Nicht nur für Banken gibt es einen „Reservefallschirm“. Auch für faktisch entleihende Unternehmen, die einen (Schein-)Werkvertrag nutzen

Das ist ein weiteres frustrierendes Aktenzeichen für alle, die gegen den Missbrauch von (Schein)Werkverträgen kämpfen und denen sich in der Wirklichkeit immer wieder die bestehende Rechtslage in den Weg stellt, die seit langem identifiziert, diskutiert, und kritisiert wird. Und für deren Abänderung – durch eine kleine Änderung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – die Regierung alle Zeit der Welt gehabt hätte. Sie hat es aber bis heute nicht getan, sondern die Bundesarbeitsministerin hat lediglich angekündigt, auf der Basis des Koalitionsvertrags im Herbst die Sache mal anzugehen. Warum eigentlich erst im Herbst? Aber zuvor der Sachverhalt: Das angesprochene Aktenzeichen lautet 16 BV 121/13 und markiert einen Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 08.04.2014.
Thorsten Blaufelder hat in dem Blog seiner Kanzlei die Besprechung des Urteils unter die Überschrift „Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung führt nicht zu Festanstellung“ gestellt, was zwar nicht grundsätzlich gilt, aber leider den Kern des konkreten Sachverhalts trifft.

Der erste Satz der Entscheidung des Arbeitsgerichts betoniert das Problem ein in die bestehende Rechtslage:

»Wird ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber in einem anderen Unternehmen im Wege eines Werk-/Dienstvertrages eingesetzt und stellt sich der Einsatz in Wirklichkeit als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerk-/Scheindienstvertrag) heraus, wird kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem anderen Unternehmen (Entleiher) begründet, soweit der Arbeitgeber (Verleiher) über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis iSd. § 1 Abs.1 Satz 1 AÜG verfügt.«

Alles klar? Was wir hier erneut erleben müssen ist das Ziehen des „Reservefallschirms“, wie das der Arbeitsrechtler Peter Schüren mal ausgedrückt hat. Bevor die sich dahinter verbergende Problematik erläutert wird, hier erst einmal der Sachverhalt um was und wen es in dem nun zum Abschluss gebrachten Verfahren geht. Hier ein Zitat aus dem Blog-Beitrag von Thorsten Blaufelder:

»In dem Werk befindet sich die Entwicklungsabteilung für Pkw-Motoren, -Achsen und -Getriebe. Bereits seit 2009 wird dort ein Entwicklungsingenieur als „Fremdarbeitskraft“ beschäftigt. Der Einsatz erfolgt auf der Basis von Werk- oder Dienstverträgen jeweils für bestimmte Projekte, zuletzt bei der Weiterentwicklung des Dieselmotors OM 651.
Der Betriebsrat meint, es handele sich um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung. Es bestehe daher ein Arbeitsverhältnis zu Mercedes-Untertürkheim, und der Entwicklungsingenieur könne dort auch selbst für den Betriebsrat kandidieren.
Das Arbeitsgericht Stuttgart wies den entsprechenden Antrag des Betriebsrats nun aber ab. Zwar gebe es „nicht unerheblich Indizien“, dass die Werk- und Dienstverträge nur Scheinverträge sein könnten. Doch selbst wenn man dies annehme, sei kein Arbeitsverhältnis im Mercedes-Werk Untertürkheim entstanden.
Denn die Firma, bei der der Entwicklungsingenieur angestellt sei, verfüge über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Nach den gesetzlichen Vorgaben könne daher „kein Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert werden“. Vielmehr bleibe das Arbeitsverhältnis zur Leihfirma bestehen.«
Und hier sind wir wieder angekommen bei dem Schürenschen „Reservefallschirm“. Was muss man sich darunter vorstellen? Dies ist bereits beschrieben worden in meiner Veröffentlichung aus dem vergangenen Jahr:

Sell, Stefan: Lohndumping durch Werk- und Dienstverträge? Problemanalyse und Lösungsansätze (= Remagener Beiträge zur Sozialpolitik 13-2013), Remagen, 2013

Dort findet man die folgenden Erläuterungen:

»Eigentlich ist die Sache relativ einfach: Wenn unter dem Deckmantel eines Werk- oder Dienstvertrags faktisch eine Arbeitnehmerüberlassung betrieben wird, dann sind die Konsequenzen, die bereits heute im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelt sind, hart und einfach: Der Schein-Vertrag ist nichtig, der Arbeitsvertrag zwischen dem faktischen Verleiher und den überlassenen Arbeitnehmern ebenfalls nd der überlassene Arbeitnehmer wird zum Arbeitnehmer des Entleihers mit allem daraus resultierenden Ansprüchen. Besonders bedrohlich für den Entleiher ist die Strafbarkeit wegen Beitragshinterziehung gemäß § 266a StGB. Besonders aus diesem Bedrohungsszenario könnte eine wirkungsvolle Abschreckung funktionieren, so dass viele Unternehmen, die in Inhouse-Outsourcing praktizieren, darauf achten müssen, die Grenzen zu Arbeitnehmerüberlassung nicht zu überschreiten. Was aber soll an dieser Stelle das „könnte“ im letzten Satz? Es soll überleiten zu dem bereits erwähnten Schlupfloch, mit dem man den dadurch erreichen Abschreckungseffekt wieder neutralisieren kann.

Denn „erfreulicherweise“ für den Auftraggeber funktioniert die skizzierte Abschreckungswirkung heute nicht richtig – und zwar dann nicht, wenn der Scheinwerkunternehmer oder Scheindienstleister über eine Überlassungserlaubnis verfügt. Wenn das der Fall ist, dann tritt die beschriebene Rechtsfolge eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher nicht ein. Die Ansprüche des eigentlich überlassenden Arbeitnehmers richten sich in diesem Fall nicht gegen das Entleih-Unternehmen, sondern gegen das Verleih-Unternehmen. Und genau diese Konstruktion ist in der Praxis weit verbreitet: Die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis fungiert demnach als „Reservefallschirm“ bei verdeckter Überlassung. Im Ergebnis bedeutet das, dass der faktische Entleiher bei einem Scheinwerk- oder Scheindienstvertrag praktisch kein Risiko eingeht, aber die Kostenvorteile, die sich realisieren lassen, mitnehmen kann.« (Sell 2013: 6 f.)
Eine „geniale“ Konstruktion für das faktisch entleihende Unternehmen. Und genau das ist im vorliegenden Fall zur Anwendung gekommen, wenn wir von den „nicht unerheblichen Indizien“ ausgehen, die vom Gericht selbst angesprochen werden, dass es sich um Schein-Werk- bzw. Dienstverträge handelt.

Voraussetzung ist – wie ausgeführt – das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis beim (Schein-)Werkvertragsunternehmen. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann greifen auch bei der bestehenden Rechtslage die beschriebenen schmerzhaften Rechtsfolgen für den faktischen Entleiher. Das gleiche Unternehmen, das im vorliegenden Fall von der Regelung profitiert hat, konnte sich bei einer anderen Fallkonstellation nicht auf Kosten Dritter exkulpieren, worauf Thorsten Blaufelder in seinem Blog-Beitrag hinweist:

»Am 01.08.2013 hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Stuttgart entschieden, dass die Daimler AG im Werk Möhringen zwei IT-Fachkräfte über Jahre mit Scheinwerkverträgen beschäftigt hat. Hier hatte das LAG beiden eine Festeinstellung zugesprochen. Zur Begründung hatte es aber ausdrücklich darauf verwiesen, dass der mit den Scheinwerkverträgen beauftragte IT-Dienstleister nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte«.
Das angesprochene Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 1. August 2013  kann man unter dem Az. 2 Sa 6/13 einsehen.

Ärgerlich an der ganzen Angelegenheit ist der Tatbestand, dass auf diese offensichtliche Regelungslücke schon seit langem hingewiesen wird – und auch auf den relativ einfachen Lösungsansatz für den Gesetzgeber:

»Aus der Logik einer anzustrebenden Abschreckungswirkung liegt der Lösungsansatz für dieses Problem auf der Hand: Man muss durch eine gesetzgeberische Änderung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz den Durchgriff der Sanktionen auf den Auftraggeber sicherstellen.

Der Arbeitsrechtler Peter Schüren hat hierzu einem handhabbaren – und gesetzgeberischen Willen vorausgesetzt auch schnell umsetzbaren – Vorschlag entwickelt: Um zu verhindern, das Schein-Werk- bzw. Schein-Dienstverträge unter dem „Schirm“ einer vorhandenen Überlassungserlaubnis gelangen, sollte der bestehende Gesetzeswortlaut im § 9 Nr. 1 AÜG geändert werden. Vorgeschlagen wird die folgende Ergänzung des § 9 Nr. 1 AÜG (die Ergänzung ist hier kursiv hervorgehoben):
„Unwirksam sind:
1. Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 erforderliche Erlaubnis hat oder bei vorhandener Erlaubnis die Überlassung des Leiharbeitnehmers nicht eindeutig als Arbeitnehmerüberlassung kenntlich macht,“ (Schüren 2013: 178) … Durch diese überaus scharf wirkende Ergänzung innerhalb des AÜG würde der faktische Entleiher erhebliche Sanktionen fürchten müssen, bis hin zur Strafbarkeit seines Verhaltens, was eine erhebliche Abschreckungswirkung entfalten würde. Vor einem solchen Hintergrund würden sich die allermeisten Unternehmen mehrfach gegen die Möglichkeit abzusichern versuchen, dass es sich bei ihren Werkverträgen um Schein-Werkverträge handeln könnte, da die Sanktionen für sie massiv wären. Zumindest das beschriebene und heute existierende Schlupfloch für die Auftraggeber wäre geschlossen.« (Sell 2013: 11 f.)

Nur als kleine Erinnerungs-Fußnote: Als die SPD noch in der Opposition war, hat sie entsprechende Anträge im Bundestag und von ihr regierte Bundesländer über den Bundesrat eingebracht, die von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung aber abgelehnt worden sind, genau so wie die damaligen Anträge von Grünen und Linken. Aber meines Wissens ist die SPD jetzt schon einige Zeit in der neuen Bundesregierung vertreten und dann sogar prominent im Arbeitsministerium.

Das hätte also schon längst geändert werden können, wenn man denn wollte. Also darf man wieder einmal fragen: Was macht Berlin? Und vor allem – wann machen die das, was zu machen wäre?

Ausprobieren, hängen bleiben und alles wird gut? Es gibt einen „Klebeeffekt“ der Leiharbeit – in der Leiharbeit. Sonst kaum.

Die Leiharbeit mal wieder. In der letzten Zeit ist es ruhiger geworden, die aktuellen Debatten haben sich verschoben auf die Problematik der Werkverträge. Schon allein vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse einer neuen IAB-Studie aus Hessen besonders interessant. In dieser Untersuchung hat man sich mit einem Argument auseinandergesetzt, das immer wieder von den Befürwortern der Leiharbeit als eines der Instrumente zur Arbeitsmarkt-Flexibiliserung vorgetragen wird: der so genannte „Klebeeffekt“.

Dahinter steht die Annahme, dass einige Leiharbeiter durch die Tätigkeit in einem entleihenden Unternehmen von diesem „entdeckt“ und übernommen werden, also im Entleihunternehmen „hängen bleiben“. Man kann sich diesen Effekt vorstellen als eine Art verlängerte Ausprobierzeit. Wenn es so wäre, dann kann man die Leiharbeit als „Sprungbrett“ in „normale“ Beschäftigung dar- und herausstellen. Diese hier skizzierte (angebliche) Funktionalität war eines der Hauptargumente der Befürworter der umfassenden Deregulierung der Leiharbeit im Kontext der Umsetzung der „Hartz-Reformen“.

Die noch unveröffentlichte Studie zur „Arbeitnehmerüberlassung in Hessen“, erstellt von Alfred Karloff, Timo Lepper und Carola Bunkert, über die in der Frankfurter Rundschau von Martin Brust unter dem Titel „Zeitarbeit ist kein Sprungbrett“ berichtet wird, kommt zu zwei interessanten Ergebnissen:

  • Leiharbeit ist kein Sprungbrett in reguläre Beschäftigung. In der Studie haben die IAB-Wissenschaftler die Berufsbiografien von Menschen verglichen, die sich arbeitslos gemeldet und im ersten Jahr nach ihrer Meldung bei einer Zeitarbeitsfirma angefangen haben oder eben nicht. In der Gruppe jener, die als Leiharbeiter anheuerten, „konnten wir keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme einer regulären Beschäftigung feststellen“, so wird einer der drei Verfasser zitiert.
  • Die Studie hat auch fest gestellt, »dass Personen jener Gruppe, die nach Eintritt ihrer Arbeitslosigkeit in die Zeitarbeit gegangen ist, in den folgenden fünf Jahren mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Job haben als Personen aus der Vergleichsgruppe – allerdings nur im Bereich der Leiharbeit. „Wer in Leiharbeit eintritt, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, in der Leiharbeit zu bleiben“ … Wenn es einen Klebeeffekt gibt, dann also den von Leiharbeitern in der Leiharbeit.«

Wie ist man zu diesen Ergebnissen gekommen? Man hat Lebensläufe von Personen verglichen, die sich zwischen 2000 bis 2004 in Hessen arbeitslos gemeldet haben, und deren Entwicklung für maximal fünf Jahre verfolgt. »Aus rund 11.000 Personen haben sie rund 500 herausgefiltert, die innerhalb des ersten Jahres der Arbeitslosigkeit bei einem Verleiher angefangen haben. Für die Vergleichsgruppe haben sie für jede Person „statistische Zwillinge“ gesucht, also einen Datensatz, der dem ersten möglichst vollständig gleicht – aber eben ohne Job in der Zeitarbeit.«
Auch den naheliegenden Einwand, dass hier bei einem Vergleich der beiden Gruppen (mit und ohne Leiharbeit) Äpfel mit Birnen verglichen werden, thematisieren die Autoren der neuen Studie:

»Falls Personen mit problematischen Biografien überdurchschnittlich oft als Zeitarbeiter anfingen, dann würde dies die Ergebnisse verzerren. Allerdings hätten sie diese Möglichkeit geprüft und er halte die Wahrscheinlichkeit für eine Verfälschung für sehr niedrig.«

Bei aller Kritik und Aufregung an und über die Leiharbeit muss man aber einerseits auch sehen, dass es sich bei der Leiharbeit insgesamt, also aus Sicht des gesamten Beschäftigungssystem gesehen, um eine überschaubare Größenordnung handelt, andererseits ist die Bedeutung der Leiharbeit für einzelne Branchen und Betriebe – vor allem für die Bundesagentur für Arbeit sowie die Jobcenter selbst – sehr groß:

»Im März dieses Jahres waren laut Arbeitsagentur Hessen etwa 2,5 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hessen im Bereich Zeitarbeit angestellt. Zugleich kamen knapp 27 Prozent der gemeldeten freien Stellen aus dem Zeitarbeitssektor.«

Hier ist eine durchaus diskussionsbedürftige Amalgamisierung der – institutionenegoistisch verständlichen – Anreize bei den Anbietern der Leistungen  festzustellen: Die Arbeitsagenturen und die Jobcenter profitieren einerseits angesichts der vielen Stellenangebote von den Leiharbeitsfirmen, auch und gerade vor dem Hintergrund, dass sie aus anderen Branchen kaum oder nur sehr wenige Stellenangebote bekommen. Und jede „Übergabe“ in Erwerbsarbeit ist eine Integration. Wenn man daran gemessen wird, macht es „Sinn“, mit der Leiharbeit zu kooperieren, denn hier stehen Aufwand und Ertrag in einem sehr günstigen Verhältnis, man kann das also durchaus entsprechend pushen.
Auf der Seite gibt es einen weiteren wichtigen Vorteil, diesmal für die Leiharbeitsunternehmen: Durch die vielen Stellenangebote, die oftmals auch quantitativ aufgeblasen werden,  kommt man kostengünstig, soll heißen: umsonst, an die Stellenprofile von Arbeitsuchenden, die dann besonders wertvoll sind, wenn man wieder neuen und unvorhersehbaren Arbeitskräftebedarf hat.

So kommt das eine zum anderen. Aber nach dieser neuen Studie sollte man auf keinen Fall unwidersprochen behaupten, das dass alles nur zum Wohl der Arbeitslosen passiert.

Werkverträge und Leiharbeit stärker in die Zange nehmen? Nordrhein-Westfalen präsentiert Studie zur gesetzlichen Eindämmung von Missbräuchen

Die Themen Leiharbeit und Werkverträge sind an sich schon heftig umstritten – und nun gießt das rot-grüne Nordrhein-Westfalen weiter Öl ins Feuer mit der Präsentation einer neuen Studie, in der eine weitergehende Regulierung dieser beiden Felder diskutiert und transportiert wird. Das arbeitsrechtliche Gutachten mit dem trocken daherkommenden Titel „Vorschläge für eine gesetzliche Regelung zur Eindämmung von Missbräuchen beim Fremdpersonaleinsatz und zur Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie“ wurde von Prof. Dr. Christiane Brors und Prof. Dr. Peter Schüren im Kontext der Initiative „Faire Arbeit – fairer Wettbewerb“ des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers Guntram Schneider (SPD) erstellt.

Es sind vor allem zwei konkrete Vorschläge aus dem Gutachten der Arbeitsrechtler, die die Debatte über eine stärkere Regulierung von Werkverträgen und Leiharbeit befeuern werden:

Zum einen:  Die Arbeitgeber sollen künftig nachweisen, dass die Beschäftigten tatsächlich echte Werkvertrags-Mitarbeiter sind und kein Schein-Werkvertrag vorliegt. Vorgeschlagen wird also eine Umkehr der Beweislast. Der Arbeitsminister Schneider wird mit den Worten zitiert: »Wenn ein Mitarbeiter aufzeigt, dass er in die Arbeitsorganisation genauso eingebunden ist, wie ein Kollege aus dem Stammpersonal, dann muss das Unternehmen beweisen, dass dies nicht der Fall ist. Kann es das nicht, dann ist es automatisch der tatsächliche Arbeitgeber und haftet. Der Arbeitnehmer kann sich dann einklagen.«

Zum anderen: Bei der Leiharbeit geht es um das Ziel der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern und Stammpersonal. Nach spätestens neun Monaten Einsatz soll mindestens der gleiche Lohn wie beim Stammpersonal gezahlt werden. Der Entleiher, also die Firma, für die gearbeitet wird, haftet als Bürge für diese Lohnzahlung. Leiharbeit soll so nur noch möglich sein, um einen vorübergehenden Bedarf beim Entleiher abzudecken.

Die Übersicht über die wichtigsten Regelungsvorschläge von Brors/Schüren (2014: 5) verdeutlicht die wesentlichen Vorschläge:

1.) Leiharbeit: Die legale Überlassung von Leiharbeitnehmern ist nur noch zur Deckung eines „vorübergehenden“ Bedarfs beim Entleiher zulässig. Das soll in § 1 Abs. 2 AÜG unmissverständlich formuliert werden. Darüber hinaus soll bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen eine Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern Stammpersonal zwingend vorgeschrieben werden. Der zumeist deutlich niedrigere Tariflohn in der Leiharbeit ist nur bei unbefristeten Leiharbeitsverhältnissen möglich. Nach neun Monaten Einsatz im Entleiher Unternehmen muss ausnahmslos mindestens der gleichen Stundenlohn wie beim Entleiher gezahlt werden. Dabei soll der Entleiher als Bürge für die Lohnzahlung haften.

2.) Scheinwerkverträge, Scheindienstverträge und Scheinselbstständigkeit: die Arbeitnehmer, die über einen Scheinwerkvertrag illegal überlassen werden oder Schein selbstständig sind, sollen sich nach den Vorschlägen bei demjenigen, für den sie abhängig arbeiten, mithilfe einer Beweislastumkehr leichter einklagen können. Sie müssen nur nachweisen, dass sie in seiner Betriebsorganisation tätig sind. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass dies im Rahmen eines ordentlichen Werk- oder Dienstvertrags oder einer selbstständigen Tätigkeit erfolgt – sonst steht seiner Arbeitgeberstellung fest.

3.) Ausländer mit entsenden Bescheinigung: hier ist aufgrund der europäischen Rahmenbedingungen die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses als Konsequenz einer Beschäftigung in einem Scheinwerkvertrag nicht möglich. Die Autoren schlagen hier vor, bei illegalen Überlassung und Scheinselbstständigkeit einen vollen Anspruch auf die Vergütung zuzüglich des Arbeitgeberanteils in der Sozialversicherung vorzusehen, denn damit würde der Kostenvorteil aufgehoben und das müsste abschreckend wirken.

Die beiden Autoren plädieren dafür, den Betriebsrat einen stark abgesicherten, dauerhaften Unterrichtungsanspruch bei fremden Personaleinsatz zuzugestehen. Wenn dieses Informationsrecht des Betriebsrats verletzt wird, dann ist der Einsatz unzulässig.

Soweit die wichtigsten Vorschläge der beiden Arbeitsrechtler, die dann im weiteren Gang des Gutachtens begründet und ausformuliert werden.

Natürlich melden sich bereits erste kritische Stimmen zu Wort. So berichtet Lena Kreymann in ihrem Artikel „Kratzen an der Oberfläche„:

Der Vorsitzende des DGB Nordrhein-Westfalen, Andreas Meyer-Lauber, kritisierte gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung am Mittwoch, gleiche Bezahlung erst nach neun Monaten sei unzureichend. »Dann ist weit über die Hälfte der Leiharbeiter schon wieder raus aus dem Betrieb.«

Und zu dem vorgeschlagenen abgesicherten Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats bei fremden Personaleinsatz schreibt Kreymann:

Die Betriebsräte können sich dem Entwurf zufolge umfassender über die Werkverträge in einem Betrieb informieren. Der Haken hierbei: Ein Mitspracherecht ist nicht vorgesehen. Ein Werkvertrag sei schließlich ein Auftrag an eine Fremdfirma, erklärte Schüren dazu. »Dies würde einen Kernbereich der unternehmerischen Freiheit einschränken.«

Schlussendlich sollte man bedenken, dass die heute vorgelegten Vorschläge der Arbeitsrechtler noch weit davon entfernt sind, gesetzliche Realität zu werden. Der Arbeitsminister Schneider (SPD) versteht sie denn auch als Konkretisierung der Vorhabensbeschreibung im Koalitionsvertrag.

Immerhin ist es mit dem neuen Gutachten gelungen, weitere Bausteine für partikulare Lösungsansätze gerade in dem um sich greifenden Problemfeld der Werkverträge zur Diskussion zu stellen.

Von Werkverträgen in der S-Klasse-Welt, einem „Unschuldslamm“ aus dem Ländle und dem SWR-Intendanten, der für eine Reportage 250.000 Euro zahlen soll, ersatzweise Ordnungshaft

Hin und wieder brauchen wir neue Kategorien: Wie wäre es mit „Unschuldslamm aus dem Ländle“? Für die Besetzung dieser Rolle hat sich kein geringerer als Herr Zetsche, Generalbevollmächtigter des Weltkonzerns Daimler, selbst ins Spiel gebracht. Aber der Reihe nach: Es heißt ja oftmals, die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam, wenn das stimmt, dann muss es bei Daimler sehr viel Bürokratie geben. Denn konkret geht es um die im Mai 2013 in der ARD ausgestrahlte Reportage „Hungerlohn am Fließband: Wie Tarife ausgehebelt werden“, das Ergebnis einer monatelangen Recherche des SWR-Journalisten Jürgen Rose. Dort wurde berichtet, wie Werkvertragsarbeitnehmer im Untertürkheimer Mercedes-Werk eingesetzt werden. Hinsichtlich der Art und Weise der konkreten Tätigkeit gab es zahlreiche Indizien, dass es sich eigentlich um unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung handelt. Der Beitrag und die am Tag der Ausstrahlung unmittelbar sich anschließende Thematisierung in der Sendung „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg hatte Daimler kalt erwischt, die standen gerade kurz vor der Präsentation ihrer – sagen wir mal nicht gerade kostengünstigen – neuen S-Klasse. Schlagzeilen, dass es in den Daimler-Werken nicht nur unterschiedliche Klassen von Arbeitnehmern gibt, sondern dass dort teilweise so wenig verdient wird, dass aufstockender Hartz IV-Anspruch bestand, musste eine mehr als irritierende Wirkung entfalten. Die angesprochenen Indizien entstammen Aufnahmen mit versteckter Kamera, die der Autor der Reportage über zwei Wochen lang in dem Mercedes-Werk in Untertürkheim gemacht hat. Wie dem auch sei, der Konzern hat einige Zeit gebraucht, um in die Gänge zu kommen. Denn heute meldet die Stuttgarter Zeitung: „Daimler verklagt den SWR. Streit um Undercover-Reportage„.

Dabei schien zwischenzeitlich alles in eine andere Richtung zu gehen: In dem Artikel von Andreas Müller in der Online-Ausgabe der Stuttgarter Zeitung finden wir den folgenden Passus:

»Mit seiner Erwiderung, es habe schon alles seine Richtigkeit, drang der Konzern nur schwer durch. Später schlug er nachdenklichere Töne an: Bei den Werkverträgen dürfe man nicht „blind vertrauen“, bekannte der Personalvorstand Wilfried Porth im StZ-Interview; im Einzelfall laufe manches „nicht so, wie es vertraglich vereinbart war“. Ende 2013 kündigte der Daimler-Betriebsrat dann an, 1400 Entwickler und IT-Kräfte am Standort Sindelfingen, die bisher per Werkvertrag beschäftigt waren, würden zu Leiharbeitern aufgewertet.«

Bereits Anfang 2014 konnte man dem Artikel unter der bezeichnenden Überschrift „Weniger Werkverträge bei der Daimler AG“ von Hermann G. Abmayr entnehmen:

»“Ohne den ARD-Film ‚Hungerlohn am Fließband‘ wären wir heute bei Daimler längst nicht so weit“, sagt Christa Hourani. Die Stuttgarter Betriebsrätin war selbst einmal über einen Werkvertrag für den Autobauer tätig und setzt sich seit Jahren für Leih- und Werkvertragsbeschäftigte ein. Mit wenig Erfolg. „Doch seit Mai standen Geschäftsleitung und Betriebsrat unter Handlungsdruck“, sagt die gelernte Programmiererin. Auch der Besuch von Fahndern der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung“ habe Wirkung gezeigt, ergänzt der Techniker Georg Rapp, der früher mit einem Werkvertrag in der Entwicklung gearbeitet hat und jetzt ebenso fest angestellt ist. Nach den Publikationen in Folge der ARD-Enthüllung trauten sich betroffen Leiharbeiter und Leihingenieure ihr Rechte einzufordern oder vor dem Arbeitsgericht auf Festanstellung zu klagen. In zwei Stuttgarter Fällen klagte der Betriebsrat wegen illegaler Werkverträge. Und in den Daimler-Werken in Bremen, Sindelfingen und Wörth am Rhein kam es wegen drohender Fremdvergabe über Werkverträge zu kurzfristigen Arbeitsniederlegungen.«

Kurzum, der Beitrag hat eine Menge bewegt, nicht nur skandalisiert, sondern auch positive Entwicklungen eingeleitet. Und die allgemeine Anerkennung für die Reportage war groß: Jürgen Rose wurde für seine „herausragende journalistische Arbeit“ wurde mit dem Willi-Bleicher-Preis der IG Metall gewürdigt. Ein Branchenblatt mit hochkarätiger Jury wählte Rose unter die „Wirtschaftsjournalisten des Jahres“.

Und seien wir ehrlich – die Zeit geht heute sehr schnell über viele Themen hinweg und eigentlich spricht doch schon gar keiner mehr von dieser Angelegenheit.

Aber jetzt geht es wieder in eine andere Richtung. Was berichtet die Stuttgarter Zeitung nun genauer über die Klage von Daimler, die so oder so das alles wieder an die Oberfläche holen wird?

»Eine Viertelmillion Euro soll der SWR als Ordnungsgeld zahlen, wenn er die von Rose gedrehten Bilder noch einmal zeigt. Ersatzweise sei Ordnungshaft zu verhängen, „zu vollziehen an dem Intendanten“, also Peter Boudgoust. So fordert es der Autokonzern, vertreten durch den Vorstandschef Dieter Zetsche, in einer beim Landgericht Stuttgart eingereichten Klageschrift.«

Der Artikel beschreibt dann weiter, worum es im Detail geht.

Als Verfasser dieses Beitrags bin ich insofern befangen, da ich selbst in der Reportage mit mehreren arbeitsmarktlichen Einordnungen auftauche. Gerade zu der Frage, die wohl, so der Artikel der Stuttgarter Zeitung, im Mittelpunkt des Verfahrens stehen wird:

»Vor Gericht dürfte es vor allem um die Frage gehen, ob die Reportage überhaupt Missstände aufgedeckt hat und welche Qualität diese hatten. Heimlich gedrehte Aufnahmen dürften nur dann verwendet werden, wenn sie rechtswidriges Verhalten belegten, argumentiert der Daimler-Anwalt; das sei aber nicht der Fall. Doch dieser Punkt ist noch keineswegs abschließend geklärt. Anhaltspunkte für „verbotene Arbeitnehmerüberlassung“ sah nicht nur der in der Sendung zitierte Arbeitsmarktforscher Stefan Sell aus Remagen; auch Daimler-Betriebsräte äußerten sich in diesem Sinne. Eine entsprechende Anzeige ging zudem bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein, die aufgrund des Film bereits von sich aus tätig geworden war. Bis heute – neun Monate danach – prüft die Behörde laut einer Sprecherin den Vorgang, förmliche Ermittlungen seien aber noch nicht eingeleitet worden«, so Andreas Müller in seinem Artikel „Daimler verklagt den SWR“.

Man darf gespannt sein, wie das ausgeht. Auf alle Fälle hat sich politisch zwischenzeitlich einiges getan, das Thema Werkverträge hinsichtlich seiner missbräuchlichen Inanspruchnahme wie aber auch die bei durchaus legaler Verwendung immer wieder anzutreffenden Variante der Tarifflucht ist ganz oben auf der Agenda angekommen und Handlungsbedarf wird nicht nur von irgendwelchen Außenseitern gesehen, sondern hat es bis in den Koalitionsvertrag zwischen SPD und den Unionsparteien geschafft. Das ist doch schon mal was.

Übrigens: Man kann die Reportage „Hungerlohn am Fließband. Wie Tarife ausgehebelt werden“ auf YouTube anschauen. Noch.

Das Bundesarbeitsgericht verweigert sich. Definition und Sanktionierung einer nicht mehr „vorübergehenden“ Leiharbeit ist Aufgabe des Gesetzgebers. Jetzt bleibt – wie so oft – die Hoffnung

»Wie lange darf ein Unternehmen einen Leiharbeiter leihen? Dazu urteilt heute das Bundesarbeitsgericht. Von dem Urteil hängt eine Menge ab. Womöglich drohen Unternehmenspleiten.« Mit diesen düster daherkommenden Worten wurde man in dem Artikel „Gericht entscheidet über die Leiharbeit“ konfrontiert. Der Artikel orakelt weiter: »Für Leiharbeitnehmer im Dauereinsatz könnte an diesem Dienstag eine neue Ära in ihrem Arbeitsleben beginnen.« Könnte ist das Wort des Tages. Oder eben auch – vorerst – nicht. Denn das Gericht hat geurteilt. Und das eindeutig. Unter der auf den ersten Blick keine Richtung anzeigenden Überschrift „Rechtsfolge einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung“ berichtet das Bundesarbeitsgericht in seiner Pressemitteilung Nr. 73/13 mit harter Diktion:

»Besitzt ein Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, kommt zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt.«

Damit bleiben die weitreichenden Folgen eines von den einen erhofften und den anderen befürchteten Urteils des Bundesarbeitsgerichts aus: Hätte das BAG den Verstoß gegen die Norm einer nur „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG so gewertet, dass dadurch aus der Beschäftigung beim Verleihunternehmen eine (unbefristete) Beschäftigung beim Entleihunternehmen wird, dann »könnten Tausende von Leiharbeitnehmer vor Gericht darauf pochen, dass sie auf die Gehaltsliste von Unternehmen kommen, die sie niemals einstellen wollten, sondern nur „eingekauft“ haben.« Falscher Alarm, wie man nun der neuen Entscheidung des BAG entnehmen kann. Denn die Bundesarbeitsrichter finden das scharfe Schwert des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleihunternehmen nur im § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG, dort für den Fall, dass das verleihende Unternehmen keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat.

Das Gericht erläutert uns die Nicht-Übertragbarbeit auf den Fall, in dem der Verleiher über eine gültige Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt:

»Der Gesetzgeber hat bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet. Das Unionsrecht gibt kein anderes Ergebnis vor. Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) sieht keine bestimmte Sanktion bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz des Leiharbeitnehmers vor. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Leiharbeitsrichtlinie überlässt die Festlegung wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen bei Verstößen gegen Vorschriften des AÜG den Mitgliedstaaten. Angesichts der Vielzahl möglicher Sanktionen obliegt deren Auswahl dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten für Arbeitssachen.«

Wer sich für den hinter dieser Entscheidung stehenden Sachverhalt interessiert, der wird in der Termin-Voranankündigung des BAG zum 10.12.2013 „Vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung – Rechtsfolge dauerhafter Überlassung“ fündig:

»Die Beklagte zu 1. betreibt mehrere Krankenhäuser. Die Beklagte zu 2. ist eine hundertprozentige Tochter der Beklagten zu 1. Sie hat eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis und beschäftigt ca. 450 Arbeitnehmer. Einen Teil ihrer Beschäftigten überlässt sie auf der Grundlage von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen der Beklagten zu 1. Der Kläger wurde 2008 von der Beklagten zu 2. als IT-Sachbearbeiter eingestellt und ausschließlich in Einrichtungen der Beklagten zu 1. eingesetzt. Die Beklagte zu 1. kündigte den auf den Kläger bezogenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit der Beklagten zu 2. zum 31. Oktober 2011. Die Beklagte zu 1. schaltete im November und Dezember 2011 mehrere Stellenangebote für IT-System-Administratoren für den Bereich EDV/IT in einem ihrer Krankenhäuser. Dabei wies sie darauf hin, dass die Einstellung bei der Beklagten zu 2. erfolge.
Der Kläger will festgestellt wissen, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 1. ein Arbeitsverhältnis als IT-Sachbearbeiter besteht. Außerdem verlangt er Differenzvergütung für November 2011. Er meint, die Beklagte zu 2. betreibe verbotene Arbeitnehmerüberlassung und werde lediglich als „Strohfrau“ für die Beklagte zu 1. tätig. Sie sei nur Scheinverleiherin. Er sei nicht vorübergehend überlassen worden. Das habe zur Folge, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 1. ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Die Beklagte zu 1. habe ihn nach Entgeltgruppe E 9 TVöD zu vergüten. Daraus ergebe sich sein Anspruch auf Differenzvergütung. Die Beklagten sind der Ansicht, zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. sei kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Die Überlassung des Klägers habe geltendem Recht entsprochen. Der Kläger sei nicht dauerhaft überlassen worden. Zudem sei auch eine dauerhafte Überlassung von der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gedeckt.«

Für alle, die eine Übersetzungshilfe brauchen, hier eine andere Darstellung: »Im aktuellen Fall hatten die Kreiskliniken im badischen Lörrach eine Tochterfirma gegründet, die 450 Beschäftigte deutlich unter Tarif bezahlte und viele von ihnen zum Dauereinsatz an die Kliniken auslieh. Der Kläger, ein IT-Sachbearbeiter, war bei der Verleihfirma angestellt und klagte nach rund dreijähriger Beschäftigung auf Festanstellung in der Klinik. Er begründete dies damit, dass die Klinik-Tochter eine verbotene Arbeitnehmerüberlassung betreibe und als „Scheinverleiherin“ eine „Strohfrau“ der Klinik sei.«

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision wollten die Beklagten das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wissen, was ihnen nunmehr mit der Entscheidung des 9. Senats des BAG auch gelungen ist.

Warum der eine oder die andere eine andere Entscheidung des Gerichts erwartet hat, wird von Corinna Burdas in ihrem Artikel angedeutet: »Schon im Juli sorgte das Bundesarbeitsgericht für einen Paukenschlag: Dort stellten die Erfurter Richter erstmals fest, dass Unternehmen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verstoßen, wenn sie Leiharbeitnehmer unbefristet in ihren Betrieben einsetzen. Grund dafür ist eine Gesetzesänderung, die seit nunmehr zwei Jahren in Kraft ist und seither für viele Diskussionen gesorgt hat. Sie stellt klar, dass Leiharbeitnehmer nur noch „vorübergehend“ eingesetzt werden dürfen.«

In diese Entscheidung wurde aber mehr hineininterpretiert, als man aus ihr herausziehen kann. Dies wurde in diesem Blog bereits in einem ausführlichen Hintergrund-Beitrag zur Problematik der nur „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung am 12.09.2013 entfaltet: Da kann die vielbeschäftigte Kanzlerin auch schon mal durcheinander kommen: Zu den Untiefen der Leiharbeit und der anscheinend nicht eindeutigen Bedeutung des Wörtchens „vorübergehend“. Aber sie will sich ja „kümmern“: Seit dem 01.12.2011 sieht § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG vor, dass die Überlassung von Arbeitnehmern „vorübergehend“ zu erfolgen hat. Leider hat der Gesetzgeber nicht näher definiert, was er unter „vorübergehend“ versteht – weswegen man sich auch prima darüber streiten kann. Der Gesetzgeber hat wieder mal zu einem unbestimmten Rechtsbegriff gegriffen, um eine Klarheit der Norm zu vermeiden. Man muss sehen, dass sich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Juli dieses Jahres – Beschluss vom 10. Juli 2013 – 7 ABR 91/11 –   auf die besondere Frage des Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bezog: »Der Betriebsrat des Entleiherbetriebs kann seine Zustimmung zum Einsatz von Leiharbeitnehmern verweigern, wenn diese dort nicht nur vorübergehend eingesetzt werden sollen,« so das BAG in seiner damaligen Pressemitteilung „Einsatz von Leiharbeitnehmern – Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats“. Und dort findet man den entscheidenden Passus:

»Danach erfolgt die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher „vorübergehend“. Die Bestimmung enthält nicht lediglich einen unverbindlichen Programmsatz, sondern untersagt die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. Sie dient zum einen dem Schutz der Leiharbeitnehmer. Zum andern soll sie auch die dauerhafte Aufspaltung der Belegschaft des Entleiherbetriebs in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft verhindern. Der Betriebsrat des Entleiherbetriebs kann daher seine Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern verweigern, wenn diese im Entleiherbetrieb nicht nur vorübergehend beschäftigt werden sollen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und ggf. welche Rechtsfolgen sich aus einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG für das Rechtsverhältnis des einzelnen Leiharbeitnehmers zum Entleiher ergeben.«

Aber der durchaus naheliegenden Aufgabe, das Wörtchen „vorübergehend“ zu definieren, hatte sich das Bundesarbeitsgericht elegant entzogen: »Der Streitfall verlangte keine genaue Abgrenzung des Begriffs „vorübergehend“. Der Arbeitgeber beabsichtigte, die Leiharbeitnehmerin ohne jegliche zeitliche Begrenzung statt einer Stammkraft einzusetzen. Das ist jedenfalls nicht mehr „vorübergehend“.«

Wie dem auch sei: Hier ging es um die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der Frage des Einsatzes von Leiharbeitern. Nicht um den unbestimmten Rechtsbegriff der „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung. In der Kommentierung wurde in dem Blog-Beitrag ausgeführt: »… man (kann) die Richter aber auch verstehen, denn warum sollen sie wieder den Job machen, der gefälligst vom Gesetzgber zu erledigen ist.«

Und genau da stehen wir auch jetzt wieder. Der Ball wird zurückgeschossen in das Spielfeld der Politik und damit an die im Entstehen begriffene GroKo.

Also werfen wir einen Blick in den Koalitionsvertrag, der ja nun schon seit längerem vorliegt. Und wir werden fündig auf der Seite 69 unter der Überschrift „Arbeitnehmerüberlassung weiterentwickeln“:

»Wir präzisieren im AentG die Maßgabe, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher vorübergehend erfolgt, indem wir eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten gesetzlich festlegen.«

Das ist doch mal eine Präzisierung der Grenze, aber der ein Entleih nicht mehr vorübergehend wäre. Wenn da nicht wieder diese Folgesätze wären:

»Durch einen Tarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche oder auf Grund eines solchen Tarifvertrags in einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung können unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Stammbelegschaften abweichende Lösungen vereinbart werden.«

Nun, das schränkt das wieder ein, denn hier haben wir offensichtlich eine generelle Öffnungsklausel für die Tarifparteien, die die Unumstößlichkeit der 18 Monate wieder relativieren.
Übrigens sieht der Koalitionsvertrag eine zweite Zeitgrenze vor: »Die Koalitionspartner sind sich darüber einig, dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer künftig spätestens nach 9 Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit den Stammarbeitnehmern gleichgestellt werden« (S. 69). Bei dieser Grenze geht es um die Anwendung der „Equal Pay“-Regelung (dazu auch skeptisch das Interview „Karussell für Leiharbeiter“).

Nun wird man also abwarten müssen, wie der Gesetzgeber, wenn er sich dann mal konstituiert hat, dieses Versprechen einer klaren Zeitgrenze in das Gesetz einbauen wird. Er muss jetzt tätig werden.

Katharina Schneider bemerkt in ihrem Artikel „Arbeitsrichter enttäuschen Leiharbeiter“ zutreffend: »Bloß nicht zu weit aus dem Fenster lehnen – das war heute wohl die Devise des Bundesarbeitsgerichts. Es hätte das System der Leiharbeit in Deutschland grundlegend verändern können, verwies aber an den Gesetzgeber.«

Man darf also weiter hoffen, wenn einem an der Begrenzung des Entleihs etwas liegt. Eine grundsätzliche, radikale Reform könnte hingegen an einem ganz anderen Tatbestand ansetzen: Eine echte Umsetzung von „equal pay“ – also ab dem ersten Tag des Entleihs – würde helfen, die Leiharbeit wieder auf ihre eigentliche Funktion zu reduzieren, vorübergehende Arbeitsausfälle mit flexiblen – und das muss heißen: teureren – Personal zu überbrücken. Dann würde man sich richtig aus dem Fenster lehnen.