Alles gut jetzt? Erntehelfer in Deutschland als Nicht-Thema im Jahr 2023

Und jedes Jahr grüßt das Erntehelfer-Murmeltier. So könnte man den Tatbestand umschreiben, dass in der Vergangenheit – meist zu Beginn der Erntesaison – immer eine zwar kurze, aber heftige Welle der Berichterstattung über problematische bis skandalös schlechte Arbeitsbedingungen durch die Medien schwappt, um dann spätestens im Sommerloch zu verschwinden. Und auch hier wurde in aller Regelmäßigkeit über die Situation der Menschen berichtet, die zu uns kommen, um nicht nur Spargel, sondern auch andere Leckereien vom Feld zu holen.

So wurde hier am 8. März 2022 der Beitrag Ukrainer, die schon da waren. Viele neue werden kommen (müssen). Und Georgier waren auch schon da und wollen nicht wiederkommen. Hier geht es um Erntehelfer veröffentlicht. Und im zweiten Jahr der Corona-Pandemie erschien im Oktober 2021 der Beitrag Auch 2021 waren einige da: Die Erntehelfer. Zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft im zweiten Corona-Jahr und pünktlich zur anlaufenden Erntesaison im April 2021: Soll der deutsche Spargel jetzt zu Fischstäbchen verarbeitet werden? Was die Änderung des Seefischereigesetzes damit zu tun hat, günstige Erntehelfer noch günstiger importieren zu können. Und aus dem ersten Pandemie-Jahr 2020 stammt dieser Beitrag vom 11. Juni 2020: Die für einen kurzen Moment sichtbar gewordenen unsichtbaren Erntehelfer sind erneut im medialen Schattenreich – und sollen wieder alle kommen dürfen. Der Titel verweist schon auf die angesprochene besondere mediale (Nicht-)Behandlung des Themas (und der dahinter stehenden Menschen).

Vor diesem Hintergrund könnte man durchaus erwarten, dass auch im Jahr 2023 die angesprochene „Traditionslinie“ in diesem Blog fortgesetzt wird – es sei denn, die Arbeitsbedingungen für die betroffenen Saisonarbeiter haben sich zwischenzeitlich erkennbar verbessert und man kann aus sozialpolitischer Sicht Entwarnung funken. Da deutlich seltener in diesem Jahr berichtet wurde, ist das durchaus eine denkbare Möglichkeit. Wenn es da nicht diese Ausnahmen gegeben hätte auch in dem bislang insgesamt eher stillen „Erntehelfer-Jahr“ 2023.

In der Antwort-Warteschleife – die Frage nach dem Krankenversicherungsschutz

»Die Situation von Saisonkräften in Deutschland ist prekär. Meist arbeiten die Ernte­helfer und ‑helferinnen mit einem mangelndem Krankenversicherungsschutz. Die Bundesregierung hat Verbesserungen versprochen. Passiert ist bislang nichts«, so Till Eichenauer und Johanna Apel am 16.03.2023 unter der Überschrift Trotz Versprechens der Koalition: Saisonarbeiter immer noch mit schlechtem Gesundheitsschutz. „Gerade zur Erntezeit sind die Helfer enormem Hitzestress und einer starken UV‑Strahlung ausgesetzt. Auch das akute Verletzungsrisiko in den Betrieben ist hoch“, wird Ben Luig von der Initiative Faire Landarbeit, die in einem Bündnis mit der Gewerkschaft IG BAU ist, zitiert. Wer aber nur kurzfristig in Deutsch­land beschäftigt ist, hat einen schlechten Krankenversicherungsschutz. Was ist das Problem?

»Die Regelungen sind kompliziert: Wer weniger als drei Monate in Deutschland arbeitet, ist nicht sozialversicherungspflichtig. Die Helferinnen und Helfer müssen mit einem Dokument nachweisen, dass sie in ihrem Heimatland versichert sind. „Das ist aber selten der Fall“, so Ben Luig. Deshalb werden die kurzzeitig Angestellten der Bundesagentur für Arbeit gemeldet und meist eine private Gruppenversicherung für den Krankheitsfall abgeschlossen. Im Internet werden diese Versicherungen schon für 38 Cent pro Tag und Arbeiter angeboten.
Entsprechend sind auch die Leistungen, so Luig: „Diese Versicherungen bieten kaum Schutz. Chronische Krankheiten sind nicht abgedeckt, und Beschäftigte können auf einem Teil der Behandlungskosten sitzen bleiben.“ Außerdem würden viele Arbeitgeber ihre Saisonkräfte schlicht nicht über ihre Rechte informieren und ihnen die Nachweise über ihre Versicherung nicht aushändigen. Diese wissen dann nicht, dass sie überhaupt einen Versicherungsschutz haben, sagt Ben Luig. „Es kommt auch immer wieder vor, dass Arbeiter im Falle einer Krank­heit einfach gekündigt und ins Heimatland zurückgeschickt werden.“«

Aber sollte nicht alles besser werden mit dem Amtsantritt der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP? Im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 findet sich folgender Satz:

„Für Saisonbeschäftigte sorgen wir für den vollen Krankenversicherungsschutz ab dem ersten Tag.“

Das ist doch mal eine scheinbar klare Ansage. Könnte man denken.

Eichenauer und Apel haben vor diesem Hintergrund mal nachgefragt. Auf die Frage, »welche Fortschritte nach über zwei Jahren gemacht oder welche Vorschläge ausgearbeitet wurden, antwortete das zustände Bundesgesundheitsministerium knapp: „Wie ein solcher Versicherungsschutz konkret gestaltet werden könnte, wird regierungsintern noch abgestimmt.“«

Nicht überraschend: »Der Deutsche Bauernverband (DBV) hält die bestehenden Gruppenkrankenversicherungen für ausreichend. „Aus unserer Sicht ist eine neue Regelung nicht erforderlich“, sagte DBV‑General­sekretär Bernhard Krüsken.« Auf der anderen Seite: „Gerade Saisonbeschäftigte brauchen ausreichend Schutz“, wird die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke zitiert. Die Gruppen-Kranken­versicherungen der Landwirte reiche dafür nicht aus. „Deshalb wollen wir den Anspruch auf vollen Krankenversicherungsschutz durchsetzen.“ Aber Wollen und Können bzw. Dürfen fallen gerade bei der Ampel-Koalition bekanntlich durchaus öfter erheblich auseinander. Wir werden also den Vorgang für das kommende Jahr auf Wiedervorlage legen müssen.

Rumänen am Bodensee, gleichzeitig Pakistaner und andere Menschen aus Billigstlohnländern auf Baustellen des Billiglohnandes Rumänien: „Das ist Globalisierung“

Am 24. Mai 2023 veröffentliche Gesa von Leesen diesen Beitrag: Ohne sie läuft nichts. Darin geht es um rumänische Erntehelfer in Oberschwaben. Die arbeiten in der Bodenseeregion und pflücken dort Erdbeeren. Und die bekommen Besuch: Faire Mobilität ist eine Initiative des DGB und kümmert sich gemeinsam mit Partnerorganisationen wie der Betriebsseelsorge bundesweit um Wanderarbeiter aus der EU. Der Beitrag von Leesen verdeutlicht, wie ablehnend ein Teil der Arbeitgeber gegen die Aktivitäten ist, aber auch, wie schwierig sich die Kontaktaufnahme mit den Betroffenen gestaltet.

Aber wichtig ist, dass man auch die Perspektive der Landwirte zur Kenntnis nimmt, denn nichts ist (meistens) nur schwarz oder weiß. Dazu das Beispiel eines Spargel- und Erbeeranbauer in Ailingen-Bunkhofen. Berichtet wird über den Juniorbauer Christian Sauter:

Er »beteuert, seinen Leuten gehe es gut. „Wir haben auf dem Hof ein Haus für sie, das habe ich richten lassen.“ Er zählt auf: „WLAN, weil das wichtig ist für den Kontakt nach Hause, Frühstück aufs Feld, Trinkwasser, anderthalb Stunden Mittag.“ Er zahle nach Stunde, natürlich Mindestlohn. „Bei Akkord haben sie auch schnell mal Faules unten drin und das will ich nicht.“ Wieder und wieder beteuert er, dass ihm das Wohlergehen der Leute wichtig sei. „Ohne die geht es ja nicht.“ Seit fünf, sechs Jahren arbeite er mit denen zusammen. Vorher kamen vor allem Polen, nun Rumänen.
Die Ernte sei bislang gut, sagt Sauter. Aber es werde immer schwieriger, wirtschaftlich zu arbeiten. Der Mindestlohn, dauernd neue Vorschriften, die Produktionskosten steigen – „10.000 Euro für Verpackung dieses Jahr“ – und vor allem komme zu viel Billigobst aus anderen Ländern. Wenn in Spanien zigtausende Geflüchtete illegal für fast kein Geld in der Landwirtschaft arbeiten, dann können er und seine Kollegen nicht mithalten. Zudem drückten die großen Handelsketten die Preise. „Wenn Sie nur für den Großhandel produzieren, zahlen Sie drauf.“ Er halte sich mit Direktvermarktung auf Märkten und Ständen über Wasser.«

Eine rumänische Arbeiterin bestätigt die Angaben des Landwirts: »Sie habe früher in der Nähe von Münster gearbeitet. „Das waren sehr, sehr viele Leute, wir haben in Containern gewohnt“, sagt sie und macht eine wegwerfende Handbewegung. Ein Freund habe ihr Christian Sauter empfohlen. „Hier wohnen wir im Haus der Großeltern, der Lohn kommt pünktlich“, sagt sie noch und eilt zurück zur Arbeit.«

Apropos Krankenversicherung: Dem Juniorbauer Christian Sauter ist wichtig hervorzuheben: „Ich habe für alle eine extra Krankenversicherung abgeschlossen.“ Vor einigen Jahren habe eine Arbeiterin einen Schlaganfall gehabt. Das sei dramatisch gewesen. „Es ist nicht schön, die Familie in Rumänien anzurufen und ihr mitzuteilen, dass die Mutter im Krankenhaus liegt.“ Dann sollen sie doch wenigstens ärztlich gut versorgt werden.

Und wir werden auch mit der realen Hyperglobalisierung der Arbeitsmärkte entlang der Wohlstandsunterschiede konfrontiert. In dem Artikel wird Suzana Maurer von der Fairen Mobilität mit diesen Hinweisen zitiert: »In Bukarest hat sie lange für die Konrad-Adenauer-Stiftung gearbeitet, vor einem guten halben Jahr kam sie zurück nach Deutschland und arbeitet seitdem bei der Fairen Mobilität in Freiburg. „Ich habe gelernt, wie viele Rumänen und andere Osteuropäer in Deutschland arbeiten: in der Fleischindustrie, in der Logistik, in der Landwirtschaft. Ohne die würde hier nichts mehr funktionieren.“ Übrigens, sagt sie, auch in Rumänien gebe es Saisonarbeiter. Auf den Baustellen in Bukarest habe sie sehr viele Pakistaner, Inder, Bangladescher, Vietnamesen und Philippiner gesehen. „Das ist Globalisierung.“«

Wie viele sind es denn (nicht)?
Etwa 300.000 Erntehelfer kommen pro Jahr zwischen April und Oktober nach Deutschland. Wie viele genau lässt sich nicht sagen, da es seit 2015 keine Beschränkungen mehr gibt, die Arbeitsagentur also nicht mehr eingebunden ist.* Die Helfer ernten Erdbeeren, Spargel, Hopfen, Äpfel, Wein. Kamen nach dem Zusammenbruch des Ostblocks vor allem polnische Saisonarbeiter, sind es im Gefolge der EU-Osterweiterung vor allem Rumänen. Auch weil die polnischen Arbeiter in anderen Branchen mehr verdienen – und mittlerweile die Verdienstmöglichkeiten in Polen deutlich besser geworden sind.
Die Erntehelfer haben den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 12 Euro pro Stunde. Bekanntlich aber heißt Anspruch nicht auch, dass man den Mindestlohn mindestens bekommt: Die Initiative Faire Landarbeit fordert deshalb auch mehr Kontrollen: 2021 sei nur ein Prozent der Höfe mit Erntehelfern vom Zoll kontrolliert worden. Das ist ein überschaubar kleines Risiko für schwarze Schafe unter den Arbeitgebern.

Quellen: Leesen 2023 sowie ausführlich mit zahlreichen Fallbeispielen: Initiative Faire Landwirtschaft (2023): Saisonarbeit in der Landwirtschaft. Bericht 2022, Frankfurt am Main, Februar 2023

*) Das Statistische Bundesamt hat 2021 auf Basis der alle vier Jahre stattfindenden Landwirtschaftszählung zum Thema Saisonarbeitskräfte berichtet. Danach »waren im Berichtszeitraum März 2019 bis Februar 2020 – also noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie – von den bundesweit 937.000 Arbeitskräften in der Landwirtschaft rund 272.000 Saisonarbeitskräfte. Ihr Anteil lag damit bei 29 %. Gegenüber der letzten Erhebung im Jahr 2016 bleibt der Anteil der Saisonarbeitskräfte stabil – damals lag er bei 30 %.« (Fast ein Drittel aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft waren 2019/2020 Saisonarbeitskräfte, 05. Mai 2021).

Und die alljährliche Skandalisierung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Erntehelfer darf nicht fehlen. 2023 hat sich dazu Oxfam zu Wort gemeldet

Am 22. Mai 2023 veröffentlichte Oxfam Deutschland diese Mitteilung: Miese Arbeitsbedingungen bei der Ernte: Lohndumping, Wuchermieten und keine ausreichende Krankenversicherung: Wer Spargel, Erdbeeren und Gemüse auf deutschen Feldern erntet, wird oft ausgebeutet. Mitverantwortlich seien die großen deutschen Supermärkte, die die Bauern unter Druck setzen, um die Ware möglichst billig beziehen zu können. Man meint, das durch eine neue Studie, die „ein Schlaglicht in die dunklen Ecken der deutschen Lieferketten“ wirft, belegen zu können. Für die Studie hat Oxfam mit dem PECO-Institut und der Initiative Faire Landarbeit zusammengearbeitet.:

➔ Oxfam Deutschland (2023): „Das hier ist nicht Europa“. Ausbeutung im Spargel-, Erdbeer- und Gemüseanbau in Deutschland, Berlin, Mai 2023

Anders als für frühere Berichte habe Oxfam dabei nicht am anderen Ende der Welt recherchiert, in tropischen und subtropischen Erntegebieten, sondern direkt vor der Haustür: auf heimischen Spargel- und Erdbeerfeldern.

Die Ergebnisse der Recherche seien erschreckend. Mit allerlei Tricks versuchen die Höfe, die tatsächlichen Löhne der Saisonarbeiter zu drücken – zum Beispiel durch horrende Lohnabzüge für die Unterkunft. Arbeiter zahlen für einfachste Gemeinschaftsunterkünfte mehr als die Durchschnittsmieten deutscher Großstädte. Für eine Baracke ohne Küche verlangt einer der Betriebe 40 Euro pro Quadratmeter. Die durchschnittliche Kaltmiete in der Münchner Innenstadt liegt bei 23 Euro.«

»Besonders ein Betrieb in Brandenburg erweist sich als skandalös: Die Unterkünfte gleichen Baracken, in den Zimmern wächst Schimmel. Eine Küche gibt es nicht, gekocht wird auf mobilen Herdplatten. „Das hier ist nicht Europa“, resümiert ein befragter Arbeiter. Supermarktgigant Edeka pries derweil „Unterkünfte mit Hotelcharakter“ an.«

Viele Arbeiter sind mit einer kaum durchschaubaren Kombination aus Stunden- und Akkordlöhnen konfrontiert und berichten von schwer oder gar nicht erreichbaren Zielvorgaben. „Das sind keine Einzelfälle. Beschäftigte klagen regelmäßig über falsche Angaben bei der Arbeitszeiterfassung, wodurch sie mehr arbeiten müssen, als sie bezahlt bekommen”, wird Benjamin Luig von der Initiative Faire Landarbeit zitiert. „Zehn Stunden schwere und monotone körperliche Arbeit sind Alltag in der deutschen Landwirtschaft. Aber Lohndumping und massiver Leistungsdruck dürfen kein Geschäftsmodell sein!“

➔ Man muss aber auch auf die nicht sehr umfangreiche Datenbasis hinweisen. Dazu schreibt Oxfam Deutschland selbst: Grundlage ist ein Bericht, für den Arbeiter von vier Betrieben interviewt wurden – konkret waren das 66 Saisonarbeitskräfte in bundesweit vier Landwirtschaftsbetrieben, die mittels Testkäufen als Lieferanten deutscher Supermärkte identifiziert wurden. Auf so einer Datenbasis muss man sich hüten, Generalisierungen vorzunehmen.

Ein wichtiger Hinweis: »Die Verantwortung für diese unhaltbaren Arbeitsbedingungen liegt nicht nur bei den Betrieben, bei denen die Menschen angestellt sind, sondern vor allem bei den deutschen Supermärkten, die für Erdbeeren und Spargel ruinöse Preise zahlen. Aldi, Rewe, Edeka und die Schwarz-Gruppe mit Kaufland und Lidl teilen mehr als 85% des deutschen Lebensmitteleinzelhandels unter sich auf. Bauern berichten, dass die Supermärkte diese enorme Marktmacht nutzen, um unbarmherzigen Preisdruck auf Erdbeer- und Spargelproduzenten auszuüben.«

Fabian Grieger und Ute Barthel haben das in ihrem Beitrag Saisonarbeitskräfte zahlen wegen hoher Mieten drauf aufgegriffen. Und die beiden legen den Finger auf eine seit langem klaffende Wunde des staatlichen Arbeitsschutz-Versagens in Deutschland:

»Ob Mieten für Betriebsunterkünfte unangemessen sind, überprüft niemand. Arbeitsschutzbehörden kontrollieren die Mindestausstattung für Unterkünfte, doch für den Mietpreis gilt lediglich das allgemeine Mietrecht. Wenn Saisonarbeiter:innen ihre Mieten unangemessen finden, müssen sie nachweisen, dass sie weit über den örtlichen Vergleichsmieten liegt. Ein langer juristischer Weg – zu lang für die meisten Saisonarbeitskräfte, sagt die Juristin Susanne Uhl von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG): „Wer nur drei Monate da ist, wird erfahrungsgemäß niemals einen ellenlangen Prozess gegen einen Vermieter anstrengen und schon gar nicht Zeit und Geld aufwenden, um Vergleichsgutachten machen zu lassen. Die wären dann nämlich nötig, um überhaupt klagen zu können.“
Allerdings sind Saisonarbeiter:innen – auch wenn die Miethöhe nicht kontrolliert wird – über das Mietrecht geschützt. Wenn nämlich die ortübliche Vergleichsmiete um mehr als 50 Prozent übertroffen wird, dann stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um Mietwucher handelt.
Allerdings gibt es kaum rechtliche Möglichkeiten für die Saisonkräfte, dagegen vorzugehen. Somit stellen hohe Unterkunftsmieten für Betriebe eine Möglichkeit dar, ihre Lohnkosten auf sie abzuwälzen.«

Die Autoren der Studie fordern einen gesetzlichen Preisdeckel für Betriebsunterkünfte. Das Bundesarbeitsministerium sieht aber noch keinen akuten Handlungsbedarf. Eine Sprecherin des Ministerium antwortet auf eine entsprechende Anfrage:

„Die Bundesregierung wird weiter beobachten, inwieweit die von Ihnen geschilderten Verwerfungen im Bereich der Vermietung von Unterkünften an Saisonbeschäftigte über Einzelfälle hinausgehen und ggf. eine Verschärfung der gesetzlichen Regelungen erforderlich machen.“

Gegebenenfalls, vielleicht, mal sehen, möglicherweise … Die Wiedergeburt des Themas auch im kommenden Jahr ist gesichert.

Foto: © Stefan Sell