„Irre Beschäftigungseffekte“, „wirklich tolles Land“: Wenn Ökonomen sich überschlagen, lohnt ein Blick auf die Zahlen

Die deutsche Arbeitsmarktentwicklung in den vergangenen Jahren war von oben betrachtet sehr positiv. „Die“ Beschäftigung wächst und wächst. Es gibt offensichtlich immer mehr „Arbeitsplätze“ und zur Beweisführung wird dann darauf verwiesen, dass wir immer mehr „Beschäftigte“ haben. In der Wirtschaftspresse kann man dann solche Jubelmeldungen lesen: »43 Millionen. Diese Zahl jagte Ende November durchs Land – ­exakt 43,006 Millionen Erwerbstätige, 408.000 mehr als im Jahr zuvor. So viele Menschen hatten noch nie einen Job. Auch die Arbeitslosigkeit fiel: auf 2,7 Millionen.« Dieses Zitat wurden dem Artikel Bofinger wundert sich über „irren“ Jobmarkt von Georg Fahrion entnommen. »Kaum Wachstum – trotzdem brummt der Arbeitsmarkt. Das ist selbst für einen Ökonomen wie Peter Bofinger nur schwer erklärbar«, so der Autor des Artikels. Und Peter Bofinger ist doch einer bzw. der einzige eher kritische Ökonom in dem Gremium, das umgangssprachlich als die „fünf Wirtschaftsweisen“ bezeichnet wird. Und um ganz sicher zu gehen, dass die frohe Botschaft vor dem anstehenden Fest auch ankommt, wird noch eine Schippe raufgelegt: Auch Bert Rürup, ehemaliger Kopf der Wirtschaftsweisen, ist voll des Lobes über Deutschland: „Seit einigen Jahren ist Deutschland ein wirklich tolles Land.“ Und dann – wenn denn die Zitate richtig sind – überschlägt sich der ehemalige Superberater der Bundesregierung: „Wenn ich Papst wäre, wüsste ich, warum ich den Boden küsse, wenn ich nach Deutschland komme.“ Das sitzt. Also alles gut im „Jobwunderland“ Deutschland?

Es soll an dieser Stelle gar nicht erst die Frage gestellt werden, was dass denn für „Jobs“ sind, die da vor sich hin wachsen. Aber ein nüchterner Blick auf Begriffe wie „Arbeitsplätze“, „Beschäftigte“ usw. ist schon hilfreich, denn dann offenbart sich zumindest ein differenzierteres Bild.

Man muss wissen, dass „Erwerbstätige“ ein sehr weiter Oberbegriff ist. Darunter werden alle subsumiert – „normale“ Arbeitnehmer mit einem Vollzeitjob, Teilzeitbeschäftigte einschließlich der geringfügig Beschäftigten, aber auch alle Selbständige bis hin zu den mithelfenden Familienangehörigen. Es gibt eine weitere Kategorie in der Arbeitsmarktstatistik: beschäftigte Arbeitnehmer. Zu den Arbeitnehmern zählen alle abhängig Beschäftigten (Beamte, Arbeiter, An­ge­stell­te, ge­ring­fü­gig Tätige und Auszubildende). Schaut man sich deren Entwicklung an, dann spricht auch hier alles für ein quantitatives „Jobwunderland“ Deutschland. Man sieht das Wachstum der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren. 2013 waren es fast 38 Millionen Menschen, die mit diesem Status gezählt wurden und im nunmehr fast abgeschlossenen Jahr 2014 ist die Zahl weiter gestiegen. Allerdings gibt die folgende Abbildung auch einen ersten Hinweis auf die Notwendigkeit eines diffenzierenden Blicks, denn die Zahl der Vollzeitbeschäftigten hat deutlich abgenommen, während spiegelbildlich die Zahl der Teilzeitbeschäftigten erheblich angestiegen ist:

Man kann die hinter diesen Zahlen stehende Dynamik auch mit der üblichen Index-Darstellung sichtbar machen, in dem man also einen Blick darauf wirft, wie sich die einzelnen Komponenten seit 1991 entwickelt haben. Dann wird das Auseinanderlaufen – Vollzeit runter, Teilzeit rauf – klar sichtbar gemacht. Hinzu kommt ein weiterer, wichtiger Aspekt. Normalerweise werden immer Köpfe genannt, also 43 Mio. Erwerbstätige und viele denken dann, 43 Mio. Arbeitsplätze und bei Arbeitsplätzen denken dann viele an ganz bestimmte Arbeitsplätze, oftmals – ob bewusst oder unbewusst – an einen Arbeitsplatz mit Vollzeit und einem halbwegs „normalen“ Lohn. Die Abbildung verdeutlicht aber auch den Tatbestand, dass zwar die Zahl der Arbeitnehmer insgesamt angestiegen ist, zugleich aber das insgesamt von diesen geleistete Arbeitsvolumen gemessen in Arbeitsstunden zurückgegangen ist, was sich natürlich auf dem Teilzeiteffekt erklärt, in dem auch die große Zahl an ausschließlich geringfügig Beschäftigten, auch „Minijobber“ genannt, enthalten ist:

Und abschließend noch eine Abbildung, die hier nicht fehlen soll und auf die Notwendigkeit eines genaueren Blicks auf „die“ Beschäftigung und ihrer Entwicklung verweist: Nicht jeder Job wird von einem anderen Menschen besetzt und ausgeübt, es gibt auch Menschen, die nicht nur einen, sondern zwei oder drei Jobs ausüben bzw. – da wird es dann wirklich interessant hinsichtlich einer erforderliche Tiefenanalyse – ausüben müssen, weil sie sonst nicht über die Runden kommen:

Eigentlich erwartet man einen nüchternen Blick auf die Zahlen und die dahinterliegenden Entwicklungen und Ausformungen von Ökonomen, die sich nicht als Theologen („den Boden küssender Papst“) oder Psychiater („irrer Jobmarkt“) verstehen. Aber vielleicht sind sie ja auch nur falsch zitiert worden.

Fünf Sterne – oder weg bist du? Der „Bewertungskapitalismus“ als Chance und Bedrohung

In einem vor kurzem veröffentlichten Essay hat Christian Stöcker unter der Überschrift Der Fünf-Sterne-Kapitalismus mit einem interessanten, ambitionierten Begriff operiert: „Bewertungskapitalismus“. Was muss man sich darunter vorstellen? Dazu Stöcker: »In dem neuen Wirtschaftszweig, den man im Silicon Valley Share Economy getauft hat, geht es ohne Bewertungen gar nicht mehr. Unternehmen wie Airbnb, 9Flats oder Uber verkaufen keine Dienstleistungen mehr an Kunden, sondern vermitteln lediglich zwischen Anbieter und Abnehmer, so wie Ebay. Hier haben Bewertungen eine ganz neue Wucht … Nach dieser Logik werden alle, die mitmachen beim Bewertungskarussell, zu einer Art kollektiver Gewerbeaufsicht: Wenn wir alle der Meinung sind, dass leere Burgerpackungen im Fußraum eines Taxis nicht akzeptabel sind, dann können wir gemeinsam dafür sorgen, dass sie verschwinden. Wir müssen nur oft genug unseren Unmut kundtun. Die Dienstleistungen, die Uber, Airbnb und Co. vermitteln, müssten mit jeder bewerteten Transaktion immer besser und besser werden, ganz ohne staatliche Einmischung. Gegen uns alle als Kontrolleure sind die paar Beamten von den Aufsichtsbehörden ein Witz.«

Mit diesen Ausführungen deutet sich an, in welche spezielle Richtung die Plattform-Betreiber die Debatte zu lenken versuchen: Man will gewachsene und überhaupt staatliche Regulierung zurückdrängen und meint, diese substituieren zu können über ein auf der Seite der Nachfrager bzw. Konsumenten implementiertes System der Bewertungen, weil die doch viel besser wissen, was gut ist bzw. war und was nicht. Daraus lassen sich mindestens zwei Fragen ableiten: Zum einen die nach der Verlässlichkeit und der Sicherheit der Kontrollfunktion im Zuge der tatsächlich beobachtbaren Machtverschiebung zugunsten der (bewertenden) Kunden. Zum anderen, gleichsam als oftmals immer noch unterschätzte „dunkele Seite“ der neuen Welt des Bewertungskapitalismus, die Frage nach den Auswirkungen nicht nur auf die Anbieter generell, sondern vor allem auf deren Art und Weise, die Arbeit erledigen zu müssen, mithin also auch auf die Beschäftigungsbedingungen. Ein genuin sozialpolitisches Thema.

Der Blick auf die erste Frage kann an dieser Stelle nur sehr skizzenhaft erfolgen. Grundsätzlich, um mit den positiven Aspekten zu beginnen, muss man natürlich konzedieren, dass die heutige Welt der möglichen Kundenbewertungen der Konsumentenseite eine ganz neue Macht im Gefüge zwischen Angebot und Nachfrage eröffnet. Und viele Anbieter haben diese Macht auch schon schmerzhaft zu spüren bekommen. Wenn man sich anschaut, wie stark die Geschäfte bestimmter Anbieter mittlerweile abhängig geworden sind von den vorliegenden Bewertungen ihrer Produkte und Dienstleistungen, dann wird klar, dass es hier um existenzielle Angelegenheiten geht. Allerdings reagiert eine kapitalistische Ökonomie auf diese Machtverschiebung in den Angebots-Nachfrage-Beziehungen systemimmanent mit dem Versuch, diese Verschiebung, wenn sie denn schon nicht mehr zu vermeiden ist, zu „gestalten“. Man kann und muss davon sprechen, dass zwischenzeitlich eine ganze „Bewertungsindustrie“ entstanden ist, deren Geschäftsmodell darin besteht, den immer bewertungsabhängiger werdenden Unternehmen Bewertungen in die gewünschte Richtung zu generieren oder aber auch – als eine besonders maligne Ausformung – Konkurrenten negativ zu treffen. Zur überaus komplexen Thematik der „Bewertungsindustrie“ nur zwei Beispiele:

  • An der Fachhochschule Worms wurde am Beispiel der Hotel-Bewertungen eine empirische Studie über die Bedeutung sogenannter „Customer Review Sites“ durchgeführt. Alles ist käuflich, so zumindest eine der Aussagen der Studie, in dem die Autoren die Marktpreise zusammengestellt hat: » Weblog-Einträge kosten zwischen 5 und 500 Euro je nach Umfang und Qualität, Twitter-Follower sind zwischen 8 und 17 Cent je nach Anbieter und Leistungspaket zu haben, und Bewertungen kosten ca. 5 Euro (oder 5 Dollar) je nach anbietender Person.«
  • Stefan Krombach hat in seinem Artikel Gekaufte Bewertungen: Wie HRS seine iPhone-App promotet darüber berichtet, dass das Hotelbuchungsportal HRS Studenten für positive Rezensionen bezahlt, um im riesigen Angebot des App Stores mit guten Bewertungen herauszustechen. Konkret sollten die Studenten die HRS-iPhone-App testen und eine Rezension im App Store schreiben. Dafür wurden sie mit 3,20 Euro vergütet. HRS forderte, in der Rezension vor allem die positiven Aspekte hervorzuheben und auch eine entsprechende Bewertung abzugeben. Krombach hat in seinem Artikel auf einen der Anbieter dieser Dienstleistungen hingewiesen: “Beauftragen Sie qualifizierte Studenten online”. Mit diesem Satz wirbt das Studentenjob-Portal Mylittlejob.de auf seiner Startseite um Auftraggeber. Ergänzend könnte es wohl heißen: “Studenten bewerten Ihre App mit fünf Sternen!” Doch dieser Satz fehlt. »Bei der zu “testenden” App handelt es sich um die “Hotel Suche” des Buchungsportals HRS. HRS kauft sich also für 3,20 Euro eine Bewertung im App Store, bei der “vor allem die positiven Aspekte hervorgehoben werden” sollen.« Offensichtlich gibt es einen generellen Markt für diese Dienstleistungen: »Es gibt Marketing-Agenturen, die sich rein auf “ASO”, die “App Store Optimization” spezialisiert haben. Die gratizzz GmbH aus Mainz beispielsweise bietet 50 App-Bewertungen zum Preis von 290 Euro an und verspricht “die Pole-Position für Ihre App“«, so Krombach in seinem Beitrag.

Von grundsätzlicher, aber empirisch überaus schwer zu fassender Bedeutung ist die Frage nach der Korrektheit der Bewertungen – und das nicht nur für die Nutzer, die sich verlassen (wollen) auf die Bewertungen, sondern auch für die Anbieter, die teilweise in existenzielle Nöte gestoßen werden können, wenn beispielsweise zahlreiche falsche Bewertungen andere potenzielle Kunden vom Kauf abhalten. Die Datenlage ist naturgemäß unsicher. Zum Anteil gefälschter Bewertungen gibt es immer nur Schätzwerte. Die rangieren aber alle zwischen 20 und 30 Prozent. Beispielsweise hat das Bewertungsportal Yelp angegeben, dass es 20% bis 25% der abgegebenen Bewertungen als “suspicious,” einstuft. Entfernt werden diese Beiträge dann aber übrigens nicht. Häufig zitiert werden der Informatiker Bing Liu der Universität Illinois und der  Social-Media-Experte Krischan Kuberzig, die ebenfalls von 20 bis 30 Prozent ausgehen. Wie immer bei solchen Entwicklungen gibt es sogleich eine Gegenentwicklung: In den USA entwickeln mehrere Institute Detektoren für Opinion Spam, darunter beispielsweise die Cornell University in New York mit einem Angebot namens Review Skeptic).

Mit der Thematik hat sich auch das Deutschlandradio Kultur-Magazin „Breitband“ in der Sendung am 13.12.2014 aus unterschiedlichen Perspektiven beschäftigt: „Top-Verkäufer, netter Kontakt, gerne wieder“. Wie der Bewertungskapitalismus Handel und Konsum verändert. Die Sendung ist auch als  Audio-Datei verfügbar.

Aus einer sozialpolitischen Sicht besonders relevant und brisant ist die Frage, was dieser um sich greifende „Bewertungskapitalismus“ für die Beschäftigungsbedingungen der Menschen bedeutet. Beginnen wir auch diesen Teil mit einem positiv daherkommenden Aspekt: »Der bewertungsbasierte Kapitalismus sorgt nicht nur für höfliches Personal, saubere Autos und Hotelzimmer, er schafft auch ganz von selbst, crowdbasiert sozusagen, Qualitätsstandards. Was viele Kunden als gut genug bewerten, ist es auch.« So Christian Stöcker in seinem bereits zitierten Artikel Der Fünf-Sterne-Kapitalismus. Ganz unabhängig von der Frage, ob das bei komplexen Produkten oder Dienstleistungen überhaupt stimmt – in dem Zitat verbirgt sich  eine große Problematik für den Art und Weise der zu erledigenden Arbeit unter den Bedingungen des modernen Bewertungskapitalismus. Stöcker macht das am Anfang seines Artikels anhand einer anekdotischen Beschreibung aus der gar nicht so schönen neuen Bewertungswelt deutlich:

»Ein Kollege aus der Redaktion von SPIEGEL ONLINE hatte kürzlich ein für ihn unangenehmes Erlebnis im Taxi. Er hatte den Wagen per App bestellt. Als der Kollege sich angeschnallt hatte, begann der Fahrer, um Lob zu bitten. Ob man denn mit der Fahrt zufrieden sei, fragte der Mann, man werde ihm doch hoffentlich eine gute Beurteilung zuteil werden lassen. Das einzige, was der Kollege am Ende der Fahrt tatsächlich zu bemängeln hatte, war das fortgesetzte Betteln.«

Nicht ohne Grund sind wir wieder einmal bei Uber gelandet. Denn die haben tatsächlich ein einfaches und vielleicht gerade deshalb so wirkkräftiges „Feedback“-System aufgebaut, das einen enormen Druck ausübt auf die Fahrer dieses Unternehmens. Wie problematisch die Arbeitsbedingungen der Uber-Fahrer mittlerweile im Heimatland dieses Konzerns sind, kann man der Reportage Unter dem Mindestlohn – Fahrer protestieren gegen Uber von Wolfgang Stuflesser aus den USA entnehmen – dort wird darauf hingewiesen, dass die Fahrer vor allem das rigide Bewertungssystem der Fahrer durch die Kunden als ungerecht empfinden. Sie weisen darauf hin, dass vielen Kunden möglicherweise gar nicht bewusst ist, dass Fahrer vom Unternehmen aussortiert werden, wenn sie nicht im Schnitt auf fünf Sterne bei der Bewertung kommen. Auch Stöcker erwähnt das Uber-Beispiel hin: »Lob oder Tadel haben einen monetären Wert, sie können unmittelbare Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wohl und Wehe Einzelner haben. Ins Auto eines Fahrers, in dessen Profil zwei Sternchen stehen, wird kaum noch jemand einsteigen. Bei Uber dürfte er gar nicht mehr fahren. Das Magazin „Wired“ warnte vor einiger Zeit schon einmal, man müsse schon gute Gründe haben, einem Uber-Fahrer weniger als fünf Sternchen zu geben, denn dessen wirtschaftliche Existenz hänge von seiner Punktzahl ab.«

Aber es gibt noch ganz andere Bereiche, wo über die personenbezogene Bewertung der Arbeitsleistung nach dem Muster Daumen hoch oder runter gewirkt wird. Nehmen wir als Beispiel der Handwerker-Vermittlungsplattform MyHammer. Dort werden die anbietenden Handwerker ebenfalls bewertet von den Kunden – und das übt einen gewaltigen Druck aus auf diese Anbieter. Dazu beispielsweise aus der Forschung den Beitrag „Soloselbstständige Internet- Dienstleister im Niedriglohnbereich: Prekäres Unternehmertum auf Handwerksportalen im Spannungsfeld zwischen Autonomie und radikaler Marktabhängigkeit“, ein Vortrag von Philipp Lorig von der Universität Trier auf der 2. Tagung der Initiative 3sR „Tertiarisierung der Gesellschaft“. Zum Bewertungssystem von MyHammer führt Lorig aus: Für Soloselbstständige sind die Bewertungen Werbung und Information für potenzielle Neukunden. Aufgrund der Wichtigkeit positiver Bewertungen wird das Auftreten instrumentell darauf ausgerichtet. Die Bewertungen, so Lorig, haben eine disziplinierende Funktion: Der stumme Zwang radikaler Markt- und Kundenabhängigkeit reicht weit über vertragliches Abkommen hinaus in den Alltag der Anbieter hinein. Die Angst vor negativer Bewertung führt zu unentgeltlichem Entgegenkommen, Arbeit auf Materialkostenpreis, ständiger Erreichbarkeit. Lorig zitiert einen der befragten Handwerker:


„Sobald du schlechte Bewertungen hast, hast du schlechte Karten. Die Leute gucken wirklich drauf. Die gucken sich die letzten Bewertungen an, wie die Leute beschrieben sind, ob sie sauber gearbeitet haben, die Qualität stimmt, ob sie zuverlässig und ob sie preiswert waren. Das steht alles drin. Aber du steckst da nicht drin, du weißt nicht, warum die Leute dich plötzlich schlecht bewerten, warum sie so einen Quatsch schreiben. Es ist doch kein Problem, mich anzurufen und zu sagen, was eventuell schief gelaufen ist. Aber einfach so Kritik rauszuhauen, das ist vielleicht kein Rufmord, aber es ist ’ne Wertung, die andere Leute lesen! Ich sag den Kunden immer, wenn etwas sein sollte, wenn sie nach der Abnahme nicht ganz zufrieden sind und wenn noch etwas zu tun ist: lieber anrufen als direkt öffentlich abzuwerten. Wenn irgendwas dreckig sein sollte oder wenn die Farbe nicht gedeckt hat, dann komm ich da gerne nochmal hingefahren, ist doch kein Thema, dann arbeite ich nochmal nach. Aber so ne negative Bewertung, die kann dir das Genick brechen“. (Lorig 2014, Folie 12).

Lorig interpretiert das, was auf MyHammer abläuft, als Beispiel für die Entwicklung eines neuartigen „Internet-Dienstleister-Tagelöhnertums“ (Folie 18). Das trifft sicher nicht für alle Anbieter zu, aber es scheint schon ein Strukturmerkmal bei vielen Angeboten zu sein. Die Verschiebung der Marktmacht hin zu den Verbrauchern hat – wie jede Medaille – eben zwei Seiten.

Und das, was einige Anbieter im Bereich der handwerklichen Dienstleister erleben (müssen), kennen wir schon seit längerem auch in der vielzitierten hochqualifizierten Wissensarbeit. 2012 haben Markus Dettmer und Frank Dohmen in ihrem Artikel Frei schwebend in der Wolke die damaligen konzeptionellen Überlegungen des Software-Konzerns IBM für eine Radikalreform seiner Belegschaft beschrieben: »Die meisten Mitarbeiter der Zukunft sitzen dagegen nicht mehr in den Zentralen und Niederlassungen des IT-Spezialisten. Sie sind von Nigeria über Finnland bis Chile weltweit in einer sogenannten globalen Talent Cloud verstreut und werden in sich verändernden Verbünden für einige Tage, Wochen, Monate oder Jahre für bestimmte Projekte angeheuert. Sie sollen, so das Papier, „die Dienstleistungen für unsere Kunden erbringen“. Anbieten können die Fachkräfte ihre Arbeitskraft auf einer Internetplattform nach dem Vorbild von Ebay. Dort sollen Firmen aus aller Welt über „virtuelle Kioske“ Zugriff auf das Personal erhalten. Damit die Auswahl der Arbeitskräfte funktioniert, will IBM ein „Zertifizierungsmodell“ erarbeiten. Die Menschen, die ihre Arbeit auf der Plattform anbieten, würden etwa mit Farben (Blau, Silber oder Gold) gekennzeichnet – je nach Grad ihrer Qualifizierung und Befähigung.«
Mit Blick auf die hier interessierenden Bewertungssystem erfahren wir:

»Zum entscheidenden Faktor für den Erfolg von Arbeitnehmern wird künftig aus Sicht des Konzerns deren sogenannte digitale Reputation. Gemeint ist damit ein System, mit dem Menschen bewertet und gleichzeitig motiviert werden sollen, eine beängstigende Mischung aus Freiheit und totaler Kontrolle.«

Die Betroffenen müssen ihren beruflichen Werdegang, ihre Stärken, Schwächen und Qualifikationen zur Schau stellen. Kernbestandteil wären »detaillierte Beschreibungen über die Leistung in bestimmten Projekten. Sie reichen von positiven Einträgen wie „Sofortbonus“ für besondere Leistung bis hin zu negativen Bemerkungen wie etwa „Termin für Projekt x nicht gehalten“ oder „letzte Woche keinen Beitrag geleistet“. All dies soll in einer Art elektronischem Arbeitslebenslauf verankert werden. Dieser Lebenslauf samt Bewertungen ist die Grundlage für Bewerbungen und kann von freigegebenen Firmen oder Freunden ähnlich wie bei Facebook eingesehen und bewertet werden.« Die beiden Autoren merken an: »Für Firmen wäre ein solches System paradiesisch.« Aber sicher für viele Betroffene, die mit einigen Klicks aussortiert werden können, sicher nicht.
Und das sind nicht nur konzeptionell-übergriffige Gedankenspielereien. Portale wie Odesk, Elance oder Twago vermitteln „Freelancer“, darunter nicht nur IT-Leute, sondern auch Übersetzer, Journalisten und andere mehr. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Auch hier stellt sich letztendlich eine Aufgabe, die man generell hinsichtlich der Bewertungsportale im Internet für Produkte und Dienstleister an die staatliche Ebene stellen kann und muss: Ein gewisser Schutz der Anbieter-Seite. Aber dazu gibt es derzeit – noch – kaum Konzepte.

Berufsausbildungssystem: Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist weiter auf dem Sinkflug, ein „Übergangssystem“, das nicht einfach verschwinden wird und immer mehr, die studieren (wollen) und oft in „Mickey Mouse“-Fächern landen

Heute muss ein guter Tag gewesen sein für die Berufsausbildung in Deutschland – zumindest, wenn man als Beurteilungskriterium für eine solche Aussage die Betitelungen der Pressemitteilungen heranzieht: Gemeinsam die duale Ausbildung stärken, so erfahren wir es vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dass das nicht irgendwer will, sondern echte Schwergewichte, können wir dem nächsten Satz entnehmen: »Bund, Wirtschaft, Gewerkschaften und Länder schmieden neue Allianz für Aus- und Weiterbildung.« Die Zielsetzung kommt sympathisch rüber: »Die Partner der Allianz wollen gemeinsam die duale Berufsausbildung in Deutschland stärken und für die Gleichwertigkeit der betrieblichen und akademischen Ausbildung werben. Jedem ausbildungsinteressierten Menschen soll ein Pfad aufgezeigt werden, der ihn frühestmöglich zu einem Berufsabschluss führen kann. Die betriebliche Ausbildung hat dabei klaren Vorrang.«

Man hat sich einige Ziele gesetzt: »Die neue Allianz für Aus- und Weiterbildung löst den zum Ende des Jahres 2014 auslaufenden Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs ab. Im Rahmen der Allianz will die Wirtschaft im kommenden Jahr 20.000 zusätzliche Ausbildungsplätze gegenüber den 2014 bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Stellen sowie jährlich 500.000 Praktikumsplätze zur Berufsorientierung zur Verfügung stellen. Sie hat zugesagt, jedem vermittlungsbereiten Jugendlichen, der bis zum Beginn des Ausbildungsjahres im Herbst noch keinen Platz gefunden hat, drei Angebote für eine Ausbildung zu machen. Die Partner der Allianz wollen jetzt den Einstieg in die assistierte Ausbildung auf den Weg bringen; als ersten Schritt streben sie für das Ausbildungsjahr 2015/2016 bis zu 10.000 Plätze für die assistierte Ausbildung an; das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird die gesetzlichen Grundlagen dafür auf den Weg bringen.« Den Text der neuen Allianz-Vereinbarung findet man hier. Es bewegt sich was – vor allem aber und das leider bei den tatsächlichen Zahlen. Die Abbildung verdeutlicht, was man den ebenfalls heute veröffentlichten Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung zur Entwicklung auf dem so genannten „Ausbildungsmarkt“ entnehmen kann und muss: Die Zahl der neuen Ausbildungsverträge geht leider weiter den Bach runter.

Stephanie Matthes, Joachim Gerd Ulrich, Simone Flemming und Ralf-Olaf Granath vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) haben ihre Veröffentlichung über die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2014 so überschrieben: Duales System vor großen Herausforderungen. Und damit sind sie noch im Dunstkreis des politischen Korrekten, deuten aber an, was man auch anders formulieren könnte, wenn man darf: Wir stehen vor einer fundamentalen Erschütterung, wenn nicht Infragestellung einer seit Jahrzehnten vorhandenen Aufgabenteilung im großen System der Berufsausbildung mit unterschiedlichen Zugangswegen und Ausbildungsformaten. Im vergangenen Jahr, also 2013, haben erstmals mehr junge Menschen ein Hochschulstudium begonnen als eine duale Berufsausbildung. Man muss das auch vor dem Hintergrund solcher Meldungen sehen: 64 Prozent der Schüler in NRW erreichen Hochschulreife. Im Bundesdurchschnitt waren es zwar weniger, aber immerhin noch erhebliche 54,9%. Und die duale Berufsausbildung – um die uns in der Welt viele beneiden – und die sicherlich bei allen Schwierigkeiten und Defiziten innerhalb dieses vielgestaltigen Systems als eine der zentralen (bisherigen) Erfolgsfaktoren für die deutsche Volkswirtschaft zu identifizieren ist, gerät immer stärker unter (einen doppelten) Druck. Zum einen „von oben“, weil immer mehr junge Menschen an die Hochschulen strömen, von denen früher viele eher eine duale oder fachschulische Ausbildung gemacht hätten. An den Hochschulen landen viele Studierende dann in einerseits völlig überfüllten Ausbildungsstätten mit den schlechtesten Personalschlüsseln überhaupt, zum anderen in einer „Hochschulwelt“, die sich stark verändert hat gegenüber dem, was viele früher als Hochschule erlebt haben. Dazu der Berufsbildungsexperte Felix Rauner von der Universität Bremen: »Wir zählen mittlerweile in Deutschland mehr als 2.000 Fächer in den Bachelor- und Masterstudiengängen. Dieses Angebot gleicht einem undurchschaubaren Dschungel von Spezialfächern, für die sich der Begriff der „Mickey Mouse“-Fächer eingebürgert hat« (vgl. „Wir brauchen eine Architektur paralleler Bildungswege“).

Aber auch „von unten“ kommt das (duale) Berufsausbildungssystem unter Druck. Man könnte ja angesichts des Wegbrechens potenzieller Auszubildender am oberen Rand auf den ersten Blick plausibel argumentieren, dass die Betriebe sich dann eben nach unten weiter öffnen müssen, also hin zu den „leistungsschwächeren“ Jugendlichen, denen bislang der Einstieg in die Berufsausbildung nicht oder nur mit einer erheblichen Zeitverzögerung gelungen ist. Aber das ist einfacher gesagt als getan. Zum einen gibt es nicht wegzudiskutierende, teilweise erhebliche Verhaltens- und Motivationsprobleme bei manchen Jugendlichen. Zum anderen: Hinsichtlich der in Deutschland so wichtigen dualen und fachschulischen Berufsausbildung muss für die zurückliegenden Jahre ein die Integrationsprobleme der leistungsschwächeren Jugendlichen verstärkendes Moment gesehen werden: Die Anforderungen sind nicht nur in vielen Tätigkeitsfeldern gestiegen, sondern auch in den Berufsausbildungen. Gleichsam ein „klassisches“, weil unmittelbar anschauliches Beispiel wäre der Vergleich der Ausbildungsanforderungen beim Kfz-Mechaniker vor 15 oder 20 Jahren und den Inhalten, die heute in der Mechatroniker-Ausbildung zu bewältigen sind. Insgesamt kann und muss man auch für viele Ausbildungsberufe von einem (vor allem kognitiven) „Upgrading“ sprechen, das natürlich im Ergebnis dazu führt, dass es zu einer Zugangsverengung bei diesen Berufen kommen muss. Das führt zu einer kognitiven Anforderungserhöhung in vielen Berufsausbildungen (einschließlich des berufsschulischen Teils der Ausbildung) in Verbindung mit „kognitiven Blockaden“ bei einem Teil der Schüler und Schülerinnen.

Das alles passiert in einem Kontext, der durch eine der tiefgreifendsten Veränderungen des Berufsausbildungssystems gekennzeichnet ist:

Die vergangenen Jahren waren vor allem durch die alljährlich sich wiederholenden Bemühungen um die Gewinnung zusätzlicher Ausbildungsplätze im dualen System geprägt. Immer wieder war davon die Rede, dass es nicht genügend Ausbildungsstellen geben würde, um alle Schulabgänger mit einer beruflichen Erstausbildung zu versorgen. Zu viele Jugendliche und zu wenige Ausbildungsplätze – das war die in der Vergangenheit dominierende Kurzformel. Von besonderer Relevanz für die öffentliche Wahrnehmung war die sich in diesem Zusammenhang immer stärker als besonderes Problem darstellende besondere Betroffenheit der Hauptschüler, die als die große „Verlierergruppe“ kommuniziert wurde – die Verfestigung dieser Sichtweise auf Hauptschüler hat sicher stark zum Akzeptanzverfall der Schulform Hauptschule mit beigetragen, auch wenn sich die Realität der Hauptschullandschaft in den einzelnen Bundesländern weitaus differenzierter dargestellt hat und immer noch darstellt.

Schaut man heute in die Berichterstattung über das Thema, dann muss man den Eindruck bekommen, die Situation in Deutschland ist eine komplett andere als noch vor wenigen Jahren. Als neue Kurzformel scheint sich spiegelbildlich zur bisherigen Perspektive zu etablieren: Zu wenige Jugendliche und zu viele Ausbildungsplätze. Die Medienberichte fokussieren einerseits auf in Einzelfällen schon grotesk daherkommende Versuche, überhaupt noch halbwegs akzeptable Interessenten für einen Ausbildungsplatz zu gewinnen, wobei dann die jungen Leute schon mal ein iPad oder einen Wochenendtrip nach London als Prämie kassieren können. Zum anderen aber wird immer wieder über das zweite Problem neben dem rein quantitativen Problem berichtet – die tatsächlich oder angeblich fehlende „Ausbildungsreife“ der potenziellen Auszubildende, wobei hier nur darauf hingewiesen werden kann, dass der Begriff der „Ausbildungsreife“ in maßgeblichen Teilen der Berufsbildungsforschung zu Recht als nicht sinnvoll erachtet wird. Aber er wabert immer wieder und sehr oft durch die öffentlichen Debatten – allerdings, wenn man ihn denn schon verwendet, in einem krassen Missverhältnis zu der tatsächlichen Ausformung von „mangelnder Ausbildungsreife“, denn ein solche wird unisono immer nur bei den Jugendlichen beklagt, es gibt sie aber auch spiegelbildlich bei so manchem Betrieb bzw. Arbeitgeber.

Was das zur Folge hat? Eine Konsequenz ist die, dass trotz der aus demografischen Gründen rückläufigen Zahl an (potenziellen) Auszubildenden die Parallelwelt des Übergangs von der Schule in den Beruf nicht einfach „verschwindet“, weil weiterhin zahlreiche junge Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen keinen schnellen und guten Einstieg in das Berufsleben finden (können). Dabei wäre das eigentlich zu erwarten, denn die Effekte des demografischen Wandels (in Verbindung mit der bereits erwähnten erheblichen Verschiebung zugunsten des hochschulischen Ausbildungssystems) würden erst einmal dafür sprechen, dass sich das „Übergangssystem“ von alleine erledigt. Um welche Größenordnung es allein beim demografischen Wandel geht, verdeutlicht dieses Zitat  des BIBB anlässlich der Veröffentlichung der Entwicklung und der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge:

»Wesentliche Ursache für die nochmals gesunkene Zahl der Ausbildungsverträge ist der starke Rückgang der Zahl der nichtstudienberechtigten Abgänger und Absolventen aus allgemeinbildenden Schulen, die drei Viertel aller Auszubildenden stellen. Ihre Zahl sank nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von 714.800 im Jahr 2004 auf 551.300 im Jahr 2014 … in den kommenden zehn Jahren wird die Zahl der Schulabgänger mit maximal mittlerem Schulabschluss um weitere 101.700 auf dann nur noch 449.600 zurückgehen.«

Und offensichtlich scheint das doch auch im Sinne eines Rückgangs der Eintritte in das so genannte „Übergangssystem“ zu wirken, denn die Abbildung verdeutlich, dass es zu einer erheblichen Bewegung gekommen ist. Im Jahr 2005 waren es noch deutlich mehr als 400.000 junge Menschen, die in den Übergangsbereich eingetreten sind, weil sie keinen direkten Zugang zu einer Berufsausbildung gefunden haben oder weil sie an einen (höheren) Schulabschluss herangeführt werden sollten. Auch wenn man einen deutlichen Rückgang der Zahl der Eintritte in den „Übergangsbereich“ erkennen kann – immer noch sind es mehr als 250.000 junger Menschen, die hier einmünden, also fast 27% aller Neuzugänge in das berufliche Ausbildungssystem. Um eine Einordnung dieser Zahlen zu ermöglichen: Das sind immer noch mehr junge Menschen, als insgesamt in das Schulberufssystem eintreten, das waren nur 212.000 Jugendliche, also da, wo beispielsweise Erzieherinnen oder das Pflegepersonal ausgebildet wird. Zum weiteren Vergleich: Eine duale Berufsausbildung haben im vergangenen Jahr 497.000 junge Menschen begonnen. Offensichtlich nimmt zwar rein quantitativ das Volumen der „Problemfälle“ im Sinne nicht vermittelbarer Jugendlicher parallel zum allgemeinen Rückgang der Zahl der Jugendlichen insgesamt ab, wobei man darauf hinweisen muss, dass es in den vergangenen zwei Jahren kaum noch Rückgänge bei der Zahl der Eintritte in das „Übergangssystem“ gegeben hat.

Fazit: Zwar reduziert sich die Zahl der Neuzugänge in das bestehende „Übergangssystem“, aber gleichzeitig kommt es zu einer Potenzierung der heute schon in vielen Maßnahmen zu beobachtende „Konzentration der Unerträglichkeit“ (auf beiden Seiten) durch eine Konzentration der (sozial)pädagogischen Schweregrade und damit zu einem absehbar weiter abnehmenden Wirkungsgrad der zersplitterten und punktuellen Förderlandschaft (weniger, aber die dann noch „schwerer“). Und dann muss man berücksichtigen, dass die meisten Fachkräfte, die im „Übergangssystem“ arbeiten, unter den schlechtesten Bedingungen überhaupt ihrer so schwierigen Arbeit nachgehen müssen – befristete Verträge, oftmals eine Bezahlung, die knapp oberhalb oder an den Hartz IV-Sätzen liegt und eine Landschaft, die durch eine sich ständig erneuernde fragile „Projektionitis“ charakterisiert ist.

Was mit diesen Ausführungen herausgestellt werden soll: Wir sollten nicht nur auf die rückläufige Zahl an tatsächlichen Ausbildungsverträgen schauen und im engeren Umfeld diskutieren. Dazu zählt letztendlich auch die heute proklamatorisch verkündete „Allianz für Aus- und Weiterbildung“. Wir stehen an einer ganz zentralen Wegscheide der Entwicklung und wenn man nicht wesentlich umfassender und beherzter an die Sache heran geht, dann werden wir erleben müssen, dass in den kommenden Jahren die „klassische“ Berufsausbildung bei uns (die eigentlich eine sehr moderne Veranstaltung ist) an die Wand gefahren wird, aber auch viele Hochschulen, an die nun immer mehr junge Menschen strömen, werden angesichts der Rahmenbedingungen und der Länderzuständigkeit schweren Schaden nehmen müssen. Und letztendlich – aber eigentlich sollte das im Mittelpunkt stehen – wird das erhebliche Auswirkungen haben auf die jungen Menschen.