Vor Corona ist jeder (un)gleich. Der Verteilungsbericht 2020 des WSI und die Frage, was man hätte tun können/sollen, aber nicht getan hat

»Der Abstand zwischen hohen und niedrigen Einkommen in Deutschland wird durch die Corona-Pandemie weiter wachsen. Denn Erwerbspersonen mit schon vorher niedrigen Einkommen sind im bisherigen Verlauf der Corona-Krise fast doppelt so häufig von Einbußen betroffen wie Menschen mit hohen Einkommen – und sie haben zudem relativ am stärksten an Einkommen verloren.« Das berichtet die Hans-Böckler-Stiftung unter der Überschrift Corona-Krise verschärft Ungleichheit zwischen hohen und niedrigen Einkommen, auch Mitte droht zurückzufallen. Das muss auch im Kontext der Entwicklung vor Corona gesehen werden: »Damit verschärft sich ein Trend, der auch die wirtschaftlich starken 2010er-Jahre gekennzeichnet hat: Die 20 Prozent der Haushalte mit den geringsten Einkünften blieben von einer insgesamt recht positiven Einkommensentwicklung weitgehend abgekoppelt.«

„Menschen, die zuvor schon wenig hatten, sind besonders oft und besonders hart von wirtschaftlichen Verlusten betroffen. Denn sie arbeiten oft an den Rändern des Arbeitsmarktes. Dort werden sie nur unzureichend durch Schutzmechanismen in den Sozialversicherungen oder durch Tarifverträge erfasst, die viele Beschäftigte im mittleren Einkommensbereich bisher recht effektiv vor drastischen Einkommenseinbußen bewahrt haben“, so wird Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zitiert. Das WSI hat seinen diesjährigen Verteilungsbericht veröffentlicht:

➔ Bettina Kohlrausch, Aline Zucco und Andreas Hövermann (2020): Verteilungsbericht 2020. Die Einkommensungleichheit wird durch die Corona-Krise noch weiter verstärkt. WSI-Report Nr. 62, Düsseldorf: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI), November 2020

Interessant sind natürlich die Ausführungen dieses Jahr betreffend, vor allem mit Blick auf die Folgen der Corona-Krise, die im März 2020 über uns gekommen ist und uns immer noch voll in Beschlag hält.

»Im bisherigen Verlauf der Corona-Krise hat sich der Rückstand der niedrigen Einkommen nach den Daten der Erwerbspersonenbefragung noch verschärft. Und diesmal fallen auch Haushalte im „unteren“ Bereich der mittleren Einkommensgruppen gegenüber jenen mit hohen Einkommen zurück. Der Trend zeigt sich in gleich zwei Dimensionen: Je niedriger ihr Einkommen schon vor der Krise war, desto häufiger haben Befragte im Zuge der Pandemie an Einkommen eingebüßt. Zudem steigt mit abnehmender Einkommenshöhe der Anteil, um den sich das Einkommen reduziert hat: Wer weniger hatte, hat also relativ auch noch besonders viel verloren.«

Wie kommen die Wissenschaftler vom WSI auf diese Werte? Und dann noch aus der laufenden Krise? Dazu wird berichtet:

»Für das Jahr 2020 arbeitet das Forschungsteam mit der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung. Dafür wurden mehr als 6.300 Erwerbstätige und Arbeitssuchende im April und ein zweites Mal im Juni befragt. Die Online-Umfrage bildet die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab.«

➔ Das hört sich gut an. Allerdings bleiben methodische Fragezeichen, die man zumindest im Hinterkopf behalten sollte, wenn es um die Generalisierung der Befunde aus dem Verteilungsbericht geht. So führen Kohlausch et al. (2020: 4) aus, dass die Verteilungs- und die Ungleichheitsparameter für die Jahre bis 2017 auf der Basis der in Deutschland gerne für solche Analysen herangezogenen Daten aus dem SOEP berechnet werden. Dazu wird dann ausgeführt: »Dennoch hat das SOEP, wie die meisten anderen Befragungsdaten, den Nachteil, dass nicht alle Personen mit der gleichen Wahrscheinlichkeit an der Befragung teilnehmen. Das ist insofern problematisch, dass gerade Personen mit sehr hohen Einkommen oder Vermögen seltener an Einkommensbefragungen teilnehmen … Weiterhin sind einige Gruppen wie u.a. Obdachlose am unteren Ende der Einkommensgruppe ausgeschlossen, da sie durch das SOEP nicht über den Wohnort und Haushalt erfasst werden können. Diese Selektion hat zur Folge, dass die Einkommen an den Rändern der Verteilung nur unvollständig widergegeben werden. Außerdem können Verzerrungen auftreten, wenn am unteren Ende der Verteilung das Einkommen häufig aus Schamgründen zu hoch und am oberen Ende aus ähnlichen Gründen oder dem Unwissen über das genaue Einkommen zu niedrig angegeben wird … Hingegen sind Einkommensgruppen zwischen den Rändern eher überrepräsentiert, sodass die Einkommensverteilung zur Mitte hin auch verzerrt ist („Mittelschichtbias“).« Nun stellt sich darüber hinaus mit Blick auf die aktuelle Krise das Problem: Da die letzten verfügbaren Einkommensinformationen des SOEP nur bis einschließlich 2017 – und somit lange Zeit vor Ausbruch der Pandemie und der daraus folgenden Wirtschaftskrise – vorliegen, kann man damit nicht arbeiten, wenn es um die möglichen Folgen der Corona-Krise geht.

»Aus diesem Grund wird im Folgenden bei der Entwicklung der Einkommensverhältnisse während der Corona-Krise zusätzlich auf eine Erwerbspersonenbefragung zurückgegriffen, die im Auftrag der Hans-Böckler- Stiftung durchgeführt wurde. In einer ersten Befragungswelle wurden zwischen dem 3. und 14. April 2020 – also zu Beginn der Pandemie während des weitreichenden Shutdowns – 7.677 Erwerbspersonen ab 16 Jahren in einem computergestützten Online-Interview zu ihrer Haushalts- und Erwerbssituation befragt. Ein Großteil von ihnen (N = 6.309) nahm auch an der zweiten Befragung zwischen dem 18. und 29. Juni teil. Die Stichprobe wurde auf Grundlage eines Online-Access-Panels nach bestimmten Quoten der Merkmale Alter, Geschlecht, Bundesland und Bildung gezogen, sodass die entsprechenden Bevölkerungsgruppen adäquat und repräsentativ für die Erwerbspersonen Deutschlands abgebildet werden.« (Kohlrausch et al. 2020: 5). Hier finden sich aber keine weiteren methodisch-kritischen Anmerkungen. Gelten die für das SOEP vorgetragenen Einschränkungen und Restriktionen für diese neue Befragung nicht? Vor allem angesichts der Tatsache, dass es sich auch noch um eine Online-Befragung handelt. Die (angebliche) Repräsentativität, die offensichtlich auf Gewichtungen und Hochrechnungen und auch Fallzahlbereinigungen (so tauchen in der Auswertung nur noch N = 5.184 Teilnehmer auf) basiert, wird im vorliegenden Bericht behauptet. Das kann so sein, muss aber nicht. Dennoch wird die forsche Behauptung, dass die Ergebnisse repräsentativ sind, von den Medien übernommen (vgl. beispielsweise die umfangreiche Zusammenfassung der Befunde bei Florian Diekmann: Die Pandemie verschärft die Ungleichheit in Deutschland oder Alexander Hagelüken in seinem Beitrag Corona spaltet Arm und Reich).

Die angesprochenen methodischen Fragezeichnen im Hinterkopf gehen wir hier mal davon aus, dass die Zahlen eine grobe Annäherung an die Realität liefern (können). Dann zeigen die Befunde eine eben ungleiche Verteilung der negativen Auswirkungen, wenn man die an den monetären Einbußen bemisst:

»Konkret haben im Durchschnitt aller Befragten bis Juni knapp 32 Prozent Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. In den beiden Gruppen mit niedrigen Haushaltseinkommen unter 1500 Euro netto monatlich lag der Anteil aber deutlich über 40 Prozent. In der „untersten“ der mittleren Einkommensgruppen, die zuvor 1500 bis 2000 Euro netto hatte, waren knapp 37 Prozent betroffen. In den Gruppen zwischen 2000 und 4500 Euro monatlichem Haushaltsnetto lag der Anteil mit Verlusten bei gut 31 Prozent. Von den Befragten mit hohen Haushaltsnettoeinkommen über 4500 Euro berichteten dagegen lediglich rund 26 Prozent über Einbußen. Schaut man auf das Beschäftigungs- und Sozialprofil der Befragten mit Verlusten, waren neben Selbständigen vor allem prekär Beschäftigte wie Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen und Minijobber und Minijobberinnen besonders oft betroffen. Stärker verbreitet waren Einkommensverluste auch bei Menschen mit Migrationshintergrund und mit Kindern.«

Dann kommt ein wichtiger Punkt: »Als wichtige Gründe für spürbare Einkommenseinbußen identifiziert das WSI neben dem Verlust von Umsätzen bei Selbständigen oder dem Verlust des Arbeitsplatzes, der bislang vor allem prekär Beschäftigte betraf, Kurzarbeit. Diese sichert in der Krise zwar zahlreiche Jobs, kann für betroffene Beschäftigte aber empfindliche Einbußen bedeuten.«

Die Betroffenheit von Kurzarbeit ist nicht gleichverteilt über die Einkommensgruppen, sondern es gibt gerade bei den unteren Einkommensgruppen einen überdurchschnittlichen Anteil der Beschäftigten, die in Kurzarbeit waren oder noch bzw. wieder sind:

Nun sind die Kurzarbeitergeldleistungen als prozentualer Lohnersatz naturgemäß niedriger, wenn das zu ersetzende Lohneinkommen niedrig ist („Mit dem gesetzlichen Kurzarbeitergeld landen … Niedrigverdiener schnell unterhalb des Existenzminimums“). Problem- bzw. hier ungleichheitsverschärfend kommt hinzu: »So erhielten im Fall von Kurzarbeit im Durchschnitt 58 Prozent der Beschäftigten, die nach einem Tarifvertrag bezahlt wurden, eine Aufstockung. In Unternehmen ohne Tarifbindung waren es hingegen lediglich 34 Prozent.« Die Niedriglohnbezieher sind nun überdurchschnittlich stark vertreten in den Branchen und Unternehmen, die eine unterdurchschnittliche, zuweilen auch vollständig fehlende Tarifbindung aufweisen, während gerade die Arbeitnehmer mit überdurchschnittlichen Lohneinkommen, man denke hier an die Kernbelegschaften in der Industrie, im Regelfall von tarifvertraglich geregelten oder betrieblich zugestandenen Aufstockungen des Kurzarbeitergeldes profitieren.

Dieser im Verteilungsbericht 2020 beschriebene Tatbestand ist wichtig, um die dort vorgeschlagenen möglichen Maßnahmen, mit denen die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich eingedämmt werden soll, einordnen zu können. Hier nur die vom WSI verschlagenen kurzfristigen Maßnahmen:

Anhebung des Kurzarbeitergeldes, insbesondere für Beschäftigte mit Niedrigeinkommen.

➞ Für den gesamten Zeitraum der Krise eine Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I.

Dauerhafte Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes auf ein „armutsfestes“ Niveau.

Mehr Qualifizierungsmöglichkeiten während der Kurzarbeit.

Was soll man zu diesen nachvollziehbaren Forderungen sagen? Es handelt sich – im Lichte der tatsächlichen Regierungspolitik – um Wunschdenken, denn die drei handfesten ersten Punkte der Forderungslist sind nicht nur noch nicht umgesetzt – sie sind ausdrücklich und im Wissen um die damit verbundenen sozialpolitischen Bedarfe abgelehnt worden von den Unionsparteien und den Sozialdemokraten im Bundestag.

Dazu haben wir erst in diesen Tagen erneut ein Lehrstück serviert bekommen, das sich auf die ersten beiden Punkte der Liste bezieht, also das Kurzarbeitergeld und das Arbeitslosengeld I. Konkret geht es um das als Gesetzentwurf vorliegende „Beschäftigungssicherungsgesetz“, mit dem die Sonderregelungen das Kurzarbeitergeld, die man zwischenzeitlich auf den Weg gebracht hat, bis Ende des kommenden Jahres verlängert werden sollen (aber nicht alle). Dazu ausführlicher der Beitrag Eine „beschäftigungssichernde Brücke in das Jahr 2022“: Die Sonderregelungen zur Kurzarbeit werden verlängert, mindestens ein Grundproblem dieses Instruments bleibt vom 18. November 2020, den man lesen muss vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Verfasser sowohl im Frühjahr wie auch jetzt beim Entwurf eines Beschäftigungssicherungsgesetzes als Einzelsachverständiger zu den Anhörungen des zuständigen Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages geladen war. In dem Beitrag vom 18.11.2020 findet man konkrete Hinweise auf die nun auch vom WSI (erneut) vorgetragenen Punkte:

Eine Anhebung des Kurzarbeitergeldes, insbesondere für Beschäftigte mit Niedrigeinkommen? Das wurde – hinterlegt mit konkreten Modellen – bereits im Frühjahr beim „Sozialschutz-Paket I und II“ eindringlich gefordert. Ergebnis: Nicht berücksichtig. Und auch bei der nun diskutierten Verlängerung der Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld wurde das erneut aufgerufen – und ignoriert: »Die sozialpolitisch höchst relevante zentrale Frage wurde bereits im damaligen Gesetzgebungsverfahren aufgerufen und sie sollte weiterhin auf der Tagesordnung bleiben: Wo bleibt die dringend erforderliche sofortige Aufstockung des Kurzarbeitergeldes für die vielen Betroffenen im Niedriglohnsektor? Eine gezielte Anhebung des Kurzarbeitergeldes für die vielen, die in diesen Einkommensbereichen unterwegs sind, wäre eine Minimalerwartung, die auch heute noch an den Gesetzgeber gerichtet werden muss.« Leider wurde das erneut von den Regierungsfraktionen vom Tisch gewischt.

➔ Für den gesamten Zeitraum der Krise eine Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I? Wenigstens hier hat sich doch etwas getan, wird der eine oder andere einwerfen. Hatte die Bundesregierung nicht eine einmalige Verlängerung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I um drei Monate verabschiedet? Hat sie. Aber jetzt muss das hier berichtet werden: Während die Kurzarbeitergeld-Regelungen verlängert werden bis Ende 2021, beinhaltet das Beschäftigungssicherungsgesetz den Wegfall der einmaligen dreimonatigen Verlängerung der Anspruchsdauer beim Arbeitslosengeld I bereits zum Jahresende 2020, also in wenigen Wochen. Dadurch werden die allermeisten, die in der Krise im Frühjahr 2020 ihren Job verloren haben und ALG I beziehen, nicht einmal von der einmaligen dreimonatigen Verlängerung ihres Versicherungsanspruchs profitieren können. »Angesichts der derzeit bestehenden nachweislich deutlich schlechteren Bedingungen für Arbeitslose im Rechtskreis des SGB III, eine neue Beschäftigung finden zu können … erscheint der Wegfall der einmaligen dreimonatigen Verlängerung der Anspruchsdauer beim Arbeitslosengeld I zum Jahresende 2020 nicht angemessen und sollte korrigiert werden.« Leider ist das ebenfalls nicht berücksichtigt worden.

Dauerhafte Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes auf ein „armutsfestes“ Niveau? Auch hier muss eine bewusst geschaffene Leerstelle diagnostiziert werden. Eine Anhebung des Regelsatzes auf ein „armutsfestes Niveau“? Das erst vor kurzem beschlossene „Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie weiterer Gesetze“ (Regelbedarfsermittlungsgesetz 2021) hat die Regelleistungen im SGB II nur marginal angehoben – und bleibt laut Kritik vieler Sozialverbände und Experten weit weg von einem „armutsfesten“ Niveau. Wie hoch so ein Niveau sein müsste, dazu haben Linke und Grüne im Bundestag konkrete Zahlen genannt und eine entsprechende Anhebung der Leistungen beantragt.
Selbst wenn man die Forderung kleinschreddert und wenigstens für die Krise einen befristeten Zuschlag zu den bestehenden Regelleistungen von 200 bzw. 100 Euro pro Monat fordert, wie das im Kontext der Sozialschutz-Paket-II-Gesetzgebung im Frühjahr von den Linken und den Grünen ausdrücklich vorgeschlagen wurde, dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass das von den Regierungsfraktionen im Bundestag ebenfalls vom Tisch gewischt wurde (vgl. dazu ausführlicher meinen Beitrag Am ausgestreckten Arm … Die Bundesregierung und der Nicht-Zuschlag für Menschen in der Grundsicherung. Die bleiben beim Sozialschutz-Paket II weiter außen vor vom 12. Mai 2020). Der Beitrag wurde geschrieben, bevor das Gesetz dann formal verabschiedet und in Kraft gesetzt wurde – und er wurde mit diesem Passus beendet, der mittlerweile hinsichtlich der dort angesprochenen Möglichkeit beantwortet wurde:

»Nun könnte man ja abschließend noch darauf hinweisen, dass das Sozialschutz-Paket II erst im Entwurf vorliegt und nach der öffentlichen Anhörung den weiteren parlamentarischen Gang der Dinge antreten wird, bevor es zu einer endgültigen Verabschiedung kommen wird. In diesem Zusammenhang könnte es doch sein, dass sich bei den Abgeordneten der Regierungsfraktionen christliche Nächstenliebe gepaart mit ur-sozialdemokratischen Solidaritätsempfindungen Bahn brechen und … Ja, es könnte sein. Theoretisch.«

Wie es praktisch gekommen ist, wissen wir. Es hatte nicht sein sollen bzw. dürfen. Und das war eine bewusste politische Entscheidung der Union und auch der SPD, die sich ansonsten bemüht, ein anderes sozialpolitisches Image nach außen zu tragen. Nicht einmal einen befristeten Aufschlag auf die umstrittenen Sätze der Grundsicherung konnte (oder wollte?) man in der Koalition durchsetzen. Insofern sind die neuen Beschlüsse im Kontext des Beschäftigungssicherungsgesetzes, die eindeutig eine Unwucht zuungunsten der Arbeitnehmer mit eher niedrigen Einkommen sowie der in und durch die Krise arbeitslos gewordenen Menschen haben, nur folgerichtig und konsequent.

Dass sich viele in die von oben verordnete Nicht-Berücksichtigung der schwächsten Glieder beispielsweise beim Kurzarbeitergeld fügen, kann man auch der Tatsache entnehmen, dass die im Rahmen der Anhörung zum Entwurf eines Beschäftigungssicherungsgesetzes vom DGB vorgelegte Stellungnahme (vgl. hierzu Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 16. November 2020, Ausschussdrucksache 19(11)864 vom 13.11.2020, S. 12-18) nicht einmal den Hinweis auf die nun auch im Verteilungsbericht 2020 des gewerkschaftsnahen WSI vorgetragene Forderung nach einer „Anhebung des Kurzarbeitergeldes, insbesondere für Beschäftigte mit Niedrigeinkommen“ enthält, den Frontabschnitt hat man offensichtlich schon längst aufgegeben.