Zum 1. Juli 2020 werden die Renten der rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner turnusgemäß angepasst. Der aktuelle Rentenwert steigt in Westdeutschland um 3,45 Prozent und der aktuelle Rentenwert (Ost) wird um 4,2 Prozent erhöht. Nun sind Prozentzahlen Anteilswerte und bei denen kommt es auf die Grundgesamtheit an – dass es einen Unterschied macht, ob man 2.000 Euro und mehr aus der gesetzlichen Rentenkasse bekommt oder aber nur 700 oder 900 Euro im Monat, das leuchtet ein. Nicht nur deshalb sind die auch gerne von anderen immer wieder gerne zitierten durchschnittlichen Monatsrenten nur sehr bedingt aussagefähig, denn zum einen gehen da auch die vielen kleinen Renten ein, die aber nichts zu tun haben müssen mit viel zu niedrigen Rentenansprüchen, zum anderen aber können Durchschnittswerte den Blick sogar mehr als trüben, wenn es eine breite Streuung der Einzelwerte geben sollte.
Und hinsichtlich der immer wieder vorgenommenen Gleichsetzung niedriger Rentenzahlbeträge mit Altersarmut muss man ebenfalls kritisch einwenden, dass das so nicht zulässig ist, denn Altersarmut bezieht sich immer auf das Haushaltseinkommen der Betroffenen und nicht auf die Höhe einer einzelnen Rente (vgl. dazu differenzierter bereits der Beitrag Die Untiefen der großen kleinen Zahlen: Von mickrigen Renten, einer falschen Gleichsetzung mit Altersarmut sowie zugleich deren beharrliche Leugnung vom 12. Juli 2018).
Aber selbst wenn man im Bereich der Einkommensarmut im Alter davon ausgeht, dass es dort viele Menschen gibt, die aufgrund der Kumulation mehrerer Risikofaktoren oft überwiegend oder ausschließlich auf die gesetzliche Rente angewiesen sind, weil sie kaum oder keine weiteren nennenswerte Einkommensquellen im Alter haben, muss man selbst bei dem konkreten Zahlbetrag der Rente (wie auch anderer Einkommensbestandteile) genauer hinschauen, wo jemand lebt, der über die Geldsumme verfügt. Denn ein nominaler Euro ist eben nicht überall gleich viel wert.
»Regional gibt es große Unterschiede auf den Wert der Rente und damit verbunden auf den Wohlstand im Alter. Während die 1.000 Euro für Rentner in München eine Kaufkraft von 760 Euro haben, liegt der reale Wert im brandenburgischen Landkreis Elbe-Elster bei 1.160 Euro«, so Björn Bergfeld in seinem Artikel Rente: So viel ist das Altersgeld regional wert. »Ob die Rente im Alter tatsächlich zum Leben reicht, das richtet für ihre Bezieher auch nach der Region. Denn die Kaufkraft der Rente klafft je nach Wohnort um gut die Hälfte (52 Prozent) auseinander.« Woher kommen diese Zahlen?
Sie basieren auf Teilergebnissen einer Prognos-Studie – „Regionale Kosten der Altersvorsorge. Analysen zum Lebensstandard im Alter aus Kreisebene“ – im Auftrag der GDV, also dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Bei solchen Auftragsstudien muss man natürlich immer die möglichen Interessen der Auftraggeber im Hinterkopf behalten. Den privaten Versicherungsunternehmen geht es natürlich vor allem darum, Argumente zu liefern, warum eine ergänzende private Altersvorsorge betrieben werden sollte.
Aber die hier aufgerufene Frage der regional durchaus erheblich streuenden Geldbeträge ist nicht nur für Rentenzahlbeträge relevant, sondern auch bei den nominalen Schwellenwerten von Einkommensarmut bis hin zu einheitlichen Lohnbeträgen.
„Der Wohnort hat einen erheblichen Einfluss auf die Lebenshaltungskosten und damit auf den Wohlstand im Alter“, wird Prognos-Studienautor Heiko Burret zitiert. Er differenziert die Befunde: Teurere Gegenden müssten als Altersruhesitze nicht zwangsläufig unattraktiver sein, da die Löhne und somit auch die Renten dort tendenziell höher seien als in günstigeren Regionen. Zudem seien die Lebenshaltungskosten dort in der Regel bereits im Erwerbsleben höher. „Einbußen beim Lebensstandard im Alter drohen vor allem, wenn die Lebenshaltungskosten im Verlauf des Erwerbslebens stark gestiegen sind und die gesamten Alterseinkünfte im Verhältnis zum regionalen Preisniveau sehr niedrig ausfallen.“
Bekannte Spaltungslinien: Der Süden ist teuer, der Norden und Osten preiswert
Die regionalen Unterschiede kommen nicht überraschend: »Gemessen an den regionalen Kaufkraftunterschieden ist das Leben für Rentnerinnen und Rentner in Bayern besonders teuer. Gleich sieben der bundesweit zehn teuersten Altersruhesitze befinden sich im Freistaat. Nach der Landeshauptstadt München liegen die Landkreise München und Starnberg auf den vorderen Plätzen im deutschlandweiten Ranking. Generell ist der wirtschaftsstarke Süden der Republik eher kostenintensiv: 40 der 50 teuersten Regionen liegen in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Zu den Spitzenreitern in puncto Lebenshaltungskosten gehören zum Beispiel Städte wie Frankfurt am Main und Hamburg.
Relativ preiswert ist das Leben im Ruhestand dagegen meist in Nord- und Ostdeutschland, mit Ausnahme von Hamburg, Nordfriesland, Berlin und Potsdam, die zu den 50 teuersten Regionen Deutschlands zählen. Das günstigste Bundesland ist Sachsen-Anhalt: In allen 14 Kreisen und kreisfreien Städten dieses Bundeslandes liegen die Lebenshaltungskosten unter dem Bundesdurchschnitt, in elf davon sogar um mehr als zehn Prozentpunkte. Vergleichsweise günstig gestaltet sich das Leben im Ruhestand auch in der brandenburgischen Region Elbe-Elster, im Landkreis Greiz und im Kyffhäuserkreis in Thüringen, im Vogtlandkreis in Sachsen sowie in der rheinland-pfälzischen Vulkaneifel.«
Wie sind die auf diese Kaufkraftunterschiede gekommen?
Dazu bekommt man von Prognos die folgenden Erläuterungen: »Für die Auswertung hat Prognos die Lebenshaltungskosten der Rentnerinnen und Rentner in 401 Kreisen und kreisfreien Städten verglichen. Zur Berechnung wurde der allgemeine Verbraucherpreisindex (VPI) des Statistischen Bundesamtes durch die Berücksichtigung von regionalen Preisen für ausgewählte Verwendungszwecke des Individualkonsums (v. a. in den Bereichen Wohnen, Bildung und Gesundheitspflege) partiell regionalisiert. Zudem wurde eine altersspezifische Komponente eingefügt, die bestimmte Ausgaben entsprechend dem Konsumverhalten der über 65-Jährigen gewichtet. Beispielsweise haben Gesundheitsausgaben und Mieten in dieser Altersgruppe ein höheres Gewicht als in der erwerbstätigen Bevölkerung. Kosten für Bildung spielen dagegen eine geringere Rolle. Die Zusammensetzung des Warenkorbs bleibt gleich, nur die Gewichtung der Ausgaben ändert sich. Die Kaufkraftunterschiede in den einzelnen Regionen werden im Wesentlichen von den Wohnkosten beeinflusst. Da die Entwicklung der regionalen Preise mit Unsicherheit behaftet ist, birgt der Kaufkraftindex das Risiko die Lebenshaltungskosten in einigen Regionen zu über- oder unterschätzen. Zudem können sich weitere Preise, beispielsweise im Bereich Pflege, regional unterschiedlich entwickeln. Gleichwohl veranschaulicht die regionale Preisentwicklung strukturelle Muster und ihre potenziellen Auswirkungen.«
Wenn man das genau liest, dann kann man erkennen, dass das anders, als die konkreten kaufkraftbereinigten Euro-Beträge mit ihrer Exaktheit suggerieren mögen, Schätzungen sind, die natürlich mit Vorsicht zu genießen sind.