Arbeitnehmerschutz ist zweitrangig„. Auf Druck der Gewerkschaften hatte die EU-Kommission 2012 eine neue Richtlinie vorgelegt – angeblich um die bestehende Gesetzgebung im Sinne der Arbeitnehmer zu verbessern. Und bereits damals wurden Gewerkschafter zitiert mit einer vernichtenden Kritik an der angeblich guten Absicht des Entwurfs, denn: „Die EU-Kommission schränkt die Kontrollmöglichkeiten der Behörden stark ein.“

Diese Diskussion wird aktuell wieder belebt, da derzeit die Verhandlungen über die so genannte „Durchsetzungsrichtlinie“ in den letzten Zügen liegen. Und an der Kritik hat sich nichts geändert, ganz im Gegenteil droht eine Verschlechterung der bestehenden Situation. Darauf weist Stefan Kaiser in seinem Beitrag „Wie Sklaven gehalten“ hin.  Deutlich machen kann man das an zwei Punkten, um die sich der aktuelle Streit dreht:

  • »So sehe der EU-Entwurf zwar eine „Generalunternehmerhaftung“ vor: Das federführende Unternehmen soll dafür verantwortlich sein, dass auch in beauftragten Betrieben die geltenden Mindeststandards und Schutzbestimmungen eingehalten werden. Allerdings soll diese Haftung auf die Ebene unmittelbar beauftragter Firmen beschränkt bleiben. Für nachgelagerte Subunternehmen, die meist auf Werkvertragsbasis Hungerlöhne zahlen, wäre der Generalunternehmer dann nicht mehr verantwortlich.« So fordert der DGB eine verbindliche Generalunternehmerhaftung für die gesamte Kette von Subunternehmen, wie sie in Deutschland zum Beispiel im Baugewerbe bereits existiert. Zu dieser an und für sich richtigen Forderung der Gewerkschaften sei allerdings kritisch angemerkt: Auch im Baugewerbe in Deutschland gibt es erhebliche Probleme im Bereich der Entsende-Arbeiter. Dazu ein Beispiel von Mihai Balan von der Frankfurter Anlaufstelle für Wanderarbeiter „Faire Mobilität“ in dem Artikel „Schutzlosere Wanderarbeiter“ von Eva Völpel: „Irgendwo in Osteuropa werden über eine Briefkastenfirma Arbeitnehmer zum Arbeiten nach Deutschland geschickt. Hier werden sie über Subunternehmer beispielsweise auf dem Bau beschäftigt. Auf dem Papier bekommen sie den Bau-Mindestlohn von mindestens 13,55 Euro. Aber es werden pauschal nur Gehälter von 1.000 oder 1.500 Euro ausbezahlt, die Leute arbeiten jedoch mehr Stunden. So werden Mindestlöhne unterlaufen.“
  • Aber selbst eine – wenn auch amputierte „Generalunternehmerhaftung“ würde vollends zur Makulatur werden, »sollte das Herkunftslandprinzip eingeführt werden, das einige osteuropäische Länder fordern. Damit erhielten Beschäftigte, die zum Beispiel von einer bulgarischen Firma nach Deutschland entsandt werden, auch bulgarische Löhne. So entstünde eine für deutsche Unternehmen unschlagbare Billiglohnkonkurrenz. Kein Wunder, dass nicht nur Gewerkschaften, sondern auch Verbände des Handwerks, der Bauindustrie und des Baugewerbes gegen die Herkunftslandregelung Sturm laufen.«

Was wäre – eigentlich – zu tun?

Dazu habe ich bereits am 12.12.2013 in einem Blog-Beitrag auf der Facebook-Seite von „Aktuelle Sozialpolitik“ ausgeführt:

»Eine … „richtige“ Lösung wäre die konsequente Umsetzung des Ziellandprinzips, also alle entsandten Arbeitnehmer bekommen die Mindeststandards des Ziellandes. Und man würde nicht darum herumkommen, nicht nur die Zahlung der Mindestlöhne, so es sie denn gibt, zu verlangen, sondern auch die erhebliche Kluft zwischen den Sozialabgaben setzt zahlreiche Dumping-Anreize, die man schließen müsste.«

Durchaus hoch relevant vor dem Hintergrund der nunmehr anlaufenden Debatte über die Einführung eines allgemeinen, flächendeckenden Mindestlohns auch in Deutschland und der damit verbundenen Hoffnungen, den Lohndruck zu mildern, ist der Hinweis in dem zitierten Passus, dass nicht nur die Mindeststandards des Ziellandes für die Entsende-Arbeitnehmer gelten müssen, sondern dass die erhebliche Kluft zwischen den Sozialabgaben beispielsweise in Deutschland oder Frankreich und den osteuropäischen Entsende-Ländern beseitigt werden muss, ansonsten ist das Kostengefälle zwischen einem zu einheimischen Bedingungen zu bezahlenden Arbeitnehmer und den „Lowcost-Arbeitern“ aus den Billiglohnländern der EU weiterhin viel zu groß.

Aber auch dann dann bliebe noch genug zu tun, beispielsweise im Bereich der Kontrollen und einer möglichst abschreckenden Sanktionierung von Verstößen gegen die Bestimmungen.

Im vorliegenden Fall der „Durchsetzungsrichtlinie“ wäre sogar ein Scheitern der Verhandlungen nicht die schlechteste „Lösung“, vor dem Hintergrund, dass im Mai dieses Jahres ein neues Europaparlament gewählt wird und dann die Verhandlungen erneut von vorne beginnen müssten.

Wenn die Kraft der Zahlen die Rumänen und Bulgaren trifft, nicht aber die Polen. Und auch nicht die vielen anderen. Also die Deutschen. Und was übrig bleibt, wenn man genauer hinschaut

Zahlen in der sozialpolitischen Diskussion sind wichtig und haben ihre Bedeutung. Und immer wieder kann es erhellend sein, die Herkunft eines Wortes nachzuvollziehen. „Bedeutung“ hat ihre Quelle im mittelhochdeutschen „bediutunge“ = Auslegung. Man muss die Zahlen immer auch auslegen (können respektive wollen). Illustrieren lässt sich das gleichsam lehrbuchhaft an der aktuellen Debatte über die (angebliche) Zuwanderungswelle von Rumänen und Bulgaren in die deutschen Sozialsysteme. Seit dem denkwürdigen Spruch „Wer betrügt, der fliegt“ aus den bayerischen Landen gibt es in den Medien eine massive Gegenbewegung, mit der semantisch (durch die Etikettierung des Begriffs „Sozialtourismus“ als Unwort des Jahres 2013) wie auch mit ausdrücklichen Bezug auf die Datenlage versucht wird, den Apologeten eines Katastrophenszenarios Einhalt zu gebieten. Darunter sind nicht nur Vertreter, die überhaupt kein Problem sehen, sondern auch diejenigen einer differenzierten Position, die sehr wohl die lokalen Überforderungen anerkennen, die gesamtstaatliche Dimension aber nicht aus dem Auge verlieren bis hin zu denjenigen, die auf das grundsätzliche Dilemma aufgrund des enormen Wohlstandsgefälles innerhalb der EU und den daraus resultierenden (möglichen) Wanderungsmotiven hinweisen.

Und erneut werden wir Zeuge einer Indienstnahme der für viele Menschen immer noch sehr beeindruckenden Argumentation mit Hilfe von Zahlen, um das Augenmerk auf ein „Problem“ zu lenken oder dieses darüber zu konstruieren. So platzierte beispielsweise die FAZ vor wenigen Tagen diesen Artikel: „Hartz IV: Mehr Geld für selbständige Rumänen und Bulgaren“ und kurz darauf diesen hier: „Hartz IV: Rumänen und Bulgaren stocken häufig auf„.

Sven Astheimer berichtet in seinem Artikel „Mehr Geld für selbständige Rumänen und Bulgaren“ im ersten Absatz mit einem gut verpackten besorgten Unterton: »Die Zahl der selbstständigen Rumänen und Bulgaren, die ergänzend Hartz IV empfangen, hat sich binnen zwei Jahren verdoppelt. Doch die Bundesagentur für Arbeit sieht kaum Anzeichen für eine Armutszuwanderung.« Viele eilige Leser werden möglicherweise an der Überschrift und der ersten kompakten Aussage hängen geblieben und dann weitergezogen sein. Im Ohr ist das mit der Verdoppelung der Hartz IV-empfangenden Rumänen und Bulgaren. Wenn das kein Beleg ist für … ja, für was eigentlich? Welche „Bedeutung“ hat diese Information? Aber diese entscheidende Frage muss noch gar nicht aufgerufen und bearbeitet werden, schauen wir zuerst einmal auf die „nackten“ Zahlen, die uns in dem Artikel präsentiert werden:

»Die Zahl der Rumänen und Bulgaren, die hierzulande als Selbständige so wenig verdienen, dass sie ergänzend Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beziehen, hat sich innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelt. Gab es im Juni 2011 noch 861 Selbständige aus diesen beiden Ländern, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft bestreiten konnten, waren es im Sommer 2013 schon 2.037.«

Also quantitativ können wir den Angaben, die aus einer Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit (BA) stammen, entnehmen: Innerhalb von zwei Jahren ist die Zahl von 861 auf „schon“ 2.037 angestiegen. Wahnsinn. Vor allem wenn man berücksichtigt, dass wir über 40 Millionen erwerbstätige Menschen haben und auch die Gruppe der Selbständigen im engeren Sinne (vgl. hierzu z.B. den Beitrag von Kritsch/Kritikos/Rusakova: Selbständigkeit in Deutschland: Der Trend zeigt seit langem nach oben, in: DIW Wochenbericht Nr. 4/2012) wesentlich umfangreicher daherkommt: So hat sich die »Zahl der Selbständigen zwischen dem Jahr 1991 und dem Jahr 2009 um 40 Prozent, von etwas über 3 Millionen auf gut 4,2 Millionen, erhöht.«

Also auch eine verdoppelte Zahl an Rumänen und Bulgaren, die deutsche Sozialleistungen in Form des aufstockenden Hartz IV“-Bezugs bekommen, ist mit 2.037 Personen im Ozean der Selbständigen insgesamt in Deutschland noch nicht einmal als embryonal zu kennzeichnen. Aber da wird jetzt ein Riesen-Heckmeck gemacht.

Interessant ist die folgende Formulierung von Sven Astheimer in seinem Artikel:

»Hintergrund der Missbrauchsdebatte ist, dass Rumänen und Bulgaren seit dem 1. Januar die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union genießen. Einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben sie aber frühestens, nachdem sie schon einmal eine Arbeit in Deutschland ausgeübt haben. Eine Ausnahme gilt jedoch für Selbständige, die vom ersten Tag an Anspruch auf aufstockende Leistungen haben. Dazu reicht der Besitz eines Gewerbescheins. Laut Bundesagentur für Arbeit muss der Antragsteller lediglich seine Bedürftigkeit anzeigen. Eine inhaltliche Prüfung findet nicht mehr statt.«

Es geht jetzt keinesfalls um eine seminaristisch angelegte Textkritik, aber eingeleitet wird der Textabschnitt mit dem Hinweis auf eine „Missbrauchsdebatte“, beschrieben wird dann aber eine mögliche Folgeproblematik der deutschen Regelungslage, die eben den aufstockenden Bezug von Grundsicherungsleistungen zulässt, wenn das selbständige Einkommen unter dem Regelbedarf liegt. Das kann  man so machen, aber man ist keineswegs – um das hier in aller Deutlichkeit sagen – verpflichtet, die derzeit bestehende sehr weitreichende Regelung zu wählen. Natürlich könnte man bei der Prüfung der Voraussetzungen des Leistungsbezugs auch restriktivere Regelungen einbauen. Insofern könnte man an dieser Stelle wenn überhaupt von einem „Bürokratieversagen“ sprechen.

Aus dem diese Tage der Öffentlichkeit vorgestellten „Migrationsbericht 2012“ kann man entnehmen, dass beispielsweise im Jahr 2012 die größte Gruppe an Zuwanderern aus Polen stammt. Nur spricht jemand über diese Zuwanderer? Ist das beschriebene Verhalten – also bei selbständiger Tätigkeit aufstockende Leistungen in Anspruch zu nehmen – bei einem polnischen Fliesenleger ein geringeres Problem als bei einem rumänischen?

Wenn man von einem „Problem“ sprechen will, dann ist es ein Problem der Ausgestaltung der deutschen Regelungen im Grundsicherungssystem. Letztendlich wird das Opfer zum Täter gemacht: Die hierher kommenden Menschen aus Rumänien oder Bulgarien (oder einem anderen Land) haben (zumindest für eine gewisse Zeit) keinen Zugang zum Grundsicherungssystem, außer sie sind im Arbeitsmarkt „integriert“ beispielsweise durch eine selbständige Tätigkeit. Man könnte das, wenn man will, als ein „Schlupfloch“ bezeichnen, wohlgemerkt ein legales. Wenn dann die Menschen dieses Schlupfloch nutzen, dann wirft man ihnen „Missbrauch“ vor. Das folgt offensichtlich einer eigenen Logik.

Allerdings muss man klar sagen: Auch wenn man jetzt an der Regelungen im SGB II herumfummeln würde, um das restriktiver auszugestalten, dann kann man das natürlich nicht nur für Rumänen oder Bulgaren machen, für die anderen – also die Mehrzahl der Empfänger – aber nicht. Eine solche nach Nationalität oder gar Ethnien selektierende Sozialpolitik hat definitiv keinen Platz in unserer Gesellschaft und das ist auch gut so.

Fazit: Nachdem anfangs die „Hartz IV-Karte“ gegenüber den angeblich massenhaft wegen dieser Leistung einwandernden Rumänen und Bulgaren gespielt wurde, um Bedrohungs- und Futterneidängste in der einheimischen Bevölkerung zu wecken, mussten die Apologeten dieses Kurses feststellen, dass die allen zugänglichen Daten eben keine überdurchschnittliche Inanspruchnahme von Hartz IV bei den Zuwanderern aus den beiden genannten Ländern aufzeigen können und wollen. Also weicht man aus auf die „Aufstocker“-Thematik bei den Selbständigen, wohl wissend, dass das bis zum 1. Januar 2014 die einzige legale Möglichkeit war, die geforderte „Arbeitsmarkt-Integration“ nachzuweisen. Und dann diskutiert man über einen Anstieg auf 2.037 Fälle. Im Deutschland der Millionen. Es ist immer wieder gut, sich die Relation von Zahlen klar zu machen. Und ihre Bedeutung.