Das moderne Prekariat sitzt nicht (nur) in sozialen Brennpunkten. Sondern auch im Cockpit und fliegt über den Wolken

Überall Billig-Modelle. Ein Wesensmerkmal unserer Zeit. Hier ein Schnäppchen, da ein Sonderangebot. Und das muss Konsequenzen haben, vor allem für diejenigen, die das Billige an den Mann und die Frau bringen müssen. In Deutschland ist man da wie bei so vielen anderen Sachen sehr konsequent und perfektioniert die Dauerniedrigpreis-Schiene mit allen betriebswirtschaftlichen Finessen. Als Ergebnis muss man dann beispielsweise zur Kenntnis nehmen, dass die deutsche Fleischindustrie mit den Billig-Schlachthöfen Europas arbeiten kann, die unsere Nachbarländer, wo noch halbwegs ordentliche Beschäftigungsverhältnisse ermöglicht werden, in den Wahnsinn, zumindest in die betriebswirtschaftliche Enge treiben. Oder nehmen wir als weiteres Beispiel den Flugverkehr. Billig-Airlines breiten sich aus wie Fußpilz. Allen voran – aber bei weitem nicht auf dieses Unternehmen begrenzt – Ryanair. Die irische „Low-Cost“-Gesellschaft, bislang von entlegenen Provinzflughäfen operierend, drängt nun auch in die Zentren des deutschen Luftverkehrs, so auf die Flughäfen Köln-Bonn oder Frankfurt am Main. 

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Die ritualisierte (Nicht-)Debatte über Armut und Armutsgefährdung, weitere Armutsberichte und ein wissenschaftlicher Ordnungsruf

Anfang März hat der Paritätische Wohlfahrtsverband gemeinsam mit einigen anderen Organisationen seinen Armutsbericht 2017 veröffentlicht (vgl. dazu auch den Beitrag Der neue Armutsbericht als Thema? Das machen alle. Deshalb ein Ausflug in den Keller des Arbeitsmarktes mit richtig harter Armut vom 2. März 2017 sowie die Aufarbeitung von Joachim Bischoff und Bernhard Müller: Marktschreier der Armut? Die Polemik und die Fakten) – und erneut mussten wir Zeugen werden einer fast schon ritualisierten Form der (Nicht-)Auseinandersetzung mit dem Armutsthema. Während Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband bei der Präsentation des neuen Berichts (mit Zahlen, die sich auf 2015 beziehen) bekannt deutliche Worte fand („Die Armut in Deutschland ist auf einen neuen Höchststand von 15,7 Prozent angestiegen“), setzte gleichzeitig das Gegenfeuer der Kritiker an dieser Form der Armutsberichterstattung ein. Hier nur einige Beispiele: Armutsbericht ist politische Marktschreierei, kommentiert Dagmar Pepping vom NDR, nicht nur semantisch der abfälligen Einordnung von Heike Göbel in der FAZ folgend, die ihren Kommentar unter die Überschrift Marktschreier der Armut gestellt hat. Von einer Stunde der Lobbyisten spricht der Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis und meint damit nicht etwa Lobbyisten der Waffenindustrie oder der Versicherungswirtschaft, die ihre Produkte verticken wollen, sondern er beklagt „die gelungene Lobbyarbeit der Sozialindustrie“. Und selbst das sozialdemokratisch geführte Bundesarbeitsministerium meldet sich so zu Wort: Nahles-Ministerium zweifelt Armutsbericht an. „Die Fokussierung auf die Armutsrisikoquote ist verkürzt“, verkündet das Ministerium. „Andere Indikatoren, wie zum Beispiel die Anzahl der Langzeitarbeitslosen oder die Quote der erheblichen materiellen Deprivation, weisen eine andere Richtung auf.“ Ein Merkmal durchzieht so gut wie alle Texte der Kritiker – die Messung von „Armut“ entsprechend dem relativen Armutsbegriff an einem Schwellenwert von 60 Prozent des Medianeinkommens sei „Humbug“ oder „einfach nur skurril„, wie beispielsweise Daniel Eckert behauptet. Dass das keineswegs so ist, wird gleich noch zu besprechen sein.  

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Wenn aus nicht falschen Zahlen falsche Ableitungen gemacht werden und die strukturellen Probleme unter die Räder der Lagerbildung kommen. Anmerkungen zum „Equal Pay Day“

Man kennt das aus vielen politischen Debatten: Dafür oder dagegen? Schwarz oder weiß? Richtig oder falsch? Und wenn man sich dann positioniert hat, wird der eigene Standpunkt fortgeschrieben und teilweise oder vollständig gegen jede Form der Kritik immunisiert oder kritische Anmerkungen als die eigenen Kreise störend grundsätzlich zurückgewiesen. Und das andere Lage macht das auch und es beginnt ein mehr oder weniger munteres Ping-Pong-Spiel. Sollte jemand zwischen den Lagern stehen und darauf hinzuweisen versuchen, dass es für beide konträren Positionen durchaus Argumente gibt und dass gerade in gesellschaftlichen Zusammenhängen ausnahmslos mehrdimensionale Zusammenhänge festzustellen sind, dann hat man es schwer. Wie viel einfacher kommt da gerade in diesen Tagen der generellen Simplifizierung die teilweise nur noch zum Fremdschämen peinliche „Zuspitzung“, die aber mit der Lebenswirklichkeit wenn überhaupt, dann nur punktuell was zu tun hat. 

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