Langzeitarbeitslose und ihr Stigma im Bewerbungsprozess bei Arbeitgebern. Diesseits und jenseits persönlicher Vermittlungshemmnisse

Von oben betrachtet lesen sich die frohen Botschaften vom Arbeitsmarkt beispielsweise so: »Der Arbeitsmarkt entwickelte sich 2018 weiter sehr gut. Die Erwerbstätigkeit hat wegen des Aufbaus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung kräftig zugenommen. Durchschnittlich 44,8 Millionen Menschen gingen im Jahr 2018 einer Erwerbstätigkeit nach – darunter hatten 32,9 Millionen ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Noch nie seit der Wiedervereinigung Deutschlands hatten so viele Menschen eine bezahlte Arbeit. Ohne Zuwanderung und einer gestiegenen Erwerbsneigung wären diese Zuwächse jedoch nicht machbar gewesen. Die nicht realisierte Arbeitskräftenachfrage (hier in Form gemeldeter Arbeitsstellen) erreichte 2018 – mit rund 800.000 – ebenfalls einen Höchstwert … Für Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung werden die niedrigsten Stände seit der Wiedervereinigung ausgewiesen.« So beginnt dieser Bericht der Bundesagentur für Arbeit:

➔ Bundesagentur für Arbeit (2019): Arbeitsmarktsituation von langzeitarbeitslosen Menschen, Nürnberg, Juni 2019

Vor diesem allgemeinen Hintergrund wird man annehmen können und dürfen, dass auch die besondere Problemgruppe der langzeitarbeitslosen Menschen ebenfalls erkennbar profitiert haben von der guten Arbeitsmarktentwicklung. Und offensichtlich zeigt ein erster Blick auf die Daten genau das:

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Aus dem Jobwunderland Deutschland: Die Zahl der „atypisch Beschäftigten“ bleibt weiter auf einem hohen Niveau und trifft bestimmte Arbeitnehmer mehr als andere

Man hat sich fast schon daran gewöhnt, an die Erfolgsmeldungen aus dem Jobwunderland Deutschland. So meldet das Statistische Bundesamt am 29. Mai 2019: »Im April 2019 waren nach vorläufigen Berechnungen … etwas über 45 Millionen Personen mit Wohnort in Deutschland erwerbstätig. Gegenüber April 2018 nahm die Zahl der Erwerbstätigen um 488.000 Personen (zu).«

Nun ist das mit den Zahlen bekanntlich immer so eine Sache und man muss in einem ersten Schritt genau prüfen, über was hier eigentlich berichtet wird. Wenn vom Beschäftigungsrekord berichtet wird, dann wird die Zahl der Erwerbstätigen herangezogen. Die Erwerbstätigen sind nun aber eine überaus heterogene Gruppe, vereinfacht gesagt werden hier alle mitgezählt, die irgendeiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Jemand, der ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht, zählt genau so als ein Erwerbstätiger wie ein sozialversicherungspflichtig Beschäftigter, der in einer 40 Stunden-Woche arbeitet. Viele Menschen denken aber, wenn sie hören, wie viele neue Jobs entstanden sind, an „normale“ Jobs – und meinen damit ob bewusst oder unbewusst Vollzeitjobs (und manche gehen sogar „so weit“, davon auszugehen, dass man davon leben kann bzw. können sollte).

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Das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ wird durch den parlamentarischen Raum bugsiert und bei einer Anhörung im Bundestag überwiegend als „Schritt in die richtige Richtung“ bewertet

Es ist ja wahrlich nicht so, dass die „Große Koalition“ nichts mehr erledigen muss, gemessen an dem, was man im Koalitionsvertrag vereinbart hat. Da ist noch so einiges offen und während in diesen Tagen alle Welt über den Rücktritt der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles und den sich daraus möglicherweise und irgendwie ergebenden Konsequenzen für die GroKo spekuliert, läuft die Gesetzgebungsmaschinerie (noch) weiter ihren gewohnten Gang. Und das ist besonders dann berichtenswert, wenn es sich um Gesetze handelt, die innerhalb der GroKo eigentlich keine wirkliche Mehrheit haben, die aber – nicht nur – wegen der Koalitionsräson trotz aller Bauchschmerzen vorangetrieben werden. Die vorangetrieben werden, weil im Hintergrund zahlreiche einflussreiche Interessen drücken und schieben. Im Fall der Zuwanderung von Arbeitskräften außerhalb der EU-Staaten sind es vor allem die Arbeitgeber, die ordentlich Dampf machen beim „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“. Denn dessen Geburt war schon mit erheblichen und lang anhaltenden Geburtswehen versehen und nun drängt die Zeit, das Regelwerk über die parlamentarischen Hürden zu hieven, bevor einem der GroKo-Laden um die Ohren fliegt.

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