Der Europäische Gerichtshof kann manchmal auch anders: Billigere Arbeitnehmer aus Ungarn in österreichischen Zügen – kein Problem

Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wird immer wieder – je nach Standpunkt missbilligend oder dankend – in Rechnung gestellt, dass er sich in vielen früher rein national geregelten Kernbereichen der Sozialpolitik einmischt und Urteile zugunsten der Arbeitnehmer bzw. der betroffenen Personengruppen fällt. Erst vor kurzem wurde hier beispielhaft darüber berichtet: Ein „menschenwürdiger Lebensstandard“ – das Existenzminimum in der europarechtlichen Variante, so ist der Beitrag vom 21. Dezember 2019 überschrieben. »Der Gerichtshof hat … ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, einen würdigen Lebensstandard dauerhaft und ohne Unterbrechung sicherzustellen«, kann man der Entscheidung des EuGH entnehmen.

Und auch mit Blick auf die „Entsendearbeitnehmer“ innerhalb der EU hat der Gerichtshof immer wieder ein schützendes Auge auf die betroffenen Arbeitnehmer geworfen. Um ein aktuelles Verfahren vor dem EuGH als Beleg aufzurufen, lohnt ein Blick auf die Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-610/18. Die Mitteilung des Gerichts ist so überschrieben: „Nach Auffassung von Generalanwalt Pikamäe ist Arbeitgeber von abhängig beschäftigten Lastkraftwagenfahrern im internationalen Straßentransport das Transportunternehmen, das sie auf unbestimmte Zeit eingestellt hat, eine tatsächliche Weisungsbefugnis gegenüber ihnen ausübt und faktisch die Gehaltskosten zu tragen hat.“

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EU-Entsenderichtlinie: Etwas weniger Lohndumping – und die weiterhin offene Flanke Sozialdumping im Baubereich. Da setzt ein slowenisches Geschäftsmodell an, das über Brüssel gestoppt werden soll

„Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit am gleichen Ort“. Auf diese einprägsame und für alle verständliche Formel versucht die EU-Kommission die nach langem Ringen reformierte EU-Entsenderichtlinie zu verkaufen. Die wurde im vergangenen Jahr verabschiedet (vgl. dazu beispielsweise EU-Parlament verabschiedet neue Vorschriften gegen Lohndumping) und muss nun in das jeweilige nationale Recht der Mitgliedstaaten der EU umgesetzt werden. Dafür haben die bis spätestens Mitte 2020 Zeit. Und das betrifft bekanntlich nicht nur einige wenige Arbeitnehmer. Mehr als 2,3 Millionen entsandte Kräfte arbeiten nach offiziellen Angaben in einem anderen EU-Land, über 440.000 in Deutschland. Viele werkeln auf dem Bau, bei Speditionen, in Gaststätten oder in der Pflege.

»Auf deutschen Baustellen geht es mittlerweile international zu. Bauunternehmer engagieren jeden zehnten Arbeiter im Ausland, meist stammen sie aus Osteuropa. Es sind größtenteils Unternehmen aus Österreich, Polen und Rumänien, die die Arbeiter in Deutschland anbieten – ein lukratives Geschäft, denn hierzulande ist in den vergangenen Jahren die Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften kräftig gestiegen. Zum einen, weil die Auftragsbücher gut gefüllt sind, es vielen Betrieben aber an den nötigen Fachkräften fehlt. Zum anderen sind die ausländischen Firmen günstig. Nicht selten geht das zulasten der Arbeiter, die oft niedrigere Löhne erhalten als ihre heimischen Kollegen. Und auch bei den Sozialversicherungsbeiträgen versuchen jene Unternehmen immer wieder, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.« So beginnt der Beitrag Tricks auf dem Bau von Simon Groß. Und der berichtet von einem ganz besonderen Geschäftsmodell aus Slowenien, um den angesprochenen Wettbewerbsvorteil bei den Sozialversicherungsbeiträgen zu vergrößern.

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