Die Leiharbeit – von den ihr gewogenen Vertretern gerne auch als Zeitarbeit bezeichnet – ist mal wieder ein Thema. In den vergangenen Jahren war diese Beschäftigungsform immer wieder Gegenstand kritischer Berichterstattung. Oftmals wird sie als Paradebeispiel für „Lohndumping“ ins Feld geführt und in der vergangenen Legislaturperiode war sie Gegenstand gesetzgeberischer Aktivitäten, die eigentlich zu einer Verbesserung der Situation der Leiharbeiter führen sollten (vgl. dazu allerdings mit kritischen Anmerkungen den Beitrag Eine weichgespülte „Reform“ der Leiharbeit und Werkverträge in einer Welt der sich durch alle Qualifikationsebenen fressenden Auslagerungen vom 1. April 2017).
Die Arbeitnehmerüberlassung – auch so ein weichzeichnerischer Begriff für den Verleih von Menschen – ist insgesamt gesehen in den vergangenen Jahren Gegenstand mehrerer sukzessiver Regulierungsrunden gewesen, die dazu geführt haben, dass die Inanspruchnahme seitens der Entleihunternehmen deutlich teurer geworden ist. Zum einen Bestand die Reaktion vieler Unternehmen in einem Ausweichversuch auf Werkverträge, zum anderen aber muss man zur Kenntnis nehmen, dass der Rückgriff auf Verleihunternehmen nicht nur stabil geblieben, sondern erneut gewachsen ist.
Dazu nur einige wenige dröge, aber überaus relevante Daten: Im Juni 2017 waren in Deutschland mit 1,043 Mio. 2,8 Prozent aller Beschäftigten in Leiharbeit beschäftigt. Der Anteil von Leiharbeitnehmern an allen Beschäftigten ist seit 2013 jedes Jahr gewachsen. Rund 969.000 Leiharbeiter waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das sind 3,9 Prozent mehr als noch im Juni 2016. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Leiharbeit ist damit stärker gewachsen als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung allgemein (+2,3 Prozent). Auch die Zahl der Verleihbetriebe wächst: Zum Stichtag 30.06.17 gab es laut Bundesagentur für Arbeit 52.700 Verleihbetriebe. Und vor dem Hintergrund des als Erfolg herausgestellten „equal pay“, also der gleichen Bezahlung, allerdings erst nach neun Monaten mit der Möglichkeit der Verlängerung dieses Zeitraums , sind die Daten höchst relevant: Im ersten Halbjahr 2017 waren von 661.000 beendeten Beschäftigungsverhältnissen in der Leiharbeit 47 Prozent nicht mal drei Monate alt. Mit 70 Prozent endeten mehr als zwei Drittel der Leiharbeitsverhältnisse innerhalb der ersten neun Monate. Gerade einmal 17 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse bestand zum Zeitpunkt ihrer Beendigung 18 Monate und länger.
Und nun werden wir mit einem dieser vielen Berichte über höchst problematische Zustände in der Leiharbeit. Und das nicht in irgendeiner Hinterhof-Garage, sondern bei einem der deutschen Premium-Hersteller der Automobilindustrie: Daimler. Die IG Metall hat massive Vorwürfe vorgetragen: Skandal um Leiharbeit bei Mercedes in Rastatt, so ist der Artikel der Gewerkschaft überschrieben.
»Wer krank ist, der fliegt. Wer sich beklagt, fliegt. Sie werden um Arbeitsstunden und Urlaub betrogen. Doch wer zu oft nachfragt, fliegt. Unter den 1200 Leiharbeitern der Leihfirma DEKRA im Mercedes-Werk Rastatt herrscht ein Klima der Angst.« Und woher wollen die das wissen? Die Gewerkschaft hat das aus über 200 persönlichen Gesprächen abgeleitet: »In einer „Blitz“-Aktion kamen letzte Woche rund 50 Sekretäre der IG Metall Baden-Württemberg drei Tage lang zu den Schichtwechseln vor die Werkstore, boten Sprechstunden in Werksnähe für Leiharbeiter in an und besuchten sie zu Hause.«
Die IG Metall bilanziert harte Vorwürfe: »Das Fazit der Gespräche mit den Leiharbeitern: Die Arbeit selbst bei Mercedes ist top. Leiharbeiter werden hier gut bezahlt – dank eines Tarifvertrags der IG Metall und einer Betriebsvereinbarung gibt es über 20 Euro in der Stunde – und sie werden von den Mercedes-Vorgesetzten gut behandelt. Anders als von ihren Personalverantwortlichen bei ihrer eigenen Firma DEKRA. Hier herrscht ein Klima der Angst. Und sie werden oft betrogen: Urlaubstage und Arbeitszeit verschwinden einfach von einem Monat zum nächsten Monat. Die Prüfung der oft völlig undurchsichtigen und wirren Abrechnungen und Stundenzettel deckte systematisch Unregelmäßigkeiten auf. Der Spitzenwert waren 14 Tage Urlaub, die ohne erkennbaren Grund auf einmal gestrichen waren … Die meisten Leiharbeiter trauen sich erst gar nicht nachzufragen. Wer zu viel fragt, riskiert eine Abmahnung oder sofort die Kündigung. Zumindest gibt es dann keine Verlängerung der stets befristeten Arbeitsverträge bei DEKRA.«
Und hier wären wir neben den angesprochenen Vorwürfen gegen das Leiharbeitsunternehmen bei dem mit Blick auf die letzten gesetzlichen Änderungen systematisch relevanten Punkt: »Die unsichere Zukunft – das belastet die DEKRA-Leiharbeiter am meisten. Im September ist für alle erst mal Schluss. Mercedes baut einen Teil der Produktion um. Nach vier bis sechs Monaten Arbeitslosigkeit soll es dann weitergehen – für die meisten, erklärte DEKRA den Leihbeschäftigten auf Versammlungen Anfang Juni.«
Genau an dieser Stelle wird sich der eine oder andere daran erinnern, dass die vielbeschworene Gleichstellung der Leiharbeiter erst nach 9 Monaten stattfinden muss. Innerhalb der ersten neun Monate gilt „equal pay“ nicht. Und es kommt noch schlimmer, worauf ich in diesem Beitrag hingewiesen habe:
»Die nunmehr im AÜG festgeschriebenen 9 Monate können zu 15 Monaten gestreckt werden – durch tarifvertragliche Regelungen, die so eine Verlängerung vorsehen. Und selbst nicht-tarifgebundene Unternehmen können diese Verlängerungsoption „mitnehmen“, wenn sie sich selektiv auf die tarifvertragliche Regelung beziehen. Und wenn drei Monate zwischen dem letzten Einsatz des Leiharbeiters beim gleichen Unternehmen liegen, dann fangen die 9 (bis 15) Monate ohne Equal Pay wieder von vorne an.« Und was haben wir gerade bezüglich des Mercedes-Werks in Rastatt erfahren? Nach sechs Monaten soll es für die meisten Leiharbeiter dann wieder von vorne beginnen, mit Blick auf die „equal pay“-Regelung dann wieder als „jungfräuliche Leiharbeiter“ bei Null.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass seitens der Entleihunternehmen die Arbeitnehmerüberlassung mittlerweile ziemlich teuer ist, denn der Stundensatz, den die zahlen müssen an den Verleiher liegt deutlich über dem, was die Leiharbeiter bekommen, geht es offensichtlich um die betriebliche Flexibilität, die man mit den Leiharbeitern hat – man kann die „abstoßen“, wenn man will, ohne dass man sich weiter kümmern muss.
Insofern passen die Vorwürfe, die derzeit am Beispiel von Daimler der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, in die bisherige Berichterstattung über die negativen Folgen der Leiharbeit. Vor diesem Hintergrund wird der eine oder andere dann erstaunt sein über Berichte, die uns aus einem ganz anderen Bereich, über den insgesamt überaus kritisch diskutiert wird angesichts der Arbeitsbedingungen und des dort fehlenden Personals, erreichen: die Pflege. Vor allem die Altenpflege.
Man glaubt seinen Augen nicht, wen man einen Blick auf die Presseberichterstattung der vergangenen Monate wirft: Pflegekräfte fliehen in die Leiharbeit, so ein Artikel, der bereits im Mai 2018 in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist: »In der Leiharbeit ist die Arbeitsbelastung für Pflegekräfte mitunter geringer als bei einer Festanstellung. Noch ist Leiharbeit in der Pflege kein Massenphänomen. Doch in der Pflegebranche wächst die Leiharbeit rapide.« Bereits im April berichtete das Handelsblatt unter der Überschrift: Wie Leiharbeitsfirmen den Markt für Pflegekräfte aufmischen: »Leiharbeitsfirmen rollen den Markt für Pflegekräfte auf, weil sie besser zahlen. Die Heime geraten dadurch in einen Teufelskreis.« Und man kann weiter aus einem großen Fundus an entsprechenden Berichten schöpfen: Viele Pfleger fliehen in die Zeitarbeit: »Wenn Krankenpflegerinnen, medizinische Fachkräfte oder Ärzte bereit sind, heute in Hannover und morgen in Düsseldorf für ein paar Monate zu arbeiten, wird von vielen Zeitarbeitsunternehmen der rote Teppich ausgerollt. Mittlerweile gehen bereits komplette OP-Teams auf Reisen. Und es werden immer mehr.« In diesem Beitrag gibt es aber auch schon einen ersten Hinweis auf die Größenordnungen, über die wir hier sprechen (müssen), denn man könnte ja angesichts der Flut an entsprechenden Artikeln auf den Gedanken kommen, dass es sich um ganz viele aus den Gesundheitsberufen handelt, die in der Leiharbeit unterwegs sind: »Nur etwa 8 Prozent von einer Million Zeitarbeitnehmer sind in Gesundheitsdienstberufen tätig. Aber in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl vervierfacht.«
An dieser Stelle kann passenderweise der folgende Beitrag aufgerufen werden, spricht er doch auch in der Überschrift die (angeblich) guten Seiten der Leiharbeit an: Pfleger wechseln in die Leiharbeit – und sind oft viele Sorgen los. Der Artikel beginnt mit Markus Schäfer: »Der 25-Jährige ist Altenpfleger aus Leidenschaft. Doch irgendwann hatte er genug von seiner Arbeit. Er kündigte seine Stelle in einer Paderborner Einrichtung. Denn er konnte sich nicht aussuchen, wann er Urlaub hat. Einfluss auf die Gestaltung des Dienstplans hatte er auch nicht. Weil er erst 25 ist und noch keine eigene Familie hat, sagt er. Man ist der Jüngste und könne immer arbeiten, habe es geheißen. Markus Schäfer, der seinen Beruf begleitend zu einem Studium an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld ausübt, hat sich nach diesen schlechten Erfahrungen für einen anderen Weg entschieden. Er ging in die Leiharbeit. Seit Januar ist Schäfer bei inCare, einer Tochter des Zeitarbeitsunternehmens Piening aus Bielefeld.«
Aber auch hier finden wir Zahlenangaben, die zumindest eine gewisse Relativierung des Phänomens anzeigen sollten: »Die Zahl der Zeitarbeitskräfte in der Gesundheits- und Pflegebranche ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Waren es im Jahr 2013 bundesweit noch 34.694, sind es aktuell schon mehr als 43.000 Beschäftigte.« Solche Werte muss man natürlich vor dem Hintergrund der Gesamtzahl an Beschäftigten sehen und einordnen. Noch kein Massenphänomen, aber ein kontinuierlicher Anstieg in den vergangenen Jahren. Die Leiharbeitsbranche feiert diese Entwicklung und sieht rosige Zeiten für die Verleihunternehmen:
Aber ist das Gehalt tatsächlich besser? „Der Verdienst ist einer der Hauptgründe, warum sich Pfleger für eine Beschäftigung über eine Zeitarbeitsfirma entscheiden“, wird der IGZ-Sprecher Wolfram Linke zitiert. InCare verspricht „übertarifliche Verdienstmöglichkeiten und außertarifliche Zuschläge“. Geschäftsbereichsleiter Ingo Wiegers spricht von einer „gleichwertigen, zum Teil besseren finanziellen Entlohnung der anstrengenden Pflegetätigkeit im Rahmen der Zeitarbeit.“ „Die Kliniken und Altenheime müssen aufgrund des Fachkräftemangels verstärkt auf Zeitarbeitskräfte zurückgreifen“, so Ingo Wiegers, Geschäftsbereichsleiter bei inCare. Der Markt habe sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt, sagt er. „Wir haben heute einen Bewerbermarkt, in dem der Bewerber sich für eine Beschäftigung im Rahmen von Zeitarbeit oder für eine Festanstellung entscheiden kann. Da sich immer mehr Pflegekräfte für den Bereich Zeitarbeit entscheiden, bleibt den Kliniken und Altenheimen nichts anderes übrig, als sich diese Mitarbeiter über die Arbeitnehmerüberlassung zu sichern.“
Allerdings sollte man nicht vorbehaltlos und ungeprüft die Behauptung übernehmen, die Leiharbeitskräfte selbst würden immer besser verdienen als die Stammkräfte oder wenigstens gleich. Andere Stimmen verweisen darauf, dass es Abweichungen nach unten gibt. So wird der Abteilungsleiter für den Bereich Pflege eines Leiharbeitsunternehmens in Ostdeutschland mit diesen Worten zitiert: „Tendenziell überlassen wir im Durchschnitt ungefähr zwischen fünf und acht Monaten die Arbeiter, dann müssen sie wechseln.“Denn nach neun Monaten haben Zeitarbeiter gesetzlichen Anspruch auf gleiche Bezahlung.
Aber wie heißt es so schön: Jede Medaille hat zwei Seiten. Eine einfache Überlegung kann uns helfen, zur anderen Seite vorzustoßen: Wenn die Pflegekräfte in vielen Fällen mindestens so verdienen wie die Festangestellten oder angeblich sogar besser, dann muss das richtig teuer werden, wenn die Pflegeheime oder Krankenhäusern Arbeitnehmerüberlassung in Anspruch nehmen, denn die Verleiher wollen nicht nur auf ihre Kosten kommen, sondern auch noch Gewinn machen mit dem Verleih von Arbeitsmenschen. Folglich muss der Stundensatz, den die in Richtung stellen, deutlich höher sein als der Betrag, den der Leihpfleger bekommt. Das treibt die Personalkosten natürlich nach oben. Aber nicht nur das, wie Stefan Boes in seinem Artikel berichtet:
»Pflegebeauftragter Westerfellhaus beobachtet diese Entwicklung mit großer Sorge. „Es gibt Hinweise, dass die Qualität der Pflege durch den Einsatz von Leiharbeitern leidet. Zudem bedeutet es für die Einrichtungen einen wesentlich höheren finanziellen Aufwand“ … Hinzu kommen erhebliche Belastungen für die Festangestellten, die immer weniger in festen Teams, mit festen Kollegen arbeiten und durch die dünne Personaldecke immer kurzfristiger einspringen müssten.«
Dazu auch dieser Beitrag von Bastian Brandau: Leiharbeit in der Altenpflege: Chance für Beschäftigte, Risiko für Patienten? »Die häufigen Ortswechsel sind die Kehrseite der Zeitarbeit in der Altenpflege. Beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe stößt die zunehmende Zeitarbeit deswegen auch auf Kritik. Der ständige Wechsel des Personals widerspreche den Grundsätzen der Altenpflege und sei gerade bei dementen Patienten problematisch.«
Aber nicht nur von Leiharbeitern in der Pflege und anderen Gesundheitsberufen wird berichtet. Auch die (angeblich) selbständigen Honorarkräfte tauchen hier auf – und mit ihnen die Frage nach der Scheinselbständigkeit. Es gibt sogar einen eigenen Bundesverband der freiberuflichen Pflegefachkräfte (BVFPK). Ein Teil der Problematik wird in diesen Ausführungen erkennbar: »Bei der Arbeit als freiberufliche Krankenschwester besteht eine Gefahr der Scheinselbstständigkeit. Daher sollte man beachten, dass wenn man über 80 % des Jahres für einen einzigen Arbeitgeber arbeitet, davon ausgegangen wird, dass man unter dem Begriff der Scheinselbstständigkeit arbeitet. Dies bedeutet, dass man von der Deutschen Rentenversicherung anhand verschiedener Kriterien mit einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis eingestuft werden kann.« Nun stellt das ab auf das Kriterium, dass der Selbstständige nur einen oder einen maßgeblichen Auftraggeber hat.
Aber es gibt noch eine andere Seite der Problematik. Schaut man beispielsweise in den § 7 SGB IV, dann findet man dort einen wichtigen Hinweis, wie eine nichtselbstständige Beschäftigung abgegrenzt wird. In Absatz 1 heißt es: »Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.« Genau dieser Aspekt wurde offensichtlich in einer Entscheidung des Landessozialgerichts NRW aufgegriffen: Für Honorar-Pfleger besteht Sozialversicherungspflicht: »Wenn eine Klinik einen Krankenpfleger über mehrere Monate als Honorarkraft einsetzt, ist seine Tätigkeit sozialversicherungspflichtig, hat das Landessozialgericht NRW (LSG) in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil entschieden (L 8 R 1052/14).«
Das LSG NRW selbst berichtet unter der Überschrift Keine selbständige Krankenpflegetätigkeit im Krankenhaus: »Der Kläger war im Jahr 2010 über einen Zeitraum von knapp vier Monaten als Krankenpfleger auf zwei Stationen eines neurologischen Fachkrankenhauses tätig. Er beantragte nachträglich die Feststellung, dass er diese Arbeit als Selbstständiger verrichtet und daher nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Dies lehnte der Rentenversicherungsträger ab, weil er von einem Beschäftigungsverhältnis ausging. Das Landessozialgericht bestätigte nun die Vorinstanz und ließ die Revision nicht zu. Es sah die Voraussetzungen einer abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ebenfalls als gegeben an.«
Und mit welcher Begründung?
»Ausschlaggebend hierfür sei die vollständige Eingliederung des Klägers in die organisatorischen Abläufe der neurologischen Stationen. Dienstpläne und Schichtzeiten seien auch für ihn verbindlich gewesen. Die Pflege habe sich zudem an den patientenbezogenen Therapieplänen orientiert und in allen entscheidenden Punkten ärztlichen Vorgaben unterlegen. Die in diesem engen Rahmen möglicherweise gegenüber angestellten Pflegekräften etwas größeren Freiheiten des Klägers seien nicht ausreichend, um eine weitgehende Weisungsfreiheit anzunehmen, wie sie typisch für einen selbstständigen Unternehmer sei. Er habe vielmehr seine Pflegeleistung nicht eigenverantwortlich organisieren können. Da der Kläger zudem nach geleisteten Stunden bezahlt worden sei, habe er auch kein unternehmertypisches wirtschaftliches Risiko getragen.«
Das Landessozialgericht knüpft damit an seine Rechtsprechung zu den Intensivpflegern an (Urteil vom 26.11.2014 – L 8 R 573/12). Vgl. dazu aus dem Jahr 2014 diese Mitteilung des LSG NRW: Intensivpfleger nicht selbständig tätig. Grundlegende Entscheidung des Landessozialgerichts zum Arbeitnehmerstatus von Pflegekräften. »Immer häufiger werden in deutschen Krankenhäusern Belastungsspitzen im Pflegebereich durch den Einsatz „freier“, vermeintlich auf selbständiger Basis arbeitender Pflegekräfte aufgefangen. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat nunmehr mit Urteil vom 26.11.2014 entschieden, dass jedenfalls auf einer Intensivstation eingesetzte Pflegekräfte dort als – gegebenenfalls befristet beschäftigte – Arbeitnehmer tätig werden und die Klinik daher für sie Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss.«
Der damalige Sachverhalt:
»Geklagt hatte ein 39jähriger Krankenpfleger aus Wiehl, der auf der Basis von sogenannten Dienstleistungsverträgen in den Intensivstationen verschiedener Krankenhäuser, im Streitfall eines Krankenhauses in Radolfzell, tätig wird. Er hatte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Feststellung beantragt, dass er diese Arbeit als Selbständiger verrichte und daher nicht der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterliege. Unter anderem trug er – übereinstimmend mit der zum Verfahren beigeladenen Klinik – vor, er könne sich die Patienten, die er auf der Intensivstation pflege, unabhängig von der ärztlichen Leitung, der Pflegedienst- oder der Stationsleitung selbst aussuchen, unterliege auch sonst in geringerem Maße als angestellte Pflegekräfte ärztlichen Weisungen und halte sich bei seiner Arbeit nicht an die individuellen Qualitätsstandards der Klinik, sondern an Nationale Expertenstandards.«
Das aber hat das LSG schon damals nicht überzeugt und in der Ablehnung findet man die gleichen Argumentationslinien, die auch im aktuellen Falle wieder aufgerufen wurden: »Ausschlaggebend hierfür sei die vollständige Eingliederung des Klägers in die organisatorischen Abläufe der Intensivstation, die am Wohl der schwerstkranken Patienten als oberstem Gebot orientiert sein müssten und daher in allen entscheidenden Punkten ärztlichen Vorgaben unterlägen. Die in diesem engen Rahmen möglicherweise gegenüber angestellten Pflegekräften etwas größeren Freiheiten des Klägers reichten nicht aus, von weitgehender Weisungsfreiheit auszugehen, wie sie typisch für einen selbständigen Unternehmer sei. Da der Kläger darüber hinaus nach geleisteten Stunden bezahlt werde, trage er auch kein unternehmertypisches wirtschaftliches Risiko.«
„Auch wenn es der Gesamtwürdigung jedes Einzelfalles bedarf, bleibt tendenziell die Möglichkeit selbständiger Tätigkeit im stationären Pflegebereich beschränkt“, so das Landessozialgericht NRW nach der neuen Entscheidung.