Die Krankenhäuser sind immer wieder auch Thema hinsichtlich der Art und Weise ihrer Finanzierung. Aber hat nicht erst im vergangenen Jahr die derzeitige Bundesregierung ein Krankenhausstrukturgesetz verabschiedet, um die Geldsorgen der Krankenhäuser zu lösen und – natürlich – die Qualität der stationären Versorgung zu verbessern? Um in die mit der gegebenen Finanzierung verbundenen Herausforderungen eindringen zu können, muss man sich in einem ersten Schritt klar machen, dass wir in Deutschland mit einer ganz spezifischen Konfiguration der (dualen) Krankenhausfinanzierung konfrontiert sind, also neben den – viel zu gering dimensionierten – Mitteln der Bundesländer für die sächliche Seite vor allem die Finanzierung der Betriebskosten über Fallpauschalen auf DRG-Basis. Mit beiden Säulen des Krankenhausfinanzierungssystems sind teilweise erhebliche Probleme verbunden: Hinsichtlich der sächlichen Investitionsseite kann man beispielsweise dem Krankenhaus Rating Report 2015 entnehmen: »Nach wie vor ist die Kapitalausstattung der Krankenhäuser … unzureichend. Ihr jährlicher Investitionsbedarf (ohne Universitätskliniken) beträgt rund 5,3 Milliarden Euro. Die Länder steuern derzeit nur die Hälfte davon bei. Der kumulierte Investitionsstau beträgt mindestens 12 Milliarden Euro.«
Fallpauschalen
Krankenhäuser, ihre Patienten, deren Wohl und die Ethik. Und dann die real existierende Monetik mit ihren ethischen Verwerfungen
Salus aegroti suprema lex, also: Das Heil des Kranken sei höchstes Gesetz! Man sollte meinen, dass dieser Grundsatz selbstverständlich in den Krankenhäusern gilt. Oder sollte man eher hoffen? Zweifler könnten sich bestätigt fühlen, wenn sie solche Überschriften serviert bekommen: Gespart wird am Patientenwohl. »Krankenhäuser müssen ans Geld denken. Das Nachsehen haben dem Deutschen Ethikrat zufolge oft die Patienten.« Und weiter erfahren wir: »Zu wenig Zeit zum Reden, hoher Kostendruck: Eine zu starke Ausrichtung am Umsatz statt am Patienten führt zu zahlreichen Missständen in deutschen Krankenhäusern. Das ist der Tenor einer … Stellungnahme des Deutschen Ethikrats, der die Politik in ethischen Fragen berät. Mit Blick auf das Patientenwohl gebe es Anlass zur Sorge.« Die Kliniken tendieren dem Ethikrat zufolge dazu, gewinnbringende Behandlungen im Übermaß anzubieten. Lücken entstünden dagegen bei der Versorgung weniger lukrativer Patienten.
Eine Kritiklinie, die vielen bekannt ist, die sich seit langem mit den Schattenseiten dessen beschäftigen, was man mit dem großen Wort von der Ökonomisierung der Krankenhäuser einzufangen versucht. Dieser Terminus hat sehr wohl seine positiven Seiten, wenn man mit knappen Ressourcen wirtschaftlich umgeht, keine Verschwendung betreibt, die Prozesse besser macht. Aber viele verstehen unter Ökonomisierung eher die andere Seite der gleichen Medaille – Zeitmangel, Fehlanreize, Kostendruck. In dieser Gemengelage hat sich nun also der Deutsche Ethikrat zu Wort gemeldet mit einer Stellungnahme unter der Überschrift Patientenwohl als ethischer Maßstab für das Krankenhaus. Eine Selbstverständlichkeit. Oder? Zahlreiche Entwicklungen deuteten allerdings darauf hin, „dass das stationäre Versorgungssystem in Deutschland zunehmend hinter diesem Anspruch zurückbleibt“, so der Ethikrat.
»Derzeit komme es bei den Klinikmitarbeitern immer wieder zu Konflikten zwischen ihrem Berufsethos und der Realität des Berufsalltags. Mit dem Papier will der Deutsche Ethikrat keinen politischen Vorschlag für ein weiteres Krankenhaus-Reform-Gesetz vorlegen. Man habe es vielmehr für nötig befunden, „Überlegungen zu den leitenden normativen Maßstäben“ anzustellen,« wird das Ratsmitglied Thomas Heinemann in dem Artikel Der Patient sollte der Maßstab sein zitiert.
a) Das Bundesministerium für Gesundheit sollte für eine nachhaltige Verbesserung der Pflegesituation im Krankenhaus sorgen. So sollten Pflegepersonalschlüssel in Abhängigkeit von Stations- und Bereichsgrößen für Krankenhäuser entwickelt und implementiert werden, die sich an der Anzahl der zu versorgenden Patienten und ihren Erkrankungen bzw. ihrem Pflegebedarf orientieren. Dabei ist das spezifische Aufgabenspektrum des Pflegedienstes, des Ärztlichen Dienstes und anderer therapeutischer Dienste in dem jeweiligen Fachgebiet unter Einbeziehung von Zeiten etwa der Übergabe, interprofessioneller Visiten und Fallkonferenzen zwingend zu berücksichtigen.
b) Zudem sollten Mindestquoten für vollexaminierte Pflegekräfte, differenziert nach Fachabteilungen, festgelegt und transparent gemacht und ihre Einhaltung einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen werden. Abweichungen von diesen Vorgaben sollten für Patienten und zuweisende Ärzte transparent gemacht werden.
c) In diesem Zusammenhang und unter Berücksichtigung des derzeitigen Mangels an examinierten Pflegekräften auf dem Arbeitsmarkt sollten neue Qualifizierungsmodelle entwickelt und gefördert werden, mit denen zum Beispiel Arzthelferinnen und Arzthelfer zu Pflegekräften berufsbegleitend weitergebildet werden können.
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den Empfehlungen des Ethikrats. Aber sie passen zu den fundamentalen Herausforderungen und Problembeschreibungen für die Pflege (und auch der anderen Berufsgruppen) in den Krankenhäusern (vgl. dazu die entsprechenden Beiträge in diesem Blog).
Man kann nur hoffen, dass die 150 Seiten umfassende Stellungnahme nicht einfach im Bücherregal verschwindet.
Krankenhäuser: Bei vielen liegen die Nerven blank und die Systemfragen bleiben weiter unter der Decke
Die Diskussion über die Zustände in vielen Krankenhäusern schaffte es wieder einmal für einen kurzen, viel zu vergänglichen Moment an die Oberfläche des Stroms der medialen Aufmerksamkeit – ausgelöst durch das Team Wallraff, die am 11. Januar 2016 bei RTL mit der Reportage Profit statt Gesundheit – wenn Krankenhäuser für Patienten gefährlich werden einen ausschnitthaften Eindruck vermitteln konnten, was da so abgeht. Die Nerven in Deutschlands Krankenhäusern liegen blank, so hatte Alexander Jürgs seine Besprechung der Reportage überschrieben: »Kurz gesagt: Diese Reportage ist ein Schock … Für die RTL-Reihe „Team Wallraff“ hat die Reporterin Pia Osterhaus undercover in drei deutschen Kliniken recherchiert. Als Pflegepraktikantin hat sie dort gearbeitet und den Alltag in den Krankenhäusern mit versteckter Kamera gefilmt. Viele dieser Szenen machen tatsächlich sprachlos.« In der Reportage tauchen auch die Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden auf, konfrontiert mit einer ganzen Reihe an Vorwürfen. Interessant ist dieser Fall auch deshalb, weil sich dieses Krankenhaus in Trägerschaft der Helios Kliniken GmbH befindet. 2014 hat der private Kleinbetreiber Helios 49 Prozent des Krankenhauses übernommen, 300 Stellen sind seitdem dort abgebaut worden. Kurz nach der Wallraff-Reportage wurde dann auch noch bekannt, dass extrem gefährliche MRSA-Keime auf der Neugeborenen-Station gefunden wurden. Dieses Haus ist in mehrfacher Hinsicht relevant für eine kritische Inaugenscheinnahme dessen, was sich derzeit in vielen Krankenhäusern abspielt. Das nicht nur, weil man hier die Folgen dessen studieren kann, was unter dem verharmlosend daherkommenden Begriff der „Ökonomisierung“ der Kliniken immer wieder angegriffen wird, sondern auch, weil die gewinnorientierte Helios-Gruppe für den Trend einer um sich greifenden Privatisierung im deutschen Krankenhauswesen steht und immer wieder die Argumentation zu hören war und ist, die privaten, gewinnorientierten Betreiber können es einfach besser, also effizienter und effektiver, als andere.