Netto, immer wieder Netto. Die ganz harte Nuss unter den Billig-Discountern hinsichtlich schlechter Arbeitsbedingungen. Und die scheitern an einem Bonbon, der einer Verkäuferin zum Verhängnis werden sollte

Dass die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel, vor allem bei den Discountern, seit Jahren immer wieder Thema der kritischen Berichterstattung sind, ist nicht neu und verwundert auch nicht, wenn man sich den brutalen Preis- und daraus resultierend Kostendruck anschaut. Die Margen sind ausgereizt, die Zulieferer ausgequetscht, da bleiben nur die eigenen Mitarbeiter, wenn es um Kostensenkung geht. Und seit die damalige rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 die Allgemeinverbindlichkeit des tariflichen Regelwerks aufgehoben hat, schwillt die Akte mit Berichten über Lohndumping(versuche) in der Branche von Jahr zu Jahr an. Ein Unternehmen taucht dabei auch in der Berichterstattung als eine ganz harte Nuss immer wieder auf: Netto Marken-Discount*. Eine harte Nuss deshalb, weil die sich überhaupt nicht beeinflusst zeigen von den vielen kritischen Berichten, die schon geschrieben oder ausgestrahlt wurden (vgl. dazu nur zwei Beispiele von ganz vielen: Bereits im Jahr 2011 gab es bei Frontal 21 einen kritischen Beitrag über die Arbeitsbedingungen bei Netto, das Video kann man hier anschauen: Schikane: Netto-Mitarbeiter packen aus – Ausnutzung und brutales Klima vom 14.06.2011. Und 2015 wurde eine längere Dokumentation ausgestrahlt: Das System Netto. Überstunden und Geld vom Staat. Und auch in diesem Blog wurde immer wieder über die Arbeitsbedingungen und die Hintergründe der vielen notwendigen Skandalisierungen berichtet, dazu eine Auswahl an Beiträgen). Um so mehr darf man sich freuen, wenn die mal eins auf die Ohren bekommen. Das ist jetzt geschehen. Durch das Arbeitsgericht Paderborn in Nordrhein-Westfalen: Arbeitsgericht Paderborn: Kündigung wegen Bonbonlutschens war unwirksam, so ist dazu eine Meldung der Gewerkschaft ver.di überschrieben.


Jetzt müssen wir erst einmal den Sachverhalt zur Kenntnis nehmen, auch wenn es schwer fällt, zu glauben, dass das in der Wirklichkeit abgelaufen ist – in einem Roman hätte man gedacht, dem Autor geht die Phantasie durch:

»Eine Netto-Kassiererin bekam die fristlose Kündigung, weil sie angeblich während der Arbeit einen Bonbon gelutscht habe, der ihr auch noch aus dem Mund gefallen sei. Der Arbeitgeber behauptet, ein Kunde habe sich per E-Mail beschwert.«

Bereits an dieser Stelle wird man schlucken und versucht sein, sich vorzustellen, was es an Willkürherrschaft bedeuten würde, wenn Arbeitgeber über so eine Schiene freies Schussfeld auf Mitarbeiter bekommen.

Die Betroffene sieht das natürlich ganz anders: „Diesen Vorfall gab es nicht“, sagt die Kassiererin. Das sei nur vorgeschoben, um sie loszuwerden.

Das ist keineswegs unplausibel, man muss dazu wissen, dass diese Frau vor einiger Zeit in einem Frontal 21-Bericht aufgetaucht ist. Angela Webster vermutet, man wollte sie loswerden, weil sie aufgedeckt habe, dass bei Netto Fehlstunden trotz Krankmeldung als Minusstunden verbucht werden. Darüber wurde damals berichtet.

Jeder, der Netto nur etwas kennt, kann sich gut vorstellen, dass das Unternehmen so etwas nicht vergisst.

Insofern ist es naheliegend, dass man hier etwas konstruiert hat, um sich der missliebigen Kassiererin zu entledigen. Die Entlassungsgründe bezogen sich dann auch nicht nur auf den Bonbon, sondern ergänzend wurde ausgeführt, sie habe „schlecht“ über ihren Arbeitgeber geredet. Hat sie nicht, sie hat nur aufgedeckt, dass das Unternehmen klar gesetzeswidrig gehandelt hat. Auch dieser Fall ging vor das Arbeitsgericht. Das Gericht forderte den Arbeitgeber auf, er solle die Minusstunden erklären. Netto begründete mit einem technischen Versehen und löschte kurzerhand das Minus vom Stundenkonto, gab aber ansonsten keine Erklärung. Nun also der nächste Vorstoß.

»Da die 43jährige Kassiererin, Angela Webster, ver.di-Mitglied ist, wird sie vom DGB-Rechtsschutz vertreten. Die 24-Stunden-Kraft der Paderborner Netto-Filiale klagt auf Wiedereinstellung und gewinnt vor dem Arbeitsgericht. Einer der Gründe ist, dass sich die stellvertretende Filialleiterin, die den Vorfall bezeugt hat, an dem fraglichen Tag im Urlaub befand. Auch die Herkunft der angeblichen Beschwerde-E-Mail ist bis heute ungeklärt.«

Auch das ZDF-Politikmagazin hat in dieser Woche in seiner Rubrik „Nachgehakt“ über den Fall der Angela Webster berichtet. Das kann man in diesem Video anschauen.

Nun also die positive Entscheidung des Arbeitsgerichts. Allerdings ist die Partie noch nicht beendet, der Arbeitgeber will das Urteil erst einmal „prüfen“.

Und die werden richtig sauer sein bei Netto, denn sie wollten die Frau – offensichtlich als problematischer Unruheherd identifiziert – unbedingt loswerden. Vor dem Prozess haben sie ihr sogar eine Abfindung angeboten, wenn sie sich vom Acker macht. Das hat sie abgelehnt:

„Die Wahrheit ist nicht käuflich“, sagt sie. Zum Gehen sei sie nicht bereit. Sie sei auf ihre Arbeit angewiesen.

Und das hier wird die Master of Billigdiscount in Rage bringen:

In zwei Jahren will sie selbst für den Betriebsrat kandidieren.

Genau solche Leute wollte und will man unbedingt „entsorgen“. Man kann ihr nur viel Kraft (und viel Solidarität der anderen Beschäftigten) wünschen auf diesem Weg.

*) Es wird in der Berichterstattung und auch in diesem Blg-Beitrag immer verkürzt von „Netto“ gesprochen, anzumerken bleibt, dass es sich hier um das Unternehmen „Netto Marken-Discount“ handelt. Der Hinweis ist wichtig, denn es gibt ein weiteres Unternehmen, das auch als Discounter ebenfalls unter dem Label „Netto“ agiert: NETTO Deutschland. Das Unternehmen betreibt inzwischen über 340 Märkte, die sich auf die Regionen Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt verteilen. Dieses Unternehmen gehört seit dem 1.1.2013 zu 100 % der Dansk Supermarked A/S

Wird jetzt alles gut für die 16.000 Beschäftigten bei Kaiser’s Tengelmann? Branchenprimus Edeka kurz vor der Übernahme der 451 Supermärkte. Oder doch nicht?

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat angekündigt, gegen das ausdrückliche Votum sowohl des Bundeskartellamtes (vgl. Untersagungsbescheid vom 31.03.2015) wie auch der Monopolkommission (vgl. das Sondergutachten vom 03.08.2016) über das Instrument einer Ministererlaubnis den Weg für eine Übernahme der 451 Supermärkte von Kaiser’s Tengelmann mit 16.000 Beschäftigten durch Edeka frei zu machen. Die ersten Meldungen der Nachrichtenagenturen sind dann in solche Artikel eingeflossen:  Gabriel erlaubt Fusion von Edeka und Tengelmann. An das notwendige „überragende Interesse der Allgemeinheit“, mit dem eine Ministererlaubnis als Ausnahmeregelung die wettbewerbspolitischen Einwände des Kartellamts gleichsam überstimmen kann (neben „gesamtwirtschaftlichen Vorteilen“, die hier aber nicht in Betracht kommen), muss man erst einmal ein großes Fragezeichen machen. Worin soll das bestehen? Anfangs hieß es noch sehr allgemein, der Minister »wolle so den Erhalt von Arbeitsplätzen und Tarifverträgen bei dem Zusammenschluss sichern.«

Im Laufe des Tages wurde dann die Berichterstattung angereichert mit weiteren Details:

Gabriel verlangt von Edeka Job-Garantie: »Ja, aber: Für die Fusion von Edeka und Kaiser’s Tengelmann will Sigmar Gabriel die Ministererlaubnis erteilen – allerdings nur unter strengen Bedingungen. „Es gibt keine Hintertür“, sagt der Vizekanzler.«

Darin: »Edeka müsse unter anderem umfassende Arbeitsplatz- und Standortgarantien abgeben, sagte der Vizekanzler. So müssten 97 Prozent der 16.000 Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann zumindest für fünf Jahre gesichert sein. Edeka müsse alle Bedingungen erfüllen, sonst werde er keine Ministererlaubnis erteilen: „Es gibt keine Hintertür“, sagte Gabriel.«

Und dann kommt es noch härter für die Übrnahmestrategen: »Durch Verträge mit der Gewerkschaft Ver.di müsse Edeka sicherstellen, dass über fünf Jahre nach der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann keine Filialen an selbstständige Lebensmittelhändler abgetreten würden, heißt es in einem Dokument seines Ministeriums ergänzend.«

Da überraschend es nicht, wenn mittlerweile ein Kommentar mit der Überschrift Gabriels Ja ist eigentlich ein Nein veröffentlicht wurde. Denn die Bedingungen sind so gestrickt, dass die Beteiligten, vor allem natürlich Deka, das Interesse verlieren werden:

  • So soll Edeka die rund 16.000 Tengelmann-Arbeitsplätze erhalten und den Beschäftigten rechtssichere Tarifverträge bieten.
  • Die übernommenen Filialen sollen außerdem in den nächsten fünf Jahren nur mit der Zustimmung der Gewerkschaft Ver.di an selbstständige Einzelhändler übergeben werden dürfen.
  • Selbst wenn Ver.di Ja sagt, muss Edeka garantieren, dass es mindestens 24 Monate lang zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommt.
  • Und nicht zuletzt muss Edeka in den drei betroffenen Regionen München/Oberbayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen Tarifverträge mit Ver.di abschließen und darf – anders als geplant – die Tengelmann-Fleischwerke vorerst nicht schließen.

Susanne Amann schlussfolgert daraus:

»All das sind Auflagen, die bei Edeka-Chef Markus Mosa und Tengelmann-Besitzer Karl-Erivan Haub für blankes Entsetzen sorgen dürften. Denn es sind Bedingungen, die die beiden Supermarktkönige weder erfüllen können noch wollen. Edeka ist dafür bekannt, den Kontakt zu Ver.di zu meiden wie der Teufel das Weihwasser. Von Tarifvertragsbindung können viele der mehr als 300.000 Edeka-Mitarbeiter nur träumen. Klar ist außerdem, dass sich die teure Tengelmann-Übernahme für Edeka nur lohnt, wenn man „Synergieeffekte“ nutzen kann. Was nichts anderes heißt, als Personal abzubauen sowie Filialen und Werke zu schließen. All das aber hat Gabriel jetzt verboten. Und damit bedeutet das „Ja“ des Wirtschaftsministers de facto ein „Nein“. Und zwar ein „Nein“, das durch die Schärfe der Auflagen in seiner Deutlichkeit kaum zu überbieten ist.«

Gabriel trifft die Antragsteller damit an der zentralen wunden Stelle, denn Tengelmann und Edeka »hatten in ihrem Antrag auf die Erteilung einer Ministererlaubnis ausgerechnet damit argumentiert, dass der Verlust von Arbeitsplätzen drohe, wenn die Fusion nicht erlaubt werde. Mit diesem Hinweis auf das Gemeinwohl versuchten sie, das Bundeskartellamt zu umgehen, das eine Fusion aus wettbewerbsrechtlichen Gründen untersagt hatte. Selbst als durchsickerte, dass ein Arbeitsplatzabbau bereits im Kaufvertrag vereinbart ist, wurden beide Seiten nicht müde, das Argument zu nutzen.«

Bis zum 26. Januar haben Edeka und Tengelmann Zeit, sich zu überlegen, ob der Deal unter diesen Auflagen noch interessant ist. Möglicherweise wird sich das im Antrag noch behauptete Interesse am „Gemeinwohl“ angesichts der damit verbundene Auflagen verflüchtigen wie Wasser in der Wüste.

Heike Jahberg kommentiert unter der Annahme, dass der Übernahme-Deal trotz der Auflagen stattfinden wird, unter der Überschrift Der Super-Supermarkt:

»Falls sich Edeka an die Vorgaben von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hält, darf der Marktführer die 450 Filialen des Konkurrenten übernehmen und kann so noch mächtiger werden. Daran ändern auch die Bedingungen Gabriels nichts. Fünf Jahre lang darf Edeka keine Filiale an selbstständige Kaufleute abgeben, weitere zwei Jahre lang sollen betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sein. Die 16 000 Beschäftigten von Kaiser’s Tengelmann, die „hart arbeiten“, sollen so lange wie möglich einen sicheren Arbeitsplatz haben, sagt der Vize-Kanzler. Glaubt Gabriel das wirklich? Oder will der Minister nur sein Gesicht wahren? Denn was wird wohl in fünf oder sieben Jahren geschehen, wenn die Fristen abgelaufen sind? Dann gehen die Filialen doch an die selbstständigen Kaufleute im Edeka-Verbund, die oft weder Betriebsräte haben noch Tarifverträge. Oder sie werden gleich dichtgemacht. Warum sollte Edeka eine Kette durchschleppen, die defizitär ist?«

Und es ist ja nicht so, als hätte es überhaupt keine Alternative in der Übernahmeschlacht gegeben. Dazu Jahberg: »Und: Hatte nicht auch Rewe versprochen, alle Arbeitnehmer zu übernehmen? Für die Nummer zwei wären die zusätzlichen Filialen und ihre Mitarbeiter eine gute Investition, um gegenüber Edeka Boden gutzumachen.«

Aber wäre eine Übernahme der immerhin 16.000 Beschäftigten durch die Edeka-Gruppe nicht ein echter Gewinn? Um die Skepsis an dieser Stelle zu verstehen, muss man sich klar machen, dass es Edeka als eigenes Unternehmen so eigentlich gar nicht bzw. nur noch rudimentär gibt in der Vorstellungswelt des normalen Kunden, der sicher davon ausgeht, dass die Edeka-Filialen alle zum Edeka-Konzern gehören. Das ist aber nicht der Fall. Immer weniger Filialen werden vom Konzern selbst betreiben, die meisten sind in der Hand selbständiger Kaufleute,  die unter dem Genossenschaftsdach der Edeka operieren. In den konzerneigenen Betrieben gibt es flächendeckend Betriebsräte und Tarifvergütung, nach einer „Privatisierung“ im Sinne eines Übergangs an selbständige Kaufleute brechen diese Strukturen oftmals weg. Ausführlich beschrieben ist das alles in der ver.di-Broschüre Schöne neue Handelswelt!? Ein Blick hinter die Kulissen des „privatisierten“ Handelsam Beispiel der Firma EDEKA.

Heike Jahberg beschreibt in ihrem Beitrag außerdem die möglichen Konsequenzen für die vorgelagerten Lebensmittelhersteller, die der Martktmacht der großen Supermarktketten schon seit langem mit immer weniger Puffer ausgeliefert sind: »Bitter wird es auch für die Lieferanten. Die großen vier Supermarktketten … können den Bauern und Lebensmittelproduzenten die Preise diktieren oder ihnen Rabatte abpressen. Unter den Großen ist Edeka der König – auch ohne Kaiser’s: Der Marktführer kann günstige Einkaufskonditionen durchsetzen und seine Marktmacht ausbauen. Mit Kaiser’s geht das jetzt noch schneller. Und ohne Kaiser’s haben die Erzeuger aus der Region einen Kunden weniger, dem sie ihren Apfelsaft, den Schinken oder die Marmelade verkaufen können.«

Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Studie über den Konzentrationsprozess im Lebensmitteleinzelhandel: Fusionen von Supermarktketten mindern die Produktvielfalt, so ist die Pressemitteilung des Instituts dazu überschrieben (vgl. zu den wichtigsten Befunden der Studie auch das Interview mit Tomaso Duso, dem Verfasser der Studie). Dort geht man auf den aktuellen Fall ein, allerdings noch vor der nunmehr erfolgten Bekanntgabe der Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers:

Auch auf dem deutschen Lebensmittelmarkt könnte ein Zusammenschluss bald Realität werden. Im Frühjahr 2015 hatte das deutsche Bundeskartellamt die Übernahme der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann durch Edeka untersagt. In Deutschland ist die Situation noch problematischer als in den Niederlanden; durch die Fusion wäre der mit Abstand größte Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland noch stärker geworden. Beide Unternehmen haben daraufhin einen Antrag auf Ministererlaubnis gestellt. Die Entscheidung von Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel steht noch aus.

DIW-Ökonom Tomaso Duso beurteilt eine mögliche Genehmigung kritisch: „Die Übernahme der Kaiser’s-Filialen durch Edeka würde den Wettbewerb auf zahlreichen ohnehin schon stark konzentrierten regionalen Märkten erheblich einschränken. Dies beträfe den Großraum Berlin, München und Oberbayern sowie Nordrhein-Westfalen. Für die Verbraucher könnte dies negative Folgen haben, etwa in Form höherer Preise und einer deutlich geringeren Produktauswahl.“
Wir werden abwarten müssen, ob sich die beiden Unternehmen trotz der für sie restriktiven Auflagen für eine Übernahme entscheiden. Die Unsicherheit für die vielen Beschäftigten ist mit dem heutigen Tag nicht wirklich beseitigt worden.

Tarifbindung erreicht – Tarifbindung verloren. Das tarifpolitische Hin und Her im Einzelhandel am Beispiel von Primark und Real

Es gibt sie auch, die guten Nachrichten: Wichtiges Signal für die Beschäftigten im Handel – Tarifbindung für Modekette Primark vereinbart, so ist eine Pressemitteilung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di überschrieben. Primark – da war doch was, wird der eine oder andere an dieser Stelle einwerfen. Genau. Noch im Februar dieses Jahres konnte man in dem Blog-Beitrag Billiger, noch billiger. Wo soll man anfangen? Karstadt, Deutsche Post DHL, Commerzbank … und Primark treibt es besonders konsequent zu diesem Unternehmen lesen, dass man dort mit einem  besonders „konsequenten“ Beispiel für Lohndrückerei konfrontiert werde: »… besonders konsequent deshalb, weil dieses Unternehmen offensichtlich – folgt man der aktuellen Berichterstattung – nicht nur generell niedrige Löhne zahlt, sondern die kostensenkenden Effekte potenziert durch eine „eigenartige“ Arbeitszeitgestaltung und – um den ganzen die Krone aufzusetzen – mit tatkräftiger Unterstützung der örtlichen Arbeitsagenturen und Jobcenter einen Teil der  anfallenden betrieblichen Kosten auch noch sozialisiert zu Lasten des Steuerzahlers.«

Die Vorwürfe damals: Viele Mitarbeiter müssen auf der Basis befristeter Teilzeitverträge arbeiten, was dem Unternehmen Primark maximale Flexibilität bietet. Und der Staat greift Primark kräftig unter die Arme: bei der Personalrekrutierung. Wenn sich der Textilkonzern in einer neuen Stadt ansiedelt, arbeitet er oft mit den Jobcentern und den Arbeitsagenturen zusammen und nutzt nicht nur die kostenlose Personalvermittlung, sondern zusätzlich häufig Eingliederungszuschüsse für die Anstellung von Langzeitarbeitslosen. Und am Beispiel Köln wurde aufgezeigt,  dass von den 360 vermittelten Arbeitskräften 116 so wenig verdienen, dass sie zusätzlich aufstockende Leistungen vom Jobcenter erhalten. Und die haben das offensichtlich systematisch „professionalisiert“. Über das Beispiel Hannover berichtet der Artikel Primark entlässt 132 Mitarbeiter: »Die Modekette Primark soll 132 der gut 500 Beschäftigten ihrer Filiale in Hannover entlassen haben … Auffällig sei, dass genau die Verträge von denjenigen Mitarbeitern nicht verlängert worden seien, die nach einem Jahr Beschäftigung Anspruch auf eine unbefristete Stelle gehabt hätten, heißt es aus Mitarbeiterkreisen. Dagegen sollen die Verträge von den Mitarbeitern, die erst vier Monate für die Modekette gejobbt hätten, noch einmal um einige Monate verlängert worden seien.«

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