Aus den Untiefen der Lieferbotengesellschaft: Lieferando lässt liefern und entlässt 2.000 eigene Fahrer. Das wird erst der Anfang sein und die „Schattenflotte“ wird weiter wachsen

Wie kommuniziert man als Unternehmen die Entlassung von 2.000 Beschäftigten? Man verschickt eine Pressemitteilung, die so überschrieben ist: Lieferando erweitert seinen Lieferservice um zusätzliche Flottenpartner und expandiert in weitere Städte. Alles klar? 

Hier ist es wie bei Versicherungen. Man sollte sich nicht blenden lassen von den auf Hochglanz polierten Überschriften (wie beispielsweise „Premium“- oder „De luxe-Absicherung“ in allen Risikolagen und das auch noch sensationell günstig), sondern muss sich der Qual des genauen Hinschauens auf das Kleingedruckte aussetzen. Also lesen wir weiter (dabei vor allem zwischen den Zeilen), was uns der führende Lieferdienst mit auf den Weg gibt.

»Lieferando erweitert seinen Lieferservice in Deutschland um zusätzliche Flottenpartner. Bis Frühling nächsten Jahres sollen diese rund fünf Prozent aller Bestellungen ausliefern. Kern der Auslieferung bleibt Takeaway Express, die Logistikgesellschaft von Lieferandos Mutterkonzern. Diese wird weiter die mit Abstand größte Flotte stellen und bleibt in über 70 Prozent ihrer Städte Lieferpartner. Andernorts beauftragt der Bestellmarktplatz örtlichen Logistikunternehmen, um die Anforderungen von Gastronomen, Einzelhändlern und Endkunden flexibler zu bedienen. Das optimierte Modell wird auch die Expansion in zahlreiche weitere Städte beschleunigen.«

Dann nähert man sich der eigentlichen Botschaft: In der Branche seien spezialisierte Logistikdienstleister üblicher Standard. »Demgegenüber beauftragte Lieferando bislang fast ausschließlich seine deutsche Schwestergesellschaft mit deren direktangestellten Fahrern.« Und dann: »Nun optimiert die Bestellplattform ihren Service zweigleisig: mit Takeaway Express in besonders nachfrageintensiven Gebieten, flankiert von lokal agileren Lieferunternehmen wo nötig.«

Man ahnt schon, dieses BWL-geschwängerte Herumgerede hat handfeste Folgen: »Infolge der Auftragsverlagerung plant Takeaway Express eine Reduktion seiner Flotte um bundesweit 20 Prozent. Ab Ende des Jahres dürften in diesem Zuge bis zu 2.000 Fahrer entlassen werden.«

(Die ersten) 2.000 müssen gehen

Diese Mitteilung war die Reaktion des Unternehmens auf solche Schlagzeilen: Lieferando baut 2000 Fahrerstellen ab (Zeit Online, 17.07.2025), „Die kritischste Komponente der Geschichte“ – Lieferando streicht 2000 Fahrerstellen in Deutschland (Welt Online, 17.07.2025) oder Lieferando baut Fahrer-Flotte zurück: Bis zu 2000 Stellen werden gestrichen (Berliner Zeitung Online, 17.07.2025), um nur einige wenige Beispiel zu zitieren.

Ab Juli 2025 plant das Unternehmen, 2.000 Fahrerstellen (etwa 20 % der Flotte) bis Jahresende abzubauen und stattdessen stärker mit Subunternehmen zu arbeiten – besonders betroffen seien Hamburg, Bochum, Wiesbaden oder Lübeck. Man achte auf die Ortsnamen.

Ein Zufall? Gerade hat der sprichwörtlich starke Arm (wieder) zu zucken begonnen

Hamburg soll von den anstehenden Entlassungen besonders betroffen sein. Nun kamen gerade aus dieser Stadt Anfang Juli 2025 solche Meldungen: Lieferdienst Lieferando wird ab Freitag in Hamburg bestreikt: »In Hamburg soll eine der wohl bekanntesten Lieferketten an diesem Freitag und Sonnabend bestreikt werden. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) will damit Druck auf Lieferando machen – der Mutterkonzern des Lieferdienstes weigert sich nach Angaben der Gewerkschaft, einen Tarifvertrag abzuschließen.«

Beim Thema Tarifvertrag für die rund 6.000 Beschäftigten in Deutschland stelle sich Lieferando seit mehr als zwei Jahren taub, so die Gewerkschaft. Den einen oder anderen könnte das an das Verhalten eines anderen bekannten Unternehmens erinnern: Amazon. Dieser Konzern leistet seit vielen Jahren bislang erfolgreich Widerstand gegen die Forderung nach einem Tarifvertrag (siehe dazu und generell zu Amazon ausführlich den Beitrag Die „Beschäftigungsmaschine“: Amazon, die Picker und Packer – und die KI-optimierten Roboter vom 19.07.2025).

Aber bei der Begründung für die Warnstreikaktivitäten hat die Gewerkschaft NGG nicht nur die „klassische“ Forderung nach einer tarifvertraglichen Einhegung des Unternehmens hervorgehoben. So konnte man am 8. Juli 2025 lesen:

»Die Gewerkschaft wirft dem Mutterkonzern vor, eine sogenannte Schattenflotte aufzubauen – also Liefergeschäft auf Sub-Unternehmen auszulagern. Allein in Berlin seien auf diese Weise rund 500 Arbeitsplätze abgebaut worden, so die Gewerkschaft. Den gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seien dann von den Sub-Unternehmen neue Jobs angeboten worden – zu deutlich schlechteren Konditionen, so der Vorwurf.«

Und nicht nur Hamburg soll besonders betroffen sein von der Auslagerung der bislang fest angestellten Fahrer, auch Wiesbaden. Wieso Wiesbaden? Weil dort genau dasselbe passiert ist wie in Hamburg: Lieferando-Fahrer streiken für Mindestlohn und gegen Stellenabbau: »Fahrerinnen und Fahrer des Lieferdiensts wurden in Frankfurt, Offenbach und Darmstadt zu einem Warnstreik aufgerufen.«

Die Botschaft des Unternehmens an seine (Noch-)Beschäftigten ist eine doppelte: Lasst es sein mit irgendwelchen Arbeitskampfaktivitäten – diejenigen, die das dennoch versuchen, werden die ersten sein, die der Auslagerung in den Wilden Westen der Subunternehmerlandschaft zum Opfer fallen. Und was die Hoffnung angeht, man könne das Unternehmen in einer „Tarifkorsett“ zwingen, die kann man getrost vergessen (gerade im Zusammenspiel mit der nun stattfindenden Auslagerungswelle, von der wir erst den Beginn serviert bekommen). Dazu dieses Zitat aus dem Unternehmen selbst:

Zu der Forderung nach einem Tarifvertrag … teilte ein Unternehmenssprecher mit: „Eine Tarifvertragsinsel ist im gegebenen Marktumfeld unrealistischer denn je.“

Das ist eine klare Ansage.

Apropos „Streikerando“ – war da nicht schon mal was?

Der eine oder andere wird sich erinnern, dass da schon vor Jahren was war in der Branche. Da könnte einem die Gorillas einfallen oder der Begriff „Streikerando“ in Abwandlung des nun erneut (kurz) im Rampenlicht stehenden Unternehmens Lieferando. Man kann das nachlesen in dem Beitrag Arbeitskämpfe in der Lieferbotengesellschaft. Von „wilden Streiks“ bei Gorillas 2021 zum „Streikerando“ im Jahr 2023, der hier am 21. August 2023 veröffentlicht wurde. Die Rider von Gorillas haben mit ihren „wilden Streikaktionen“ 2021 ein Stück weit Geschichte geschrieben (vgl. dazu auch Wenn dein starkes Rad es will, stehen viele Rider still. Die Wiederauferstehung „wilder Streiks“ und dann auch noch beim Lebensmittel-Lieferdienst „Gorillas“? vom 12. Juni 2021), aber das Unternehmen selbst ist mittlerweile vom Markt verschwunden. Das türkische Unternehmen Getir hatte 2022 den deutschen Anbieter Gorillas übernommen, konnte ihn aber nicht profitabel machen. Der Rückzug beider Unternehmen aus Deutschland erfolgte im Mai 2024. Im Jahr 2023 gab es dann Streikaktionen bei Lieferando. Auch damals ging es um die Forderung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) nach Verhandlungen mit Lieferando, um einen Tarifvertrag zu besiegeln – bislang gab und gibt es keinen, obwohl der Marktführer bundesweit mit 35.000 Restaurants kooperiert und Tausende Kuriere beschäftigt. Das hat sich also bis heute nicht geändert – aber die Branche schon. Und zwar massiv.

Was hat es mit diesem Lieferando eigentlich auf sich? Und warum es derzeit eine Rückwärtsbewegung bei den Arbeitsbedingungen gibt

Wer und was ist eigentlich dieses Lieferando? In der Selbstbeschreibung des Unternehmens liest sich das so: »Lieferando wurde 2009 in Deutschland gegründet und gehört zu Just Eat Takeaway.com … Der Technologiekonzern mit Hauptsitz in Amsterdam verbindet über seine Plattform Konsument:innen und mehr als 350.000 Partner aus Gastronomie, Lebensmittel- und Einzelhandel. Er hat sich schnell zu einem führenden Onlinemarktplatz für Essenslieferungen entwickelt. Er ist neben Deutschland auch in Australien, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Irland, Israel, Italien, Kanada, Luxemburg, Österreich, Polen sowie der Slowakei, Spanien, der Schweiz, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich vertreten.«

Lieferando ist in rund 130 Städten aktiv und deckt damit etwa 40 Prozent der deutschen Bevölkerung ab. Lieferando ist mittlerweile der Marktführer – nachdem es eine massive Konsolidierungswelle gegeben hat. Das Verschwinden von Gorillas und Getir vom Markt wurde bereits angesprochen. Bereits 2019 (damals durchaus überraschend) hat Foodora in Deutschland aufgegeben aufgrund einer strategischen Entscheidung des Mutterkonzerns Delivery Hero, sich auf profitablere Märkte zu konzentrieren, zu denen Deutschland nicht gehört. Ebenfalls 2019 wurden Lieferheld und pizza.de von Lieferando übernommen. Hintergrund war die Fusion von Takeaway.com (Lieferando) und Delivery Hero (Betreiber von Lieferheld und pizza.de). Die Marken Lieferheld und pizza.de wurden vom Markt genommen; alle Nutzer und Restaurants wurden auf Lieferando migriert. Auch viele kleinere bzw. spezialisierte Anbieter wie beispielsweise Bringoo und Yababa wurden stark eingedampft oder sind verschwunden. Immer wieder wird hier als Ursachenbündel geringe Margen, hohe Lieferkosten und begrenzte Skalierbarkeit des Geschäftsmodells genannt.

Exkurs: Was hat es mit „flaschenpost“ auf sich? Ein weiteres Beispiel für die Konzentration von Marktmacht: »Als die Oetker-Gruppe Ende 2020 das Startup flaschenpost für geschätzt eine Milliarde Euro übernahm, überraschte das viele Branchenexperten, denn Oetker hatte bereits einen eigenen Lieferdienst namens Durstexpress aufgebaut und beide Unternehmen machten bis dato nur Verluste«, kann man diesem Beitrag entnehmen: Machtkonzentration bei Lieferdiensten, der am 16. Juli 2025 veröffentlicht wurde. Da hat sich was getan: Mittlerweile ist flaschenpost für Oetker im zweiten Jahr in Folge zu einem wichtigen Wachstumstreiber geworden. Interessant ist der Hinweis, »dass Oetker beim Erfolg von flaschenpost auf Strategien setzt, bei denen kleine Lieferbetriebe befürchten, langfristig vom Markt verdrängt zu werden.«
Was das für kleine Mittelständler vor Ort konkret bedeutet, wird am Beispiel eines Getränkedienstleisters verdeutlicht, den Alexander von der Marwitz vor fast 25 Jahren in Hamburg gegründet hat: »14 Fahrzeuge liefern für ihn in ganz Hamburg fünf Tage die Woche Getränke aus. Von der Marwitz macht 1,5 Millionen Euro Umsatz im Jahr, doch nachdem alle Kosten und die Gehälter der Angestellten bezahlt sind, bleibt kaum noch Gewinnmarge für die Firma. Bei den Sonderangeboten, mit denen sein direkter Nachbar flaschenpost um neue Kundinnen und Kunden wirbt, kann er nicht mithalten. So findet sich auf der flaschenpost-Bestellseite für Hamburg etwa der Kasten Jever über einen mehrmonatigen Recherche-Zeitraum im Halbjahr 2025 in Stichproben immer wieder für 14,99 Euro im Angebot. Sein Einkaufspreis im Großhandel liege im gleichen Zeitraum bei 13,80 Euro, beim Fachgroßhändler sogar bei 16,80 Euro, sagt von der Marwitz. „Das heißt, ich habe niemals die Chance, diesen Preis darzustellen, weil ich muss ja noch meine Auslieferungskosten berücksichtigen und mit einem Euro wird das nichts.“« Wie kann das sein?
Man muss wissen, dass zur Oetker-Gruppe mit Radeberger auch Deutschlands größte private Brauereigruppe gehört. Radeberger ist Marktführer im deutschen Biermarkt und hat laut eigenen Angaben aus 14 Standorten 80 verschiedene deutsche Biermarken im Portfolio: von Berliner Kindl über Radeberger Pils – bis Jever. Was sagt das Bundeskartellamt dazu? Die Wettbewerbsbehörde argumentiert, »es lägen keine Hinweise vor, auf eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung des Oetker-Konzerns über dessen Beteiligung an flaschenpost. Und zu der Befürchtung, dass kleine Lieferdienste schlechtere Konditionen von der Radeberger Gruppe beim Einkauf bekommen als Flaschenpost, antwortet das Kartellamt: „Konzernintern kann Oetker seinen Tochterunternehmen bessere und andere Konditionen gewähren; es gibt keinen Anspruch von Dritten auf Gleichbehandlung.“« Da will offensichtlich jemand nicht genau hinschauen. »Im Herbst 2010 startete mit wir-liefern-getränke.de laut Betreiber Team Beverage der nun älteste Getränke-Onlineshop in Deutschland. Nach Eigenangaben nutzen aktuell etwa 200 Getränkeeinzelhändler diese Plattform als ihren Onlineshop. 2018 ging der Team Beverage-Mehrheitsaktionär Transgourmet Deutschland ein Joint Venture mit der Oetker-Gruppe ein … Damit ist Oetker Mitbetreiber genau jener Online-Plattform, in der die kleinen, unabhängigen Getränkelieferdienste ihre Dienstleistungen online anbieten.« Kann es da nicht zu Interessenkonflikten kommen, wenn Oetker die Kunden beispielsweise lieber zu flaschenpost bekommen möchte? Auf alle Fälle bleibt die den Ökonomen gut bekannte Möglichkeit: Wenn kleine Lieferdienste erst einmal vom Markt verdrängt sind, dann können die Preise stärker steigen, als wenn es einen funktionierenden Wettbewerb gäbe.

Wieder zurück zu Lieferando & Co.

Fazit: Der deutsche Lieferdienstmarkt hat in den letzten Jahren eine massive Konsolidierung erlebt: Quick-Commerce (wie Getir, Gorillas) ist fast komplett verschwunden. Essenslieferdienste wurden von Lieferando (Takeaway.com) dominiert; viele Marken wie Foodora, pizza.de, Lieferheld wurden integriert. Nur wenige starke Anbieter (Lieferando, Wolt, Uber Eats) bleiben aktiv – viele kleinere Anbieter konnten sich nicht behaupten. Der Marktanteil von Lieferando wird auf 80 bis 90 Prozent taxiert.1

Und jetzt, da wir gleichsam in die Nähe einer Monopolisierung des Marktes gekommen sind, beginnt Lieferando mit einer Rückwärtsbewegung bei den Beschäftigungsverhältnissen. Wieder zurück in die wilden Anfangsjahre der Branche mit ihrem Subunternehmerunwesen und hoch problematischer Scheinselbstständigkeit? Vgl. dazu die Hinweise in dem Beitrag Entlassungen in Lieferando-Streikwelle: »Gewerkschaft warnt vor Einsatz prekär Beschäftigter durch Subunternehmen.« 

Man sollte sich an dieser Stelle in Erinnerung rufen, was sich in den zurückliegenden Jahren durchaus an Verbesserungen entwickelt hat, beispielsweise hinsichtlich der immer wieder kritisierten Scheinselbstständigkeit. So wurde in einem Beitrag vom 5. Juni 2025 von Martin Friedrich et al. – Lieferdienste in Deutschland: Solo-Selbstständigkeit hat zwischen 2018 und 2021 stark abgenommen – darauf hingewiesen: »Während sich die Erwerbstätigkeit in der Lieferdienstbranche zwischen 2012 und 2021 verdoppelt hat, hat der Anteil der Solo-Selbstständigen deutlich abgenommen. Im Jahr 2021 waren mehr als 95 Prozent der Lieferdienstfahrer*innen abhängig beschäftigt.«

Diese Entwicklungsrichtung ist betriebswirtschaftlich durchaus schlüssig, wenn man bedenkt: Essenslieferdienste sind kostenintensive und margenarme Geschäftsmodelle. Also ist das, was jetzt passiert, als eine Maßnahme zur Kostensenkung bei Lieferando (auf Kosten der Fahrer) zu verstehen, mit dem perspektivischen Ziel, die Marge für das Unternehmen zu erhöhen. Die Konzentrationsentwicklung der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass nach Einschätzung von Branchenkennern Lieferando zumindest operativ profitabel oder nahe an der Profitabilität ist – dank hoher Marktanteile und wenig Konkurrenz. Allerdings muss man darauf hinweisen, dass der Mutterkonzern Just Eat Takeaway.com keine separaten Gewinnzahlen für Lieferando ausweist – der Konzern selbst bewegte sich den vergangenen Jahren zwischen Verlusten und gelegentlichen operativen Gewinnen.2

Ausblick: Von einer mühsamen, schrittweisen Verbesserung der Arbeitsbedingungen wieder zurück in die fragmentierte Welt der Sub-Unternehmen?

Man kann das, was gerade bei Lieferando passiert, wahrscheinlich gar nicht überschätzen angesichts der Marktmacht, die das Unternehmen im Bereich der Lieferdienste mittlerweile hat – und der Entwicklung hin zu einer schrittweisen Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf niedrigem Niveau, die man für die zurückliegenden Jahre, auch angestoßen durch eine kritische Berichterstattung, feststellen kann. Diese Entwicklung hat beispielsweise zu solchen Ergebnissen geführt, über die Maximilian Sachse am 15. Juli 2025 in seinem Artikel „ Die Tücken der Plattformökonomie“ in der FAZ berichtet hat: 

»Mit vier Punkten an der Spitze ist Lieferando gelandet, gefolgt vom Supermarktlieferdienst Flink mit drei Punkten und der Haushaltshilfen-Vermittlungsplattform Helpling mit einem Punkt. Die Fahrtenvermittler Bolt und Uber sowie die Essenslieferdienste Uber Eats und Wolt gingen komplett leer aus. Nur Flink habe laut Fairwork beispielsweise nachweisen können, dass seine Kuriere während der gesamten Arbeitszeit nach Abzug der arbeitsbezogenen Kosten den gesetzlichen Mindestlohn erhalten.«

Lieferando mit vier von zehn Punkten als Bester unter den vielen Schlechten. Die „hohe“ Bewertung war auch dem Festanstellungsmodell des Unternehmens geschuldet. Also dem bisherigen Modell, das nun aufgebrochen und wahrscheinlich wieder zurückgebaut wird. So wird ein Sprecher von Lieferandos Logistikgesellschaft Takeaway Express mit diesen Worten zitiert: „Unsere Fahrer verdienen durchschnittlich mehr als 14 Euro pro Stunde in regulärer Anstellung mit einem festen Stundenlohn sowie ergänzenden Boni.“

Sachse bezieht sich in seinem Artikel auf diese Studie:

➔ Fairwork (2025) Fairwork Deutschland Bewertungen 2025. Arbeitsstandards in der Plattformökonomie, Oxford, Berlin, Juli 2025
Bei Vergleichsinteresse: Der erste Bericht wurde 2022 veröffentlicht: Fairwork (2022): Fairwork DeutschlandRatings 2021: Arbeitsstandards in der Plattformökonomie, Berlin, Oxford, 2022

Und dass das bisherige Modell, das gerade um- bzw. rückgebaut wird, eine wichtige Rolle bei der Platzierung im Ranking gespielt hat, dass kann man auch diesen Passagen des Artikels von Sachse entnehmen:

»Die Anbieter weisen den Vorwurf der Scheinselbständigkeit von sich. Lieferando und Flink stellen alle Fahrer direkt an.« Ja, bislang war das so. » Der Wettbewerber Uber Eats arbeitet stattdessen in Deutschland mit Logistikdienstleistern zusammen, Wolt stellt ebenfalls nur einen Teil seiner Kuriere fest an.« Und diese beiden Unternehmen haben im Ranking von Fairwork genau gar keinen Punkt bekommen von den zehn möglichen. Was auf die von Entlassungen aus dem Anstellungsmodell betroffenen Fahrer zukommen wird, kann man diesen Hinweisen entnehmen: »Fairwork schreibt in seinem Bericht, dass das Subunternehmermodell keine fairen Arbeitsstandards gewährleiste. Zwar würden die Plattformen von den Subunternehmen erwarten, dass diese die Arbeitskräfte in einem Angestelltenverhältnis beschäftigen. Doch die Realität sehe anders aus. Manche Arbeiter seien ganz ohne Vertrag tätig oder würden selbst mit formalem Arbeitsvertrag wie selbständige oder freiberufliche Unternehmer behandelt. Andere mit zeitlich begrenzten Verträgen erhielten informell eine Vergütung für deutlich mehr Arbeitsstunden als im Vertrag angegeben. Die befragten Plattformarbeiter erhielten laut Fairwork oft keine Gesundheits- und Sozialleistungen und seien während ihrer Arbeit nicht versichert.«

Fußnoten

  1. Wie finanziert sich Lieferando? Die wichtigste Einnahmequelle sind die Provisionen der Restaurants: 13 % Provision bei Selbstabholung, 20 – 30 % Provision bei Lieferung durch Lieferando-Fahrer („Full-Service“). Liefergebühren von Kunden: Lieferando erhebt bei vielen Bestellungen eine Liefergebühr, meist zwischen 1,99 Euro und 3,99 Euro (abhängig vom Restaurant, Ort und Mindestbestellwert). Diese fließt (teilweise) an Lieferando, vor allem wenn eigene Fahrer eingesetzt werden. Servicegebühr für Bestellungen: Zusätzlich zur Liefergebühr gibt es seit einiger Zeit eine Servicegebühr, meist 0,49 – 0,99 Euro pro Bestellung. Diese ist unabhängig von der Liefergebühr und wird direkt von den Kunden gezahlt.
    Restaurants können zusätzlich für mehr Sichtbarkeit auf der Plattform zahlen („Sponsored Listing“). Dabei geht es um bessere Platzierungen im Ranking und das Schalten gezielter Werbekampagnen auf der Plattform. Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die sogenannten „Schattenwebseiten“: Das sind Webseiten, die Lieferando für Restaurants erstellt, die mit dem Unternehmen zusammenarbeiten, aber so gestaltet sind, dass sie wie die offiziellen Webseiten der Restaurants aussehen. Diese Webseiten sind oft so optimiert, dass sie in Suchmaschinenergebnissen weit oben erscheinen und Kunden dazu verleiten, über Lieferando zu bestellen, anstatt direkt beim Restaurant. Dies ermöglicht es Lieferando, Provisionen für Bestellungen zu kassieren, die ansonsten direkt beim Restaurant ohne Provision getätigt worden wären. Vgl. dazu beispielsweise aus dem Pandemiejahr 2021 den Artikel Lieferandos Geschäft mit „Schattenwebseiten“. ↩︎
  2. 2023 meldete Just Eat Takeaway.com zum ersten Mal ein positives bereinigtes EBITDA (operatives Ergebnis), aber unter dem Strich war der Konzern weiterhin defizitär – also kein echter Nettogewinn. ↩︎