Das Kreuz mit den „Sonderrechten“. Ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts stärkt die Kirchen in ihrem Kampf gegen Kopftücher

Wieder einmal muss berichtet werden aus den Tiefen und Untiefen des deutschen Arbeitsrechts. Es geht nicht um Spartengewerkschaften und deren gesetzgeberische Behandlung, die immer noch unter dem Stichwort „Tarifeinheit“ vor sich hin gart, aber irgendwie schon um eine ganz besondere „Sparte“, in der sich allerdings sehr viele Menschen tummeln, als Arbeitnehmer eigener Art sozusagen. Reden wir also wieder einmal über die Kirchen und über die in konfessionell gebundenen Unternehmen arbeitenden Menschen, denn denen werden – immer noch – Grundrechte vorenthalten, die für „normale“ Arbeitnehmer normal sind. Im aktuellen Fall geht es aber nicht um die nicht nur fragwürdige, sondern skandalöse Ausschaltung des Streikrechts unter dem weiten Mantel des „dritten Wegs“, den man den Kirchen zugestanden hat, sondern um ein Kleidungsstück, das allerdings höchst aufgeladen daherkommt. Es geht um Kopftücher. Nicht die von Nonnen natürlich, sondern die von Frauen muslimischen Glaubens. Eine verkopfte Angelegenheit wurde nun mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts behandelt.

Zuerst einmal der Blick auf den Sachverhalt, der dem Bundesarbeitsgericht vorgelegt wurde und von diesem so beschrieben wird:

»Die Klägerin, die dem islamischen Glauben angehört, ist seit 1996 bei der beklagten Krankenanstalt – zuletzt als Krankenschwester – angestellt. Arbeitsvertraglich sind die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF) sowie die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Bezug genommen. Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Danach war sie arbeitsunfähig krank. Im April 2010 bot die Klägerin schriftlich eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung an. Dabei teilte sie der Beklagten mit, dass sie das von ihr aus religiösen Gründen getragene Kopftuch auch während der Arbeitszeit tragen wolle. Die Beklagte nahm dieses Angebot nicht an und zahlte keine Arbeitsvergütung. Mit der Zahlungsklage fordert die Klägerin Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 23. August 2010 bis zum 31. Januar 2011.«

Man muss ergänzend wissen, dass die Klägerin erst im Laufe ihrer Beschäftigung zum Islam konvertiert ist, nicht also als Muslima eingestellt worden ist. Während die Betroffene vor dem Arbeitsgericht Bochum noch Recht bekommen hat, wurde das vom Landesarbeitsgericht Hamm in der Berufung wieder verworfen. Nun hat sich das Bundesarbeitsgericht im Grunde der ablehnenden Entscheidung des Landesarbeitsgerichts angeschlossen. Entsprechend die Schlagzeilen nach Bekanntwerden des Urteils: Muslimische Krankenschwester darf kein Kopftuch tragen oder an anderer Stelle Kirchliche Arbeitgeber dürfen Kopftuch verbieten, um nur zwei zu zitieren.
In den dürren Worten des höchsten Arbeitsgerichts lautet die Entscheidung so:

»Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar.«

Warum dann die Formulierung „dem Grunde nach“? Weil das Bundesarbeitsgericht das Verfahren erneut zurückverwiesen hat an das Landesarbeitsgericht in Hamm, von der das gekommen ist, mit einer „interessanten“ Begründung:

»Zwar kann einer Arbeitnehmerin in einer kirchlichen Einrichtung regelmäßig das Tragen eines islamischen Kopftuchs untersagt werden, es ist aber nicht geklärt, ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist.« Das ist bemerkenswert, es scheint gar nicht so einfach zu sein, die Frage zu beantworten evangelisch oder nicht?

Was ist also das Proprium der Entscheidung: »Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen seien zumindest zu neutralem Verhalten verpflichtet, erklärte eine Gerichtssprecherin. Damit sei das Kopftuch als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben nicht vereinbar«, erläutert uns einer der Artikel. Hier findet sich auch ein weiterer wichtiger Hinweis: »Das Gericht betone aber, dass in Einzelfällen eine Entscheidung je nach konkreter Tätigkeit auch anders ausfallen könnte, zum Beispiel wenn jemand in einem Labor arbeite und wenig Kontakt zu Menschen habe.«

Der Anwalt der Klägerin hatte auf ihre Glaubensfreiheit gepocht. „Die Religionsfreiheit überwiegt hier das Weisungsrecht des kirchlichen Arbeitgebers“, so Abdullah Emili. Dem folgten die Richter aber nicht. Man muss sogar konzedieren, dass die Gegenseite durchaus Versuche gemacht hat, der Betroffenen „entgegenzukommen“, was sich teilweise schon skurril liest:

»Die Klinik hatte der Klägerin das Tragen alternativer Kopfbedeckungen angeboten, etwa eine Kappe oder die Haube einer Nonne. „Wir erwarten nicht, dass sie sich zum christlichen Glauben bekennen. Sie dürfen sich aber nicht offen zu einem anderen Glauben bekennen“, erklärt der Anwalt der Klinik, Sascha Leese.«

Wie dem auch sei – es ist die erste höchstrichterliche Entscheidung zur Koptuchfrage in konfessionell gebundenen Einrichtungen. Darüber hinaus gibt es schon Entscheidungen zum Umgang mit dem Kopftuch, allerdings nur zu Streitfällen in privaten und staatlichen Einrichtungen. Einer Verkäuferin darf das Kopftuch nicht verboten werden, einer Lehrerin an einer staatlichen Schule bei entsprechender Landesgesetzgebung dagegen schon.

Es ist schon ein Krampf mit der Kopftuchfrage – obgleich hier nicht verschwiegen werden soll, dass die Frage, ob man in seinem Unternehmen ein Kopftuch akzeptieren muss, nach meiner Perspektive deutlich weniger schwer wiegt als beispielsweise das Vorenthalten des Streikrechts für alle Beschäftigten in konfessionell gebundenen Einrichtungen.

Detlef Esslinger kommentiert allerdings – den Blick über den aktuellen Sachverhalt weitend – unter der Überschrift Die Debatte geht über Kopftücher hinaus: »Die Kirchen mögen sich freuen: Das Bundesarbeitsgericht gesteht ihnen zu, muslimischen Mitarbeiterinnen das Tragen eines Kopftuches zu verbieten. Doch sie sollten sich wappnen.« Wie das?

Er schreibt: »Es geht nie bloß darum, ob die muslimische Krankenschwester in einem evangelischen Krankenhaus in Bochum bei der Arbeit ein Kopftuch tragen darf. Das wurde am Mittwoch wieder deutlich, kaum dass in diesem Fall das Bundesarbeitsgericht der Krankenschwester unrecht gegeben hatte. Sofort nahm, beispielsweise, die Bundestagsfraktion der Linken Bezug aufs Große und Ganze: Die Entscheidung füge sich ein „in die gesellschaftliche Stigmatisierung von Musliminnen“, erklärte sie.« Geht’s einige Nummern kleiner, kommt da einem in den Sinn? Auch Esslinger kommentiert das kurz und bündig: »Diese Bewertung ist ebenso bezeichnend wie daneben.« Wohl wahr.
Das Problem liegt woanders, nicht in der grundsätzlichen Frage, ob man in einem Krankenhaus prinzipiell ein Kopftuch untersagen sollte, denn – so Esslinger – es mag »ein bisschen engherzig sein, dass ein evangelisches Krankenhaus ein Kopftuch verbietet – wo ist das Problem, solange der muslimische Glaube nicht dazu führt, dass die Krankenschwester sämtliche Betten Richtung Mekka dreht?«
Matthias Kaufmann hat in seinem – vor der Urteilsverkündigung verfassten – Artikel Christliche Leere so formuliert:

»Am Arbeitsplatz Krankenhaus entfaltet dieses Recht seine volle Absurdität: Wollen Sie das Blut gern katholisch abgenommen bekommen? Oder im konkreten Fall: Kann eine Muslimin die Bettpfannen glaubhaft auf evangelische Weise wechseln? Die wenigsten Patienten dürfte der christliche Überbau ihrer Behandlung interessieren, Hauptsache, alles steht auf einer seriösen medizinischen Basis.«

Das Bundesarbeitsgericht hat sich von einer ganz anderen Perspektive leiten lassen, auf die Esslinger hinweist wie man einen Finger in die eigentliche Wunde legt:

Die Bundesrichter »orientieren sich traditionell an der Bestimmung des Grundgesetzes, dass „jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig ordnet und verwaltet“. Im Fall der Kirchen wollen die Erfurter Richter so gut wie nie bewerten, wie sie dieses oder jenes finden. Weil eben dieser Satz in der Verfassung steht und weil die Kirchen karitativ und nicht kommerziell arbeiten, billigen sie ihnen Freiheiten zu, die sie kommerziellen Arbeitgebern nicht zubilligen.«

Genau hier liegt der entscheidende Punkt: Die Frage, wie lange dieses Wegschauen aufgrund eines abstrakten Regelwerks noch Bestand haben kann in einer Gesellschaft, die sich zunehmend „entkonfessionalisiert“ und die immer weniger bereit ist, den Kirchen diese weiten Sonderrechte zuzugestehen. Vor allem nicht – Hand aufs Herz -, wenn es um Einrichtungen geht, die zu 100% aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Beim Deutschen Städte- und Gemeindebund heißt es dazu: „Wenn die Kirchen im Durchschnitt noch fünf Prozent Eigenmittel beisteuern, muss man schon froh sein.“ Und gar nicht weiter vertieft werden soll hier die Aussage, „weil die Kirchen karitativ und nicht kommerziell arbeiten“, über die man in mehrfacher Hinsicht streiten kann.

Aber auch aus einer Binnensicht der betroffenen Kirche spricht einiges dafür, eine grundsätzliche Infragestellung der Sonderrechte zumindest in den Bereichen, die nicht wirklich – außer in Sonntagsreden – „verkündigungsnah“ sind, zuzulassen und das Feld endlich zu bereinigen. Denn die kirchlichen Einrichtungen geraten zunehmend in den Schraubstock eines „doppelten Fachkräftemangels“, also ein partiell immer gravierender werdender  Fachkräftemangel bei medizinischen, pflegerischen und sozialen Berufen, denn alle Unternehmen in diesem Bereich ausgesetzt sind, und einen „zusätzlichen“ aufgrund der Anforderungen an den „Lebenswandel“ der Mitarbeiter, die von immer weniger Menschen erfüllt werden (können bzw. die wollen das auch nicht). Insofern wird sich dieses Thema in den kommenden Jahren schon „von alleine“ lösen, dann aber sehr schmerzhaft. Aus eigenem Interesse sollten die Kirchen sich hier endlich mal substanziell bewegen.

Und wenn die sich nicht bewegen? Dann ist die Antwort klar: Ändern kann das nur der Gesetzgeber. Aber da sind noch einige Würdenträger vor.

Burger-Brater unter medialen Feuer – nur ein Buschbrand oder wird das mehr verändern (können)?

Der Wallraff wieder. Ältere Semester werden sich noch an sein Buch „Ganz unten“ aus dem Jahr 1985 erinnern, in dem er die Geschichte des türkischen Leiharbeiters Alis ausbreitet und einer mehr als schmuddeligen Welt der Arbeitnehmerausbeutung ein Gesicht gegeben hat. Auch in diesen Tagen ist er wieder unterwegs, wenn auch mehr als begleitender Coach einer neuen Journalisten-Generation, die in seine Fußstapfen treten möchte. Nach Zalando hat es nun Burger King erwischt – oder sagen wir korrekter, einen Teil der Burger King-Filialen: Team Wallraff: Undercover bei Burger King lief gestern bei RTL:

»Die RTL-Enthüllungs-Reportage „Team Wallraff – Reporter Undercover“ hat in mehreren Filialen des Franchisenehmers Yildiz der Fastfoodkette Burger King unzumutbare Hygiene- und Arbeitsbedingungen aufgedeckt. In der am Montagabend ausgestrahlten Sendung dokumentiert der in mehreren Restaurants eingeschleuste Undercover-Reporter Alexander Römer (Stundenlohn: brutto 7,71 Euro) mit versteckter Kamera u.a. gravierende Verstöße gegen die Burger-King-eigenen Richtlinien und gegen die Lebensmittelverordnung.«

Der eine oder die andere wird sich an dieser Stelle vielleicht daran erinnern, dass auf der Facebook-Seite von „Aktuelle Sozialpolitik“ schon mehrfach über die Machenschaften der Yi-Ko Holding berichtet wurde. Auslöser dafür war, dass im vergangenen Jahr die »Burger King GmbH, bislang eine hundertptozentige Tochter der Burger King Worldwide, die mit ihren 91 Filialen Anfang des Monats von der Yi-Ko Holding GmbH übernommen wurde. Hinter dem Firmennamen verbergen sich der türkischstämmige Ergün Yildiz aus Stade sowie der Russe Alexander Kolobov, der in seiner Heimat ein Netz von Burger-King-Filialen aufgebaut hat. Es wurden nicht nur die erwähnten 91 Filialen übernommen, sondern die Käufer haben zugesagt, in den kommenden Monaten zahlreiche neue Restaurants in Deutschland zu gründen«, so die Erläuterungen in einem Beitrag auf der Facebook-Seite von „Aktuelle Sozialpolitik“ vom 24. Mai 2013. Darin finden sich auch die ersten Beschreibungen, mit welchen Holzhammermethoden gegen die Beschäftigten in den Filialen vorgegangen wurde (und offensichtlich immer noch wird). Die Geschichte wurde erneut aufgegriffen in dem Beitrag „Burger-Brater kriegen jetzt noch mehr Feuer – Naujoks, der Vollstrecker der Arbeitgeber, ante portas“ am 22. Juni 2013. In dem damals aktuellen Frontbericht mussten Begriffe verwendet werden wie „Schreckensherrschaft bei Burger King“, Filialen, in denen „Arbeitnehmerrechte mit Füßen getreten“ werden und dass „der berüchtigte Hamburger Anwalt Helmut Naujoks unbotmäßige Betriebsräte zum Schweigen bringen“ soll („Burger King: Franchise-Nehmer heuern Betriebratsfresser Naujoks an“ war eine vergleichbar drastische Beschreibung der damaligen Vorgänge, die vom Blog „arbeitsunrecht“ verwendet wurde.

Der Hinweis auf die seit längerem bekannten und kritisierten Vorfälle um die Filialen der Yi-Ko Holding ist auch deshalb relevant, weil von den Undercover-Recherchen ausschließlich Restaurants der Yi-Ko Holding GmbH des Franchisenehmers Ergün Yildiz betroffen sind. Der betreibt deutschlandweit über 91 der insgesamt 671 Franchise Burger-King-Filialen.

Nun also der neue Undercover-Bericht vom „Team Wallraff“ mit den nicht nur extrem unappetitlichen Rechercheergebnissen, auch die Arbeitsbedingungen wurden thematisiert: Das darf nicht sein, das darf nicht sein, so der Titel des Rezensionsbeitrags von Stefan Kuzmany auf Spiegel Online. Darin auch neben anderen Aspekten: »Krankengeld, Weihnachtsgeld, Zuschläge? Nicht für geringfügig Beschäftigte. Und wenn einer aufmuckt, wird er rausgeschmissen – und sei er auch Betriebsrat, kein Problem, der Spezialanwalt kümmert sich darum.«

Fast 3,8 Millionen Zuschauer sollen den RTL-Beitrag gesehen haben und seit gestern fegt eine Empörungswelle durchs Netz und gegen Burger King (vgl. hierzu beispielsweise Wut-Sturm im Netz gegen Burger King nach Wallraff-Report).

Nicht wirklich überraschend: Sofort wurde auch herumgemäkelt an dem Format der Sendung und die für das Privatfernsehen zuweilen überdrehte Aufmachung. Aber letztendlich gilt hier die Feststellung von Jürgen Overkott in seinem Artikel:

»Die Reportage über ein Schmuddel-Unternehmen war sauber recherchiert. Die Ergebnisse besitzen Relevanz. Mäkeleien an dem Film betreffen Formalia wie eine hektische Erzählweise und eine onkelhafte Selbstinszenierung des Recherche-Teamchefs. Am Wert seines Films ändert die Kritik nichts.
Damit leistet Altmeister Wallraff das, was die Öffentlich-Rechtlichen mit Investigativ-Formaten leisten möchten: Missstände nachzuweisen, um Verbesserungen herbeizuführen. Im Vergleich zu Wallraffs Doku sind etliche Ausgaben des „Markenchecks“ der ARD läppisch, von der Info-Reihe „ZDF-zoom“ ganz zu schweigen.«

Das ist doch was, aber zugleich wird es nicht reichen. Erinnert sei an dieser Stelle daran, was auf der Facebook-Seite von „Aktuelle Sozialpolitik“ bereits im Mai 2013 geschrieben wurde angesichts der damaligen Vorwürfe, die nun erneut bzw. immer noch auch durch die Rechercheergebnisse im RTL-Beitrag bestätigt wurden:

»Ein Teil der Auseinandersetzungen wird sicher vor Gericht wandern, aber andererseits sind die Handlungsmöglichkeiten der Gewerkschaft beschränkt, liegt doch der Organisationsgrad der in dieser Branche Beschäftigten irgendwo zwischen 5 und 10%. Was auf ein anderes strukturelles Problem in der Branche hinweist: Nicht nur – wie man derzeit sehen kann – hoch problematische Arbeitgeber, sondern eben auch Beschäftigte, die aus welchen Gründen auch immer auf eine notwendige Kollektivierung verzichten, die eine Voraussetzung wäre, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern.«

Aber auch erst einmal losgelöst von solchen strukturellen Fragen: Es ist gut, dass es dieses Format gibt, denn das wird bei dem einen oder anderen Unternehmen zu einem Nachdenken führen.

Oliver Voß und Stephan Happen stellen sich ebenfalls Fragen, die in die angedeutete Richtung gehen. In ihrem Artikel Burger Kings unappetitliches Geschäftsgebaren berichteten die beiden von dem seit längerem bekannten rabiaten Umgang mit den Mitarbeitern – neben den zahlreichen, in der neuen Reportage ebenfalls dokumentierten Hygiene-Mängeln. Aber sie schreiben auch:

»Zumindest wirtschaftlich geht die Strategie bislang auf. Während der Umsatz von Burger King rückläufig ist, steigen die Gewinne. Die radikale Kostensenkung macht es möglich. Bei der Vorlage der Quartalszahlen lobte der Burgerbrater, dass die Geschäfte in Deutschland besonders gut gelaufen seien.
Inwieweit der RTL-Bericht daran etwas ändern wird, ist ungewiss. Zurzeit steht Burger King am Pranger. Das Presse-Echo nach Ausstrahlung der Sendung ist verheerend. In den Sozialen Netzwerken rufen die Kunden zum Boykott auf.  “Ekelhaft was ich da heute im Fernsehen gesehen habe. Die bekommen von mir kein Cent mehr”, schreibt etwa eine Nutzerin auf der Facebook-Seite des Unternehmens. Burger King selbst zieht bislang den Kopf ein, schweigt zu den Vorwürfen und hofft wohl, dass der Shit-Storm ein Sturm im Wasserglas ist.«

Burger-Brater kriegen jetzt noch mehr Feuer – Naujoks, der Vollstrecker der Arbeitgeber, ante portas

Die einen hassen es, die anderen lieben es – auf alle Fälle gehen viele zu den Burger-Bratern wie McDonald’s oder Burger King, um eine bestimmte Variation von Essen zu sich zu nehmen. Und immer wieder wird dieser Teil des Gaststättengewerbes auch angesichts der dort herrschenden Arbeitsbedingungen thematisiert und kritisiert. In der letzten Zeit wurde man immer wieder mit Burger King konfrontiert: Die 1954 im US-Bundesstaat Florida gegründete Burger-King-Kette ist nach McDonald’s das zweitgrößte Fast-Food-Unternehmen der Welt. 99 Prozent der Filialen sind an Franchisenehmer vergeben, die die Restaurants (mehr oder weniger) eigenverantwortlich führen. In Deutschland existieren 677 Filialen. Und in jedem siebten Burger King-Restaurant geht es drunter und drüber, seitdem ein Besitzerwechsel stattgefunden hat. Betroffen sind 3.000 Mitarbeitern der Burger King GmbH, bislang eine hundertptozentige Tochter der Burger King Worldwide, die mit ihren 91 Filialen Anfang Mai von der Yi-Ko Holding GmbH übernommen wurde. Und seitdem werden Schlagzeilen produziert und bittere Fakten geschaffen. Der Kölner Stadt-Anzeiger betitelt einen aktuellen Frontbericht aus diesem Teil der Burger-Welt mit „Schreckensherrschaft bei Burger King“ und fasst zusammen:
»In den 91 Burger-King-Filialen, die im Mai von der Yi-Ko Holding übernommen wurden, werden Arbeitnehmerrechte mit Füßen getreten. Jetzt soll der berüchtigte Hamburger Anwalt Helmut Naujoks unbotmäßige Betriebsräte zum Schweigen bringen.«

Über die Hintergründe der skandalösen Entwicklung in diesen Filialen wurde bereits vor einem Monat auf der Facebook-Seite von „Aktuelle Sozialpolitik“ in einem ersten Beitrag berichtet. Hinter dem Firmennamen Yi-Ko Holding GmbH  verbergen sich der türkischstämmige Ergün Yildiz aus Stade sowie der Russe Alexander Kolobov, der in seiner Heimat ein Netz von Burger-King-Filialen aufgebaut hat. Es wurden nicht nur die erwähnten 91 Filialen übernommen, sondern die Käufer haben zugesagt, in den kommenden Monaten zahlreiche neue Restaurants in Deutschland zu gründen. Und die beiden illustren Herren verbreiteten innerhalb kürzester Zeit ein wahres Schreckensregime unter den Beschäftigten, folgt man den einschlägigen Medienberichten (z.B. hier: „Burger-Brater drückt die Löhne“ oder hier: „Burger King: Fressen oder gefressen werden„).

»Mitarbeitern, die schweißtreibende neue Uniformen nicht anziehen möchten, sollen gekündigt werden. Tariflich vereinbarte Lohnerhöhungen sind auf Eis gelegt, ebenso  das  Urlaubsgeld. Die Bezahlung der Betriebsräte während ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter bedarf der ausdrücklichen Genehmigung seitens der Geschäftsleitung. All dies geht aus schriftlichen Mitarbeiter-Anweisungen der Geschäftsleitung  der Yi-Ko Holding GmbH hervor … Wer Betriebsversammlungen besuche, werde mit Entlassung bedroht.  „Ganz offensichtlich versucht Yildiz, die Belegschaft  mit Mafiamethoden einzuschüchtern, bis sie alles widerstandslos hinnimmt“, sagt ein Mitarbeiter, der  nicht genannt werden möchte.  Ein anderer berichtet, er sei körperlich bedroht worden, weil er die Betriebsratsarbeit unterstützt«, so der Kölner Stadt-Anzeiger.

Trotz dieser harten Bandagen geben die betroffenen Arbeitnehmer nicht auf: Gab es Anfang Mai 32 Betriebsräte in den 91 überwiegend in Süd- und Westdeutschland angesiedelten Yi-Ko-Filialen, so ist ihre Zahl mittlerweile auf 38 angestiegen. Die Mitarbeiter, viele von ihnen mit Migrationshintergrund  setzen sich tapfer zur Wehr.

Da liegt es für so einen Typus von Arbeitgeber durchaus nahe, die nächste Stufe der Eskalation zu zünden: Den „Rambo unter den Arbeitgeber-Anwälten“ zu beauftragen, jeden vorhandenen Widerstand zu brechen: Helmut Naujoks, den Meister unter den Vollstreckern, die im Sold der Arbeitgeber über ein Sammelsurium an Maßnahmen vor allem die betroffenen Betriebsräte in die Knie zu zwingen versuchen – und leider oftmals auch erfolgreich sind, mit bleibenden Schäden bei den Betroffenen.

Helmut Naujoks ist das schillernde Aushängeschild einer regelrechten Branche von Juristen, die sich darauf spezialisiert haben, den Arbeitgebern zu helfen, unliebsame Mitarbeiter – die aber formal und eigentlich beispielsweise als Betriebsräte unter einem gesetzlichen Schutzschild zu stehen haben – loszuwerden und den anderen Beschäftigten klar zu machen, was ihnen droht, wenn sie etwas in Anspruch nehmen, was ihnen in diesem Land eigentlich grundgesetzlich zusteht: Mitbestimmung im Betrieb. Christian Esser und Alena Schröder haben diese ganz eigene Schattenwelt in einem lesenswerten Buch ausgebreitet: „Die Vollstrecker. Rausschmeißen, überwachen, manipulieren.
Wer für Unternehmen die Probleme löst„. Dort findet man auf den Seiten 56 ff. das Kapitel: „So bringen Sie Ihren Betriebsrat auf Vordermann. Die Methode Naujoks macht Schule.
Auch Günter Wallraff hat sich schon mit Herrn Naujoks beschäftigt:

»Wallraff begegnet ihm schließlich in einer Hotelsuite als vermeintlich millionenschwerer, aber kranker Unternehmer im Rollstuhl. Der Rechtsanwalt durchschaut die Maskerade nicht und legt sich mächtig ins Zeug, um einen neuen Auftrag zu erhaschen: „Ich vertrete ausschließlich Arbeitgeber“, erklärt Naujoks im Gespräch. „Ich mache nur Arbeitsrecht, und zwar ein ganz spezielles Arbeitsrecht. Bei mir fängt die Arbeit erst an, wenn die anderen Anwälte sagen, es geht nicht. In der Regel sind meine Gegner Betriebsräte und die Gewerkschaften. Mein Ziel ist es, dass diese Betriebsräte das Unternehmen verlassen. Davon lebe ich.“ (Quelle: „Auf der Müllkippe der Gesellschaft„; dies und andere Einblicke in die neue Arbeitswelt finden sich in dem Buch von Günter Wallraff: Aus der schönen neuen Welt. Expeditionen ins Landesinnere, Köln, 2009).

Dabei versteckt der Herr Naujoks sich keineswegs, man werfe nur einen Blick auf die Website seiner Anwaltskanzlei. Er geht durchaus offensiv um mit seinem Ansatz. Anfang 2012 erschien von ihm das Buch »Kündigung von „Unkündbaren“« mit dem süffisanten Untertitel: „Wie Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber sabotieren“. Die Strategie der Umkehrung der Vorwürfe zeigte sich schon mit seinem 2010 erschienenen Buch „Schwarzbuch Betriebsrat. Schattenbosse zwischen Macht und Machtmissbrauch„, bewusst spielt er mit Titel- und Begriffsvariationen, die man ansonsten eher aus dem gewerkschaftlichen Lager kennt.

In dem Beitrag „Burger King: Franchise-Nehmer heuern Betriebratsfresser Naujoks an“ des Blogs „arbeitsunrecht“ kann man zu Naujoks lesen:

»Zu Naujoks’ Methoden … gehören Abmahnungswellen, Kündigungswellen (d.h. mehrere fristlose Kündigungen gegen eine Person aus verschiedenen Gründen), offene und verdeckte Bespitzelung, Hausverbote gegen Gewerkschaftssekretäre und Betriebsräte, Verhinderung und Abmahnung von Presseberichterstattung, Gründung und Coaching von Anti-Betriebsrats-Initiativen, Spaltung und Polarisierung der Belegschaft. Zur Methode Naujoks gehört auch ein juristisches Sperrfeuer aus unsubstantiierten Abmahnungen, Kündigungen und Anzeigen gegen Einzelne. Das vorrangige Ziel ist nicht ein Sieg vor Gericht, sondern maximale Zermürbung der Gegner. Man könnte auch von juristischem Stalking und institutionellem Rechtsmissbrauch sprechen. Nebeneffekt: Überlastung von Gerichten, hohe Kosten für Auftraggeber, Opfer und Prozesshilfe-Kassen. Kollateralschaden: Zerstörtes Betriebsklima.«

Jeder kann und muss also gewarnt sein, wenn dieser Anwalt, der übrigens seine Thesen von den „armen Arbeitgebern“, die er vor den eigenen Arbeitnehmern „schützen“ müsse, munter einem Millionenpublikum in Talkshows verkaufen kann (Maischberger, Plasberg, Anne Will usw.), angeheuert wird. Der beginnt langsam, aber strategisch angelegt und steigert sich dann systematisch.

Zurück zum aktuellen Fall und der Situation in den Burger King-Filialen der Yi-Ko-Holding. Erste Duftmarken hat der nunmehr beauftragte Naujoks schon gesetzt – wie immer beginnt er mit dem Versuch, eine Schneise des Misstrauens in die Belegschaft zu schlagen bzw. dies zu versuchen, um an bestimmte Informationen zu kommen. Hierzu Stefan Sauer in seinem Artikel „Schreckensherrschaft bei Burger King„:

»Naujoks folge einem perfiden Fahrplan. Er versuche stets, zwischen Belegschaften und ihre Betriebsräte   Misstrauen zu säen. Das geht im konkreten Fall so: „Unsere Wirtschaftsprüfer haben festgestellt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Burger King GmbH  schlimmen Missbrauch betrieben haben“, heißt es auf Aushängen für das Personal. Rechtsanwalt Naujoks stehe bereit, um gegen diese Mitarbeiter vorzugehen. „Bitte haben Sie keine Angst, uns die Wahrheit mitzuteilen“.«

In dem Beitrag über die Vorkommnisse bei den Yi-Ko-Holding-Filialen von Burger King in dem Blog „arbeitsunrecht“ findet sich ein charakteristischer Satz: „Der Rechtsanwalt Helmut Naujoks zieht seit etwa 2001 eine Spur der Verwüstung durch die Republik, meist durch die Landschaft mittelständischer Betriebe.“ Man kann und muss sich darüber ärgern, wenn man feststellen muss, dass trotz vieler Vorwürfe und auch konkreter Berichte die Staatsanwaltschaft bei Naujoks & Co. auffällig untätig bleibt. Aber neben der Frage, ob es nicht rechtliche Möglichkeiten gibt, diesen gut dotierten Vollstreckern das Handwerk legen zu können – eine Antwort auf solche Vorgänge muss an zwei Hebeln ansetzen: Zum einen die Bereitschaft und dann auch massive Unterstützung der Arbeitnehmer, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Und zum anderen können natürlich auch die Verbraucher Druck ausüben, gerade auf ein „Dachmarkenunternehmen“ wie Burger King.

Abschließend ganz praktisch: Die Burger King-Filialen der Yi-Ko Holding befinden sich vor allem im Südwesten und Westen der Republik. Hier eine Liste mit den Filialen.