Irgendwann reicht es dann auch mal. Beschäftigte in vier Ameos-Kliniken in Sachsen-Anhalt treten in einen unbefristeten Streik

»Von heute morgen an rufen die Gewerkschaften Verdi und Marburger Bund an vier Standorten zu unbefristeten Streiks auf. Betroffen sind die Kliniken in Aschersleben, Staßfurt, Schönebeck, Bernburg (alle Salzlandkreis) und Haldensleben (Börde). Die Gewerkschaften rechnen mit Hunderten Streikenden … Ziel des Streiks ist es, Tarifverträge und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten bei Ameos durchzusetzen. Ameos lehnt Verhandlungen bisher ab und sieht in Tariflöhnen eine Gefahr für den Fortbestand der Krankenhäuser. Der Konflikt schwelt seit Monaten. Im November gab es bereits Warnstreiks«, kann man dieser Meldung entnehmen: Unbefristete Streiks in Ameos-Kliniken beginnen. Seit Monaten kämpfen die Beschäftigten vergeblich für bessere Arbeitsbedingungen und eine Entlohnung nach Tarifvertrag. 92 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder beteiligten sich an einer Urabstimmung, 99,7 Prozent plädierten für eine Arbeitsniederlegung.

Wir werden heute Zeuge einer seit Jahren anhaltenden Entwicklung, die nicht vom Himmel gefallen ist: Seit 2012 haben die Beschäftigten auf Gehaltserhöhungen verzichtet. »Bereits 2015 hatte die Halberstädter Betriebsratsvorsitzende wegen der rigiden Sparpolitik beim Personal einen Brandbrief an die AMEOS-Zentrale in Zürich gesandt. Von »gravierenden Qualitätseinbußen« war die Rede, nachdem sogar Chefärzte hingeschmissen hatten. Zudem lagerte AMEOS ganze Bereiche aus. Zahlreiche Mitarbeiter klagen unterdessen ausstehende Gehälter ein. Da sind bei Pflegekräften mitunter 21 000 Euro aufgelaufen«, so dieser Artikel von Uwe Kraus: Streik gegen „Wildwest-Praktiken“. »Selbst einem Krisengespräch bei Landessozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) blieb der Krankenhausbetreiber demonstrativ fern. Er drängt darauf, Tarifabsprachen allein mit dem Betriebsrat zu treffen, der jedoch kein Tarifpartner ist. Immer wieder gab es Warnstreiks. Darauf reagierte das Unternehmen mit Kündigungen.«

Der Klinikkonzern Ameos »hatte im November 14 Mitarbeiter, die sich an den Warnstreiks beteiligt hatten, gegen den Willen der Betriebsräte fristlos entlassen. Als Begründung nannte die Geschäftsführung „respektloses Verhalten“, Uneinsichtigkeit und ein „gestörtes Vertrauensverhältnis“. Alle Betroffenen klagen jetzt dagegen«, so dieser Artikel von Susan Bonath: Streik auf Station. Die Ameos-Gruppe mit Sitz in der Schweiz besitzt acht Krankenhäuser mit knapp 4.000 Beschäftigten in Sachsen-Anhalt. Und Bonath berichtet auch mit Blick auf die zurückliegenden Jahre von einer gleichsam Lehrbuchgeschichte über Privatisierung im Krankenhauswesen:

»Bereits 2003 übernahm der Konzern die Klinik für Psychiatrie in der Börde-Kreisstadt Haldensleben. 2006 verkaufte der Landkreis auch das Haldensleber Ohre-Klinikum – zunächst an den Münchner Klinikkonzern Sana. Ein Bürgerbegehren dagegen hatte die Kreisverwaltung damals wegen „Formfehlern“ abgelehnt. Als es vom Gericht später doch für rechtlich einwandfrei erklärt wurde, war der Verkauf längst vollzogen. 2013 verkaufte Sana die Klinik an Ameos weiter. Wenig später schloss der neue Betreiber die Kinderstation, den Kreißsaal sowie die Frauenstation und gliederte einige Abteilungen, darunter das Labor, aus.
Ähnlich ging Ameos im Salzlandkreis vor. Die dortigen Kliniken hatte das Unternehmen 2012 erworben. In Bernburg schloss es kurz darauf die Stationen für Kinderheilkunde, Gynäkologie und Geburtshilfe. In Staßfurt machte Ameos voriges Jahr die Notaufnahme dicht und löste in Aschersleben den ambulanten Pflegedienst auf. In Schönebeck sprach die Klinikleitung in einem Schreiben an die Mitarbeiter vor wenigen Tagen von roten Zahlen und Plänen zur „Kostenoptimierung“. Außerdem bezeichnete sie das Krankenhaus als „Schließungskandidat“. Einige Fachbereiche müsse man wohl aufgeben, hieß es. Laut Beschäftigten steht die Entbindungsstation ganz oben auf der Streichungsliste.«

➔ Insofern fügt sich diese Entwicklung auch ein in das, was am 27. Dezember 2019 in dem Beitrag Ihr Kinderlein, kommet … aber zunehmend auf eigene Gefahr. Geburtshilfe und Kindermedizin als „Ballast“ in einem ungesunden Gesundheitswesen als ein Grundproblem in ganz Deutschland beschrieben worden ist.

Man hätte also aus den Erfahrungen der zurückliegenden Jahre wirklich lernen können, dass man es hier mit einem hochproblematischen Träger zu tun hat. Aber auch aktuell mischt der Konzern ganz vorne mit in der weiter ablaufenden Privatisierungsbewegung: »So gehört der Konzern zu den Bietern, denen im geplanten Ausverkauf des Klinikums Burgenlandkreis im Süden Sachsen-Anhalts die besten Chancen eingeräumt werden, seit sich vor wenigen Tagen die Uniklinik Halle aus dem Verfahren zurückgezogen hatte.«

Wer ist eigentlich Ameos?

Die Ameos Gruppe mit Sitz in Zürich betreibt Krankenhäuser, Pflege- und Eingliederungseinrichtungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Unternehmen wurde von Axel Paeger und Martin Kerres 2002 gegründet. Ameos beschäftigt nach eigenen Angaben in aktuell 93 Einrichtungen an 49 Standorten mit insgesamt 10.000 Betten und Behandlungsplätzen rund 15.500 Mitarbeiter (zu den Zahlen vgl. auch die Selbstdarstellung des Konzerns). Die derzeitige Bilanzsumme beträgt 900 Mio. Euro. Die Gruppe gliedert sich in zwei Unternehmensbereiche: Zum einen die AMEOS Krankenhäuser und Poliklinika (66 Einrichtungen), zum anderen die AMEOS Pflege und Eingliederung (27 Einrichtungen).
Das Unternehmen ist die drittgrößte Privatklinikgruppe der Schweiz. Sie ist aber vor allem außerhalb der Schweiz tätig: Fast alle der 15.500 Angestellten arbeiten in Deutschland und Österreich. In Sachsen-Anhalt unterhält die Ameos-Gruppe 18 Einrichtungen an zehn Standorten.
Das Unternehmen ist seit 2012 mehrheitlich im Besitz des US-amerikanischen Private Equity-Investors Carlyle Group. Dem einen oder anderen Leser dieses Blogs wird sich an dieser Stelle daran erinnern, dass dieser Finanzinvestor hier bereits in mehreren Beiträgen erwähnt wurde, die alle im Zusammenhang stehen mit dem „Engagement“ von Investoren auf dem deutschen Pflegemarkt, hier nur der Hinweis auf zwei Beispiele dafür: Vom menschlichen Pflege- und renditesuchenden Anlagenotstand. Die Altenpflege als Objekt für Private-Equity-Unternehmen und Immobilieninvestoren vom 17. August 2019 sowie der Beitrag Die Altenpflege als expandierende Spielwiese für Private-Equity-Investoren vom 29. April 2019.

Und der private Klinikbetreiber ist weiterhin auf Expansionskurs, gerade hier in Deutschland. Dazu nur ein Beispiel: AMEOS Gruppe erweitert Portfolio: Übernahme des Katholischen Klinikums Oberhausen, so eine Meldung vom 11. November 2019. Wahrlich keine kleine Hausnummer: »Die AMEOS Gruppe übernimmt laut eigenen Angaben das Katholische Klinikum Oberhausen, den größten Gesundheitsversorger in Oberhausen. Über 2.370 Mitarbeitende arbeiten an mehreren Standorten in drei Krankenhäusern mit rund 720 Betten, 18 Fachkliniken und 12 medizinischen Zentren sowie den Senioren- und Pflegezentren, ambulanten Pflegediensten, einem Reha-Zentrum und einem stationären sowie zwei ambulanten Hospizen für das Wohl der Menschen in der Region. Als akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Duisburg-Essen bietet der stationäre Großversorger ein umfassendes Leistungsspektrum auf höchstem wissenschaftlichen, medizinischen und pflegerischen Niveau.«

Wenn Dein starker Arm es will … gibt es durchaus Perspektiven

Haben die ab heute in Sachsen-Anhalt Streikenden eine Perspektive, dass der Arbeitskampf für sie zu einem Erfolg werden könnte? Die haben sie, wenn sie beispielsweise über die Grenzen des Bundeslandes schauen: »Im benachbarten Niedersachsen lief vor drei Jahren ein Elf-Wochen-Streik. Für die Kliniken Hildesheim und Osnabrück gab es dann eine Tarifeinigung von AMEOS mit ver.di, der Abschluss wurde gerade bis 2022 verlängert«, berichtet Uwe Kraus in seinem Beitrag.

Da kann man nur beide Daumen ganz fest drücken, dass die Beschäftigten erfolgreich sein werden.