An sich ein guter Tag für viele Pflegebedürftige und ihre Angehörige. Mehr Leistungen und – diskussionsbedürftige – Weichenstellungen. Gleichzeitig twittert der #Pflegestreik mit sich selbst

Mit einem umfassenden Reformanspruch geht das Pflegestärkungsgesetz II einher, das vom Bundeskabinett am heutigen Mittwoch angeschoben wurde. Mehr Hilfe für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, so hat der Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe die Erläuterungen seines Ministeriums zur Pflegerform überschreiben lassen. Das Gesetz soll am 1. Januar 2016 in Kraft treten und es enthält auch den – gefühlt seit Jahrzehnten angekündigten – neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, der mit einem neuen Begutachtungsverfahren zum 1. Januar 2017 kommen soll. Bereits Anfang 2015 wurde mit dem Ersten Pflegestärkungsgesetz die Unterstützung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen ausgeweitet und jetzt wird noch mal was nachgelegt. Und keiner soll behaupten, es gehe hier um Peanuts: Insbesondere Menschen mit Demenz und psychischen Störungen eine bessere Pflege erhalten. Sie haben künftig Anspruch auf die gleichen Leistungen wie Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Die bislang drei Pflegestufen werden durch fünf Pflegegrade ersetzt. Bis zu 500.000 Menschen können nach Angaben des Ministers mittelfristig durch die Reform zusätzliche Unterstützung erhalten. Auch die pflegenden Angehörigen werden bedacht: »Wer für die Pflege aus dem Beruf aussteigt, erhält künftig von den Pflegekassen dauerhaft Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Bislang werden Beiträge nur während der maximal sechsmonatigen gesetzlichen Pflegezeit übernommen. Auch werden betreuenden Angehörigen in Zukunft höhere Ansprüche an die gesetzliche Rentenkasse gutgeschrieben«, kann man dem Artikel Bundeskabinett beschließt grundlegende Pflegereform entnehmen.

»Finanziert wird die zweite Stufe der Reform mit einer erneuten Anhebung des Beitragssatzes um 0,2 Beitragssatzpunkte zum 1. Januar 2017. Bereits zu Beginn dieses Jahres war er mit Inkrafttreten des ersten Pflegestärkungsgesetzes um 0,3 Punkte gestiegen. Beide Erhöhungen bringen zusammen rund fünf Milliarden Euro für zusätzliche Leistungen«, kann man dem Artikel Demenzkranke haben Anspruch auf höhere Leistungen entnehmen.

Es gibt auch kritische Stimmen: Zum großen Wurf hat es wieder nicht gereicht, kommentiert Wolfgang Prosinger. Neben den unbestreitbar positiven Aspekten der neuen Pflegereform identifiziert er die folgenden Schwachstellen:

»Die Entlastungen für die Angehörigen sind jedenfalls entschieden zu gering ausgefallen. Und eine Aufstockung des Personals für die stationäre oder ambulante Pflege ist ganz und gar nicht in Sicht … Auch das unsinnige, weil irreführende Bewertungssystem von Pflegeheimen ist nicht abgeschafft worden, genauso wenig wie das nicht gerade humane System der Pflege im Minutentakt. Ebenso wenig hat sich das Gesundheitsministerium an die Aufwertung des Berufs der Altenpfleger herangetraut. Aufwertung hieße auch bessere Bezahlung. Der physische und psychische Einsatz von Pflegern und deren beschämende Entlohnung stehen noch immer in einem krassen Missverhältnis zueinander.«

Damit spricht Prosinger tatsächlich einige diskussionsbedürftige Punkte an.

Nehmen wir die von vielen begrüßte Ankündigung, das bisherige System der Pflegestufen zu ersetzen durch ein System der Pflegegrade Bisher haben wir vier Pflegestufen (also eigentlich drei plus der so genannten „Pflegestufe 0“ bei Feststellung einer erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz (insbesondere Demenz). Das soll durch fünf Pflegegrade abgelöst werden. Zum neuen System und seinen Unterschieden zum Status Quo erfährt man vom Ministerium: »In Zukunft werden körperliche, geistige und psychische Einschränkungen gleichermaßen erfasst und in die  Einstufung einbezogen. Mit der Begutachtung wird der Grad der Selbstständigkeit in sechs verschiedenen Bereichen gemessen und – mit unterschiedlicher Gewichtung – zu einer Gesamtbewertung zusammengeführt.« Vereinfacht gesagt: „Gleichbehandlung“ der Einschränkungen und damit weg von der bisherigen Engführung auf einen rein somatischen Pflegebedürftigkeitsbegriff und zweitens weg von der Defizit- und hin zur Ressourcenorientierung („Grad der Selbständigkeit“). Das hört sich erst einmal gut an. Aber es lohnt sich, hier einmal genauer und durchaus auch kritisch hinzuschauen. Das Versprechen des neuen Systems lautet ja, dass es jetzt darum geht, die (noch verbliebene) Selbständigkeit zu taxieren und daran die Hilfeleistung zu taxieren.

Letztendlich ist das aber auch nur die andere Seite dessen, was bislang als „defizitorientierter“ Ansatz kritisiert wurde, denn es gilt: Das Begutachtungssystem wird auch in Zukunft die zentrale Aufgabe haben, Bedarfe und aus deren Grad abgeleitet dann die entsprechenden Hilfevolumina zuzuteilen (oder eben auch zu begrenzen oder zu verweigern). Und was soll jetzt wirklich anders sein als vorher? Die Einschränkungen und ihre Intensität lösen eine entsprechende Einstufung und damit verbundene Mittel aus.

Nur wenige Beiträge in der Pflegedebatte greifen diese Punkte kritisch-ablehend auf. Ein Beispiel wäre der Artikel Warnung vor dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff aus dem Pflege-Selbsthilfeverband. Dort findet man die folgenden Hinweise:

»Im Ergebnis hat dieser Ansatz jedoch den Effekt, dass sich jene finanziell belohnt sehen, die Pflegebedürftigkeit verstärken, hingegen andere bestraft sehen, die sich erfolgreich um Aktivierung und Wiedererlangung der Selbstständigkeit bemühen. Nach wie vor wird Pflege, die den Bedürftigen bedürftiger werden lässt besser bezahlt als solche die seine Selbstständigkeit fördert. Wie das alte, so wirkt auch das neue Verfahren entgegen der eigentlichen Zielsetzung des Pflegeversicherungsgesetztes: Es fördert den Pflegebedarf und behindert Prävention, Aktivierung und Rehabilitation.«

Und auch bei einem anderen Hoffnungspunkt wird in dem Artikel Wasser in den Wein gegossen – bei der Hoffnung, dass mit dem neuen Pflegebedürfigkeitsbegriff endlich die zerstörerische „Minutenpflege“ abgeschafft wird. Für das „aber“ an dieser Stelle wird ein ausgewiesener Pflege-Experte zitiert:

»Heinz Rothgang von der Universität Bremen … spricht von jähen Enttäuschungen, die vorprogrammiert seien. „Der Wissenschaftler räumte mit weiteren Mythen rund um den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff auf. So führe dieser nicht, wie vielfach erhofft, zur Abschaffung der so genannten Minutenpflege.“«

Viele kritische Stimmen heute in den Medien haben darauf hingewiesen, dass eines der drängendsten Probleme im Bereich der Pflege nicht adressiert wird mit der Gesetzgebung – der Personalmangel und die Frage, ob und wie es gelingen kann, ausreichend Fachkräfte für die Pflege zu gewinnen. Nun könnte man an dieser Stelle sehr viel empirisch gesichertes Material anführen, das zu einer Bestätigung der Skepsis beitragen würde.

Aber man kann es auch anders machen und lediglich einen Satz zitieren, der dem Artikel Wirtschaft sucht Arbeitskräfte: Diese Branchen hoffen auf die Flüchtlinge entnommen ist. »Die deutsche Wirtschaft sieht in dem Zustrom von Flüchtlingen vor allem Chancen: Viele Unternehmen wollen gut qualifizierte Asylbewerber einstellen – etwa als Bäcker oder Stuckateure. Wenn die Politik sie lässt«, können wir dort lesen. Und welche Branchen sich besondere Hoffnungen machen. Aus allen Ecken werden positive Erwartungen laut. Und dann am Ende des Artikels dieser eine Satz:

»Nur in den Pflegeberufen sind die Arbeitsbedingungen nach Ansicht des zuständigen Verbandes so schlecht, dass sie auch für Flüchtlinge unattraktiv seien.«

Den sollte man sich ausschneiden, um das in den Worten einer tradierten Arbeitstechnik zu benennen. Mehr muss man gar nicht sagen oder schreiben.

Und die Pflegekräfte selbst? Die machen tagaus tagein ihren Job, sie arbeiten oftmals unter skandalös schlechten Bedingungen. Wenn sie denn aufbegehren, dann erfolgt das eher im Modus der „Privatisierung“, also als individuelle Reaktion, beispielsweise durch Flucht aus dem Arbeitsfeld Pflege, durch Bemühungen, durch Aufstieg den Bedingungen an der Pflegefront zu entkommen, bei nicht wenigen anderen durch Krankheit und innerer Kapitulation.

Und ein Teil der Pflegekräfte twittert sich den Frust über die real existierenden Arbeitsbedingungen aus der Seele. Schon seit längerem – und heute war wieder so ein Höhepunkt – wird unter dem Hashtag #Pflegestreik versucht, zum einen auf die Bedingungen aufmerksam zu machen, zum anderen aber auch immer wieder daran zu erinnern, was wäre, wenn die Pflege mal streiken würde. Und viele wollen genau das, sie fordern ihn ein, den Pflegestreik.

Dann aber auch wieder aggressiv-empörte Reaktionen auf die wahrgenommene Nicht-Reaktion des Themas in den Medien und der Politik. Man wird einfach nicht gehört. Durchaus naheliegend die Vermutung: man wird nicht für voll genommen. Denn bei allen Problemen aus Sicht der Betroffenen – der Laden läuft doch (noch). Keine Ausfälle, keine katastrophalen Zustände aufgrund eines für die Öffentlichkeit offensichtlichen Personalmangels und wenn der mal an die Oberfläche kommt, dann kann man das als Einzelprobleme kleinschreddern.

In dieser Gemengelage könnte man durchaus zur der logischen Schlussfolgerung kommen, dass es dann wohl wirklich an der Zeit ist, durch einen echten Arbeitskampf der Welt zu zeigen, welche katastrophalen Auswirkungen ein Streik des Pflegepersonals hätte. Und im Prinzip hätten die Pflegekräfte eine gewaltige Schlagkraft bei einem flächendeckenden Streik, denn innerhalb kürzester Zeit würde in unserer Gesellschaft in Millionen von Familien vieles zusammenbrechen.
Im Prinzip heißt aber eben auch – nicht unbedingt in der Realität. Denn die Pflegekräfte sind durchaus mit zahlreichen analogen Rahmenbedingungen konfrontiert wie die Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen oder den Jugendämtern oder den Jugendhilfeeinrichtungen, die erst vor kurzem erste Erfahrungen sammeln konnten mit einem unbefristeten Streikversuch. Und letztendlich gescheitert sind, wenn man das aktuelle Desaster um den von den Gewerkschaftsmitgliedern mit großer Mehrheit abgelehnten, von der Gewerkschaftsspitze vorher bei den Verhandlungen aber durchgewunkenen Schlichterspruchs betrachtet und der leider erwartbaren Reaktivierung in Form punktueller, tageweiser Streiks, die den Arbeitgebern noch weniger weh tun werden als die mehrwöchigen Streikaktionen vor der Schlichtung. Irgendwann wird man das abbrechen.

Und die Pflege hat nicht nur vergleichbare Strukturprobleme wie die Sozial- und Erziehungsdienste, bei ihr sehen die noch krasser aus. Denn es handelt sich eben nicht um „klassische“ Streikmaßnahmen gegen Unternehmen, die die Streikfolgen unmittelbar und sofort zu spüren bekommen in der eigenen Schatulle. Anders ausgedrückt: Sowohl für Kitas wie auch für Pflegeeinrichtungen gilt der Tatbestand, dass man mit den Streiks die Eltern/Kinder bzw. die Pflegebedürftigen und deren Angehörige primär treffen würde, obgleich die Arbeitgeber gemeint sind. Die hingegen sind in einer wesentlich besseren Situation als privatwirtschaftliche Unternehmen, weil sie nur dann wirklich unter Druck geraten würden, wenn die gar nicht gemeinten, tatsächlich aber getroffenen Dritten ihre Wut gegen sie richten würden und nicht gegen die Streikenden.

Damit das nicht missverstanden wird – wenn man sich in der gegebenen Machtkonfiguration bewegt, dann wäre ein aufrüttelnder Arbeitskampf in der Pflege längst überfällig. Die berühmte „Eine-Million-Euro-Frage“ lautet hingegen: Wie bekommt einen solchen organisiert? Und wie verhindert man ein Desaster wie im Bereich der Sozial- und Erziehungsdienste. Das sind keine trivialen Fragen, aber sie müssen a) gestellt und b) bearbeitet werden. Denn das zeigen leider auch die Erfahrungen des Streiks der Sozial- und Erziehungsdienste: Wenn man das machen will oder meint zu müssen, dann hat man eigentlich nur einen Schuss frei und gerade deshalb sollte man sich vorher auf einer realistischen Basis klar sein darüber, wie man wieder raus kommen kann, wenn man irgendwo reingeht. Beispielsweise in einen Arbeitskampf.

Fachkräftemangel in der Pflege: Eigentlich müsste man … Aber in der wirklichen Realität senkt man dann lieber die Fachkraftquote in den Heimen

Ach, die Pflege. Auf Twitter wird seit einiger Zeit unter dem Hashtag #pflegestreik erbittert und mit vielen frustrierend daherkommenden Wortmeldung versucht, die Medien zu animieren, endlich mal und mehr über die katastrophale Arbeitssituation vieler Pflegekräfte zu berichten. Und immer wieder kommt die Botschaft rüber, dass eigentlich der nächste richtig große Arbeitskampf in diesem Bereich fällig wäre – wenn das nicht so unglaublich schwierig bis unmöglich wäre zu organisieren. In diesem Kontext war und ist der erste unbefristet angelegte Streik von Pflegekräfte an der Charité in Berlin ein wichtiger Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung (vgl. hierzu den Blog-Beitrag Nicht mehr Geld, sondern mehr Leute: Der unbefristete Pflegestreik an der Charité in Berlin wird ausgesetzt. Eckpunkte für eine zukünftige Personalausstattung vereinbart vom 1. Juli 2015). Zugleich wird immer offensichtlicher, dass jenseits des teilweise sehr instrumentalisierenden Geredes von einem Fachkräftemangel ein solcher mehr als real existiert in einigen Bereichen, zu denen die Pflege sicherlich gehört. In 96 Berufen wird das Personal knapp, so beispielsweise Silvia Dahlkamp über eine neue Studie (Sebastian Bußmann: Fachkräfteengpässe in Unternehmen – Geschlechterunterschiede in Engpassberufen, 2015):

»Es trifft die üblichen Verdächtigten: Danach fehlen besonders im Alten- und Krankenpflegebereich qualifizierte Arbeitskräfte, und auch in den naturwissenschaftlich-technischen Berufen sieht es mau aus. Nach wie vor klagt das Handwerk: dort werden vor allem Sanitär-, Heizungs- und Klimatechniker gesucht … Freie Stellen im Pflegebereich (86 Prozent weiblich) bleiben vielfach frei. In anderen Gesundheitsberufen sieht es ähnlich düster aus. Auf der Top-20-Liste der Mangelberufe stehen unter anderem zahnmedizinische Fachangestellte (99,5 Prozent weiblich), Sprach- und Physiotherapeuten (93,9 Prozent weiblich). Auch die Zahl der Augenoptiker geht zurück.«

Mit einer handfest-praktischen, andere würden sagen naiven Herangehensweise könnte man auf die Idee kommen, jetzt werden alle Anstrengungen unternommen, die Zahl der qualifizierten Kräfte zu erhöhen, nicht nur durch mehr Ausbildungsplätze (die tatsächlich zugenommen haben), sondern auch durch eine dringend notwendige Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Und zu denen gehören nicht nur die monetären Rahmenbedingungen, sondern eines der größten Übel aus Sicht der Betroffenen ist der permanente und sich verschärfende Personalmangel.

Gerade für den Bereich der Pflegeheime kommt erschwerend hinzu, dass wir in den vergangenen Jahren konfrontiert waren mit einer für die Beschäftigten hoch problematischen Veränderung: Das durchschnittliche Heimeintrittsalter ist angestiegen, damit verbunden sind die Bewohner oftmals nur wenige Jahre oder kürzer im Heim, sie kommen oftmals mit mindestens Pflegestufe I, der Anteil der dementiell Erkrankten und damit eigentlich besonders pflege- und betreuungsintensiven Menschen hat erheblich zugenommen. Das erfordert nicht nur mehr Personal überhaupt, also hinsichtlich der Quantität, sondern auch fachlich entsprechend qualifiziertes Personal, denn hier werden eben nicht nur irgendwelche Hotellerie-Leistungen fällig, sondern die Pflegeintensität ist erheblich.

Nun gibt es für die in Pflegeheimen Beschäftigten eine so genannte „Fachkraftquote“, die in der aus dem Heimgesetz abgeleiteten Heimpersonalverordnung (HeimVO) verankert ist. Diese Verordnung regelt Mindeststandards für die personelle Ausstattung von Heimen für alte Menschen, für Pflegebedürftige oder für behinderte Volljährige:

In § 5 wird bestimmt, wie viele Fachkräfte bei der Betreuung der Heimbewohner mindestens beschäftigt werden müssen. In Heimen, in denen mehr als 20 Bewohner leben oder in denen mindestens vier pflegebedürftige Bewohnern leben, müssen mindestens die Hälfte der anwesenden Betreuungskräfte Fachkräfte sein. In Heimen mit pflegebedürftigen Bewohnern muss auch bei Nachtwachen mindestens eine Fachkraft ständig anwesend sein. In Heimen mit weniger Bewohnern muss mindestens eine Fachkraft in der Betreuung tätig sein.

Vereinfacht kann man sich also merken: Fachkraftquote = 50%. Wer aber zählt zu den Fachkräften im Sinne der Verordnung? In der Pflege sind Fachkräfte Altenpflegerinnen und Altenpfleger oder Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und Gesundheits- und Krankenpfleger. Altenpflegehelferinnen und Altenpflegehelfer, Krankenpflegerhelferinnen und Krankenpflegehelfer sowie vergleichbare Hilfskräfte sind keine Fachkräfte im Sinne der Verordnung.

Nun muss man wissen, dass das Heimrecht 2006 von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes in die der Länder übergegangen ist. Dort sind die personellen Mindestanforderungen für Heime nunmehr in Landesgesetzen geregelt, aber die Fachkraftquote taucht überall auf.

So auch im grün-rot regierten Baden-Württemberg. Dort galt bislang die einfache Formel: 50% Fachkräfte – 50% andere. Das aber ändert sich jetzt: Unter der neutral daherkommenden Überschrift Personaleinsatz in Heimen neu geregelt teilt das zuständige Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren mit: »Nach den Worten von Sozialministerin Katrin Altpeter ermöglicht die neue Vorschrift einen flexibleren Personaleinsatz, ohne dass die Qualität der Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner beeinträchtigt wird.« Ein „flexiblerer“ Personaleinsatz ohne Qualitätsbeeinträchtigungen? Da wird man hellhörig. Lesen wir weiter:

»So bleibe das Grundmodell des neuen Wohn-, Teilhabe-, und Pflegegesetzes des Landes (WTPG) zwar bestehen, wonach fünfzig Prozent der Beschäftigten für pflegende und sozial betreuende Tätigkeiten Fachkräfte sein müssen. Wenn im Kernbereich der Pflege aber tatsächlich Pflegefachkräfte eingesetzt werden und dazu in geringem Umfang andere Fachkräfte, wie zum Beispiel Ergotherapeuten, Heilerziehungspfleger, Pädagogen, Sozialarbeiter und Sprachtherapeuten, dann könne die Quote der Pflegefachkräfte von fünfzig Prozent künftig unterschritten werden. Sie dürfe grundsätzlich aber nicht unter vierzig Prozent fallen.«

Irgendwie wird da verschwurbelt formuliert, man kann es auch einfacher ausdrücken, was da der Landesgesetzgeber gemacht hat:

Bisher: 50% / 50% => neu: 40% / 60 %.

Die Flexibilisierungsanstrengungen des Gesetzgebers für die Heimbetreiber gehen aber noch weiter:

»Neue Vorgaben gibt es nach den Worten von Ministerin Altpeter auch für die Präsenzzeiten von Pflegefachkräften. Im Tagesdienst sieht die neue Personalverordnung demnach den Einsatz von einer Pflegefachkraft je 30 Bewohnerinnen und Bewohner vor. Dieser Schlüssel müsse jedoch nur im Tagesdurchschnitt eingehalten werden. Eine Pflegefachkraft dürfe sich nun zum Beispiel in „Ruhezeiten“ um mehr als 30 Bewohnerinnen und Bewohner kümmern, wenn zu anderen Tageszeiten, wo im Heim mehr Unterstützungs- und Pflegebedarf gebraucht wird, der Einsatz von Pflegefachkräften wieder aufgestockt wird.«

Und dann das Thema Nachtdienste, heftig umstritten angesichts der aus diesem Bereich immer wieder berichteten teilweise katastrophalen Unterbesetzungen (aktuell wurde dies gerade mit Blick auf die Nachtdienstbesetzungen in den Krankenhäusern kritisch thematisiert, dazu der Beitrag Man kann sich auch zu Tode sparen. Die alles überlagernde Kostensenkungslogik trifft in der Pflege beide Seiten der Medaille hart, die Patienten und die Pflegekräfte vom 7. März 2015). Für die Pflegeheime sieht die neue gesetzliche Regelung in Baden-Württemberg vor:

»Für jeweils vierzig Bewohnerinnen und Bewohner muss mindestens eine Pflegefachkraft bei Nacht da sein. Wo mehr Personen betreut werden müssen, können neben den Pflegefachkräften zur Hälfte auch andere Fachkräfte oder Assistenzkräfte eingesetzt werden. Dies sind zum Beispiel Dorfhelfer, Heimerzieher, Gerontologen, Heilerzieher, Sozialarbeiter (Fachkräfte) oder Alltagsbetreuer, Altenpflegehelfer, Gesundheits- und Krankenpflegehelfer (Assistenzkräfte).«

Es ist offensichtlich geworden, in welche Richtung die neuen Regelungen gehen. Man will schlichtweg die Freiheitsgrade erhöhen beim Einsatz irgendwelchen Personals. Aber angesichts der nur umrissenen Entwicklungslinien gerade im stationären Altenpflegebereich würde eher eine Anhebung der Fachkraftquote Sinn machen, aber doch nicht ihre Absenkung.

Dabei muss man fairerweise darauf hinweisen, dass die Fachkraftquote an sich auch in der fachlichen Diskussion nicht unumstritten ist. Vgl. dazu nur beispielsweise den Artikel Die Fachkraftquote auf dem Prüfstand über das 11. Symposium von KWA Kuratorium Wohnen im Alter mit dem Titel „Fachkraftquote –Qualitätsmaßstab oder Sackgasse?“, bei dem es um Alternativen zur Fachkraftquote ging. Klar erkennbar ging es um eine massive Infragestellung der Quote an sich, wie der folgende Passus verdeutlicht:

»Prof. Dr. Thomas Klie von der Evangelischen Hochschule in Freiburg kritisierte als Jurist schon allein die Tatsache, dass das Heimrecht ein Gewerbesonderrecht sei und nicht regeln könne, wie viel Personal vorgehalten werden müsse. Dies bedeute einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Die Fachkraftquote folge zudem ausschließlich pragmatischen Kriterien, aber nicht wissenschaftlichen Gütekriterien: „Gefragt ist die Orientierung am individuellen Pflege- und Unterstützungsbedarf, zu dem auch die Teilhabe, d.h. soziale Betreuung gehört. Die Ermittlung dieses funktionsbezogenen Leistungsbedarfs ist aber nicht die Aufgabe des Landesgesetzgebers“, so Klies grundsätzliche Kritik von juristischer Seite. Für die Politik komme das Infragestellen der Fachkraftquote dem Schlachten einer heiligen Kuh gleich – obwohl sich die Quote in der Praxis als viel zu unflexibel erwiesen habe, neue Konzepte (z.B. Wohngruppen) behindere, fachlich nicht begründet werden könne und angesichts der fehlenden Fachkräfte zu einem immer größeren Problem für Einrichtungen werde. Erfreulich sei es daher, dass einige Bundesländer erste Schritte in eine neue Richtung gingen und die starre Quotenregelung etwas gelockert hätten, betonte Klie. In Baden-Württemberg heißt das Stichwort Flexibilisierung (Nachtwache), in Mecklenburg-Vorpommern findet eine Öffnung der Berufsgruppen statt (Einbeziehung der Hauswirtschafts-Fachkräfte), Bremen berücksichtigt neue Konzepte (Hausgemeinschaften) und Hamburg wird den Trägern mehr Verantwortlichkeit übergeben. „Auch wenn wir die heilige Kuh noch nicht angetastet haben, wollen wir die Fachkraftquote lockern“, erklärte Nina Gust von der Hamburger Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration bei der Podiumsdiskussion am Nachmittag. „Wir wollen künftig mehr Wert auf die Ergebnisqualität legen und auf dieser Grundlage weitere Vereinbarungen treffen, um die vielfältigen Wohnformen zu fördern.“«

Man muss sich die Ausführungen in aller Ruhe zu Gemüte führen – neben einer grundsätzlich berechtigten Skepsis gegen formale Quotenvorgaben allgemein und der durchaus berechtigten Frage nach der fachlichen Fundierung der 50% wird doch erkennbar, dass es um eine Auflösung dieser als Hürde seitens der Heimbetreiber wahrgenommenen Vorgabe geht, ohne dass man sehen kann, dass etwas besseres an dessen Stelle gesetzt werden würde. Die Flexibilisierung ist eine für die Personaleinsatzseite der Betreiber. Und natürlich haben die zunehmend und schon seit längerem Probleme, gerade Fachkraft-Stellen adäquat zu besetzen.

Greifen wir aus dem riesigen Fundus an Meldungen nur eine willkürlich heraus: Erfüllen der Fachkraft-Quote für Altenheime immer schwerer, konnte man im September 2012 mit Blick auf die Situation im Bundesland Hessen lesen. Und weiter:

»In den hessischen Senioren- und Behindertenheimen sinkt der Anteil der ausgebildeten Fachkräfte. Nur noch gut zwei Drittel (67 Prozent) aller Heime erreichten 2011 die vorgeschriebene Fachkräftequote von 50 Prozent oder mehr. 2010 waren noch in drei Viertel der Häuser die Mehrzahl der Beschäftigten vom Fach.«

In dem Artikel findet man auch die Quote verteidigende Stimmen:

»Die 50-Prozent-Quote halte das System im Gleichgewicht, erklärt Friedhelm Schrey, Geschäftsführer der EVIM-Altenhilfe (Evangelischer Verein für Innere Mission), die mehrere Heime im Rhein-Main-Gebiet betreibt: „Weniger wäre für eine fachlich qualifizierte Versorgung schlecht.“ … Trotz des Fachkräftemangels sollte die gesetzliche Quote von 50 Prozent nicht gesenkt werden, findet auch Inka Kinsberger, Leiterin des kirchlichen Altenzentrums an der Rosenhöhe in Darmstadt. „Sonst kann ja jeder pflegen.“ Die Arbeit verlange eine fundierte Ausbildung. Über die frühere Einstellung, dass man nur das „Herz am rechten Fleck“ haben müsse, sei der Beruf hinausgewachsen.«

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hat sich im vergangenen Jahr so zur Fachkraftquote positioniert: »Was einmal als Untergrenze des Anteils an qualifiziertem Pflegepersonal gedacht war, wurde vor allem auf Druck der Kostenträger schnell zur festen Quote. Angesichts der o.g. Veränderungen, aber noch mehr vor dem Hintergrund des Kostendrucks und des zunehmenden Mangels an Pflegefachper- sonen, wird die Fachkraftquote rhetorisch in Frage gestellt und teilweise in der Praxis bereits ausge- höhlt und unterlaufen, z.B. indem die anzuerkennenden Berufsqualifikationen ausgeweitet werden.« Der DBfK fordert, die Fachkraftquote
ausdrücklich als Pflegefachkraftquote mit einer Untergrenze von 50% zu definieren.

Aber wir sehen, die Entwicklungen vor Ort und nun auch in den Ländergesetzen bzw. den untergesetzlichen Regelungen in den Ländern laufen in die andere Richtung. Das ist gefährlich für die Pflege in einem doppelten Sinne: Zum einen wird an der Fachlichkeit weiter genagt, zu deren Schutz ja auch eine solche Mindestfachkraftquote gedacht ist und zum anderen wird dass im Zusammenspiel mit anderen, leider auch zu beobachtenden Fehlentwicklungen (beispielsweise die Instrumentalisierung der eigentlich zusätzlichen Betreuungskräfte für den Pflegebereich, wo sie aber gar nicht angesetzt werden dürfen/sollen, vgl. hierzu den Beitrag Profi-Pflegekräfte nicht mehr allein im Heim! Die zusätzlichen und ergänzenden Betreuungskräfte und das alte Dilemma: Gut starten und zuweilen falsch landen vom 31.05.2015) dazu führen, dass weiterhin nach dem Prinzip „Löcher stopfen“ verfahren wird, was zugleich die Überlastungsspirale noch schneller antreiben wird. Und dann werden weitere Fachkräfte das Arbeitsfeld verlassen oder schneller verlassen, als sie es sonst vielleicht getan hätten.

Man kann das sicher irgendwie noch eine Weile so weiter treiben. Aber wenn man genau hinschaut: Das System kollabiert, vor allem die Menschen, die darin arbeiten, kollabieren. Die Stimmung wird immer aggressiver. Man kann nur hoffen, dass die Pflegekräfte ihren systembedingten Frust nicht autoaggressiv gegen sich selbst richten, sondern dass sie das System herausfordern werden.

Entlastung an der einen oder anderen Stelle, aber keine Lösung des zunehmenden Personalmangels: Ausländische Pflegekräfte

Schon heute klagen Heime, Kliniken und Pflegedienste über Probleme, freie Stellen zu besetzen. Im Ausland nach Fachkräften zu suchen, ist dabei trotzdem für die meisten keine Option, wie eine aktuelle Befragung zeigt, die von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht wurde. Eine Zusammenfassung findet man in dem Artikel Im Ausland wird kaum nach Arbeitskräften gesucht.  Der Artikel bezieht sich dabei auf die Studie Internationale Fachkräfterekrutierung in der deutschen Pflegebranche von Holger Bonin, Grit Braeseke und Angelika Ganserer. Der Befund einer sehr zurückhaltenden Inanspruchnahme der aktiven Personalgewinnung im Ausland ist vor dem Hintergrund, dass in den vergangenen Monaten immer wieder von den Bemühungen, ausländische Pflegekräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu rekrutieren, in den Medien berichtet wurde. Da kommen dann solche Berichte raus: »Ohne Kräfte aus dem Ausland wäre das Pflegesystem in Deutschland längst zusammengebrochen«, kann man dem Artikel So integriert die Münchenstift ausländische Pflegekräfte entnehmen. Und weiter: „Ohne diese Pflegekräfte aus Bosnien, Kroatien oder anderen Ländern geht es längst nicht mehr“, wird der Münchenstift-Chef Sigi Benker zitiert. »Schon jetzt haben 60 Prozent der insgesamt 1.900 Mitarbeiter in seinen Häusern einen Migrationshintergrund – es werden wohl noch mehr werden.« Oder auch dieses Beispiel, zugleich ein weiteres Thema öffnend: »Sie kommen aus Spanien oder Polen und pflegen Patienten in Berlin und Brandenburg: Ohne ausländische Pflegekräfte könnten viele Kliniken nicht mehr arbeiten. Doch einige fühlen sich ausgebeutet«, heißt es in dem Beitrag Wie Krankenhäuser und Heime ausländische Pfleger knebeln aus dem Jahr 2014.

Damit man sich ein Bild machen kann von den Größenordnungen, um die es derzeit geht, hier ein grober Blick auf die Beschäftigungsdaten:

73.600 ausländische Pflegekräfte waren 2013 in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren 5,5 Prozent aller Pflegekräfte. Mit 9.949 Pflegekräften war Polen am stärksten vertreten, knapp gefolgt von der Türkei, woher 9.071 Fachkräfte kamen. Das andere Ende der Skala bildet China mit 106 in Deutschland tätigen Pflegekräften.

Schon in zehn Jahren dürften in Deutschland zwischen 150.000 und 370.000 Vollzeitstellen in der Pflege fehlen, heißt es in der Untersuchung der Bertelsmann Stiftung. Dann stellt sich natürlich die Frage, warum die Arbeitgeber relativ zurückhaltend sind bei der Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte:

»Demnach haben nur rund 16 Prozent der dafür befragten 600 Unternehmen ausländische Fachkräfte im Einsatz. Mit gutem Erfolg: Drei von fünf Personalverantwortlichen sind mit den neuen Mitarbeitern zufrieden oder sogar sehr zufrieden.
Weil die bürokratischen Hürden bei der Einstellung ausländischer Pflegekräfte oft ebenso hoch sind wie die Sprachbarrieren, versuchen viele Unternehmer eher Personal von der Konkurrenz abzuwerben und die Mitarbeiter im Betrieb zu qualifizieren. Ein gutes Arbeitsklima und ein sinkender Krankenstand soll helfen, die Mitarbeiter zu halten«, berichtet Anno Fricke in seinem Artikel.

Auch der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, hat sich zu Wort gemeldet: Der Arbeitsmarkt in Deutschland sei jedoch so lange nicht ausgeschöpft, so lange das Problem der unfreiwilligen Teilzeit fortbestehe. Ein wichtiger und richtiger Hinweis.

»Die Autoren der Bertelsmann-Studie geben sieben Empfehlungen ab, wie ausländische Pflegekräfte reibungsloser in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Ganz oben steht die Forderung nach einem bundesweit einheitlichen und kompetenzorientierten Verfahren der Berufsanerkennung. Zudem sollten mögliche Bewerber schon zu Hause Möglichkeiten vorfinden, Deutsch zu lernen«, berichtet Fricke.

Die Umfrage habe aber auch deutlich gemacht, so die Studienautoren, dass nicht alle Unternehmen von sich aus bedächten, dass sich durch ihr Engagement Lücken in der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Entsendeländer auftun könnten. Das nun wieder wirkt irgendwie als wohlfeile Einfügung einer kritisch daherkommenden Fußnote – denn natürlich reißen alle Arbeitgeber, die hier in Deutschland Fachkräfte aus anderen Ländern beschäftigen, unvermeidbar Lücken in die dortige Versorgung. Man werfe nur einen Blick auf die gut 30.000 ausländischen Ärzte, die in deutschen Krankenhäusern die medizinische Versorgung mit aufrechterhalten. Viele kommen aus osteuropäischen Ländern, wo ihr Weggang schmerzhafte Versorgungslücken reißt.

Die entscheidende Aufgabe wird in den vor uns liegenden Jahren darin liegen, zum einen die Pflegeberufe endlich aufzuwerten und die Arbeitsbedingungen erträglicher zu gestalten, auf der anderen Seite wird man gerade angesichts der definitiv stark ansteigenden Zahl an pflegebedürftigen Menschen nicht umhin kommen (im Zusammenspiel mit völlig berechtigten Forderungen nach einer Verbesserung der Personalschlüssel), auch Zuwanderer für die Pflege zu gewinnen. Dies dann aber bitte zu qualifizierten und qualifizierenden Bedingungen. Sicherlich gäbe es unter den Menschen, die gerade in großer Zahl zu uns gekommen sind und noch kommen werden, auch viele, die sich eine berufliche Tätigkeit in der Pflege vorstellen können. Dafür muss man diese Menschen dann aber auch entsprechend qualifizieren. Jeder Euro, den man dafür in die Hand nimmt bzw. nehmen würde, wird sich um ein Vielfaches auszahlen.

Man sollte aber auch so ehrlich sein, dass das nicht nur erhebliche vorlaufende Investitionen voraussetzen würde, sondern man braucht vor allem auch Zeit, denn das zentrale Nadelöhr gerade für die Menschen, die in der Pflege arbeiten wollen oder sich das vorstellen können, ist oftmals die deutsche Sprache, denn man arbeitet in der Pflege nicht an Maschinen oder anderen Dingen, sondern am und mit dem Menschen und da ist Kommunikation von zentraler Bedeutung. Und die deutsche Sprache ist keine einfache Sprache und nicht jeder ist sprachbegabt. Dann benötigt man Zeit und eine qualifizierte Begleitung der zukünftigen (potenziellen) Pflegekräfte, denn gerade auf ausreichend Sprachkompetenz muss gerade in solchen Bereichen wie er Pflege besonderer Wert gelegt werden – im beiderseitigen Interesse, sowohl der Pflegebedürftigen wie auch des Personals. Aber das verstärkt nur eine Einsicht: Jedes Jahr, jeder Monat und jeder Tag, den wir länger warten, durch umfassende Bildungsinvestitionen den Menschen, die zu uns gekommen sind bzw. das noch werden, und die auch prinzipiell in der Pflege arbeiten können und wollen, das zu ermöglichen, wird sich angesichts des in den meisten Fällen mehrjährigen Qualifikations- und Anpassungsprozesses bitter rächen. Statt aber dieses Thema systematisch anzugehen, verlässt man sich auf die mehr oder weniger durchdachten Suchbewegungen einzelner Heime oder Träger von solchen. Das kann mal klappen, oft aber auch nicht.