Die letzten Zuckungen der Riester-Rente und die Zerstörung der Illusion eines schönen kapitalgedeckten Lebens im Alter, wenn es viele machen (wollen/sollen/müssen) und nicht nur einige

In einem Land wie Deutschland, in dem das Sparen und Fragen der Altersvorsorge selbst bei jungen Menschen einen hohen Stellenwert haben bzw. hatten, müssen diese Zeiten wirklich als eine Zumutung empfunden werden. Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung, die wichtigste Säule der Alterssicherung, ist seit Mitte der 1990er Jahre systematisch kaputt geredet worden, aber die als lukrative Alternative promovierte private, kapitalgedeckte Altersvorsorge – umgangssprachlich mit einem eigenen neuen Verb namens „riestern“ aufgewertet – hat ihren Nimbus spätestens seit der Finanzkrise verloren. Und jetzt auch noch die langanhaltende und sich noch weiter radikalisierende Niedrigzinspolitik der Zentralbanken, die derzeit korrekter als Nullzins- bzw. Negativzinspolitik zu benennen ist. In eine solche Gemengelage passen dann solche Artikel, die in Zeiten der Aufmerksamkeitsökonomie mit ganz schwerem Geschütz hantieren: Deutschland steuert auf eine Katastrophe zu, meinen Anja Ettel und Holger Zschäpitz dem verunsicherten Bürger zurufen zu müssen und schieben sogleich hinterher: »Es droht eine Rentenkrise riesigen Ausmaßes. Auch private Vorsorge verspricht keine Rettung.«

Und die beiden Autoren konkretisieren ihren pessimistischen Blick auch auf die bislang so hochgelobte private Altersvorsorge – allerdings mit einer noch zu kritisierenden eindimensionalen Verengung auf die Zinspolitik der Notenbanken, die ja nicht vom Himmel gefallen ist, sondern den Versuch darstellt, mit dem geldpolitischen Instrumentarium der Zentralbank :

»Lange Zeit wurde die private Altersvorsorge – also Betriebsrenten, Riester-Verträge oder Lebenspolicen – als rettende Lösung aus dem staatlichen Finanzierungsdilemma verkauft. Doch die intensiv beworbenen Riester-Verträge und Lebensversicherungen werfen immer weniger ab. Schuld ist das seit Jahren andauernde extrem niedrige Zinsniveau, das die Berechnungen einer ganzen Branche über den Haufen wirft und die versprochenen Leistungen immer stärker stutzt.
Entsprechend dramatisch ist die Lage für viele Lebensversicherungen. Besonders die deutschen Anbieter, die einen Großteil ihrer Kundengelder in Zinspapiere wie Staatsanleihen oder Unternehmenstitel investieren, bekommen von den Experten der Ratingagentur Moody’s einen negativen Ausblick.«

Das ist nur ein Teil der Wahrheit und darüber hinaus kann man in Deutschland einen massiven Vertrauensverlust hinsichtlich der Riester-Rente schon seit einigen Jahren beobachten – auch gespeist aus den immer öfter und von immer unterschiedlichen Seiten vorgetragenen Kritik, dass es sich eigentlich im Wesentlichen um ein Bereicherungsprogramm der Finanzindustrie handelt und der einzelne Sparer die Zeche zu zahlen hat.

Passend schreiben dazu Nando Sommerfeldt und Holger Zschäpitz in ihrem Artikel Die traurige Wahrheit über die Riester-Rente: »Zu bürokratisch, zu teuer und damit unlukrativ – der Ruf der Riester-Rente ist seit Jahren ramponiert.« Und fahren die Ernüchterung vorantreibend fort: »Nur ein Produkt galt als positive Ausnahme. Doch auch dieses offenbart jetzt eklatante Schwächen.«

In dieser Woche wurde bekannt, dass auch die letzte von Kritikern akzeptierte Riester-Variante einen unangenehmen Haken besitzt, berichten uns die beiden Autoren. Danach habe die „Stiftung Warentest“ herausgefunden, »dass Fonds- und Banksparpläne künftig nicht mehr so kostengünstig sind wie bislang gedacht. Vor Auszahlung der privaten Rente können je nach Anbieter neue Gebühren anfallen, was auch diese Riester-Option deutlich unattraktiver macht. Wer „riestern“ will, muss in jedem Fall hohe Kosten in Kauf nehmen.«

Das Besondere an der aktuellen Kritik: Während bislang schon die Ansparphase aufgrund der niedrigen bzw. nicht mehr vorhandenen Zinsen im Mittelpunkt der Kritik stand, wird nun auch die Auszahlungsphase der Riester-Rente kritisch  unter die Lupe genommen – mit einem bösen Erwachen für so manchen Vorsorger. Konkret:

»Bislang war es so, dass die ausgezahlte Summe zu 100 Prozent in eine Rente umgewandelt und dann monatlich ausgezahlt wurde. Jetzt aber kündigte die Versicherungswirtschaft überraschend neue Abschlusskosten bei der Verrentung an. Das erscheint umso ärgerlicher, da viele Vorsorgesparer bewusst die Fondsprodukte gewählt hatten, um teure Versicherungsverträge zu umgehen. Riester-Sparer dürfen sich maximal 30 Prozent der angesparten Summe auf einen Schlag auszahlen lassen. Der Rest muss in eine Rente umgewandelt werden. Diese Aufgabe übernimmt ein Versicherer. Und der will jetzt abkassieren.«

Es geht hierbei vor allem um Kunden mit einem Bank- oder Fondssparplan, Die neuen, für die meisten völlig überraschenden Zusatzkosten müssen im Zusammenhang gesehen werden mit dem ersten Schlag, den man ihnen versetzt hat – die „Gestaltung“ der kalkulierten Lebenserwartung: »Nach den aktuellen Sterbetafeln geht die Versicherungsbranche davon aus, dass Männer bei einem Renteneintritt im Jahr 2040 rund 95 und Frauen rund 100 Jahre alt werden. Diese hohen Lebenserwartungen hatten die Riester-Produkte durchgängig weniger rentabel gemacht.« Vgl. dazu auch bereits meinen Beitrag Weil der Riester-Mensch durchschnittlich hundert Jahre alt wird und weil er die FAZ liest, kann er sicher glauben, dass sie sicher ist, die (Riester)-Rente vom 27.10.2014.

Es ist offensichtlich, um was für eine Sackgasse es sich bei den Riester-Renten handelt.

Aber schauen wir grundsätzlicher auf den Sachverhalt, denn immer noch es ist so, dass viele Menschen grundsätzlich der Idee der (stärker) kapitalgedeckten Altersvorsorge einiges abgewinnen können. Vor allem deshalb, weil sie aus einer individualistischen und vergangenheitsbezogenen Perspektive an die Sache herangehen.

In früheren Jahrzehnten war es ohne Frage so, dass die, die gespart hatten, lediglich durch den Zinseffekt ihrer Sparbeträge auf eine ordentliche Rendite gekommen sind, wenn sie sich der Kapitaldeckung gewidmet haben. Man ließ sein Kapital „arbeiten“ und es vermehrte sich scheinbar automatisch und in einer angenehmen Größenordnung. Dieser Mechanismus ist nun augenscheinlich gestört bzw. zerstört durch die langjährige Niedrig- und nun auch Nullzinspolitik der Zentralbanken in Verbindung mit den vielen Anlagebeschränkungen, die man der Finanzindustrie bei Altersvorsorgeprodukten auferlegt hat.

Aber es gibt noch eine weitere fundamentale und von vielen übersehene Dimension. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn nur einige sparen, dann lassen sich hohe, sehr hohe Renditen erwirtschaften. So war das auch in der Vergangenheit gewesen. Aber selbst unter anderen als den heutigen, vorwiegend aus politischen Steuerungsmotiven heraus verursachten Niedrig- und Nullzinsbedingungen würde die Lage anders aussehen, wenn nicht nur einige, sondern ganz viele an dem Spiel mi der Verzinsung teilnehmen wollen, sollen oder – wie bei uns durch die „Rentenreformen“ der damaligen rot-grünen Bundesregierung bedingt – müssen, um die parallelen Kürzungen der Leistungen aus der umlagefinanzierten Rente kompensieren zu können.

Das hier angesprochene Problem ist keine neue Erkenntnis, sondern wird seit vielen Jahren in der Fachdiskussion aufgeworfen. Man schaue sich dazu nur diese Veröffentlichung an, die aus dem Jahr 2001 stammt:

Andreas Heigl und Martin Katheder: Age Wave – Zur Demographieanfälligkeit von Aktienmärkten. Policy Brief 4/2001, München: Hypovereinsbank, 2001

Ihre Argumentation damals, im Jahr 2001 (also in der Zeit, in der die damaligen Schröder-Regierung das Loblied der kapitalgedeckten Altersvorsorge gesungen hat), ging so: Insbesondere die Generation der heute 30- bis 50-jährigen muss mit niedrigeren Renditen für ihre Geldanlage in die Aktienmärkte rechnen. Denn auch die Kapitaldeckung ist im Zuge der demografischen Alterung ähnlichen Risiken ausgesetzt wie die umlagefinanzierten Alterssicherungssysteme. Ursächlich hierfür ist das sich künftig deutlich verschlechternde Verhältnis von Sparern zu Entsparern („Age Wave“).

Man kann das auch so ausdrücken: Wir sind alle Gefangene unserer Kohorte. Wenn also größere Summen von den Vorsorgenden eingesammelt werden, um diese rentierlich anzulegen und dann, wenn das Alter gekommen ist, die vereinbarten und die in Aussicht gestellten Beträge auch auszahlen zu können, dann braucht man Abnehmer für die Sachen, in die man Geld angelegt hat, beispielsweise in Immobilien oder in Aktien. Und was, wenn es zu diesem Zeitpunkt gar nicht genug Abnehmer gibt oder geben kann, weil deren Zahl deutlich niedriger ist als es in der Vergangenheit noch war.
Die bedingungslosen Befürworter dieses Modells würden an dieser Stelle darauf verweisen, dass das alles kein Problem sei, weil man ja bei der Anlage des Kapitals nicht auf Europa oder nur Deutschland angewiesen sei, sondern das Kapital sehr bereit streuen könnte.
Aber, so wird über die beiden Autoren berichtet:

»Als möglicher Ausweg wird oft ein verstärkter Kapitaltransfer in demographisch junge Länder mit hohem Wachstumspotenzial ins Feld geführt. Sie sollen mit den späteren Erträgen die Ruheständler der westlichen Industrienationen versorgen („demographische Arbitrage“). Hier sind die Autoren aber skeptisch: Zum einen sind die Schwellenländer kaum in der Lage, das riesige Kapitalvolumen auch zu absorbieren. Wenn sich für die zufließenden Summen keine rentablen Investitionsmöglichkeiten mehr finden, kann die makroökonomische Stabilität sogar gefährdet sein.«

Genau das ist auch das Problem, dass wir bekommen, wenn man über Alternativen zur verbrannten Riester-Rente nachdenkt, beispielsweise in Gestalt der „Deutschland-Rente“, die einen gigantischen Staatsfonds beinhaltet, der die Vorsorgegelder von vielen Millionen deutschen Sparern anlegen muss (vgl. dazu auch den Beitrag Riester in Rente und endlich eine „faire private Altersvorsorge“? Die „Deutschland-Rente“ schafft es immerhin schon in den Bundestag vom 29. Januar 2016). Man kann es auch so ausdrücken: Wenn ein enormes Angebot an Anlagen in der Auszahlungsphase auf eine aus welchen Gründen auch immer deutlich niedrigere Nachfrage stößt, dann muss nach allen Regeln der Ökonomie der Preis sinken.

Riester in Rente und endlich eine „faire private Altersvorsorge“? Die „Deutschland-Rente“ schafft es immerhin schon in den Bundestag

Es ist sicherlich keine Übertreibung, wenn man feststellt: Die Visionen und Versprechungen, die Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre mit der staatlich geförderten kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge den Menschen in Aussicht gestellt wurden, haben sich für die meisten in Luft aufgelöst. Und zahlreiche Bürger haben schmerzhafte Erfahrungen machen müssen mit ihrem Vertrauensvorschuss, den sie der Riester-Rente gegeben haben, ausgehend von der Annahme, dass das doch eine seriöse Sache sein muss, denn der Staat unterstützt das und pampert einen sogar mit Zuschüssen aus Steuermitteln. Das würde er doch nicht machen, wenn das nicht in Ordnung ist. Weit gefehlt. Maschmeyer & Co. waren (und sind) die Gewinner des Paradigmenwechsels, den man auch so beschreiben kann: »Zu Beginn des Jahrhunderts beschloss die rot-grüne Bundesregierung eine drastische Absenkung des Rentenniveaus. Bis Anfang der 2030er Jahre wird der allgemeine Leistungsstandard der gesetzlichen Rente demnach um rund 20 Prozent sinken. Staatlich geförderte betriebliche Altersversorgung sowie private Altersvorsorge sollen die im Solidarsystem politisch aufgerissene Sicherungslücke schließen.« (Johannes Steffen, Für eine Rente mit Niveau. Zum Diskurs um das Niveau der Renten und das Rentenniveau, Berlin, August 2015).

Mittlerweile sind wir schlauer, dass das bei vielen Betroffenen nicht der Fall sein wird. Nun könnte man auf den durchaus naheliegenden Gedanken kommen, den ganzen Prozess wieder in eine andere (richtige) Richtung zu drehen und die umlagefinanzierte Alterssicherung wieder auszubauen. Gewerkschaften wie die IG Metall oder ver.di planen für dieses Jahr entsprechende Rentenkampagnen, was aber ein eigenes Thema wäre. Oder aber man versucht, auf der Grundlage der mittlerweile vorliegenden zahlreichen Kritikpunkte einen neuen Vorstoß in die Welt der kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge – und genau das versucht man unter dem Begriff „Deutschland-Rente“ zu leisten.

Was soll diese „Deutschland-Rente“ sein? Man kann es technisch zu beschreiben versuchen (was gleich geleistet wird), man kann aber auch darauf hinweisen, dass es sich (auch) um ein (potenzielles) politisches Gemeinschaftsprojekt einer bislang erst rudimentär etablierten politischen Konstellation – nämlich schwarz-grün – handelt, denn der Vorschlag kommt aus Hessen, von den hessischen Landesministern Tarek Al-Wazir (Grüne), Stefan Grüttner und Thomas Schäfer (beide CDU).

Am Tag vor dem Heiligen Abend wurde die Idee unter die Weihnachtsbäume der Bundesbürger gelegt – mittels eines Gastbeitrags der Minister in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die FAZ berichtete darüber unter der Überschrift CDU und Grüne schlagen „Deutschland-Rente“ vor.
„Wir schlagen eine einfache, sichere und günstige zusätzliche Altersvorsorge vor: die Deutschland-Rente, ein Standardprodukt für jedermann. Sie wird zum Selbstkostenpreis von einem zentralen Rentenfonds verwaltet, damit das Geld, das Bürger für ihre zusätzliche Altersvorsorge beiseite legen, sicher vor überteuerten Angeboten ist. Sie sorgt für Orientierung in einem unübersichtlichen Markt, schafft Vertrauen und hilft vor allem, der Altersarmut vorzubeugen. Der Staat organisiert sie und steht dafür mit seinem guten Namen: Daher nennen wir sie die Deutschland-Rente“, so werden die drei von der FAZ zitiert. Und ganz offensichtlich greifen sie eine mittlerweile weit verbreitete Kritik und Ablehnung der Riester-Rentenprodukte der staatlich subventionierten Versicherungswirtschaft auf: Die „zum Teil völlig überteuerten Riester-Produkte“ verunsicherten viele Bürger, kritisieren die Minister. „Wir brauchen für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die nicht selbst aktiv werden wollen, ein einfaches, kostengünstiges und transparentes Standardprodukt, das der Staat organisiert.“ Da werden viele erst einmal zustimmend nicken.

Natürlich kann man sich die Vorschläge der drei Minister auch im Original anschauen, sie haben ein Positionspapier dazu ins Netz gestellt: Die Deutschland-Rente – Staat soll zentralen Rentenfonds organisieren. Vorschlag für einfache und sichere zusätzliche Altersvorsorge

In diesem Papier wird der Grundgedanke des neuen Instruments so beschrieben:

»Arbeitgeber führen die Beiträge für das Standardprodukt an die Deutsche Rentenversicherung ab, ähnlich wie die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Einzahlung erfolgt daher unbürokratisch auf bereits etabliertem Weg. Die Anlage der eingezahlten Beiträge obliegt dann dem Deutschlandfonds, einem eigenständigen zentralen Rentenfonds, der ohne eigenes Gewinninteresse auf Selbstkostenbasis arbeitet und geschützt vor politischem Zugriff ist. Das kapitalgedeckte Standardprodukt kann im Wege der betrieblichen und privaten Altersvorsorge angespart werden und wäre damit grundsätzlich auch für die Riester-Förderung zulagenfähig. Mit einem solchen Standardprodukt fallen Komplexität und hohe Verwaltungskosten vor allem für kleine Unternehmen weg. Gleichzeitig können Arbeitnehmer bei dem zentralen Rentenfonds darauf vertrauen, dass sie keinen überteuerten Angeboten aufsitzen werden. Natürlich verbleibt den Unternehmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die freie Entscheidung, ob sie betriebliche oder private Altersvorsorge über den Deutschlandfonds oder über andere Anbieter durchführen wollen.«

Zugleich will man einen weiteren Paradigmenwechsel en passant miterlerdigen, denn das bisherige „Opt-in“ soll durch ein „Opt-out“ ersetzt werden. Anders gesagt: Arbeitnehmer betreiben betriebliche bzw. private Altersvorsorge, sofern sie gegenüber dem Arbeitgeber nicht aktiv widersprechen. Wollen sie das nicht, müssen sie aktiv werden und sich entsprechend verabschieden, heute haben wir die umgekehrte Situation, dass die Einzelnen selbst tätig werden müssen, um eine entsprechende Vorsorge zu leisten, vor allem bei der privaten Altersvorsorge.

Das ist ja auch einer der vielen gewichtigen Kritikpunkte, dass die Rentenkürzungen im wichtigsten System der Alterssicherung, also der Gesetzlichen Rentenversicherung, ausnahmslose für alle und ohne Einschränkungen gilt, während die versprochene Kompensation der dadurch aufgerissenen Budgetlöcher im Ruhestand durch eine private Altersvorsorge lediglich freiwillig ausgestaltet worden ist – mit der empirisch beobachtbaren Folge, dass die mittleren und höheren Einkommen (von denen viele auch so gespart hätten, also ohne eine staatliche Subventionierung) die Förderung „mitnehmen“, während gerade die, die eine zusätzliche Alterssicherungsleistung benötigen, weil ihre normale Rente wegen niedriger Einkommen und/oder Arbeitslosigkeitsphasen in der individuellen Erwerbsbiografie sehr gering ausfallen wird, so dass sie auf die Kompensation besonders angewiesen wären, die sie aber nicht bekommen werden, weil sie in einem nur sehr geringem Umfang geriestert haben. Zugleich sind das dann auch noch die Menschen, die unterdurchschnittlich bis gar nicht von betrieblicher Altersvorsorge profitieren können.

Mit dem Wechsel zum „Opt-out“-Modell verbinden die drei Minister eine Menge Hoffnung:

»Andere Länder erreichen mit dem „Opt-out“ einen Verbreitungsgrad von etwa 90 Prozent. Auch in Deutschland können wir auf diesen „sanften“ Zwang nicht verzichten, wenn wir ernsthaft Altersarmut bekämpfen wollen.«

Ganz offensichtlich will man hier – Stichwort „sanfter“ Zwang – auf das durchaus umstrittene verhaltensökonomisch fundierte Instrument des „Nudging“ zurückgreifen (vgl. hierzu beispielsweise Nico Kuhlmann: Der sanfte staatliche Schubs in die „richtige“ Richtung).

»In der Deutschlandrente soll der Arbeitgeber – zusätzlich zum Pflichtbeitrag – einen Teil des Lohnes aller Beschäftigten in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Mit den Geldern der Mitarbeiter wird ein Kapitalstock für die Altersvorsorge aufbaut. Man könnte auch von einer „gesetzlichen Betriebsrente“ sprechen«, so die Formulierung von Mirco Wenig in seinem Artikel Deutschlandrente – Auf halber Strecke zwischen Norwegen und Nahles.

Norwegen? Wieso Norwegen? In dem Papier der hessischen Minister bezieht man sich explizit auf dieses Land:

»Der zentrale Rentenfonds setzt auf ein breit gestreutes Anlageportfolio, zum Beispiel mit einem höheren Aktienanteil als viele derzeitige Altersvorsorgeprodukte. Der sehr langfristige Anlagehorizont und die Möglichkeiten einer starken Streuung aufgrund der Größe des Deutschlandfonds verringern die Anlagerisiken erheblich und sorgen gleichzeitig für höhere Renditen. Die Erfahrungen von großen Staatsfonds aus anderen Ländern bestätigen dies. So kommt der norwegische Staatsfonds seit seiner Gründung im Jahr 1997 auf eine durchschnittliche Rendite von über 5 Prozent. Durch einen höheren Aktienanteil könnte gleichzeitig mehr Kapital für den Aktienmarkt und Börsengänge junger Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um Wachstum und Innovationen zu finanzieren.«

Mit Rendite-Angaben ist das ja immer so eine Sache, deshalb muss man da vorsichtig sein. So kommt Mirco Wenig in seinem Artikel zu einer anderen Größenordnung, erläutert zugleich aber auch eine der Besonderheiten: Nach seinen Angaben hat der norwegische »Pensionsfonds Oljefondet, der zwischen 1998 und 2012 eine jährliche Rendite von durchschnittlich 3,14 Prozent (abgeworfen). Es gibt Kapital-Anlagen, mit denen man mehr Rendite erwirtschaften kann, doch der norwegische Fonds hat sich auch hohen sozialen Standards verpflichtet. Das Aufsicht führende Finanzministerium verbietet etwa Investments in Firmen, die Nuklearwaffen, Landminen oder Streubomben produzieren. Unternehmen, die schwere Umweltschäden verursachen oder Menschenrechte verletzen, können nicht auf Geld aus dem Fonds hoffen. Auch mit Lebensmitteln wird nicht spekuliert.«

Der norwegische Staatsfonds ist der größte der Welt und hat ein Volumen von deutlich mehr als 800 Milliarden Dollar, die angelegt werden (müssen). Die Mittel stammen vor allem – das wäre ein wichtiger Unterschied – aus den Öleinnahmen des kleinen Landes ( das – und die Dimensionen mal klar zu machen) mit 5 Millionen Einwohnern weniger Menschen beherbergt als der Großraum Berlin-Brandenburg).

Natürlich ist auch und gerade eine derart gewaltige Kapitalsammel- und -anlagestelle von den Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten, vor allem der seit Jahren anhaltenden Niedrigstzinsphase massiv betroffen. Von daher überrascht es nicht, wenn man nicht nur teilweise erhebliche Wertminderungen verbuchen muss, sondern auch die Klage hört, man finde nicht genug rentierliche Anlagemöglichkeiten.

Ein Teil der Kritiker setzen an dieser Stelle an, beispielsweise Heiner Flassbeck in seinem Blog-Beitrag Riester-Rente gescheitert, nun ein Staatsfonds, aber immer die gleiche Konfusion. So verweist er beispielsweise au die »Frage, in welchen Papieren der Staat das Geld der Bürger anlegen soll. Alle halbwegs sichereren Fonds der Welt investieren zu einem erheblichen Teil in Staatsanleihen. Dann nimmt der deutsche Staat Geld von seinen Bürgern und gibt es an sich selbst zurück. Warum kann der Bürger dann nicht gleich Staatsanleihen kaufen, um vorzusorgen? Soll der Staat vielleicht in Aktien spekulieren? Hat man gehört, dass Beamte des Finanzministeriums besonders gut sind beim Zocken mit hoch riskanten Papieren? Oder soll unser Staat Staatsanleihen anderer Staaten aufkaufen? Das würde darauf hinauslaufen, dass Deutschland andere Staaten direkt finanziert? Das ist bisher selbst dann abgelehnt worden, wenn es um europäische Krisenstaaten ging, an deren Rettung wir selbst großes Interesse haben.« Und er legt einen weiteren grundsätzlich problematischen Aspekt nach, in dem er ausführt, »dass es derzeit auf der ganzen Welt, in Deutschland aber ganz besonders, offensichtlich schon viel zu viel Sparkapital gibt, das Anlage sucht, aber keine Schuldner findet. Was man daran leicht erkennen kann, dass sich die langfristigen Zinsen überall ganz nahe bei Null befinden, was übrigens auch den staatlichen norwegischen Fonds in arge Schwierigkeiten bringt. Deutschland hat ausweislich seiner Leistungsbilanzsalden derzeit einen Sparüberschuss von 250 Milliarden Euro jährlich (unser Leistungsbilanzüberschuss), der nur dadurch existieren kann, dass bisher andere Länder (die Staaten oder die Privaten dort) bereit waren, sich jedes Jahr neu in dieser Größenordnung zu verschulden.« Vgl. zu seiner Argumentation auch das Interview mit ihm „Dann wird der Zins noch nuller als null“.

Aber der Vorschlag der drei Minister zu den Grundlinien einer „Deutschland-Rente“ adressiert weitere, für die rentenpolitische Diskussion wichtige grundsätzliche System-Stellschrauben, an denen gedreht werden soll. So schreiben sie in ihrem Positionspapier:

»Das Standardprodukt könnte als reine Beitragszusage ausgestaltet werden („pay and forget“). Die Arbeitgeber müssten dann nicht mehr nach vielen Jahrzehnten mit Haftungsrisiken rechnen. Daneben ist es auch wichtig darüber nachzudenken, ob man betriebliche und private Altersvorsorge in der Zukunft nicht bzw. nur noch zum Teil auf die Grundsicherung im Alter anrechnet.«

Das nun wieder berührt in erheblichem Maße zwei große Baustellen, die wir in Deutschland mit Blick auf die zweite und dritte Säule haben – also zum einen die geforderte Nicht- bzw. nur Teil-Anrechnung der Einkünfte aus betrieblicher und privater Altersvorsorge im Grundsicherungssystem, denn das ist ein ganz wunder Punkt gerade für die Menschen mit geringen Einkommen, die wissen oder ahnen, dass ihnen diese Einkünfte im Alter nichts nutzen werden, sofern sie aufstockende Grundsicherungsleistungen beziehen müssen, sowie zum anderen die Attraktivitätssteigerung der betrieblichen Altersvorsorge für viele Betriebe durch den vorgeschlagenen Weg („pay and forget“). Zugleich wäre das natürlich ein massiver Wettbewerbsnachteil für die bestehenden Anbieter aus dem finanz-industriellen Komplex und für viele würde sich in diesem Bereich die Existenzfrage stellen (und dieses Geschäftsfeld erledigen). Gert G.Wagner, der Vorsitzende des Sozialbeirats der Bundesregierung, stellt genau auf diesen Punkt ab, wenn er in seiner Kommentierung „Deutschland-Rente“ und Rentenniveau schreibt:

»Pfiffig am Hessen-Vorschlag ist auch, dass er für Arbeitgeber attraktiv sein kann: Beiträge zur Deutschland-Rente könnten als reine Beitragszusage („pay and forget“) komplizierte betriebliche Vorsorgesysteme und jahrzehntelange Haftungsrisiken ersetzen.«

Vor der hier skizzierten Kulisse nicht wirklich überraschend ist der sich überall formierende Widerstand aus den Reihen der Finanzindustrie, die natürlich erkennen, dass ihnen hier möglicherweise bislang sehr ertragreiche Claims streitig gemacht werden. Dazu nur als ein Beispiel und ebenfalls nicht überraschend die heftige Ablehnung des ehemaligen IG Metall-Funktionärs, Bundesarbeitsministers und Sozialdemokrat Walter Riester – bezeichnenderweise auf einer Veranstaltung der Versicherungsgruppe „die Bayerische“ in Heidelberg: »Den jüngsten Vorschlägen einer „Deutschland-Rente“ erteilt der frühere Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) eine Absage: „Das einzig Neue daran ist der Name … Die Idee selbst ist uralt und wurde bereits in der Vergangenheit als nicht praxisgerecht verworfen.“« (Walter Riester kritisiert Deutschlandrente). Der ehemalige Minister tingelt ja seit Jahren auf der Payroll der Banken und Versicherungen durch die Lande und wirbt für die „public private partnership“ zugunsten der Finanzindustrie. Das man dort erkannt hat, dass das so lukrative Abgreifen staatlicher Zuschüssen und des Sparkapitals der Arbeitnehmer mittlerweile erheblich in Gefahr ist, weil immer mehr Menschen erkannt haben, dass es sich hier um ein sehr einseitiges Geschäftsmodell handelt, kann man auch daran erkennen, dass sich als Lobby-Versuch die Initiative „pro Riester“ (www.proriester.de) gebildet hat.

Auch aus einer ganz anderen politischen Perspektive wird der Vorschlag heftig kritisiert, vgl. hierzu beispielhaft die Kommentierung Warum die „D-Rente“ wohl ein Rohrkrepierer wird von Nils Röper,  seines Zeichens politischer Ökonom am „Department of Politics and International Relations“ der University of Oxford, der sich vor allem mit der behaupteten Bekämpfung der Altersarmut beschäftigt. Er ist da mehr als kritisch:

»Nach aktuellem Forschungsstand widersprechen die Bekämpfung von Altersarmut und kapitalgedeckte Lösungen einander. Diejenigen, die für eine zusätzliche Altersvorsorge infrage kommen, sind zumeist nicht von Altersarmut bedroht.
Gefährdete können sich hingegen eine Zusatzrente oft nicht leisten. Zudem sind sie häufig in Branchen beschäftigt, in denen Arbeitgeber voraussichtlich überproportional aus der D-Rente herausoptieren. Ähnlich wie die Riester-Rente würde die D-Rente Altersarmut kaum lindern und tendenziell Einkommensungleichheit im Alter verstärken.«

Weitaus interessanter und für die sozialpolitische Diskussion in Deutschland relevanter ist dieser Hinweis von Mirco Wenig auf eine (mögliche) Kollision mit den bislang aus dem Hause der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bekannt gewordenen Überlegungen über eine Reform der Betriebsrenten, die auf den ersten Blick ebenfalls in Richtung einer staatlichen Betriebsrente hinauslaufen:

»Andrea Nahles will Pensionskassen und -fonds zwischen den Tarifpartnern aushandeln lassen und bei Versorgungswerken ansiedeln. Das gibt auch den Arbeitnehmern und Gewerkschaften als klassischer SPD-Wählerklientel Verhandlungsmacht darüber, wie diese Fonds ausgestaltet sein sollen. Das Ministerium von Nahles schlägt vor, das Betriebsrenten-Gesetz um einen neuen § 17 zu erweitern, der neuartige Versorgungswerke zwischen den Tarifparteien ermöglichen soll. Es würde ein Flickenteppich verschiedener Einrichtungen entstehen, abhängig nach Branchen: etwa ein Versorgungswerk für Chemiearbeiter und eines für die Metallindustrie. Entgegen dem Nahles-Modell sieht die jetzt vorgeschlagene „Deutschlandrente“ einen großen staatlichen Topf vor, der auch zentral verwaltet würde.«

Dennoch – immerhin hat es die Idee der „Deutschland-Rente“ nun schon in den Bundestag geschafft. Also ein wenig, in Form eins Antrags der grünen Bundestagsfraktion:
„Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen-System“, so ist der Antrag der Grünen (Bundestags-Drucksache 18/7371 vom 27.01.2016) überschrieben worden. In diesem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, »ein einfaches und kostengünstiges Basisprodukt in Form eines Pensionsfonds als Standardweg der kapitalgedeckten Altersvorsorge einzuführen, bei dem Ein- sowie Auszahlungsweg staatlich organisiert werden und der Staat die Rahmenbedingungen für die Anlage festlegt« (S. 2).

Allerdings finde man in dem Papier auch Hinweise, dass es Handlungsbedarf in der eigentlich relevanten Säule der Alterssicherung gibt und man den nicht vergessen möchte: »Neben den in diesem Antrag geforderten Reformen zur dritten Säule ist es daher an der Zeit, neu über Beitragssatz und Rentenniveau zu diskutieren und die gesetzliche Rentenversicherung in ihrer Funktion als wesentlicher Säule zu stärken.«

Auch ansonsten dem linken Spektrum zuzurechnende Grüne können dem Projekt „Deutschland-Rente“ einiges abgewinnen. Hierzu als Beispiel die Anmerkungen des grünen Bundestagsabegordneten Wolfgang Strengmann-Kuhn auf seiner Facebook-Seite:

»Die ‪‎Deutschlandrente‬, die von drei hessischen Ministern vorgeschlagen wird ist nur ein Teil der Lösung, aber ein richtiger und guter Vorschlag.‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬
Richtig an der Argumentation in dem Papier ist, dass die bestehende Riesterrente gescheitert ist und auch die betriebliche Alterssicherung nicht ausreicht, um die Lücke, die die durch das absinkende Rentenniveau entsteht, zu schließen. Ein öffentlich organisiertes kapitalgedecktes Standardprodukt als Ergänzung (!) der gesetzlichen Rentenversicherung ist deswegen genau der richtige Vorschlag. Falsch an der Argumentation ist, dass es dabei um Bekämpfung der Altersarmut geht, vielmehr geht es um einen Beitrag zur Lebensstandardsicherung (!) im Alter. Altersarmut und die Basis der Lebensstandardsicherung muss staatlich – und zwar am Besten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung – organisiert werden. Dazu sind zwei grundlegende Reformen der Rentenversicherung notwendig: erstens die Weiterentwicklung zu einer Bürgerversicherung: a) aus Gerechtigkeitsgründen und b) um die Finanzierung und damit auch das Rentenniveau zu stabilisieren und zweitens die Einführung einer Garantierente als Minimum innerhalb (!) der Rentenversicherung. Ohne diese beiden Maßnahmen wäre auch die Deutschlandrente auf Sand gebaut. Wichtig ist, dass die Deutschlandrente dabei nicht auf die Garantierente angerechnet wird, damit sich die Vorsorge tatsächlich für Alle lohnt. Auch das wird in dem Papier angesprochen: „Daneben ist es auch wichtig darüber nachzudenken, ob man betriebliche und private Altersvorsorge in der Zukunft nicht bzw. nur noch zum Teil auf die Grundsicherung im Alter anrechnet“.
Fazit: Der Dreiklang aus Bürgerversicherung für die Rente, einer Garantierente innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung und einer Deutschlandrente, die nicht auf die Garantierente angerechnet wird, als Ergänzung, ist geeignet, um unser Rentensystem insgesamt zukunftsfest zu machen.« (Quelle: https://www.facebook.com/wolfgang.strengmannkuhn/posts/538947752948965,  28.12.2015)

Die Diskussion wird weitergehen und entscheidend sind die Grundfragen einer zukünftigen Rentenpolitik, die dabei (wieder) aufgerufen werden müssen. Also welche grundsätzliche Konfiguration soll das Alterssicherungssystem insgesamt haben. Wie stark sollen die zweite und dritte Säule sein (und vor allem welche Funktion kann man von ihnen erwarten – hier ist der Hinweis von Strengen-Kuhn auf die Unterschiede zwischen Bekämpfung der Altersarmut versus Lebensstandardsicherung zutreffend)? Soll die umlagefinanzierte Säule, also die Gesetzliche Rentenversicherung wieder gestärkt werden, gerade mit Blick auf das hier erreichbare Rentenniveau und das Niveau der Renten (was unterschiedliche Tatbestände sind)? Brauchen wir den Schritt hin zu einer wirklichen Erwerbstätigenversicherung oder gar die Abkehr von der lohnbezogenen Finanzierung in Richtung auf eine wertschöpfungsbasierte Finanzierung?

Auf der Rutschbahn in die Todeszone: Das allmähliche Verschwinden des Garantiezinses für Lebensversicherungen und der beklagenswerte Zustand der deutschen Altersvorsorge

Schon seit geraumer Zeit gibt es in einem Teil der Medien
eine (zunehmend) kritische Berichterstattung über die Tiefen und Untiefen der
privaten Altersvorsorge vor allem im Umfeld der Diskussion über die
„Riester-Rente“. Gerade die Lebensversicherung steht seit längerem und immer
öfter unter Berichterstattungs-Beschuss. Die Kapital-Lebensversicherung ist –
bzw. war – eine der wichtigsten Säulen, gerade bei denen, die gar keine
Alternative haben zu einer privaten Absicherung, weil sie beispielsweise als
Selbständige gar nicht eingebunden sind in die soziale Absicherung durch die
umlagefinanzierte Rentenversicherung. Und das Finanzprodukt (Kapital-)Lebensversicherung
ist erneut in die Schlagzeilen geraten. Vor einiger Zeit schon verunsicherten
Meldungen, das immer mehr Versicherungen eine Abkehr von
Lebensversicherungspolicen mit Garantiezins ankündigen – nach Generali und
Talanx folgte im September auch der Branchenriese Ergo. Und da ist er schon,
der „Garantiezins“. Denn der soll nun endgültig fallen mit Beginn des neuen
Jahres. Um nur einige der Schlagzeilen zu zitieren: Warum
der Garantiezins ausgedient hat
, Trumpfkarte
verloren
Eine Hiobsbotschaft für die Altersvorsorge oder auch Ist
die Lebensversicherung jetzt am Ende?
: »Die Bundesregierung will bei neuen
Lebensversicherungen keinen Garantiezins mehr vorgeben. Weil der als
Hauptargument für die Policen galt, steht der Altersvorsorgeklassiker vor dem
Aus.« Auch der Bund der Versicherten (BdV) stößt in dieses Horn: Bundesregierung
will klassische Lebensversicherung beenden
, so hat man dort eine
Pressemitteilung überschrieben. Der Vorstandssprecher des BdV, Axel Kleinlein,
wird mit diesen markigen Worten zitiert: „Die Bundesregierung spielt mit dem
Vertrauen der Bürger in Lebensversicherungen, private Renten, Riester-Renten,
Rürup-Renten und betriebliche Altersvorsorge.“ Alle diese Wege der
Altersvorsorge sind bisher stark geprägt von den klassischen Verträgen mit
Garantiezins.


Es geht hier nicht um irgendeine Kleinigkeit. Ein Großteil
der mehr als 90 Millionen laufenden Lebensversicherungsverträge basiert auf dem
Modell einer Kapital-Lebensversicherung mit Garantiezins. Der eigentlich Höchstrechnungszins
heißt, was den einen oder anderen jetzt irritieren mag, denn aus Sicht der
meisten Kunden ist der Garantiezins ein Mindestzins in dem Sinne, dass man
diesen Zins mindestens bekommt, wobei viele nicht wissen, dass die
Mindestzinsen nur für den sogenannten Sparanteil eines Vertrages gelten. Daher
sind klassische Verträge nur dann rentabel, wenn die zusätzlich gegebene
Überschussbeteiligung ein zusätzliches Plus bringt.

»Der Höchstrechnungszins ist bei der klassischen Lebens- und
Rentenversicherung der Zinssatz, den Versicherungsunternehmen ihren Kunden
maximal für das angesparte Geld versprechen dürfen. Für Versicherer ist der
Zins also eine gesetzlich vorgegebene Obergrenze, die den Wettbewerb um allzu
kühne Zinsversprechen unterbinden sollte«, während aus Sicht der Kunden dieser
Zinssatz eine andere Bedeutung hat, da er sie informiert, »wie viel der
Versicherer ihm mindestens für das Ersparte zusichern, also garantieren, muss.
Die Garantie ist also die Untergrenze«, kann man diesen Erläuterungen
entnehmen. Die garantierte Rendite – wohlgemerkt nur auf den Sparanteil der
Beiträge innerhalb der Lebensversicherung (also die 80 bis 90 Prozent, die nach
Abzug der Vertriebs- und Verwaltungskosten übrig bleiben; unter
Berücksichtigung dieser Randbedingungen kommt man dann bei ausgewiesenen 1,25
Prozent „Garantiezinsen“ auf eine faktische Rendite in Höhe von noch
mickrigeren 0,5 Prozent) – ist angesichts der Niedrigzinsen am Kapitalmarkt von
einst 4 Prozent auf mittlerweile 1,25 Prozent gesunken. Und nun soll er ganz
fallen, für Neuverträge ab dem 1. Januar 2016.
Zu den Hintergründen verweist das Bundesfinanzministerium
auf die schärferen Eigenkapitalvorschriften Solvency
II
, die ab dem kommenden Jahr gelten, mit denen die Versicherungsbranche
krisenfester gemacht werden soll. Danach müssen Versicherer für langfristige
Versprechen an Kunden wie den Garantiezins mehr Eigenmittel zurücklegen.

Interessant an dieser Stelle die zum Vorstoß der
Bundesregierung abweichende
Positionierung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
:
„Zur Gewährleistung langlaufender Lebensversicherungsprodukte mit
Zinsgarantien, die nicht gegen Zinsänderungsrisiken abgesichert sind, ist auch
in Zukunft eine Vorgabe für den höchstzulässigen Rechnungszins nötig“, so Peter
Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des GDV. Die Aussage überrascht,
denn sie steht dem Trend der Branche entgegen, stärker garantielose Policen
anzubieten. Auch die Versicherungsmathematiker der einflussreichen Deutschen Aktuarvereinigung machen sich für
eine Beibehaltung
der Vorgabe
bei klassischen Lebensversicherungsprodukten stark – allerdings
mit einem Veränderungsvorschlag zum heutigen System:

»In den ersten 15 Jahren soll der Höchstrechnungszins ein
fester Zinssatz sein, der sich am Kapitalmarkt orientiert; in der Zeit danach
ein vorsichtigerer Wert, der der langfristigen volkswirtschaftlichen Erwartung
mit einem Sicherheitsabschlag folgt und ebenfalls bereits anfänglich festgelegt
wird. So können auch weiterhin fest garantierte Zinsen in marktangemessener
Höhe die Basis für eine erfolgreiche Altersversorgung und eine ergänzende
Überschussbeteiligung sein.«

Über die Motive vor allem der GDV, für den einen oder
anderen überraschend gegen die geplante Streichung des Garantiezinssatzes zu
argumentieren, kann man natürlich nur spekulieren. Den meisten, gerade in
Deutschland extrem risikoaversen und sicherheitsorientierten Kunden sind
Garantiezusagen wichtig – und die Berücksichtigung dieses psychologischen
Moments wird wahrscheinlich hinter der Positionierung stehen, denn bei den
(potenziellen) Kunden kommt jetzt vor allem die für die Verkaufe der Produkte
unangenehme Botschaft an, da gibt es „nichts“ mehr zu holen.
Grundsätzlich wird es Versicherern auch künftig möglich
sein, Lebensversicherungen mit einer garantierten Verzinsung anzubieten, worauf
der GDV beispielsweise hinweist. Allerdings müssen sie dann zusehen, dass sie die
Eigenkapitalvorschriften, die sich aus Solvency II ergeben, erfüllen – und die
sind teuer. Nicht nur deshalb verabschieden sich immer mehr Versicherer schon
seit längerem – wie bereits angedeutet – von dem Produkt Lebensversicherung mit
Garantiezins. Stefan Kaiser hat seinen Artikel zu dieser Entwicklung so
überschrieben: Gut
für die Versicherer, schlecht für die Kunden
: »Die deutschen
Lebensversicherer bieten immer häufiger Policen ohne Garantiezins an. Das soll
die Renditechancen der Anleger erhöhen – nutzt aber vor allem den Anbietern.«
Die Allianz beispielsweise ist von sich selbst begeistert bzw. genauer von der neuen
garantiezinsfreien Police „Perspektive„.
Mittlerweile hat das Unternehmen noch vier weitere Produkte ohne garantierte
Verzinsung aufgelegt, die teilweise auch an die Entwicklung von Aktienindizes
geknüpft sind. Insgesamt machen solche Policen mittlerweile 63 Prozent des Neugeschäfts
mit Privatkunden aus, berichtet Stefan Kaiser in seinem Artikel. Zu kritisieren
ist vor allem die für den Kunden die Intransparenz der neuen Produkte, die noch
schlimmer ist als bereits bislang. Er wird mit heutigen Renditeversprechen
geködert und muss sich verlassen, dass das Unternehmen das auch realisieren
kann über einen jahrzehntelangen Zeitraum. Da muss man schon sehr viel
Gottvertrauen in Ergo & Co. haben. Stefan Kaiser dazu: »Tatsächlich haben
die neuen Produkte für die Versicherer den Vorteil, dass diese die genaue
Verzinsung für die Kunden erst am Ende festlegen müssen. Sie entscheiden dann
je nach Marktlage. Garantiert ist dem Kunden zum Beginn des Ruhestandes in der
Regel nur das eingezahlte Kapital – ohne jegliche Rendite.«
Strategisch gesehen geht es den Versicherungsunternehmen vor
allem um einen vollständigen Risikotransfer auf die Versicherten. Also für die
ist das natürlich ein schlechtes Geschäft, vor dem man sich vor allem mit Blick
auf die Nutzung für die Altersvorsorge hüten sollte.

Das ist eine Melodie, die von den beiden Journalisten Holger
Balodis und Dagmar Hühne seit langem immer wieder gespielt wird. Sie betreiben
eine eigene Website unter www.vorsorgeluege.de
und haben vor einigen Jahren das Buch Die
Vorsorgelüge. Wie Politik und private Rentenversicherungen uns in die
Altersarmut treiben
veröffentlicht und nun im September 2015 nachgelegt mit
einem neuen Buch unter dem derben Titel Garantiert
beschissen! Der legale Betrug mit den Lebensversicherungen
. Sie verweisen
auf drei Systemfehler, aus denen die Tatsache entspringt, dass für die meisten
Versicherten die ganze Angelegenheit ein Verlustgeschäft ist: a) Kostenklau, b)
Stornoklau, c) Lebenserwartungsklau. Damit legen sie tatsächlich den Finger auf
systematisch offene Wunden in diesem Bereich.
Nun könnte der eine oder andere einwenden mit Blick auf die
Lebensversicherungen und den Niedergang sowie die nun anstehende Beerdigung des
Garantiezinssatzes, dass das alles schlimm ist, aber „nur“ die Neufälle
tangieren wird und diejenigen, die schon vor Jahren abgeschlossen haben, sind
dann fein raus aus, weil sich ja bei ihnen nichts ändern wird. Auch hier aber
gießen zumindest die Verbraucherschützer eine Menge Wasser in den Wein. Der BdV
befürchtet
auch Nachteile für Altverträge: „Zwar sind die Garantien schon bestehender
Verträge ziemlich sicher, die neuen Maßnahmen der Bundesregierung werden aber
negativ auf die Überschüsse durchschlagen“, so Axel Kleinlein. Sinkende
Überschüsse könnten dann zu einer noch unrentableren Altersvorsorge führen.
Denn, so der BdV: Die Überschüsse in den Beständen der klassischen Tarife
dienten bisher als Verkaufsargument für den Vertrieb von Neuverträgen mit
Garantiezins. Das fällt jetzt in der neuen Welt weg.
Und wieder stehen wir skeptisch-enttäuscht vor der Szenerie
einer ja auch staatlicherseits seit langem geforderten und geförderten
stärkeren privaten Altersvorsorge. Bekanntlich wurde ein Teil der
Sicherungsfunktion der guten alten umlagefinanzierten Rentenversicherung auf
Kosten der vor allem den Versicherungsunternehmen dienenden Säule der privaten
Altersvorsorge abgebaut – ohne dass es wirklich und gerade bei denen, die
besonders darauf angewiesen wären, zu einer tatsächlichen Kompensation der
Ausfälle kommen wird. Würde es sich nur um Sahnehäubchen handeln, die im
schlimmsten Fall wegfallen, dann wäre die Lage anders zu bewerten. Wir sprechen
hier aber von der existenziellen Sicherungsfunktion eines
Alterssicherungssystems.

Aber auch wenn man – rein hypothetisch mal hier gedacht –
die Entwicklung vor allem seit der „Riester-Rentenreform“ der damaligen
rot-grünen Bundesregierung Anfang des neuen Jahrtausends rückgängig machen. Das
würde den vielen Selbstsändigen und darunter vor allem den vielen
soloselbständigen Kümmerexistenzen nicht helfen. Wieder einmal sehen wir die Mega-Aufgabe
eines Umbaus des Alterssicherungssystems, der alle ausweichen, auch die
derzeitige Große Koalition. Aber das wird uns einholen, das ist gewiss.

Gewinner und Verlierer gibt es immer, vor allem, wenn es um Geld geht. Und Geldpolitik ist auch ein sozialpolitisches Thema. Und da genau so umstritten wie generell der ganze Ansatz der EZB unter den Ökonomen

Mehr als eine Billion Euro wird die EZB bis September nächsten Jahres in die Märkte spülen. Monat für Monat sollen es 60 Mrd. Euro sein. Es muss an dieser Stelle nicht darüber sinniert werden, was man mit so viel Geld Gutes tun könnte – für die Menschen, die Hilfe brauchen, aber auch für die Volkswirtschaften durch echten Konsum und Investitionen in Menschen. Darum geht es der EZB nicht. Welche Effekte die „Geldschwemme“ auf die Realwirtschaft, auf die Kreditvergabe und auf die Inflationsrate haben wird, lässt sich nur schwer vorhersagen und darüber streiten sich die Ökonomen derzeit heftig – allein die begriffliche Einordnung als „Geldschwemme“ wird von manchen Volkswirten abgelehnt, stellvertretend hierzu Heiner Flassbeck in seinem Beitrag Die EZB hat entschieden, aber entschieden ist nichts.

Unabhängig davon kann man beispielsweise zwei ganz handfeste Auswirkungen der Geldpolitik der EZB beobachten: Die Zinsen für europäische Staatsanleihen, auch für die der Krisenländer des Euro-Raumes, verzeichneten neue Renditetiefstände, was von der EZB ja auch so gewollt ist. Gleichzeitig kann man an den Aktienmärkten ein wahres Kursfeuerwerk beobachten, der DAX stieg in diesen Januartagen bis auf über 10.700 Punkte und damit auf ein neues Allzeithoch. Natürlich hat eine dermaßen starke Medikation, wie sie von der EZB dem Euro-Patienten verordnet wird, auch Nebenwirkungen. Auf eine davon hat bereits vor einiger Zeit Yves Mersch, Mitglied im Direktorium der EZB, in einer Rede offen hingewiesen: Eine ultralockere Geldpolitik mit massenhaften Wertpapierankäufen scheine die Einkommensungleichheit in der Gesellschaft zu vergrößern, so seine Aussage, über die Philip Plickert in seinem Artikel Die EZB-Geldpolitik macht Reiche noch reicher berichtet. Offensichtlich bezieht sich Plickert dabei auf diese Rede von Mersch: Monetary policy and economic inequality vom 17.10.2014.

Unterstützung bekommt diese Kritiklinie sogar von einer Seite, die man auf den ersten Blick vielleicht am wenigsten hier erwartet hätte: »Sahra Wagenknecht von der Linkspartei wetterte, Draghi liefere ein „Dopingmittel für die Finanzmärkte“, das die Reichen noch reicher mache.«
Und die Linke Wagenknecht reiht sich offenbar ein in eine illustre Runde an Kritikern aus ganz unterschiedlichen (partei)politischen Schützengräben:

»Der CSU-Generalsekretär bezeichnete Draghi als „Gehilfen der Spekulanten“. Und die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch wetterte, Draghi betreibe eine „asoziale“ Politik: „Vermögende werden noch vermögender. Arme werden ärmer.“ Die Flutung der Märkte mit 1 Billion Euro bewirke eine „Umverteilung von unten nach oben wie noch nie in der Geschichte“. Auch der Spekulant George Soros, der auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Draghis Anleihekaufprogramm als „überwältigend“ lobte, macht sich Sorgen über eine Zunahme der Ungleichheit deswegen: „Das dürfte ernsthafte politische Folgen haben.“«

Wie aber soll das funktionieren mit der steigenden Einkommens- und Vermögensungleichheit durch die lockere Geldpolitik? Plickert berichtet über mehrere Wirkungskanäle, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden:

1.) Während einfache Haushalte hauptsächlich Arbeitseinkommen beziehen, haben die reicheren meist Kapitaleinkünfte. Steigen die Kurse, weil die Geldpolitik locker ist oder die Zentralbank sogar direkt Wertpapiere kauft, erhöht das die Ungleichheit.
2.) Zweitens profitieren jene mehr als andere von der Geldpolitik, die näher an den Finanzmärkten sitzen und schneller reagieren, also professionelle Finanzmarktakteure eher als kleinere, passive Anleger mit weniger Informationen. Auch hier haben die Vermögenden die Nase vorn.
3.) Und drittens bewirkt die lockere Geldpolitik eine Umverteilung weg von den Geldbesitzern hin zu den Wertpapierbesitzern. Während sie die Kurse in die Höhe treibt, leiden die einfacheren Bürger mit kleinem Vermögen darunter, dass sie für ihre Ersparnisse kaum noch Zinsen erhalten.
4.) Als weiteren Effekt kann man den Anstieg der Immobilienpreise hinzuzählen, der auch von der Flut billigen Geldes getrieben ist. Ärmere Haushalte, die zur Miete wohnen, sind gegenüber Häuser- und Wohnungseigentümern im Hintertreffen.

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, sprach von einem „riesigen Vermögenseffekt“ durch die Börsengewinne im Zuge der extrem lockeren Geldpolitik, so Plickert in seinem Artikel. Das EZB-Programm habe einen „sehr starken umverteilenden Effekt“ – es bewirke eine Umverteilung nach oben. Und der umverteilende Effekt zugunsten der Reicheren sei in Europa besonders stark ausgeprägt, weil die Quote der Aktionäre und Wertpapierbesitzer in der breiten Bevölkerung geringer ist als in den USA.

Plickert weist allerdings auch darauf hin, dass es andere Studien gibt, »die günstige Effekte eines Anleihekaufs der Zentralbank für die Geringverdiener erkennen. Wenn es mit der lockeren Geldpolitik gelingt, die Konjunktur zu stimulieren und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, profitieren davon gerade die unteren Schichten … Ärmere Menschen seien auch häufiger Schuldner und profitierten von billigeren Kreditzinsen.«

Mit der hier referierten These von der ungleichheitssteigernden Wirkung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hat sich Tilman Weigel in seinem Blog-Beitrag Lässt die EZB die Ungleichheit steigen? auseinandergesetzt und das von ihm gesetzte Fragezeichen ist nicht nur rhetorisch gemeint, sondern es drückt die grundsätzlichen Zweifel aus, die er hat. Seine anfragend daherkommende Argumentation geht so:

»Dass sinkende Zinsen die Aktienmärkte beflügeln, ist eine weitgehend akzeptierte Annahme. Denn weil die EZB Anleihen kauft, schichten Investoren ihr Kapital in Aktien und Immobilien um. Das, so die Argumentation der Kritiker, erhöht die Ungleichheit. Denn Arme besitzen keine Aktien und selbst die Mittelschicht verliert eher Geld als sie gewinnt, denn ihre Ersparnisse stecken oft in verzinslichen Anlagen.
Allerdings erscheint mir der Effekt fast paradox. Umgekehrt würde das ja bedeuten, bei einer stärkeren Nachfrage nach Kapital und damit steigenden Zinsen, müsste die Ungleichheit abnehmen. Eigentlich sollten ja eher die von einer Entwicklung profitieren, die ein Gut anbieten, das knapp ist.
Zumal die höheren Aktienkurse ja vorrübergehend sein dürften. Durch sie sinkt die Rendite der Aktien, gemessen beispielsweise im Kurs-Gewinn-Verhältnis.«

Und noch einen weiteren kritischen Aspekt sieht er:

»Vor allem aber erstaunt mich, dass niemand davon spricht, dass niedrige Zinsen ja zwei Seiten haben. Während die Gläubiger darunter leiden, profitieren die Schuldner. Wer arm ist, zieht also keinen Nutzen aus dem Anstieg der Aktienkurse, wohl aber aus der geringeren Belastung durch Schulden. Und Schulden hat in den unteren Einkommensschichten letztendlich jeder, den die Staatsschulden lasten auf allen, während die Gläubiger eher den mittleren und oberen Einkommensgruppen angehören.«

Seine Vermutung geht dahin, dass zwischen temporären und dauerhaften Effekten unterschieden werden muss, um zu einer genaueren Einschätzung kommen zu können. Hypothesen über Hypothesen. Wie so oft bei sozialwissenschaftlichen Themen mehr Fragezeichen als gesichertes Wissen, was nicht wirklich überraschend ist, vor allem bei derart komplexen Systemen.

Deshalb abschließend – scheinbar – etwas Konkretes hinsichtlich der sozialpolitischen Implikationen der Geldpolitik. Zu Wort gemeldet hat sich Maximilian Zimmerer, Vorstandsmitglied des Versicherungskonzerns Allianz und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat seine Ausführungen unter die kompakte Überschrift gestellt: „Was die EZB tut, schadet der Altersvorsorge“. Da schlägt angesichts der faktischen Bedeutung der privaten Altersvorsorge für das Alterssicherungssystem und der bereits heute in diesem Teilbereich vielfach kritisierten Sicherungslücken das sozialpolitische Herz schneller. Zimmerers Diagnose: „Langfristiges Sparen lohnt kaum noch, und damit entsteht eine große Gefahr für künftige Rentner.“

Das hört sich bedrohlich an – aber vielleicht dient es der Wahrheitsfindung, dass man korrigierend anmerken sollte, dass eine große Gefahr vor allem und erst einmal für das Geschäftsmodell der Versicherer droht bzw. sich diese schon längst an die Oberfläche gearbeitet hat, denn die mit konventionellen Anlagestrategien immer kleiner werdenden Renditen, die sich noch erwirtschaften lassen, fließen ja nun nicht eins zu eins an die sparenden Altersvorsorger, sondern der finanzindustrielle Komplex gibt was davon ab und behält den Rest. Dieses Modell nun wird tatsächlich angesichts des weltweiten Niedrigzinsumfeldes, das schon seit Jahren zu beobachten ist, wie auch aufgrund der gewaltigen Menge an renditesuchende Kapitals immer schwieriger bzw. immer unattraktiver. Also Gefahr droht zuallererst einmal Allianz & Co., dann in einem zweiten Schritt den auf Kapitaldeckung setzenden bzw. auf diese verwiesenen Sparern – und über kurz oder lang dem ganzen System, dessen Legitimationsbasis sich in Auflösung befindet. Allerdings ist aus dieser Perspektive die aktuelle Geldpolitik der EZB nur eine weiterer, verstärkender Impuls in Richtung Abgrund, keineswegs der Auslöser.

Dafür ist Geld da. Die Riester-Rente und ihre Förderung, die wirkliche Wirklichkeit der Zahlen und das offensichtliche Unvermögen, mit Scheitern umgehen zu können

Also normalerweise ist es ja so, dass die Haushaltspolitiker versuchen, zukünftige Ausgaben klein zu rechnen oder zu verschieben. Da werden dann Annahmen gemacht, die so konstruiert sind, dass die daraus resultierenden Kosten geringer ausfallen als es dann tatsächlich kommt. An so etwas ist man gewöhnt. Aber den umgekehrten Fall findet man weitaus seltener. Die Kalkulation der Steuermittel für die Riester-Rentenförderung folgt offensichtlich diesem Ausnahmemuster. »Die Ausgaben für die staatliche Förderung der Riester-Rente werden nach Angaben der Bundesregierung bis 2019 voraussichtlich um rund 920 Millionen Euro steigen. Nach 2,41 Milliarden Euro im vergangenen Jahr rechnet der Arbeitskreis Steuerschätzung für 2019 mit Aufwendungen an Altersvorsorgezulagen von 3,3 Milliarden Euro«, kann man dem Artikel Förderung der Riester-Rente steigt bis 2019 entnehmen – und schreibt damit eine lange Geschichte der Fehlkalkulation fort, wie wir noch sehen werden.

Der Aufbau einer staatlich geförderten zusätzlichen Altersvorsorge (Riester-Rente) war und ist ein Kernstück der Rentenreform 2001 – neben der deutlichen Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung im Umlageverfahren durch die massive Absenkung des Rentenniveaus sowie einer „Dämpfung“ des eigentlich vorzunehmenden Rentenanstiegs durch Eingriffe in die Rentenanpassungsformel. Die Förderung wird in Form von Zulagen und einem zusätzlichen Sonderausgabenabzug ausgezahlt, wobei die Deutsche Rentenversicherung für die Abwicklung der staatlichen Förderung zuständig ist. Nun wurde in den vergangenen Jahren immer öfter auch kritisch berichtet über Sinn und Unsinn der unterschiedlichen Formen der Riester-Rente und ihrer Förderung, wobei sich diese Debatten in der Regel auf Fragen der „Rendite“ dieser kapitalgedeckten Form der privaten Altersvorsorge bezogen haben und beziehen. Offensichtlich hat die kritisch-ablehnende Perspektive ihre Wirkung entfalten können – denn die Inanspruchnahme dieser geförderten Form der Altersvorsorge schwächelt doch ganz erheblich, um das mal nett zu formulieren.

Ein erster flüchtiger Blick auf die Zahlen scheint hingegen eine „Erfolgsgeschichte“ anzuzeigen: Im Sommer des Jahres 2014 »wurden fast genau 16 Mio. Riester-Verträge gezählt. Die Versicherer liegen mit knapp 10,9 Mio. Policen unangefochten auf dem ersten Platz. Gefolgt von den Fondsgesellschaften mit gut 3 Mio. Verträgen. Nahezu 1,3 Mio. Menschen  wohnriestern und gut 800.000 Riester-Verträge konnten Banken und Sparkassen an die Vorsorgeenthusiasten bringen.« Aber die wirkliche Wirklichkeit sieht anders aus, man kann nicht nur davon sprechen, dass das Riester-System schwächelt, sondern man muss sagen, »dass es an die Wand gefahren ist, denn seit dem Jahr 2011 ist klar erkennbar, dass die Zahl der neuen Verträge stagniert und die Wachstumsgeschichte vorbei ist: Im Jahr 2007 wurden mit fast 2,1 Mio. Policen die meisten Riester-Verträge neu abgeschlossen. Im Jahr 2013 hingegen haben sich nur noch 453.000 Menschen neu für das „Riestern“ entschieden und unter Berücksichtigung der Vertragsabgänge kann man erkennen, dass sich bei der Zahl der Verträge seit 2011 nichts mehr bewegt.« Außerdem muss man berücksichtigen, dass knapp 20 Prozent der Verträge ruhend gestellt sind und damit nicht (mehr) bespart werden.
»Nur auf 12,7 Millionen werden noch Beiträge eingezahlt … Nur 6,4 Millionen Versicherte zahlen den vollen Satz von 4 Prozent des Bruttoeinkommens ein, nur sie bekommen die volle Zulage – vier Millionen Frauen und 2,4 Millionen Männer. Hier hatte sich die Bundesregierung deutlich mehr Zuspruch erhofft, denn insgesamt könnten hierzulande 35,7 Millionen Menschen riestern«, so Kerstin Schwenn in ihrem Artikel Die Deutschen „riestern“ viel zu wenig.

Von den Beschäftigten werden mit Blick auf die Gesamtzahl der Riester-Verträge etwas mehr als ein Drittel erreicht – was aber eben auch heißt, dass zwei Drittel nicht partizipieren werden können von dieser ja eben nicht zusätzlichen Säule der Alterssicherung, denn die Zahlungen aus der Riester-Rente sollen ja – so der ursprüngliche Plan der rot-grünen Bundesregierung bei der Rentenreform um die Jahrtausendwende – die Absenkung des Rentenniveaus in der eigentlichen Rentenversicherung wieder kompensieren für die Betroffenen. Was natürlich bei solchen (Nicht-)Inanspruchnahmequoten auch nicht annähernd gelingen kann. Der Vollständigkeit halber sei noch hinzugefügt, dass aus sozialpolitischer Sicht besonders erschwerend hinzu kommt, dass die Haushalte, die über sehr niedrige oder durchschnittliche Einkommen verfügen, was sich dann ja auch über die Rentenformel abbilden wird in der Höhe der Leistungen aus der 1. Säule der Alterssicherung, eine überdurchschnittliche Nicht-Inanspruchnahme aufweisen, anders gesagt: Je wohlhabender die Haushalte, desto größer ist der Mitnahmeeffekt der staatlich geförderten Riester-Rente. Dass viele Versicherte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gar keine „Rendite“ aus ihren Sparmodellen erhalten werden, weil sie das dafür erforderliche Alter nicht erreichen werden oder dass die einzigen, die wirklich bislang profitiert haben, der finanzindustrielle Komplex war, wurde und wird auch immer wieder berichtet, so dass in der Gesamtschau bei vielen, die vorher dem Staat vertraut haben, dass er in ihrem Sinne handeln wird, wenn er so etwas einführt, nicht mehr glauben und dann lieber verzichten auf irgendeine Förderung.

Aber das alles lässt die Bundesregierung völlig kalt, wenn es um die Kalkulation der (angeblich) in Zukunft erforderlichen Steuermittel geht. Sie glaubt an den Erfolg der Riester-Story. Wie ein uneinsichtiger Wiederholungstäter werden sich auch die nun vorgelegten Zahlen in Rauch auflösen. Darauf hat dankenswerterweise der Bundestagsabgeordnete Markus Kurth von den Grünen auf der Basis einer Anfrage an die Bundesregierung hingewiesen, die ihm nun geantwortet hat.
Er hat sich die Zahlen geben lassen, wie sich realen Ausgaben für die steuerliche Förderung der Riester-Renten, also die Altersvorsorgeaufwendungen, entwickelt haben – und das dann verglichen mit den kalkulierten Steuermitteln für die staatliche Förderung, wie sie in den Steuerschätzungen der Jahre 2009 bis 2012 in Ansatz gebracht worden sind. Das Ergebnis verdeutlich eindrucksvoll die Abbildung. Man ist fast schon geneigt, etwas blumig zu bilanzieren: Wie eine Herde wilder Pferde stürmen die Steuerschätzer immer wieder in unerreichbare Regionen des Bedarfs an Steuermitteln für die Riester-Förderung – und werden dann von der Realität der tatsächlichen Inanspruchnahme eingeholt. Offensichtlich aber – siehe die Abbildung – gibt es keinen erkennbaren Lerneffekt. Der grüne Abgeordnete wird hinsichtlich der von ihm kritisierten Schönrechnerei zitiert mit den Worten: „Seit Jahren gibt sich die Bundesregierung der Illusion hin, dass die Riester-Rente immer beliebter wird.“

Nun könnte man an dieser Stelle kopfschüttelnd ob der (letztendlich nicht nur) rechnerischen Merkwürdigkeiten den Beitrag schließen. Dennoch kann und muss man weiterdenken. Denn offensichtlich sind wir konfrontiert mit einem grandiosen Scheitern des bestehenden Systems der staatlichen Förderung der privaten Altersvorsorge, die ja – bei allem Zurückbleiben hinter den hochgerechneten Erwartungen – jedes Jahr gut 2,5 Mrd. Euro verschlingt, von denen viele Euros in den Taschen der Finanzindustrie hängen bleiben. Von 2002 bis 2014 wurde die Riesterrente insgesamt mit 27,4 Milliarden Euro aus Steuermitteln subventioniert. Und beharrlich erscheint das Unvermögen der Bundesregierung, aus der faktischen Entwicklung irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. Davon abweichend gibt es unterschiedliche Positionierungen, wie es (nicht) weitergehen soll in diesem Bereich.

»Wer etwas gegen Altersarmut tun will, muss die Riesterförderung endlich stoppen und die gesetzliche Rente stärken. Denn Riestern kann und wird den Niedergang der gesetzlichen Rente nicht ausgleichen«, so der Bundestagsabgeordnete Matthias Birkwald von den Linken in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau unter der Überschrift Die Riesterrente ist ein kolossaler Flop. Seine Diagnose deckt sich mit der Kritik vieler anderer:

»Schon im März 2008 begründete die Linke ihren Antrag mit dem Titel „Riesterrente auf den Prüfstand stellen“ wie folgt: „Tatsächlich wird das Gesamtversorgungsniveau aus gesetzlicher Rente und Zusatzvorsorgeleistungen aus der Riesterrente in Zukunft nicht einmal jenes Sicherungsniveau erreichen, welches vor der ,Riesterreform‘ allein aus der gesetzlichen Rente geleistet wurde.“ Das war damals schon wahr und die aktuellen Zahlen aus dem Rentenversicherungsbericht 2014 bestätigen das noch einmal eindrücklich: Zwischen 2000 und 2014 sank das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente vor Steuern von 53 auf 48 Prozent und wird 2028 auf 44,4 Prozent geschrumpft sein. Selbst mit Riesterrente und – das sei hinzugefügt – unter völlig unrealistischen Annahmen von vier Prozent Verzinsung und Verwaltungskosten von zehn Prozent werden wir dann nur bei einem Gesamtsicherungsniveau von 50,6 Prozent angekommen sein. Zwischen 2014 und 2028 sollen laut der Bundesregierung die Löhne um 51,3 Prozent steigen, die gesetzliche Rente aber nur um 39 Prozent.

Im Klartext: Die Kürzungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel verschärfen den Niedergang der gesetzlichen Rente Jahr für Jahr. Riestern kann und wird den Niedergang der gesetzlichen Rente nicht ausgleichen.«

So weit, so bekannt und grundsätzlich auch richtig. Was aber tun? Birkwald plädiert in seinem Beitrag für ein 3-Punkte Programm:

»Erstens: Die staatliche Riesterförderung wird gestoppt. Wer heute schon einen Riester-Vertrag hat, soll die bisher angesparten Gelder reibungslos und freiwillig auf sein persönliches Rentenkonto bei der Deutschen Rentenversicherung einzahlen können.

Zweitens: Die in den kommenden Jahren vorgesehenen jährlichen 3,5 Milliarden Euro Riesterförderung werden zur Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus eingesetzt. Damit ließe sich dauerhaft eine zusätzliche Rentenerhöhung von 1,5 Prozent finanzieren.

Drittens: Die Kürzungsfaktoren werden aus der Rentenanpassungsformel gestrichen und die Rückkehr zu einem angemessenen und lebensstandardsichernden Rentenniveau vor Steuern in Höhe von 53 Prozent wird langfristig durch eine jährliche moderate Beitragssatzerhöhung finanziert. «

Am eher anderen Ende sind dann Positionen zu verorten wie des Vorsitzenden der CDU-Sozialausschüsse, Karl-Josef Laumann: Es müsse darüber diskutiert werden, wie die Riester-Rente profitabler werde. Eine Option sei, die private Altersvorsorge verpflichtend einzuführen. Darüber würde sich die Finanzwirtschaft sicher sehr freuen, denn die, so Schwenn in ihrem Artikel, »sorgt sich ums Geschäft, weil gerade die Jüngeren mit eher niedrigen Einkommen zögern, einen Vorsorgevertrag abzuschließen.«

Und die Grünen? Der bereits erwähnte Bundestagsabgeordnete Markus Kurth wird in dem Schwenn-Artikel so zitiert: »Kurth sagt, viele fürchteten, dass sie im Alter ohnehin nur die staatliche Grundsicherung bekämen – auf die das Riestern angerechnet werde. Nur jeder Fünfte mit einem Haushaltseinkommen von weniger als 1200 Euro sorge „riestergefördert“ vor. Kurth fordert als Anreiz, die Einführung eines Freibetrages bei der Grundsicherung zu prüfen. „Das wäre eine Lösung“, sagte er. „Allerdings eine teure, denn den Freibetrag müsste man wohl auch für die gesetzliche Rente gewähren.“ Geringverdiener sollten jedenfalls höhere Zulagen bekommen. Außerdem müssten Riester-Produkte transparenter werden.«

Der eigentliche weiterführende Vorschlag von ihm kommt dann: „Wir könnten uns auch ein neues Riester-Basisprodukt vorstellen, gespeist aus einem öffentlichen Fonds, öffentlich administriert und gemanagt durch die Deutsche Rentenversicherung – so ähnlich wie in Schweden“, sagte Kurth.
Zu diesem Ansatz vgl. auch Markus Kurth: Private Altersvorsorge stärken! Das Basisprodukt in öffentlich-rechtlicher Hand, 23.12.2014. Der Referenzpunkt für dieses „Grüne Basisprodukt“ die 3. Säule des Alterssicherungssystems betreffend sind offensichtlich die Erfahrungen, die man in Schweden gesammelt hat. Dazu kann man dem Kurth-Papier entnehmen:

»Beim skandinavischen Modell des staatlichen Vorsorgefonds investieren die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Teil ihres Einkommens in staatliche Fonds. Diese sind ausschließlich den Anlageinteressen der Vorsorgenden gewidmet. Information, Kontrolle und Standards bei der Anlage werden groß geschrieben. In Schweden, wo die so genannte Premiepension von einer neu geschaffenen Behörde verwaltet wird, wählt der oder die Versicherte gemäß der individuellen Risikobereitschaft und auf der Grundlage verlässlicher Informationen aus einem überschaubaren Pool von staatlich geprüften und zertifizierten Produkten aus. Die jährlichen Kosten betragen lediglich etwa ein Zehntelprozent des verwalteten Vermögens.«

Aus dem Bundesarbeitsministerium hört man dazu – wie zu vielen anderen Baustellen in der Sozialpolitik – nichts. Möglicherweise ist die Ministerin, Andrea Nahles (SPD) erschöpft bzw. stillgelegt nach Rentenpaket und Mindestlohn und/oder angesichts dessen, was auf sie noch zukommen wird – Stichwort Tarifeinheitsgesetz – bedient mit solchen Systemfragen. Aber vielleicht ist es auch ganz anders, denn man arbeitet ja bislang den Koalitionsvertrag ab und da steht eine weitere „Rentenreform“ (man mag diesen Begriff schon nicht mehr hören) drin: Die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge. Möglicherweise will man da zeigen, was man „gelernt“ hat: Mehr in Richtung auf eine Verpflichtung zur Vorsorge marschieren, damit sich die Leute nicht so einfach entziehen können, den von der Riester-Ebbe „gebeutelten“ Versicherungsunternehmen und Banken neue Produktperspektiven eröffnen und dann auch noch durch Instrumente wie die Entgeltumwandlung weiter dazu beitragen, dass die Arbeitnehmer ihre „Betriebsrente“ letztlich selbst finanzieren und zugleich die eigenen Rentenansprüche aus der 1. Säule nach unten fahren. Möglicherweise heißt natürlich nicht hoffentlich. In diesem Fall gilt das ganz besonders.

Abb.: MdB Markus Kurth, Aufwendungen Altersvorsorgezulage in Mio. Euro