3,40 Euro Stundenlohn sind sittenwidrig. Und wer so was macht als Arbeitgeber, handelt „subjektiv verwerflich“. Genau so ist das

Der heutige Tag eignet sich doch hervorragend für eine „frohe“ Botschaft:
3,40 Euro Stundenlohn ist sittenwidrig, melden viele Zeitungen mit Bezug auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf. Das ist doch mal eine Ansage.

Das Landesarbeitsgericht hat dazu eine Pressemitteilung herausgegeben – Sittenwidrige Vergütung für Schulbusbegleiterin -, der wir den Sachverhalt entnehmen können, um den es hier geht.

»Die Klägerin war bei der Beklagten vom 10.02.2012 bis zum 31.10.2012 als Busbegleitung beschäftigt. Ihre Aufgabe bestand darin, während einer morgendlichen Tour gemeinsam mit einer Busfahrerin geistig und körperlich behinderte Schüler an verschiedenen Zustiegspunkten abzuholen und zur Schule zu bringen. Nachmittags waren die Schüler nach Beendigung des Unterrichts wieder abzuholen und nach Hause zu fahren. Die Klägerin erhielt hierfür zwei Tourpauschalen pro Arbeitstag in Höhe von jeweils 7,50 Euro. Das Arbeitsentgelt erhielt die Klägerin nur bei erbrachter Arbeitsleistung. Entgeltfortzahlung für Feiertage und Arbeitsunfähigkeit erhielt sie nicht. Bezahlter Erholungsurlaub wurde nicht gewährt.«

Das fand die Klägerin nicht nur nicht in Ordnung, sondern ein sittenwidriges Verhalten des Arbeitgebers: »Die Klägerin verlangt eine Vergütung gemäß dem Tarifstundenlohn für das private Omnibusgewerbe in Nordrhein-Westfalen von 9,76 Euro brutto, weil die ihr gezahlte Vergütung sittenwidrig sei.«

Das Gericht hat sich beraten und ist zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen:

»Der tatsächliche Stundenverdienst der Klägerin an Einsatztagen von 3,40 Euro war sittenwidrig niedrig. Der objektive Wert der Arbeitsleistung betrug 9,76 Euro brutto pro Stunde. Das allgemeine Lohnniveau wird durch den Tarifstundenlohn des privaten Omnibusgewerbes in Nordrhein-Westfalen bestimmt, weil mehr als 50 % der Arbeitgeber kraft Mitgliedschaft im tarifschließenden Arbeitgeberverband organisiert sind. Die subjektive Verwerflichkeit ist gegeben.«

Über die „subjektive Verwerflichkeit“ sollte sich der eine oder andere Anbieter solcher Dienstleistungen Gedanken machen – gerade auch wohlfahrtsverbandliche Anbieter, denn von denen werden hier und da ähnlich niedrige Vergütungen gerade im Bereich der Behindertentransporte berichtet. Also geht in euch und beseitigt die „subjektive Verwerflichkeit“, ansonsten müssen das andere machen.
Für die Klägerin hat das Urteil ganz handfeste Konsequenzen:

»Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat der Klägerin weitere 3.982,12 Euro brutto an Vergütung und 369,00 Euro brutto Urlaubsabgeltung zugesprochen. Der der Klägerin gezahlte Lohn von 15,00 Euro pro Arbeitstag (zwei Tourpauschalen), war sittenwidrig niedrig, weil die Klägerin täglich eine Arbeitsleistung von 4 Stunden und 25 Minuten erbrachte.«

Allerdings ist das erst einmal ein Weihnachtsgeschenk unter Vorbehalt, denn der letzte Satz der Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts lautet:
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen. Dann wollen wir mal hoffen, dass es die Diagnose einer „subjektiven Verwerflichkeit“ auch nach oben schafft, wenn denn das betroffene Unternehmen diesen Weg beschreiten sollte.

Die Arbeitslosenversicherung als Ausnahme statt Normalität. Und eine mehr als krude Argumentation hinsichtlich der Arbeitslosen auf Teilzeitsuche und Vollzeit suchender Teilzeitarbeitsloser. Für die Arbeitslosenversicherung biegt man das so hin, dass es weniger kostet

Immer wieder, genauer: monatlich, werden wir konfrontiert mit „den“ Arbeitslosenzahlen. Auch hier muss man genauer sein: Wir erfahren die Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen. Im November 2014 waren das 2,717 Mio. Menschen. Eigentlich waren es natürlich mehr. In der Abbildung sind die Zahlenverhältnisse dargestellt. Bei den 2,7 Mio. Arbeitslosen, die durch die Medien transportiert werden, fehlen schon mal die 921.556 Menschen in der „Unterbeschäftigung“, die zwar auch faktisch arbeitslos sind, aber nicht mitgezählt werden. Also hatten wir eigentlich 3,6 Mio. Arbeitslose, was ja nun schon eine andere Zahl ist als die 2,7 Mio., auf die sich die Berichterstattung immer bezieht. Darüber hinaus verdeutlicht das Schaubild auch, dass es noch ganz andere Größen gibt, die man berücksichtigen sollte. So gab es 5,036 Mio. Empfänger von Arbeitslosengeld I und II, darunter mit 4,324 Mio. die große Mehrheit im Alg II-Bezug, also im „Hartz IV“-System. Zu dieser ans sich schon großen Zahl kommen dann noch mal weitere 1,703 Mio. nicht erwerbsfähige Hilfeempfänger, also Kinder unter 15 Jahren, hinzu, die statt Alt II Sozialgeld bekommen. Auf diese von der einen immer wieder gerne zitierten Zahl von (aktuell) 2,7 Mio. „Arbeitslose“ doch erheblich abweichenden Größenordnung wird in der kritischen Berichterstattung auch immer wieder hingewiesen. Hier aber interessiert eine ganz bestimmte Relation: 70% der registrierten Arbeitslosen befinden sich im Grundsicherungssystem (SGB II), nur noch 30% im Arbeitslosenversicherungssystem (SGB III). Die Anteilswerte der im Hartz IV-System befindlichen registrierten Arbeitslosen reichen von 51,6 Prozent in Bayern bis zu 81,7 Prozent in Bremen. Und die Tatsache, dass nicht einmal mehr jeder dritte Arbeitslose unter dem Dach der Arbeitslosenversicherung abgesichert ist, muss als ein sozialstaatlicher Skandal thematisiert werden.

Denn eigentlich sollte die Arbeitslosenversicherung als das der Grundsicherung vorgelagerte System das Risiko der Arbeitslosigkeit, besser: Erwerbsarbeitslosigkeit, auffangen und absichern. Auf die Leistungen der Arbeitslosenversicherung hat man einen Rechtsanspruch und es findet keine Bedürftigkeitsprüfung statt. Anfang der 1990er-Jahre erhielten über 80 Prozent aller Erwerbslosen Leistungen vom Arbeitsamt, die weitgehend Versicherungscharakter hatten und deren Höhe vom früheren Verdienst abhing. Heute gilt das nur noch für 30 Prozent der offiziell erfassten Arbeitslosen. Das ist ein gewaltiger Systemwechsel. In dem Beitrag Rückzug der Arbeitslosenversicherung wurde bereits 2011 darauf hingewiesen:

»Vor den Arbeitsmarktreformen der vergangenen Dekade bekam der größte Teil der Erwerbslosen Arbeitslosengeld, ein kleinerer Teil Arbeitslosenhilfe. Deren Bezug war zwar an die Bedingung geknüpft, dass der betreffende Arbeitslose nicht über nennenswerte Zusatzeinkünfte oder Vermögen verfügte … Dennoch sei die Arbeitslosenhilfe eher eine Versicherungs- als eine Fürsorgeleistung gewesen – das werde besonders deutlich im Vergleich zum heutigen Arbeitslosengeld II. Beim ALG II ist eine strenge Bedürftigkeitsprüfung vorgeschaltet, wie es sie zuvor nur bei der Sozialhilfe gab.«

Die Zunahme des Fürsorgeanteils zulasten des Versicherungsanteils bei der Arbeitslosenunterstützung ist nicht nur auf die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe im Zuge der Einführung des SGB II 2005 zu sehen, sondern steht auch in einem Zusammenhang mit der Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes seit 1998, den verschärften Zugangsvoraussetzungen beim Arbeitslosengeld sowie einer zunehmenden Langzeitarbeitslosigkeit. Der „Deckungsgrad“ der eigentlich zuständigen Arbeitslosenversicherung ist massiv geschrumpft worden und bietet heute keine wirklich adäquate Absicherung mehr. Die Verengung der Zugangsvoraussetzungen für einen Bezug von Versicherungsleistungen im Zusammenspiel mit der Instabilität vieler Arbeitsverhältnisse führen dazu, dass eine steigende Zahl von Beschäftigten nach einem Job-Verlust durch die Maschen des Versicherungssystem fällt und direkt auf staatliche Fürsorge angewiesen ist. Der Bedeutungsverlust der Arbeitslosenversicherung wird auch in der gleichnamigen Studie von Peer Rosenthal aus dem Jahr 2012 behandelt, der eine Analyse von Zugängen in Arbeitslosigkeit aus einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt nach Rechtskreisen im Land Bremen vorgelegt hat. 
Bereits 2012 hat der DGB ein Positionspapier veröffentlicht, um diese Entwicklung wenigstens punktuell wieder umzukehren: Die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung ausbauen. Getan hat sich hier wenig bis gar nichts. Dabei ist der Handlungsbedarf nicht nur vor dem Hintergrund des offensichtlichen Sicherungsversagens der Arbeitslosenversicherung evident. Auch die Veränderungen auf den Arbeitsmärkten schreien förmlich nach einer grundlegenden Reform der Arbeitslosenversicherung. Am – immer noch – weitestgehenden ist hier der von Günther Schmid angestoßene Vorschlag nach einer Transformation der Arbeitslosen- hin zu einer Beschäftigtenversicherung (vgl. dazu weiterführend Günther Schmid: Von der Arbeitslosen- zur Beschäftigungsversicherung. Wege zu einer neuen Balance individueller Verantwortung und Solidarität durch eine lebenslauforientierte Arbeitsmarktpolitik. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung, 2008). 
Zugleich sehen wir mit Blick auf die Arbeitsmarktentwicklung eine erhebliche Zunahme der Teilzeitbeschäftigung, die ihren gehörigen Anteil am so genannten deutschen „Jobwunder“ gehabt hat und immer noch hat (vgl. dazu meinen Blog-Beitrag: „Irre Beschäftigungseffekte“, „wirklich tolles Land“: Wenn Ökonomen sich überschlagen, lohnt ein Blick auf die Zahlen vom 19.12.2014). Und an dieser Stelle werden wir nun mit einer höchst kruden Argumentation der Bundesregierung konfrontiert, ausgelöst durch eine Anfrage der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Brigitte Pothmer. Über die Antwort aus dem Bundesarbeitsministerium berichtet Stefan Sauer in seinem Artikel Arbeitslose auf Teilzeitsuche werden massiv benachteiligt. Und das hat schon was, wenn man sich das Argumentationsgebäude der Bundesregierung anschaut.
Sauer erinnert an grundlegende Konstituitionsprinzipien der deutschen Sozialversicherung:

»In der Sozialversicherung gilt ein einfacher Grundsatz: Wer viel einzahlt, bekommt im Versicherungsfall auch viel heraus. Dieses  Gleichwertigkeits- oder Äquivalenzprinzip führt  in der gesetzlichen Rentenversicherung dazu, dass hohe Beiträge während des Arbeitslebens mit überdurchschnittlichen Renten im Ruhestand vergolten werden. Der Mechanismus wirkt auch in der Arbeitslosenversicherung: Das Arbeitseinkommen und damit die Höhe der eingezahlten Versicherungsbeiträge sind maßgeblich für die Leistungen bei Jobverlust.«

Wenn man ganz korrekt sein will, dann müsste man anmerken, dass das nicht für die gesamte Sozialversicherung gilt, denn beispielsweise in der Kranken- und Pflegeversicherung ist dies erheblich durchbrochen. Aber das soll hier nicht weiter vertieft werden.
Aber Grundsätze haben die Angewohnheit, dass sie nicht selten verletzt werden in bestimmten Fällen. Und mit so einem haben wir es bei der Suche nach einer Teilzeitarbeit zu tun:

»Erwerbslose, die zuvor in Vollzeit arbeiteten, nun aber einen Teilzeitstelle suchen, erhalten ein deutlich vermindertes Arbeitslosengeld – so als hätten sie schon immer lediglich in Teilzeit gearbeitet. Das hat beträchtliche Konsequenzen: Wer zum Beispiel, nach jahrlanger  40-Stunden-Tätigkeit, im Anschluss an die Arbeitslosigkeit aus familiären Gründen eine 30-Stunden-Job sucht, erhält um ein 25 Prozent gekürztes Arbeitslosengeld.«

Das muss natürlich irgendwie begründet werden. In der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der grünen Abgeordneten »verweist die Bundesregierung auf den „Grundgedanken“, dass es sich bei Zahlungen aus der Arbeitslosenversicherung um einen Lohnersatzleistung handele. Für die Höhe des Arbeitslosengeldes sei mithin der zu erwartende Lohn maßgeblich, den der Arbeitslose bei Aufnahme einer Teilzeitstelle erhalten wird, nicht aber sein vorheriges Arbeitseinkommen in Vollzeit.«

Wenn auch eine gewagte Herleitung, kann man das so sehen, wird der eine oder andere an dieser Stelle noch einwerfen. Dann gilt das aber auch logischerweise in die andere Richtung. Was für bestimmte Arbeitslose positiv wäre: »Personen, die zuvor halbtags tätig waren, nun aber eine Vollzeitstelle suchen, müssten ein höheres, nämlich am zu erwartenden Vollzeitgehalt orientiertes Arbeitslosengeld erhalten«, so Sauer folgerichtig. Hier nun wird es spannend, denn „hätte, sollte müsste“ verweist auf das, was eigentlich sein hätte sollen müssen, wenn man in der vorgegebenen Argumentationslogik verbleibt. Die Bundesregierung macht das aber nicht, sondern sie bricht aus, denn: »Auch Arbeitslose, die zuvor in Teilzeit beschäftigt waren und nun nach einem 40 Stunden-Job Ausschau halten, bekommen nur ein geringes, am Teilzeiteinkommen orientiertes Arbeitslosengeld.«
Wie das jetzt? Man bekommt das nur hin, wenn man an dieser Stelle einen schwungvollen Wechsel der Argumentation vollzieht:

»Eben noch spielten die eingezahlten Beiträge keine Rolle, sondern das zu erwartende Einkommen, um die Minderung des Arbeitslosengelds zu begründen. Nun sind es die geringeren Beitragszahlungen aus der Teilzeitarbeit, die zu niedrigen Versicherungsleistungen führen, während die zu erwartenden Einkünfte in Vollzeit nicht berücksichtigt werden.«

Voila, das muss man erst einmal hinbekommen, ohne rot zu werden. Dabei muss man das so machen, um das zu erreichen, was man will: In beiden Fällen fällt die Regelung zum Nachteil für die Arbeitslosen aus.

Insofern überrascht vor diesem weiteren Beispiel aus der Serie „Frechheit der Argumentation siegt“ dann auch nicht, dass die Bundesregierung am Ende ihrer Antwort ausführt: »Eine Änderung ist nicht geplant.«

Schwere Sicherheitsmängel (sicher nicht nur) am Flughafen Frankfurt – und warum das auch ein sozialpolitisches Thema ist. Beispielsweise durch Outsourcing, Lohndrückerei und schlechten Umgang mit Menschen

Jeder von uns, der hin und wieder oder sehr häufig fliegt oder ein Flugzeug benutzen muss, der verlässt sich darauf, dass im Gegensatz zum Abstand zwischen den Sitzreihen oder dem mehr oder weniger Service an einem nicht gespart wird – an der Sicherheit. Aus gutem Grund, das bedarf keiner weiteren Begründung. Allerdings werden die Zyniker bzw. Realisten im Publikum darauf verweisen, dass die Machtübernahme der einseitig auf Kostensenkung wo es nur geht fixierten Betriebswirte dazu geführt hat, dass alle Bereiche dahingehend gescannt werden, wo man noch den einen oder anderen Euro einsparen kann. Das trifft natürlich immer gerne und vor allem die Bereiche, wo man nicht auf große Gegenwehr stößt. Also einfach gesprochen: Bevor man sich mit Piloten oder Bordpersonal anlegt, wird man vorher versuchen, in den vor- und nachgelagerten Bereichen die Kosten zu drücken. Vor allem, wenn man zu dem betriebswirtschaftlich „schönen“ Instrument der Verlagerung dieser Dienstleistungen auf andere Unternehmen greifen kann, die man dann hinsichtlich des Preises drücken kann, was die wieder an ihre Beschäftigten, also nach unten weiterreichen.

Vor diesem Hintergrund sind solche aktuellen Meldungen zu lesen: Schwere Sicherheitsmängel am Flughafen Frankfurt oder EU-Prüfbericht: Schwere Sicherheitsmängel am Flughafen Frankfurt. Beide Artikel beziehen sich auf einen Bericht der „Bild am Sonntag“.

Zum Sachverhalt: »Bei verdeckten Kontrollen an Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt am Main hat die EU-Kommission nach einem Medienbericht gravierende Sicherheitsrisiken entdeckt: Den Prüfern sei es bei jedem zweiten Versuch gelungen, Waffen oder gefährliche Gegenstände durch die Passagierkontrolle zu schmuggeln.«

Und zu den (möglichen) Ursachen erfahren wir: »Der Hauptgrund: Das Personal der beauftragten Dienstleister sei schlecht geschult, so stehe es in dem als geheim eingestuften Prüfbericht, schreibt die Zeitung. So hätten die Mitarbeiter etwa die Röntgenbilder bei den Handgepäck-Kontrollen nicht richtig deuten können.«

Man könnte jetzt auf die Idee kommen, dass das also ein Qualifikationsproblem der Beschäftigten ist und man das Problem dadurch lösen kann, dass man die schult. Genau so läuft das jetzt:
„Wir nehmen das sehr ernst“, wird Flughafen-Sprecher Christopher Holschier zitiert. „Insgesamt 2500 Mitarbeiter werden derzeit neu geschult, damit verdächtige Gegenstände nicht mehr durch die Kontrollen kommen.“

Aber vielleicht sollte man über diesen Aspekt der Sache hinaus einen grundsätzlichen kritischen Blick auf die Arbeitssituation derjenigen werfen, die im großen Dienstleistungsuniversum auf den Flughäfen versuchen, Lohn und Brot zu verdienen. Und spätestens hier sollte dem einen oder der anderen einfallen, dass gerade die „Bodendienste“ in den vergangenen Jahren Gegenstand des eingangs angesprochenen betriebswirtschaftlich radikalisierten Zugriffs im Sinne einer einseitigen Kostensenkungsstrategie waren und sind. Sparen, sparen, um jeden Preis bekommt hier eine ganz eigene Note.

Zu diesem Erklärungsansatz zwei Beispiele von vielen:

Vor einem Jahr wurde in dem Artikel Knochenjob zum Hungerlohn über die Situation einer Berufsgruppe berichtet, die auch in diesen Tagen wieder vor unseren Augen ihre „Hauptsaison“ haben, die aber auf den ersten Blick nichts mit dem Personal auf den Flughäfen zu tun haben: »Das Hauptzollamt überprüfte über 200 Paketfahrer am Köln/Bonner Flughafen. Dabei wurden die Fahrer auch zu ihren Löhnen befragt – ein sehr erschütterndes Ergebnis. Besonders viele Rentner sind unter den Zustellern.« Der hier besonders relevante Punkt ist die Tatsache, dass die Überprüfung am Flughafen Köln/Bonn stattgefunden hat, denn gleichsam als „Abfallprodukt“ aus der eigentlichen Überprüfung ist man auf einen hier sehr interessanten Punkt gestoßen:

»Ein … Aspekt der Überprüfungen rief die Flugsicherheit des Flughafens in den vergangenen Tagen auf den Plan. Bei den Kontrollen der Ausweise stellte sich heraus: Die Daten der Firmen, für die die Boten unterwegs sind, stimmten oft nicht mit den Angaben auf den Ausweisen überein. Zollsprecher Ahland spricht von „Missständen“.«

Und wer es noch aktueller haben möchte, dem sei an dieser Stelle der Beitrag Auf Kosten der Sicherheit – Billige Arbeitskräfte am Flughafen des Politikmagazins „Frontal 21“ (ZDF) empfohlen:

»Ohne das Bodenpersonal am Check-in geht am Flughafen Berlin-Tegel nichts. Doch jetzt verlieren rund 220 Mitarbeiter ihre Jobs, weil sie angeblich zu teuer sind. Viele von ihnen haben über 20 Jahre am Flughafen gearbeitet. Ihr Arbeitgeber ist die WISAG, eine der größten Dienstleistungsfirmen in Deutschland. Die hat zahlreiche Subunternehmen am Flughafen gegründet, deren Mitarbeiter deutlich weniger verdienen. Von ihnen wird bald die Arbeit am Check-in übernommen. Damit will der Konzern die Kosten drücken – auf Kosten der Mitarbeiter. Und auf Kosten der Sicherheit: Weil Personal auf dem Vorfeld fehlte, waren mehrere Wochen billige Aushilfskräfte im Sicherheitsbereich des Flughafens beschäftigt – ohne die vorgeschriebene Sicherheitsprüfung zu durchlaufen. Die Gewerkschaft der Polizei warnt vor einer Durchlöcherung des Kontrollsystems. Frontal21 zeigt, mit welchen Methoden ein Unternehmen langjährige Mitarbeiter abserviert und durch billigere Arbeitskräfte ersetzt.«

Man kann nur hoffen, dass die nunmehr aufgedeckte skandalöse Sicherheitssituation (sicher nicht nur) am Flughafen Frankfurt nicht nur darauf reduziert wird, dass die Mitarbeiter als solche „versagt“ haben, weil sie anscheinend Qualifikationsmängel haben, die man durch ein paar Stunden Schulung wenigstens für die Papierlage zu korrigieren versuchen wird, sondern dass das System der Arbeitsbedingungen endlich zum Gegenstand einer breiten öffentlichen Debatte wird. Und dass sich hier etwas verbessert, für die Beschäftigten und damit auch für uns.

Foto: © Stefan Sell