Die Krankenhäuser sind immer wieder auch Thema hinsichtlich der Art und Weise ihrer Finanzierung. Aber hat nicht erst im vergangenen Jahr die derzeitige Bundesregierung ein Krankenhausstrukturgesetz verabschiedet, um die Geldsorgen der Krankenhäuser zu lösen und – natürlich – die Qualität der stationären Versorgung zu verbessern? Um in die mit der gegebenen Finanzierung verbundenen Herausforderungen eindringen zu können, muss man sich in einem ersten Schritt klar machen, dass wir in Deutschland mit einer ganz spezifischen Konfiguration der (dualen) Krankenhausfinanzierung konfrontiert sind, also neben den – viel zu gering dimensionierten – Mitteln der Bundesländer für die sächliche Seite vor allem die Finanzierung der Betriebskosten über Fallpauschalen auf DRG-Basis. Mit beiden Säulen des Krankenhausfinanzierungssystems sind teilweise erhebliche Probleme verbunden: Hinsichtlich der sächlichen Investitionsseite kann man beispielsweise dem Krankenhaus Rating Report 2015 entnehmen: »Nach wie vor ist die Kapitalausstattung der Krankenhäuser … unzureichend. Ihr jährlicher Investitionsbedarf (ohne Universitätskliniken) beträgt rund 5,3 Milliarden Euro. Die Länder steuern derzeit nur die Hälfte davon bei. Der kumulierte Investitionsstau beträgt mindestens 12 Milliarden Euro.«
Und immer wieder wird punktuelle, aber auch fundamentale Kritik vorgetragen an der Fallpauschalen-FinanzierungGder Leistungen. Beispielsweise hat Michael Simon seine grundsätzliche Infragestellung des bestehenden Systems im Jahr 2013 im Deutschen Ärzteblatt unter die Überschrift Das deutsche DRG-System: Grundsätzliche Konstruktionsfehler gestellt. Er hat in diesem Artikel einen starken Vorwurf formuliert: »Die Systemkonstruktion ist ausdrücklich und bewusst darauf ausgerichtet, einem Teil der durch die Krankenhausplanung als bedarfsgerecht festgestellten Krankenhäuser die wirtschaftliche Sicherung zu verweigern.«
Wie kommt Michael Simon zu so einer Behauptung?
»Von zentraler Bedeutung dafür ist die Orientierung der DRG-Preise an Durchschnittskosten. Wenn Festpreise auf der Grundlage von Durchschnittskosten festgesetzt werden, führt dies zu Kostenunterdeckungen in Kliniken mit überdurchschnittlichen Kosten. Dabei nimmt das DRG-System keinerlei Rücksicht darauf, ob ein Krankenhaus als bedarfsgerecht in den Krankenhausplan oder eine Hochschulklinik in das Hochschulverzeichnis aufgenommen ist oder nicht.«
Und dass es offensichtlich systematische Probleme in der Welt der Fallpauschalen gibt, kann man auch am Beispiel der psychiatrischen Kliniken sehen, die bislang eine Art Sonderzone bilden, denn bei ihnen wurde auf die Umstellung des Systems der Finanzierung auf ein Fallpauschalensystem (noch) verzichtet, diese immer aber angekündigt und vor kurzem wurde hier die Notbremse gezogen (vgl. dazu meinen Blog-Beitrag Psychiatrie: Das Ziehen der Notbremse beim geplanten Systemwechsel der Finanzierung stationärer psychiatrischer Leistungen vom 22. Februar 2016).
Nun hat das Thema erneut den Bundestag erreicht. Die Fraktion der Linken ist in der Angelegenheit tätig geworden.
»Könnte sich die angespannte Situation in vielen deutschen Kliniken entschärfen, wenn die Vergütung nach DRGs abgeschafft und eine bundesweit für sämtliche Kliniken verbindliche Personalbemessung eingeführt würde? Die Bundestagsfraktion der Linken glaubt ja, und fordert in einem Antrag an den Bundestag die Regierung auf, einen „Gesetzentwurf zur Neustrukturierung der Krankenhausfinanzierung vorzulegen“, der sich an sozialstaatlichen Zielen orientiert«, so Christiane Badener in ihrem Artikel Abschaffung der DRGs kein Allheilmittel, dessen Überschrift schon andeutet, dass dem Vorstoß keine ungeteilte Zustimmung widerfahren ist.
Der erwähnte Antrag der Fraktion der Linken (BT-Drs. 18/6326) trägt den Titel: Krankenhäuser gemeinwohlorientiert und bedarfsgerecht finanzieren und dazu gab es am 13.04.2016 im Gesundheitsausschuss des Bundestags eine Anhörung.
»Die Linke fordert eine Krankenhausreform, die am Gemeinwohl orientiert ist und den Häusern eine bedarfsgerechte Finanzierung ermöglicht. Der wichtigste Schritt zur Verbesserung der Strukturqualität sei mehr Personal. So müsse eine verbindliche Personalbemessung schnellstmöglich eingeführt werden. Die Unterscheidung zwischen ambulant, stationär und pflegerisch sollte zugunsten einer sektorenübergreifenden Bedarfsplanung überwunden werden. Das System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) müsse abgeschafft werden. Der Investitionsstau könne außerdem nicht allein von den Bundesländern behoben werden, hier müsse sich der Bund künftig beteiligen«, berichtet der Pressedienst des Deutschen Bundestags in seinem Artikel Diskussion um Fallpauschalen in Kliniken.
Dieses Ansinnen hat einigen Gegenwind mobilisiert. So die Vertreter der Krankenkassen, die zu einem blumigen Vergleich gegriffen haben: »Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sieht vor allem die Krankenhausplanung und Investitionsfinanzierung kritisch, lehnt eine Abkehr von den Fallpauschalen aber ab. Ein Verbandssprecher sagte in der Anhörung, wenn es Probleme mit Dieselmotoren gebe, komme auch keiner auf die Idee, wieder auf Pferdefuhrwerke zu setzen.« Vor allem die „strukturkonservierende Kapazitätsplanung“ der Bundesländer sei schlecht – was nicht verwundert, denn den Kassen geht es vor allem um eine (weitere) Ausdünnung der Klinikkapazitäten, die sie mitfinanzieren müssen.
Die Krankenkassen halten offensichtlich die Fahne des Fallpauschalen-Systems auf DRG-Basis hoch: »Mit der Einführung der DRGs sei die Vergütung von Krankenhausleistungen „von einer ungerechten und intransparenten Selbstkostenbasis auf eine empirisch ermittelte, gerechte und transparente Finanzierung umgestellt“ worden«, so Christiane Badener in ihrem Artikel Abschaffung der DRGs kein Allheilmittel.
Den Krankenkassen zur Seite sprang der Gesundheitsökonom Hartmut Reiners: Er »sieht in der Forderung nach einer Rückkehr zum Selbstkostendeckungsprinzip „eher Nostalgie, als eine sachgerechte Perspektive“. Das „Prinzip der warmen Betten“ habe sich nicht bewährt. Kliniken dürften keine „ökonomiefreie Zone“ sein. In der Anhörung wies Reiners darauf hin, dass kein Vergütungssystem ohne Fehlanreize sei.«
Natürlich waren auch die Kritiker des bestehenden Systems geladen.
»Nach Auffassung der Gewerkschaft Verdi bietet das jetzige DRG-System einen „Anreiz zum Personalabbau vor allem in den pflegerischen, therapeutischen und hauswirtschaftlichen Berufen“. So fehlten in den Krankenhäusern bundesweit 162.000 Stellen, davon allein 70.000 in der Pflege. Besonders ausgeprägt sei die Personalnot im Nachtdienst, was sich negativ auf die Versorgungssicherheit und Qualität auswirke. Durch den Arbeitsdruck werde etwa auch die Hygiene vernachlässigt.«
Ist das nicht typisches Gemaule von Seiten der Gewerkschaften, wird sich der eine oder andere an dieser Stelle fragen? Offensichtlich nicht:
»Von „Fehlsteuerungen in der Krankenhausversorgung“ spricht der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) und sieht die Unterfinanzierung der Kliniken auch mit dem Krankenhausstrukturgesetz nicht nachhaltig gelöst. Gebraucht würden Vorgaben für die Personalbemessung im Pflegedienst. Der Verband fordert eine „erlösrelevante Abbildung von Pflegeleistungen im DRG-System“. Auch der GKV-Spitzenverband räumt ein, dass in einigen Klinikbereichen die „Personalausstattung qualitätskritisch“ ist.«
Das hindert den GKV-Spitzenverband aber nicht, eine strikte Vorgabe der Personalbemessungszahlen für alle Bereiche abzulehnen. Zwar sei es notwendig, qualitätskritische Bereiche zu identifizieren, eine allgemeine Vorgabe sei aber nicht hilfreich. Um Wirtschaftlichkeitsreserven mobilisieren zu können, brauche das Krankenhausmanagement Gestaltungsspielräume.
Dazu aus meinem Blog-Beitrag Krankenhäuser: Bei vielen liegen die Nerven blank und die Systemfragen bleiben weiter unter der Decke vom 31. Januar 2016: »Wie kann es gelingen, gerade im Pflegebereich für genügend Personal zu sorgen? Angesichts der Personalnot in den Kliniken (die eben auch durch die Anreize aus dem Vergütungssystem ausgelöst wird) muss das Plädoyer in Richtung auf eine gesetzliche Personalbemessung hinauslaufen. Diese könne am ehesten mit Hilfe von Systemen entwickelt werden, die den tatsächlichen Pflegeaufwand erfassen. Das ist kein grundlegend neuer Ansatz. Erfahrungen mit der PPR zeigten, dass solche Instrumente ohne weiteres ins DRG-System einzufügen sind. Die Pflege-Personalregelung (PPR) wurde 1993 eingeführt, um die Leistungen der Pflege transparenter zu machen und eine Berechnungsgrundlage für den Personalbedarf zu haben. Experten gingen damals davon aus, dass sich durch konsequente Anwendung der PPR bundesweit ein Personalmehrbedarf im fünfstelligen Bereich ergeben würde. Als sich abzeichnete, dass die daraus resultierenden Mehrkosten nicht zu tragen sind, wurde die Pflege-Personalregelung schnell wieder ausgesetzt. Das ist aber eine politische Entscheidung, keine methodische Blockade der Möglichkeit, das erforderliche Pflegepersonal in Form harter, also gesetzlicher Vorgaben zu bestimmen.«
Interessant ist noch diese Position, von der der Pressedienst des Bundestages berichtet:
»Der Interessenverband kommunaler Krankenhäuser macht hingegen den zunehmenden kommerziellen Wettbewerb verantwortlich für die „Misere des Krankenhauswesens“. Ein Krankenhaus sei zwar ein Unternehmen, jedoch kein kommerzielles, sondern ein soziales. Der Zweck ergebe sich aus dem Versorgungsauftrag. Dieser Auftrag müsse so sparsam wie möglich erfüllt werden. Bund und Länder seien in der Pflicht, Krankenhäuser durch die Bereitstellung der nötigen Mittel in die Lage zu versetzen, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Daher müsse das eigennützige, kommerzielle Interesse am Betrieb eines Krankenhauses ausgeschlossen werden.«