Drei Prozent Nettorendite. Nicht auf Aktien. Sondern in der Gesetzlichen Rentenversicherung

Immer wieder hört man die frustriert-aggressive Kommentierung, dass man mit dem, was an Beiträgen in die Gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden muss, weil es sich um eine Zwangsversicherung für abhängig Beschäftigte handelt, privat viel besser selbst vorsorgen und weitaus mehr herausbekommen könnte. Niklas Hoyer hat diese durchaus weit verbreitete Meinung in seinem Artikel So viel Rendite bringt die gesetzliche Rente mit drastischen Beispielworten auf den Punkt gebracht: »Dem IT-Berater aus Thüringen platzte der Kragen. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ließ er Mitte November seinem Ärger freien Lauf: „Die beschissene Rentenversicherung wird mich in meinem Erwerbsleben über eine Million Euro in Gebühren und entgangener Rendite kosten. Das ist absurd.“ Er würde doch gerne selbst entscheiden, welche Versicherung er abschließt, schrieb der Mann.« Es geht um hunderte Euro Monat für Monat. Im nun neuen Jahr 2021 beträgt der monatliche Höchstbetrag beim Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze 660 Euro im Monat – und der Arbeitgeber legt noch einmal den gleichen Betrag dazu, mithin also 1.320,60 Euro pro Monat.

Aber Hoyer muss den Mann mit seiner sehr individuellen Brille korrigieren: »Einige meinen, ihre Rentenbeiträge seien verlorenes Geld. Ein Irrtum.« Hinweise darauf, dass es sich bei der Einstufung der Beiträge an die Rentenversicherung um verlorenes Geld handelt, hat Hoyer in einer neuen Studie gefunden, die von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung veröffentlicht wurde:

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Ist die große Leerstelle der AfD bei der Rentenfrage jetzt mit Antworten beseitigt worden? Und ist der national-soziale Rententiger als Bettvorleger gelandet?

Nach mittlerweile mehrjähriger Verzögerung hat die AfD ihren Parteitag zur Positionierung in der Sozialpolitik nun endlich und passend zur Zeit mit der Auflage, das Thema unter Mund-Nase-Schutz verhandeln zu müssen, im nordrhein-westfälischen Kalkar abgehalten. Mehrmals war der verschoben worden – Björn Höcke hatte einen Sonderparteitag zur Sozialpolitik bereits vor zwei Jahren auf dem Bundesparteitag in Augsburg beantragt und zugestanden bekommen. Der Bedarf war und ist mehr als offensichtlich, denn gerade in der Rentenfrage stehen sich zwei völlig konträre Positionen gegenüber: Zum einen die vor allem aus Ostdeutschland um den mittlerweile offiziell angeblich nicht mehr existenten „Flügel“ vorangetriebene Konzeption einer national-sozialen Rentenpolitik, zum anderen die marktliberale Variante einer Abwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung und der irrlichternden Vorstellung einer Privatisierung der Alterssicherung, wie sie vom Parteichef Meuthen vertreten wird.

Nun könnte man es fast für eine geschickte Inszenierung halten, dass in den meisten Medien nur am Rande von den Inhalten dessen berichtet wird, was da auf diesem Bundesparteitag in Kalkar letztendlich beschlossen wurde, denn wieder einmal hat man größere Lust auf die personenbezogenen Scharmützel, die vom AfD-Vorsitzenden Meuthen mit einer sogenannten „Wutrede“ ausgelöst wurden. Jörg Meuthen hat seine Partei zur Distanzierung von Krawallmachern und Provokateuren in den eigenen Reihen aufgefordert. „Was wir mehr als alles andere brauchen, ist innerparteiliche Disziplin“, sagte er in einer Rede, für die es am Ende auch Buh-Rufe gab. Der Parteichef kritisierte unter anderem, dass manche in der AfD von „Corona-Diktatur“ sprächen, keine Distanz zur sogenannten Querdenker-Bewegung zeigten und mit dem Begriff „Ermächtigungsgesetz“ hantierten. „Entweder wir kriegen hier die Kurve, und zwar sehr entschlossen und sehr bald. Oder wir werden als Partei in keineswegs ferner Zukunft in ganz, ganz schwere See geraten und gegebenenfalls scheitern.“ Das stieß bei knapp der Hälfte der Delegierten auf Empörung. Aber anzunehmen, dass es sich um eine geplante Inszenierung handelt, um von der Inhaltsleere der sozialpolitischen Beschlüsse abzulenken, würde dann doch einen Grad von Professionalität unterstellen, den man dieser Partei nicht wirklich zuschreiben sollte. Dabei gibt es gute Gründe, von dem abzulenken, was da beschlossen wurde.

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„Die meisten sind gut versorgt“ und gleichzeitig: Die Altersarmut wird weiter wachsen. Kein Widerspruch

»Wer bei Google das Wort Altersarmut eingibt, kommt auf mehr als 1,1 Millionen Treffer. Darin spiegelt sich wider, dass viele Menschen in Deutschland, vor allem die Jüngeren, ein finanziell unsicheres Leben im Ruhestand befürchten. Die meisten Rentner heute müssen sich deshalb wohl keine Sorgen machen. Dies zeigt der neue Alterssicherungsbericht 2020 der Bundesregierung. „Die heutige Rentnergeneration“, heißt es in der 275 Seiten starken Analyse, „ist überwiegend gut versorgt.“ Ihr Alterseinkommen habe sich in den vergangenen Jahren sogar „insgesamt günstig“ entwickelt«, so Thomas Öchsner unter einer endlich mal positiv daherkommenden Überschrift: Vielen Rentnern geht es gut. Und dann wird nachgeschoben: »In den vergangenen zehn Jahren stiegen … die Altersbezüge deutlich stärker als die Inflationsrate. Rentner gewannen zuletzt an Kaufkraft – auch das bestätigt der neue Alterssicherungsbericht … Ein älteres Ehepaar verfügt laut der Analyse im Durchschnitt über monatlich 2.907 Euro netto, alleinstehende Männer über 1.816 Euro, Frauen über 1.607 Euro.«

Wer noch mehr Zahlen haben möchte, der kann gleich in das Original reinschauen, in den alle vier Jahre von der Bundesregierung erstellten und veröffentlichten Alterssicherungsbericht:

➔ Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2020): Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2020 gemäß § 154 Abs. 2 SGB VI (Alterssicherungsbericht 2020), Berlin 2020

Altersarmut ist kein Problem in unserem Land, das hört und liest man immer wieder – und die zitierten Zahlen scheinen das auch unmittelbar zu bestätigen. Aber Schein bleibt Schein und wird nicht zum Sein, nur weil man es immer behauptet. Tatsächlich haben wir bereits in den zurückliegenden Jahren einen überdurchschnittlichen Anstieg der Armutsbetroffenheit bei den älteren Menschen. Wenn man „richtig“ rechnet. Und diese Entwicklung, die sich in den vor uns liegenden Jahren unter Fortschreibung der heutigen Bedingungen noch deutlich verstärken wird, wenn viele von Einkommensarmut bedrohten Senioren in das Rentenalter kommen, steht nicht im Widerspruch zu der gleichzeitig beobachtbaren Zunahme der Zahl und des Anteils älterer Menschen, die materiell sehr gut bestückt ihren Lebensabend werden verbringen können.

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Die Dynamik des Anstiegs der Altersarmut in den vergangenen Jahren macht Sorgen

»Die Generation 65 plus sieht sich in Deutschland zunehmend von Altersarmut bedroht. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stieg der Anteil der über 64-Jährigen, die … armutsgefährdet sind, in den vergangenen 15 Jahren um 4,7 Prozentpunkte auf 15,7 % im Jahr 2019. In keiner anderen Altersgruppe war der Anstieg seit dem Jahr 2005 so groß.« So beginnt eine Meldung der Bundesstatistiker unter der Überschrift Armutsgefährdung stieg seit 2005 am stärksten in der Generation 65 plus. Dabei werden Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland hervorgehoben: »Im Westen stieg die Armutsgefährdungsquote für über 64-Jährige seit 2005 um 4,6 Prozentpunkte auf 16,2 % im Jahr 2019 und liegt somit sogar knapp oberhalb der Armutsgefährdungsquote für alle Altersgruppen im Westen zusammen. Im Osten konnte im gleichen Zeitraum ein Anstieg um 4,9 Prozentpunkte auf 13,8 % gemessen werden. Dieser Wert liegt jedoch um 4,1 Prozentpunkte unter der Armutsgefährdungsquote für alle Altersgruppen im Osten.« Allerdings wird zum Osten angemerkt: »Auffällig ist, dass der Anstieg der Armutsgefährdung in der Generation 65 plus im Osten gegenläufig zum dort beobachteten Gesamttrend verläuft. Über alle Altersgruppen hinweg nahm die Armutsgefährdungsquote im Osten ab: Von 20,4 % im Jahr 2005 auf 17,9 % im Jahr 2019.«

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Ein Euro kann 76 Cent wert sein – oder auch 1 Euro und 16 Cent. Zur regionalen Streuung der Kaufkraft der Renten

Zum 1. Juli 2020 werden die Renten der rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner turnusgemäß angepasst. Der aktuelle Rentenwert steigt in Westdeutschland um 3,45 Prozent und der aktuelle Rentenwert (Ost) wird um 4,2 Prozent erhöht. Nun sind Prozentzahlen Anteilswerte und bei denen kommt es auf die Grundgesamtheit an – dass es einen Unterschied macht, ob man 2.000 Euro und mehr aus der gesetzlichen Rentenkasse bekommt oder aber nur 700 oder 900 Euro im Monat, das leuchtet ein. Nicht nur deshalb sind die auch gerne von anderen immer wieder gerne zitierten durchschnittlichen Monatsrenten nur sehr bedingt aussagefähig, denn zum einen gehen da auch die vielen kleinen Renten ein, die aber nichts zu tun haben müssen mit viel zu niedrigen Rentenansprüchen, zum anderen aber können Durchschnittswerte den Blick sogar mehr als trüben, wenn es eine breite Streuung der Einzelwerte geben sollte.

Und hinsichtlich der immer wieder vorgenommenen Gleichsetzung niedriger Rentenzahlbeträge mit Altersarmut muss man ebenfalls kritisch einwenden, dass das so nicht zulässig ist, denn Altersarmut bezieht sich immer auf das Haushaltseinkommen der Betroffenen und nicht auf die Höhe einer einzelnen Rente (vgl. dazu differenzierter bereits der Beitrag Die Untiefen der großen kleinen Zahlen: Von mickrigen Renten, einer falschen Gleichsetzung mit Altersarmut sowie zugleich deren beharrliche Leugnung vom 12. Juli 2018).

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