Die Leiharbeit mal wieder. In der letzten Zeit ist es ruhiger geworden, die aktuellen Debatten haben sich verschoben auf die Problematik der Werkverträge. Schon allein vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse einer neuen IAB-Studie aus Hessen besonders interessant. In dieser Untersuchung hat man sich mit einem Argument auseinandergesetzt, das immer wieder von den Befürwortern der Leiharbeit als eines der Instrumente zur Arbeitsmarkt-Flexibiliserung vorgetragen wird: der so genannte „Klebeeffekt“.
Dahinter steht die Annahme, dass einige Leiharbeiter durch die Tätigkeit in einem entleihenden Unternehmen von diesem „entdeckt“ und übernommen werden, also im Entleihunternehmen „hängen bleiben“. Man kann sich diesen Effekt vorstellen als eine Art verlängerte Ausprobierzeit. Wenn es so wäre, dann kann man die Leiharbeit als „Sprungbrett“ in „normale“ Beschäftigung dar- und herausstellen. Diese hier skizzierte (angebliche) Funktionalität war eines der Hauptargumente der Befürworter der umfassenden Deregulierung der Leiharbeit im Kontext der Umsetzung der „Hartz-Reformen“.
Die noch unveröffentlichte Studie zur „Arbeitnehmerüberlassung in Hessen“, erstellt von Alfred Karloff, Timo Lepper und Carola Bunkert, über die in der Frankfurter Rundschau von Martin Brust unter dem Titel „Zeitarbeit ist kein Sprungbrett“ berichtet wird, kommt zu zwei interessanten Ergebnissen:
- Leiharbeit ist kein Sprungbrett in reguläre Beschäftigung. In der Studie haben die IAB-Wissenschaftler die Berufsbiografien von Menschen verglichen, die sich arbeitslos gemeldet und im ersten Jahr nach ihrer Meldung bei einer Zeitarbeitsfirma angefangen haben oder eben nicht. In der Gruppe jener, die als Leiharbeiter anheuerten, „konnten wir keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme einer regulären Beschäftigung feststellen“, so wird einer der drei Verfasser zitiert.
- Die Studie hat auch fest gestellt, »dass Personen jener Gruppe, die nach Eintritt ihrer Arbeitslosigkeit in die Zeitarbeit gegangen ist, in den folgenden fünf Jahren mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Job haben als Personen aus der Vergleichsgruppe – allerdings nur im Bereich der Leiharbeit. „Wer in Leiharbeit eintritt, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, in der Leiharbeit zu bleiben“ … Wenn es einen Klebeeffekt gibt, dann also den von Leiharbeitern in der Leiharbeit.«
Wie ist man zu diesen Ergebnissen gekommen? Man hat Lebensläufe von Personen verglichen, die sich zwischen 2000 bis 2004 in Hessen arbeitslos gemeldet haben, und deren Entwicklung für maximal fünf Jahre verfolgt. »Aus rund 11.000 Personen haben sie rund 500 herausgefiltert, die innerhalb des ersten Jahres der Arbeitslosigkeit bei einem Verleiher angefangen haben. Für die Vergleichsgruppe haben sie für jede Person „statistische Zwillinge“ gesucht, also einen Datensatz, der dem ersten möglichst vollständig gleicht – aber eben ohne Job in der Zeitarbeit.«
Auch den naheliegenden Einwand, dass hier bei einem Vergleich der beiden Gruppen (mit und ohne Leiharbeit) Äpfel mit Birnen verglichen werden, thematisieren die Autoren der neuen Studie:
»Falls Personen mit problematischen Biografien überdurchschnittlich oft als Zeitarbeiter anfingen, dann würde dies die Ergebnisse verzerren. Allerdings hätten sie diese Möglichkeit geprüft und er halte die Wahrscheinlichkeit für eine Verfälschung für sehr niedrig.«
Bei aller Kritik und Aufregung an und über die Leiharbeit muss man aber einerseits auch sehen, dass es sich bei der Leiharbeit insgesamt, also aus Sicht des gesamten Beschäftigungssystem gesehen, um eine überschaubare Größenordnung handelt, andererseits ist die Bedeutung der Leiharbeit für einzelne Branchen und Betriebe – vor allem für die Bundesagentur für Arbeit sowie die Jobcenter selbst – sehr groß:
»Im März dieses Jahres waren laut Arbeitsagentur Hessen etwa 2,5 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hessen im Bereich Zeitarbeit angestellt. Zugleich kamen knapp 27 Prozent der gemeldeten freien Stellen aus dem Zeitarbeitssektor.«
Hier ist eine durchaus diskussionsbedürftige Amalgamisierung der – institutionenegoistisch verständlichen – Anreize bei den Anbietern der Leistungen festzustellen: Die Arbeitsagenturen und die Jobcenter profitieren einerseits angesichts der vielen Stellenangebote von den Leiharbeitsfirmen, auch und gerade vor dem Hintergrund, dass sie aus anderen Branchen kaum oder nur sehr wenige Stellenangebote bekommen. Und jede „Übergabe“ in Erwerbsarbeit ist eine Integration. Wenn man daran gemessen wird, macht es „Sinn“, mit der Leiharbeit zu kooperieren, denn hier stehen Aufwand und Ertrag in einem sehr günstigen Verhältnis, man kann das also durchaus entsprechend pushen.
Auf der Seite gibt es einen weiteren wichtigen Vorteil, diesmal für die Leiharbeitsunternehmen: Durch die vielen Stellenangebote, die oftmals auch quantitativ aufgeblasen werden, kommt man kostengünstig, soll heißen: umsonst, an die Stellenprofile von Arbeitsuchenden, die dann besonders wertvoll sind, wenn man wieder neuen und unvorhersehbaren Arbeitskräftebedarf hat.
So kommt das eine zum anderen. Aber nach dieser neuen Studie sollte man auf keinen Fall unwidersprochen behaupten, das dass alles nur zum Wohl der Arbeitslosen passiert.