Werkverträge und Leiharbeit stärker in die Zange nehmen? Nordrhein-Westfalen präsentiert Studie zur gesetzlichen Eindämmung von Missbräuchen

Die Themen Leiharbeit und Werkverträge sind an sich schon heftig umstritten – und nun gießt das rot-grüne Nordrhein-Westfalen weiter Öl ins Feuer mit der Präsentation einer neuen Studie, in der eine weitergehende Regulierung dieser beiden Felder diskutiert und transportiert wird. Das arbeitsrechtliche Gutachten mit dem trocken daherkommenden Titel „Vorschläge für eine gesetzliche Regelung zur Eindämmung von Missbräuchen beim Fremdpersonaleinsatz und zur Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie“ wurde von Prof. Dr. Christiane Brors und Prof. Dr. Peter Schüren im Kontext der Initiative „Faire Arbeit – fairer Wettbewerb“ des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers Guntram Schneider (SPD) erstellt.

Es sind vor allem zwei konkrete Vorschläge aus dem Gutachten der Arbeitsrechtler, die die Debatte über eine stärkere Regulierung von Werkverträgen und Leiharbeit befeuern werden:

Zum einen:  Die Arbeitgeber sollen künftig nachweisen, dass die Beschäftigten tatsächlich echte Werkvertrags-Mitarbeiter sind und kein Schein-Werkvertrag vorliegt. Vorgeschlagen wird also eine Umkehr der Beweislast. Der Arbeitsminister Schneider wird mit den Worten zitiert: »Wenn ein Mitarbeiter aufzeigt, dass er in die Arbeitsorganisation genauso eingebunden ist, wie ein Kollege aus dem Stammpersonal, dann muss das Unternehmen beweisen, dass dies nicht der Fall ist. Kann es das nicht, dann ist es automatisch der tatsächliche Arbeitgeber und haftet. Der Arbeitnehmer kann sich dann einklagen.«

Zum anderen: Bei der Leiharbeit geht es um das Ziel der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern und Stammpersonal. Nach spätestens neun Monaten Einsatz soll mindestens der gleiche Lohn wie beim Stammpersonal gezahlt werden. Der Entleiher, also die Firma, für die gearbeitet wird, haftet als Bürge für diese Lohnzahlung. Leiharbeit soll so nur noch möglich sein, um einen vorübergehenden Bedarf beim Entleiher abzudecken.

Die Übersicht über die wichtigsten Regelungsvorschläge von Brors/Schüren (2014: 5) verdeutlicht die wesentlichen Vorschläge:

1.) Leiharbeit: Die legale Überlassung von Leiharbeitnehmern ist nur noch zur Deckung eines „vorübergehenden“ Bedarfs beim Entleiher zulässig. Das soll in § 1 Abs. 2 AÜG unmissverständlich formuliert werden. Darüber hinaus soll bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen eine Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern Stammpersonal zwingend vorgeschrieben werden. Der zumeist deutlich niedrigere Tariflohn in der Leiharbeit ist nur bei unbefristeten Leiharbeitsverhältnissen möglich. Nach neun Monaten Einsatz im Entleiher Unternehmen muss ausnahmslos mindestens der gleichen Stundenlohn wie beim Entleiher gezahlt werden. Dabei soll der Entleiher als Bürge für die Lohnzahlung haften.

2.) Scheinwerkverträge, Scheindienstverträge und Scheinselbstständigkeit: die Arbeitnehmer, die über einen Scheinwerkvertrag illegal überlassen werden oder Schein selbstständig sind, sollen sich nach den Vorschlägen bei demjenigen, für den sie abhängig arbeiten, mithilfe einer Beweislastumkehr leichter einklagen können. Sie müssen nur nachweisen, dass sie in seiner Betriebsorganisation tätig sind. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass dies im Rahmen eines ordentlichen Werk- oder Dienstvertrags oder einer selbstständigen Tätigkeit erfolgt – sonst steht seiner Arbeitgeberstellung fest.

3.) Ausländer mit entsenden Bescheinigung: hier ist aufgrund der europäischen Rahmenbedingungen die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses als Konsequenz einer Beschäftigung in einem Scheinwerkvertrag nicht möglich. Die Autoren schlagen hier vor, bei illegalen Überlassung und Scheinselbstständigkeit einen vollen Anspruch auf die Vergütung zuzüglich des Arbeitgeberanteils in der Sozialversicherung vorzusehen, denn damit würde der Kostenvorteil aufgehoben und das müsste abschreckend wirken.

Die beiden Autoren plädieren dafür, den Betriebsrat einen stark abgesicherten, dauerhaften Unterrichtungsanspruch bei fremden Personaleinsatz zuzugestehen. Wenn dieses Informationsrecht des Betriebsrats verletzt wird, dann ist der Einsatz unzulässig.

Soweit die wichtigsten Vorschläge der beiden Arbeitsrechtler, die dann im weiteren Gang des Gutachtens begründet und ausformuliert werden.

Natürlich melden sich bereits erste kritische Stimmen zu Wort. So berichtet Lena Kreymann in ihrem Artikel „Kratzen an der Oberfläche„:

Der Vorsitzende des DGB Nordrhein-Westfalen, Andreas Meyer-Lauber, kritisierte gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung am Mittwoch, gleiche Bezahlung erst nach neun Monaten sei unzureichend. »Dann ist weit über die Hälfte der Leiharbeiter schon wieder raus aus dem Betrieb.«

Und zu dem vorgeschlagenen abgesicherten Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats bei fremden Personaleinsatz schreibt Kreymann:

Die Betriebsräte können sich dem Entwurf zufolge umfassender über die Werkverträge in einem Betrieb informieren. Der Haken hierbei: Ein Mitspracherecht ist nicht vorgesehen. Ein Werkvertrag sei schließlich ein Auftrag an eine Fremdfirma, erklärte Schüren dazu. »Dies würde einen Kernbereich der unternehmerischen Freiheit einschränken.«

Schlussendlich sollte man bedenken, dass die heute vorgelegten Vorschläge der Arbeitsrechtler noch weit davon entfernt sind, gesetzliche Realität zu werden. Der Arbeitsminister Schneider (SPD) versteht sie denn auch als Konkretisierung der Vorhabensbeschreibung im Koalitionsvertrag.

Immerhin ist es mit dem neuen Gutachten gelungen, weitere Bausteine für partikulare Lösungsansätze gerade in dem um sich greifenden Problemfeld der Werkverträge zur Diskussion zu stellen.

Von Werkverträgen in der S-Klasse-Welt, einem „Unschuldslamm“ aus dem Ländle und dem SWR-Intendanten, der für eine Reportage 250.000 Euro zahlen soll, ersatzweise Ordnungshaft

Hin und wieder brauchen wir neue Kategorien: Wie wäre es mit „Unschuldslamm aus dem Ländle“? Für die Besetzung dieser Rolle hat sich kein geringerer als Herr Zetsche, Generalbevollmächtigter des Weltkonzerns Daimler, selbst ins Spiel gebracht. Aber der Reihe nach: Es heißt ja oftmals, die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam, wenn das stimmt, dann muss es bei Daimler sehr viel Bürokratie geben. Denn konkret geht es um die im Mai 2013 in der ARD ausgestrahlte Reportage „Hungerlohn am Fließband: Wie Tarife ausgehebelt werden“, das Ergebnis einer monatelangen Recherche des SWR-Journalisten Jürgen Rose. Dort wurde berichtet, wie Werkvertragsarbeitnehmer im Untertürkheimer Mercedes-Werk eingesetzt werden. Hinsichtlich der Art und Weise der konkreten Tätigkeit gab es zahlreiche Indizien, dass es sich eigentlich um unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung handelt. Der Beitrag und die am Tag der Ausstrahlung unmittelbar sich anschließende Thematisierung in der Sendung „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg hatte Daimler kalt erwischt, die standen gerade kurz vor der Präsentation ihrer – sagen wir mal nicht gerade kostengünstigen – neuen S-Klasse. Schlagzeilen, dass es in den Daimler-Werken nicht nur unterschiedliche Klassen von Arbeitnehmern gibt, sondern dass dort teilweise so wenig verdient wird, dass aufstockender Hartz IV-Anspruch bestand, musste eine mehr als irritierende Wirkung entfalten. Die angesprochenen Indizien entstammen Aufnahmen mit versteckter Kamera, die der Autor der Reportage über zwei Wochen lang in dem Mercedes-Werk in Untertürkheim gemacht hat. Wie dem auch sei, der Konzern hat einige Zeit gebraucht, um in die Gänge zu kommen. Denn heute meldet die Stuttgarter Zeitung: „Daimler verklagt den SWR. Streit um Undercover-Reportage„.

Dabei schien zwischenzeitlich alles in eine andere Richtung zu gehen: In dem Artikel von Andreas Müller in der Online-Ausgabe der Stuttgarter Zeitung finden wir den folgenden Passus:

»Mit seiner Erwiderung, es habe schon alles seine Richtigkeit, drang der Konzern nur schwer durch. Später schlug er nachdenklichere Töne an: Bei den Werkverträgen dürfe man nicht „blind vertrauen“, bekannte der Personalvorstand Wilfried Porth im StZ-Interview; im Einzelfall laufe manches „nicht so, wie es vertraglich vereinbart war“. Ende 2013 kündigte der Daimler-Betriebsrat dann an, 1400 Entwickler und IT-Kräfte am Standort Sindelfingen, die bisher per Werkvertrag beschäftigt waren, würden zu Leiharbeitern aufgewertet.«

Bereits Anfang 2014 konnte man dem Artikel unter der bezeichnenden Überschrift „Weniger Werkverträge bei der Daimler AG“ von Hermann G. Abmayr entnehmen:

»“Ohne den ARD-Film ‚Hungerlohn am Fließband‘ wären wir heute bei Daimler längst nicht so weit“, sagt Christa Hourani. Die Stuttgarter Betriebsrätin war selbst einmal über einen Werkvertrag für den Autobauer tätig und setzt sich seit Jahren für Leih- und Werkvertragsbeschäftigte ein. Mit wenig Erfolg. „Doch seit Mai standen Geschäftsleitung und Betriebsrat unter Handlungsdruck“, sagt die gelernte Programmiererin. Auch der Besuch von Fahndern der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung“ habe Wirkung gezeigt, ergänzt der Techniker Georg Rapp, der früher mit einem Werkvertrag in der Entwicklung gearbeitet hat und jetzt ebenso fest angestellt ist. Nach den Publikationen in Folge der ARD-Enthüllung trauten sich betroffen Leiharbeiter und Leihingenieure ihr Rechte einzufordern oder vor dem Arbeitsgericht auf Festanstellung zu klagen. In zwei Stuttgarter Fällen klagte der Betriebsrat wegen illegaler Werkverträge. Und in den Daimler-Werken in Bremen, Sindelfingen und Wörth am Rhein kam es wegen drohender Fremdvergabe über Werkverträge zu kurzfristigen Arbeitsniederlegungen.«

Kurzum, der Beitrag hat eine Menge bewegt, nicht nur skandalisiert, sondern auch positive Entwicklungen eingeleitet. Und die allgemeine Anerkennung für die Reportage war groß: Jürgen Rose wurde für seine „herausragende journalistische Arbeit“ wurde mit dem Willi-Bleicher-Preis der IG Metall gewürdigt. Ein Branchenblatt mit hochkarätiger Jury wählte Rose unter die „Wirtschaftsjournalisten des Jahres“.

Und seien wir ehrlich – die Zeit geht heute sehr schnell über viele Themen hinweg und eigentlich spricht doch schon gar keiner mehr von dieser Angelegenheit.

Aber jetzt geht es wieder in eine andere Richtung. Was berichtet die Stuttgarter Zeitung nun genauer über die Klage von Daimler, die so oder so das alles wieder an die Oberfläche holen wird?

»Eine Viertelmillion Euro soll der SWR als Ordnungsgeld zahlen, wenn er die von Rose gedrehten Bilder noch einmal zeigt. Ersatzweise sei Ordnungshaft zu verhängen, „zu vollziehen an dem Intendanten“, also Peter Boudgoust. So fordert es der Autokonzern, vertreten durch den Vorstandschef Dieter Zetsche, in einer beim Landgericht Stuttgart eingereichten Klageschrift.«

Der Artikel beschreibt dann weiter, worum es im Detail geht.

Als Verfasser dieses Beitrags bin ich insofern befangen, da ich selbst in der Reportage mit mehreren arbeitsmarktlichen Einordnungen auftauche. Gerade zu der Frage, die wohl, so der Artikel der Stuttgarter Zeitung, im Mittelpunkt des Verfahrens stehen wird:

»Vor Gericht dürfte es vor allem um die Frage gehen, ob die Reportage überhaupt Missstände aufgedeckt hat und welche Qualität diese hatten. Heimlich gedrehte Aufnahmen dürften nur dann verwendet werden, wenn sie rechtswidriges Verhalten belegten, argumentiert der Daimler-Anwalt; das sei aber nicht der Fall. Doch dieser Punkt ist noch keineswegs abschließend geklärt. Anhaltspunkte für „verbotene Arbeitnehmerüberlassung“ sah nicht nur der in der Sendung zitierte Arbeitsmarktforscher Stefan Sell aus Remagen; auch Daimler-Betriebsräte äußerten sich in diesem Sinne. Eine entsprechende Anzeige ging zudem bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein, die aufgrund des Film bereits von sich aus tätig geworden war. Bis heute – neun Monate danach – prüft die Behörde laut einer Sprecherin den Vorgang, förmliche Ermittlungen seien aber noch nicht eingeleitet worden«, so Andreas Müller in seinem Artikel „Daimler verklagt den SWR“.

Man darf gespannt sein, wie das ausgeht. Auf alle Fälle hat sich politisch zwischenzeitlich einiges getan, das Thema Werkverträge hinsichtlich seiner missbräuchlichen Inanspruchnahme wie aber auch die bei durchaus legaler Verwendung immer wieder anzutreffenden Variante der Tarifflucht ist ganz oben auf der Agenda angekommen und Handlungsbedarf wird nicht nur von irgendwelchen Außenseitern gesehen, sondern hat es bis in den Koalitionsvertrag zwischen SPD und den Unionsparteien geschafft. Das ist doch schon mal was.

Übrigens: Man kann die Reportage „Hungerlohn am Fließband. Wie Tarife ausgehebelt werden“ auf YouTube anschauen. Noch.

Dicke Backen machen gehört zur Jobbeschreibung. Die Arbeitgeberfunktionäre machen mobil gegen einen möglichen Mindestlohn und gegen eine mögliche Regulierung der Werkverträge

Die letzten Tage waren beherrscht von der offensichtlich immer näher rückenden Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns im Zuge der Bildung einer Großen Koalition, handelt es sich hierbei doch um eine Kernforderung der SPD. Neben der Forderung nach einem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro fordert die SPD auch eine stärkere Regulierung der Werkverträge, beispielsweise durch die Einführung von Mitbestimmungsrechten der Betriebsräte in den Unternehmen, in denen Werkvertragsarbeitnehmer als „Fremdpersonal“ beschäftigt werden.

In diesem Kontext meldet der Nachrichtenteil des Deutschlandfunks: „Arbeitgeber erwägen Klage gegen gesetzlichen Mindestlohn„. In der Meldung heißt es weiter:

»Die Arbeitgeber erwägen rechtliche Schritte für den Fall, dass sich Union und SPD auf einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn von 8 Euro 50 einigen. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Hundt, sagte der „Stuttgarter Zeitung“, eine solche Regelung würde die Tarifautonomie beschädigen. Er fügte hinzu, die Arbeitgeber würden auch dann eine Klage prüfen, falls Union und SPD im Streit um Werkverträge erweiterte Mitspracherechte für Betriebsräte einführten. Diese Einschränkung unternehmerischer Freiheit wäre verfassungsrechtlich bedenklich.«

Das in der Meldung angesprochene Interview mit dem BDA-Präsidenten Hundt in der „Stuttgarter Zeitung“ ist überschrieben mit: „Dann prüfen wir eine Klage“. Die dort vorfindbaren Aussagen des Arbeitgeber-Präsidenten lesen sich dann noch vorsichtiger, als es die Nachrichtenmeldung bereits andeutet. So sagt Hundt auf die Frage, wie sich die Arbeitgeber verhalten werden, wenn es zu einem gesetzlichen Mindestlohn kommen sollte: »Ich halte einen einheitlichen, flächendeckenden Mindestlohn für falsch. Wenn die Regierung jedoch einen Mindestlohn beschließen sollte und Regelungen zur Umsetzung schafft, bei denen wir aufgefordert werden mitzumachen, werden wir uns dem Verfahren nicht verschließen.« Hundt weist dann darauf hin, dass man derzeit »41 gültige Tarifverträge mit den DGB-Gewerkschaften habe, bei denen die Einstiegslöhne unter 8,50 Euro liegen.« Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro würde diese Tarifverträge außer Kraft setzen. Dazu der Arbeitgeber-Präsident: »Wir warten mal ab, was tatsächlich beschlossen wird. Dann werden wir sicherlich mit unseren Juristen prüfen, ob es Möglichkeiten zur Klage gibt.« Das hört sich so an, wie es gemeint ist: Dicke Backen machen.

Ein anderer möglicher Regulierungsbereich belastet Herrn Hundt – nicht nur abstrakt als Interessenvertreter der Arbeitgeber, sondern mit Blick auf sein Unternehmen ganz persönlich – viel stärker als der kommende Mindestlohn: die geforderte stärkere Regulierung der Werkverträge. Hierzu Hundt:

»Ich lehne Scheinwerkverträge ganz entschieden ab und appelliere an die Firmen, äußerst vorsichtig zu sein, damit dieser Verdacht nicht entstehen kann. Generell sind Werkverträge aber das Prinzip unserer Wirtschaftsordnung. Mein Unternehmen lebt, was die Automobilzulieferung angeht, ausschließlich von Werkverträgen. Wenn erweiterte Mitspracherechte beschlossen würden, braucht jedes Automobilunternehmen die Zustimmung seines Betriebsrates, einen Werkzeugsatz an Allgaier vergeben zu können. Dies wäre verfassungsrechtlich sicher hochbedenklich, weil es eine Einschränkung der Unternehmensrechte darstellt. Wir werden sehen, was beschlossen wird, und dann die Juristen damit befassen, ob eine Klage dagegen aussichtsreich ist.«

Fazit: Manchmal lohnt es sich, doch genauer nachzulesen. Die konkreten Formulierungen hat der Arbeitgeber-Präsident nicht umsonst gewählt und sie klingen – verständlicherweise – nicht danach, dass man davon ausgeht, dass der juristische Weg irgendwelche Erfolgspotenziale in sich tragen würde. Sollte man auch nicht.

Auf der anderen Seite beschreibt das Interview aber auch die beiden großen Baustellen – von denen in den vergangenen Tagen fast nur die Frage eines Mindestlohnes hin und her gewälzt wurde. Die andere Baustelle, also die Regulierung der Werkverträge – nicht um diese abzuschaffen, was ganz unsinnig wäre angesichts der Bedeutung der „normalen“ Werkverträge in unserem Geschäftsleben, sondern um deren Missbrauch bzw. Instrumentalisierung zu stoppen – wird noch schwieriger werden als das, was wir in den zurückliegenden Jahren bei der Leiharbeit an Re-Regulierung gesehen haben. Man darf gespannt sein, ob sich hier was bewegt. Meine bescheidende Prognose ist, dass die Frage beispielsweise einer betrieblichen Mitbestimmung bei den Werkverträgen die Arbeitgeber wesentlich stärker in die Abwehrhaltung treiben wird als die derzeit so prominente Frage, sollen es 7,50 oder 8 oder 8,50 beim Mindestlohn sein. Denn hier geht es tatsächlich aus Sicht vieler Arbeitgeber um die Begrenzung dessen, was sie als unternehmerische Entscheidungsfreiheit betrachten und was ihnen bislang aufgrund der Nicht-Zuständigkeit der Betriebsräte ermöglicht hat, die Werkverträge sehr „flexibel“ in Anspruch zu nehmen, nicht nur, aber eben auch mit dem Ziel einer Lohnkostensenkung. Aber auch wenn die neue Bundesregierung eine betriebliche Mitbestimmung durchsetzen sollte, tauchen sofort nicht-triviale Anschlussfragen auf. Beispielsweise nach dem vorhandenen Interessenkonflikt nicht weniger Betriebsräte zwischen Stammbelegschaft und der flexiblen Randbelegschaft oder die Erkenntnis, dass eine solche Regelung den ja nun nicht kleinen mitbestimmungsfreien Zonen unserer Wirtschaft nicht helfen würde. Viel Stoff ante portas.