Dicke Backen machen gehört zur Jobbeschreibung. Die Arbeitgeberfunktionäre machen mobil gegen einen möglichen Mindestlohn und gegen eine mögliche Regulierung der Werkverträge

Die letzten Tage waren beherrscht von der offensichtlich immer näher rückenden Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns im Zuge der Bildung einer Großen Koalition, handelt es sich hierbei doch um eine Kernforderung der SPD. Neben der Forderung nach einem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro fordert die SPD auch eine stärkere Regulierung der Werkverträge, beispielsweise durch die Einführung von Mitbestimmungsrechten der Betriebsräte in den Unternehmen, in denen Werkvertragsarbeitnehmer als „Fremdpersonal“ beschäftigt werden.

In diesem Kontext meldet der Nachrichtenteil des Deutschlandfunks: „Arbeitgeber erwägen Klage gegen gesetzlichen Mindestlohn„. In der Meldung heißt es weiter:

»Die Arbeitgeber erwägen rechtliche Schritte für den Fall, dass sich Union und SPD auf einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn von 8 Euro 50 einigen. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Hundt, sagte der „Stuttgarter Zeitung“, eine solche Regelung würde die Tarifautonomie beschädigen. Er fügte hinzu, die Arbeitgeber würden auch dann eine Klage prüfen, falls Union und SPD im Streit um Werkverträge erweiterte Mitspracherechte für Betriebsräte einführten. Diese Einschränkung unternehmerischer Freiheit wäre verfassungsrechtlich bedenklich.«

Das in der Meldung angesprochene Interview mit dem BDA-Präsidenten Hundt in der „Stuttgarter Zeitung“ ist überschrieben mit: „Dann prüfen wir eine Klage“. Die dort vorfindbaren Aussagen des Arbeitgeber-Präsidenten lesen sich dann noch vorsichtiger, als es die Nachrichtenmeldung bereits andeutet. So sagt Hundt auf die Frage, wie sich die Arbeitgeber verhalten werden, wenn es zu einem gesetzlichen Mindestlohn kommen sollte: »Ich halte einen einheitlichen, flächendeckenden Mindestlohn für falsch. Wenn die Regierung jedoch einen Mindestlohn beschließen sollte und Regelungen zur Umsetzung schafft, bei denen wir aufgefordert werden mitzumachen, werden wir uns dem Verfahren nicht verschließen.« Hundt weist dann darauf hin, dass man derzeit »41 gültige Tarifverträge mit den DGB-Gewerkschaften habe, bei denen die Einstiegslöhne unter 8,50 Euro liegen.« Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro würde diese Tarifverträge außer Kraft setzen. Dazu der Arbeitgeber-Präsident: »Wir warten mal ab, was tatsächlich beschlossen wird. Dann werden wir sicherlich mit unseren Juristen prüfen, ob es Möglichkeiten zur Klage gibt.« Das hört sich so an, wie es gemeint ist: Dicke Backen machen.

Ein anderer möglicher Regulierungsbereich belastet Herrn Hundt – nicht nur abstrakt als Interessenvertreter der Arbeitgeber, sondern mit Blick auf sein Unternehmen ganz persönlich – viel stärker als der kommende Mindestlohn: die geforderte stärkere Regulierung der Werkverträge. Hierzu Hundt:

»Ich lehne Scheinwerkverträge ganz entschieden ab und appelliere an die Firmen, äußerst vorsichtig zu sein, damit dieser Verdacht nicht entstehen kann. Generell sind Werkverträge aber das Prinzip unserer Wirtschaftsordnung. Mein Unternehmen lebt, was die Automobilzulieferung angeht, ausschließlich von Werkverträgen. Wenn erweiterte Mitspracherechte beschlossen würden, braucht jedes Automobilunternehmen die Zustimmung seines Betriebsrates, einen Werkzeugsatz an Allgaier vergeben zu können. Dies wäre verfassungsrechtlich sicher hochbedenklich, weil es eine Einschränkung der Unternehmensrechte darstellt. Wir werden sehen, was beschlossen wird, und dann die Juristen damit befassen, ob eine Klage dagegen aussichtsreich ist.«

Fazit: Manchmal lohnt es sich, doch genauer nachzulesen. Die konkreten Formulierungen hat der Arbeitgeber-Präsident nicht umsonst gewählt und sie klingen – verständlicherweise – nicht danach, dass man davon ausgeht, dass der juristische Weg irgendwelche Erfolgspotenziale in sich tragen würde. Sollte man auch nicht.

Auf der anderen Seite beschreibt das Interview aber auch die beiden großen Baustellen – von denen in den vergangenen Tagen fast nur die Frage eines Mindestlohnes hin und her gewälzt wurde. Die andere Baustelle, also die Regulierung der Werkverträge – nicht um diese abzuschaffen, was ganz unsinnig wäre angesichts der Bedeutung der „normalen“ Werkverträge in unserem Geschäftsleben, sondern um deren Missbrauch bzw. Instrumentalisierung zu stoppen – wird noch schwieriger werden als das, was wir in den zurückliegenden Jahren bei der Leiharbeit an Re-Regulierung gesehen haben. Man darf gespannt sein, ob sich hier was bewegt. Meine bescheidende Prognose ist, dass die Frage beispielsweise einer betrieblichen Mitbestimmung bei den Werkverträgen die Arbeitgeber wesentlich stärker in die Abwehrhaltung treiben wird als die derzeit so prominente Frage, sollen es 7,50 oder 8 oder 8,50 beim Mindestlohn sein. Denn hier geht es tatsächlich aus Sicht vieler Arbeitgeber um die Begrenzung dessen, was sie als unternehmerische Entscheidungsfreiheit betrachten und was ihnen bislang aufgrund der Nicht-Zuständigkeit der Betriebsräte ermöglicht hat, die Werkverträge sehr „flexibel“ in Anspruch zu nehmen, nicht nur, aber eben auch mit dem Ziel einer Lohnkostensenkung. Aber auch wenn die neue Bundesregierung eine betriebliche Mitbestimmung durchsetzen sollte, tauchen sofort nicht-triviale Anschlussfragen auf. Beispielsweise nach dem vorhandenen Interessenkonflikt nicht weniger Betriebsräte zwischen Stammbelegschaft und der flexiblen Randbelegschaft oder die Erkenntnis, dass eine solche Regelung den ja nun nicht kleinen mitbestimmungsfreien Zonen unserer Wirtschaft nicht helfen würde. Viel Stoff ante portas.

Werkverträge und ihr Missbrauch für unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung – nicht nur im Schlachthof oder bei Daimler, auch in der grünen Stiftungswelt?

Es ist – das sei hier vorangestellt – richtig, wenn die Grünen in ihrem Wahlprogramm ausdrücklich feststellen: „In Betrieben, in denen immer mehr Festangestellte durch externe Leiharbeitskräfte oder Werkvertragsbeschäftigte verdrängt werden, da zersplittern die Belegschaften.“ Deshalb sprechen sie sich auch dafür aus, gerade bei den zunehmend ins Blickfeld genommenen Werk- und Dienstverträgen die Regulierungsschrauben anzuziehen und haben hierzu in der nun auslaufenden Legislaturperiode entsprechende parlamentarische Vorstöße unternommen.

Vor diesem Hintergrund ist es natürlich pikant und ein gefundenes Fressen für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, wenn sie berichteten kann: „Unzulässige Leiharbeit in der Heinrich-Böll-Stiftung„, so lautet die Schlagzeile von Corinna Budras zu einem Sachverhalt, über den auch die taz berichtet: „Leiharbeiter klagt sich ein„. Dabei geht es hier – um genauer zu werden – nicht um Leiharbeit an sich, sondern um ein Thema, das auch auf dieser Seite mehrfach problematisiert worden ist: Werk- und Dienstverträge, die es schon immer gegeben hat, die aber von einem Teil der Unternehmen zunehmend missbraucht werden, um die „zu teuer“ gewordene Leiharbeit zu substituieren für Strategien der Tarifflucht und der Lohnkostensenkung sowie dem Auslagern von Arbeitgeberpflichten, die mit einer Normalbeschäftigung verbunden wären.

Zuweilen aber geht es auch um die Schwierigkeit, in der betrieblichen Praxis den rechtlichen Anforderungen zu entsprechen, die erfüllt sein müssen, damit es sich um einen „echten“ Dienstvertrag und nicht um eine „unerlaubte“ Arbeitnehmerüberlassung handelt – die erhebliche rechtliche Konsequenzen für das faktisch entleihende Unternehmen hat, wenn das ans Tageslicht gefördert wird und das Werkvertragsunternehmen nicht über den „Reservefallschirm“ einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt (zu den sich hier andeutenden Tiefen und Untiefen vgl. auch Sell, S.: Lohndumping durch Werk- und Dienstverträge? Problemanalyse und Lösungsansätze (Remagener Beiträge zur Sozialpolitik 13-2013), Remagen, 2013).

Zum Sachverhalt:

»Das Arbeitsgericht Berlin hat ausgerechnet die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung verurteilt. Geklagt hatte ein Mitarbeiter, der bei einem Unternehmen für Besucherservice angestellt ist. Seit mehreren Jahren wurde er bei der Heinrich-Böll-Stiftung für Umbauarbeiten zur Vorbereitung von Veranstaltungen in ihrem Konferenzzentrum eingesetzt. Dabei war er bei der Stiftung jedoch gar nicht angestellt, weder regulär noch als Leiharbeitnehmer. Vielmehr hatten beide Seiten einen Werkvertrag vereinbart, durch den der Dienstleister flexibler und kostengünstiger eingesetzt werden kann.«

Die grüne Stiftung hat nun ein großes Problem, denn die Werkvertragsfirma Xenon aus Berlin verfügt nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und damit nicht über den bereits erwähnten „Reservefallschirm“ (vgl. Sell 2013). Daher, so das Gericht folgerichtig, bestehe ein direktes Arbeitsverhältnis des Klägers Michael Rocher mit der Heinrich Böll Stiftung, wo er seit April 2011 beschäftigt ist, wie man dem taz-Artikel entnehmen kann. Die Stiftung ist an einem der Grundproblem des richtigen Einsatzes von Werk- und Dienstverträgen gescheitert:

»Im konkreten Fall sollte das Unternehmen Personal für den Besucher- und Veranstaltungsservice zur Verfügung stellen und den Service auch selbst betreiben. In der Praxis mischte sich dabei jedoch die Stiftung ein. „Deshalb handelt es sich bei dem zustande gekommenen Vertragsverhältnis nicht um einen Werk- oder Dienstvertrag, sondern um einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag“, so das Gericht«, berichtet Corinna Budras in ihrem Artikel.

Der Kläger Rocher hofft, dass das Urteil kein Einzelfall bleibt, denn: Rund 20 Mitarbeiter seien mit ähnlichen Verträgen, wie sie das Gericht jetzt als unrechtmäßig klassifiziert hat, bei der Stiftung beschäftigt. Rocher wurde von der Basisgewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) unterstützt, die in den letzten Wochen eine Kampagne gegen Leiharbeit bei der Böll-Stiftung initiierte. Im Rahmen dieser Kampagne wurden auch die Wahlplakate der Grünen persifliert. So steht beispielsweise neben dem Konterfei des Schriftstellers Heinrich Böll die Frage „Ich bin gegen prekäre Arbeit bei der grünen Heinrich Böll Stiftung und Du?“

Das neue Urteil reiht sich ein in weitere Entscheidungen zuungunsten der Arbeitgeber, die in der jüngeren Vergangenheit von den Gerichten gefällt worden sind, so beispielsweise gegen die Bertelsmann-Tochter Arvato-Systems. Auch Daimler hat jüngst Niederlagen vor Gericht einstecken müssen.

Die wichtigste Botschaft dieser neueren Entwicklungen hat Marcus Creutz in einem Artikel auf Focus Online in seine Überschrift gepackt: „Werkverträge: Unternehmen müssen sich in Acht nehmen„. Und das ist auch gut so.

(Schein-)Werkverträge im Visier der Rechtsprechung

Immer öfter wird über das Thema Werkverträge kritisch diskutiert. Man denke hier nur an die ARD-Dokumentation „Hungerlohn am Fließband. Die neuen Methoden des Lohndumpings„, die im Mai 2013 ausgestrahlt wurde und die das Thema am Beispiel von Daimler problematisierte. Dabei wird immer deutlicher, dass sich die Werkverträge von unten bis nach oben auf der Qualifikationsleiter ausgebreitet haben, hierzu beispielsweise der Beitrag „Werkverträge: Billiglöhne in Deutschland“ des Wirtschaftsmagazins Plusminus (ARD), der das am Beispiel eines Lageristen, eines Technikers in der Entwicklungsabteilung eines Automobilkonzerns und eines Versuchsfahrers exemplarisch dargestellt hat. Weit verbreitet ist die Beschäftigung von Ingenieuren auf Werkvertragsbasis bei den Automobilherstellern, die dadurch nicht zur Stammbelegschaft gehören.

Nun ist eines gleich voran zu stellen: Werkverträge sind nicht per se ein problematisches Instrument, an vielen Stellen des Wirtschaftslebens sind wir mit ihnen konfrontiert und nutzen sie selbst, ohne dass dies irgendwie ein Problem darstellt. So schließen wir beispielsweise mit einem Malerunternehmen einen Werkvertrag, wenn wir dieses Unternehmen beauftragen, das Wohnzimmer neu zu tapezieren und zu streichen. Und an den Hochschulen nutzt man selbstverständlich Werkverträge, wenn man bei einem Forschungsprojekt Interviews als Audio-Dateien aufgezeichnet hat, die nun von einem professionellen Schreibbüro zu einem vorab vereinbarten Preis transkribiert, also verchristlicht werden müssen. Und wenn man in seinem Unternehmen ein fremdes Unternehmen per Werkvertrag beauftragt, die Essensversorgung für die Mitarbeiter zu organisieren und sicherzustellen, dann ist das in einer arbeitsteiligen Wirtschaft ein sinnvoller und zulässiger Einsatz von Werkverträgen, da das Catering-Unternehmen gleichsam als „Unternehmen im Unternehmen“ sein Werk eigenverantwortlich verrichten kann. So weit, so unstrittig. Problematisch wird die Angelegenheit dann, wenn die Unternehmen Werkverträge als ein Instrument nutzen, um darüber Lohndumping zu betreiben, also Tätigkeiten, die bislang Stammbeschäftigte erledigt haben, über Werkvertragsarbeitnehmer zu substituieren. Weil die deutlich billiger sind als die eigenen Stammbeschäftigten. Und weil sie nunmehr billiger sind als die „teurer“ gewordene Leiharbeit, bei der man beispielsweise über einen Branchenmindestlohn und  Branchenzuschläge einen Kostenschub für die Entleihbetriebe ausgelöst hat, die nun ihrerseits reagieren und nach „günstigeren“ Alternativen Ausschau halten.

Zu dem ganzen Komplex vgl. die Veröffentlichung von Stefan Sell (2013): Lohndumping durch Werk- und Dienstverträge? Problemanalyse und Lösungsansätze (= Remagener Beiträge zur Sozialpolitik 13-2013), Remagen, 2013.

Eine Grundproblematik besteht vereinfacht gesagt darin, dass es sich bei der Instrumentalisierung von an sich zulässigen Werkverträgen zum Zwecke des Lohndumpings rechtlich gesehen um Scheinwerkverträge handelt, anders ausgedrückt um eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung. Und eigentlich ist das insofern auch kein Problem, als das die Rechtslage vorsieht, dass das faktisch entleihende Unternehmen bei Aufdeckung der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung großen Haftungsrisiken gegenübersteht, weil rückwirkend ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beim Entleiher begründet wird, Beiträge und Lohnunterschiede nachgezahlt werden müssen und auch strafrechtliche Konsequenzen drohen. Also theoretisch. Denn praktisch sieht die Welt wie so oft anders aus. Nicht nur, dass man im jeden Einzelfall nachweisen muss, dass es sich um unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung gehandelt hat und nicht um eine zulässige Werkvertragstätigkeit, sondern auch, weil es derzeit leider noch ein gewaltiges Schlupfloch im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gibt, das faktisch dazu führt, dass ein Werkvertragsunternehmen, das gleichzeitig eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt, im Entdeckensfall einfach „umswitchen“ kann von bisheriger Werkvertragstätigkeit hin zu einer Arbeitnehmerüberlassung und das entleihende Unternehmen völlig ohne Rechtsfolgen verbleibt. Wenn man denn wollte, was aber derzeit offensichtlich nicht der Fall ist, hätte man diese gravierende Regelungslücke schon längst beseitigen können:

»Aus der Logik einer anzustrebenden Abschreckungswirkung liegt der Lösungsansatz für dieses Problem auf der Hand: Man muss durch eine gesetzgeberische Änderung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz den Durchgriff der Sanktionen auf den Auftraggeber sicherstellen.
Der Arbeitsrechtler Peter Schüren hat hierzu einem handhabbaren – und gesetzgeberischen Willen vorausgesetzt auch schnell umsetzbaren – Vorschlag entwickelt: Um zu verhindern, das Schein-Werk- bzw. Schein-Dienstverträge unter dem „Schirm“ einer vorhandenen Überlassungserlaubnis gelangen, sollte der bestehende Gesetzeswortlaut im § 9 Nr. 1 AÜG geändert werden. Vorgeschlagen wird die folgende Ergänzung des § 9 Nr. 1 AÜG (die Ergänzung ist hier kursiv hervorgehoben):
„Unwirksam sind:
1. Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 erforderliche Erlaubnis hat oder bei vorhandener Erlaubnis die Überlassung des Leiharbeitnehmers nicht eindeutig als Arbeitnehmerüberlassung kenntlich macht,“ ….« (Sell 2013: 11).

Die Folgen dieser gesetzgeberischen Modifikation wären erheblich, wie der Arbeitsrechtler Peter Schüren ausführt:

»Damit greifen die Rechtsfolgen des § 10 I AÜG bei allen Scheinwerk-/Scheindienstverträgen. Es entstehen kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis des verdeckt überlassenen Arbeitnehmers zum Scheinwerkbesteller/Scheindienstgeber mit den entsprechenden Rechtsfolgen. Es liegt dann auch illegale Überlassung mit den Bußgeldtatbeständen des § 16 I und Ia AÜG vor. Der Entleiher riskiert die Strafbarkeit nach § 266a StGB wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen, wenn der überlassene Arbeitnehmer weniger Lohn erhielt, als ihm aus dem gesetzlich fingierten Arbeitsverhältnis zum Entleiher zusteht« (Quelle: Schüren, P. (2013): Scheinwerk- und Scheindienstverträge mit Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Vorschlag zu einer Korrektur des AÜG, in: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, Heft 4/2013, S. 178).

Nun gibt es eine neue Entwicklung auf der Ebene der Rechtsprechung, die eine fundamentale Bedeutung für den weiteren Umgang mit den (Schein-)Werkverträgen bekommen kann: Das Landesarbeitsgericht Hamm hat ein Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld gegen die Bertelsmann-Konzerntochter Arvato bestätigt. Das LAG Hamm meldet heute unter dem Aktenzeichen 3 Sa 1749/12 die folgende Entscheidung: »Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.12.2012[…] wird zurückgewiesen … Die Revision wird nicht zugelassen.« Das hat Sprengkraft. Aber erst einmal zum Sachverhalt (vgl. hierzu beispielsweise die Artikel „Weitreichender Rechtsstreit bei Bertelsmann“ von Harald Schumacher in der WirtschaftsWoche oder „Arvato: Richter urteilen über Werkvertrag. 37-Jähriger Gütersloher kämpft um seinen Arbeitsplatz“ von Thorsten Gödecker in der Online-Ausgabe der Neuen Westfälischen Zeitung): »In dem Fall geht es um einen Angestellten der Düsseldorfer Reinigungsfirma Klüh, der bei der Bertelsmann-Dienstleistungstochter Arvato Systems per Werkvertrag als Hausmeister eingesetzt war. Der Betroffene hatte in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht Bielefeld gegen Bertelsmann gewonnen, weil die Richter seine Tätigkeit bei der Konzerntochter als Scheinwerkvertrag gewertet und ihn damit zu einem vollwertigen Mitglied der Arvato-Stammbelegschaft erklärt hatte. Gegen das Urteil hatte Bertelsmann Berufung eingelegt«, so Harald Schumacher in seinem Artikel. Mit Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld (AZ: 6 Ca 1016/12) wurde festgestellt, dass es sich um einen Scheinwerkvertrag handelt, der ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei Arvato Systems begründet. Pikant ist außerdem, dass die Firma Klüh keine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung habe. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld aus dem Dezember 2012 wurde allerdings seitens der Firma Arvato bislang nicht umgesetzt, weil man gegen die Entscheidung Klage beim LAG erhoben hat. Im Juni wurde dem vor dem Arbeitsgericht erfolgreichen Kläger gekündigt seitens der Firma Glüh, weil man für ihn keine Beschäftigung mehr habe.

Und nun diese Entscheidung: »Das Landesarbeitsgericht in Hamm bestätigte die Auffassung der ersten Instanz, dass es sich bei der Beschäftigung des 37-Jährigen aus Gütersloh um eine illegale Arbeitnehmerüberlassung durch die Werkvertragsfirma gehandelt habe.«

Man wird wie immer die genaue Urteilsbegründung für eine Detailanalyse abwarten müssen – aber schon jetzt kann man prognostizieren, dass diese Entscheidung die Luft erheblich dünner werden lässt für die Unternehmen, die über den Missbrauch mit Scheinwerkverträgen Lohndumping betreiben (wollen).

Und das ist auch gut so.