Im Jahr 1963 wurde ein Chefarzt im SPIEGEL mit diesen Worten zitiert: „Das Krankenhaus ist zu einem Taubenschlag geworden.“ Und in dem Artikel Der weiße Alptraum, veröffentlicht im SPIEGEL Heft 29/1963, wird daran anknüpfend berichtet: »Der Mangel an weißen Hauben-Tauben ist einer der gewichtigsten Gründe für die Misere vieler deutscher Krankenhäuser: Wegen Schwesternmangels mußten in letzter Zeit zahlreiche Stationen und Abteilungen geschlossen, konnte manche neue Klinik gar nicht eröffnet werden.« Damals wurde von 94.352 Krankenschwestern berichtet, die laut Statistik berufstätig waren – und zugleich von 40.000 fehlenden Pflegekräften in den Kliniken.
Wahrhaft putzige Zahlen, wenn man an die heutigen Größenordnungen denkt und die man in der aktuellen Diskussion über einen Pflegenotstand parat haben sollte: Nur bezogen auf die Krankenhäuser wird für 2016 von 325.100 Pflegefachkräften (in Vollzeit) berichtet ( übrigens 1.000 weniger als im Jahr 1991). Aber die Welt der Pflege ist noch weitaus größer: Allein in der stationären und ambulanten Altenpflege sind 1,1 Mio. Beschäftigte tätig und wenn man eine Hierarchie der Dringlichkeit des Pflegenotstands aufstellen müsste, dann steht die Altenpflege ganz oben auf der Liste.
Die Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte als ein Lösungsweg aus einem Pflegenotstand verstanden als fehlendes Personal hat – man wird nicht überrascht sein – eine lange Geschichte in unserem Land und reicht weit zurück in eine Zeit, in der Deutschland sich als alles andere verstanden hat als das, was es längst war: ein Einwanderungsland. Die Figur des „Gastarbeiters“ wurde auf viele Bereiche übertragen, so auch auf das Gesundheitswesen. Die älteren Semester werden sich noch gut erinnern an die Krankenschwestern aus Korea und den Philippinen, die man in den 1970er Jahren nach Deutschland „importiert“ hat. Auch unsere Nachbarn, die Österreicher, haben das praktiziert. Dazu beispielsweise dieser im Januar 2017 veröffentlichte Rückblick: Exportschlager: Philippinische Krankenschwestern: »1973 schloss die Stadt Wien mit den Philippinen ein Abkommen ab, um den Zuzug philippinischer Krankenschwestern anzukurbeln. Als das Abkommen 1985 auslief, waren rund 400 Krankenschwestern nach Österreich gekommen.«
Und dem Artikel Helfende Hand aus Fernost aus dem Jahr 2012 konnte man mit Blick auf Deutschland entnehmen: »Es mangelte an Fachkräften in den deutschen Kliniken der 70er Jahre. Um gut ausgebildete junge Menschen nach Deutschland bringen zu können, vergab die Bundesregierung unter Willy Brandt über 3.000 meist dreijährige Arbeitsverträge an philippinische Krankenschwestern. In kleinen Gruppen kamen sie, mutige Frauen, die Deutschland mit großen Hoffnungen und dem Wunsch nach etwas Wohlstand betraten. Doch ihr Beruf, der auf den Philippinen hoch angesehen ist, gestaltete sich in Deutschland sehr viel anders.«
In dem Artikel wird über Virginia Böhm berichtet, sie war eine der ersten philippinischen Krankenschwestern, die in den 1970er Jahren nach Oberhausen kamen. Und man kann (und sollte) aus ihrem Rückblick eine Menge lernen für die aktuelle Debatte:
»Immer mehr Patienten mussten in immer kürzerer Zeit versorgt werden. Während auf den Philippinen viel Zeit für jeden einzelnen Patienten aufgebracht wurde, sei sie in Deutschland auf „Arbeit am laufenden Band“ getroffen. Viele der Frauen kehrten zurück in ihre Heimat, auch Virginia Böhm wollte das Handtuch werfen. Dann lernte sie ihren Mann Norbert kennen, die beiden gründeten eine Familie. Heute leben nur noch zwölf der 24 Philippinerinnen in Deutschland.
1994 hat Böhm das Krankenhaus verlassen, arbeitete zehn Jahre in der Altenpflege, vor sechs Jahren machte sie einen Schnitt. „Die Arbeitsbelastung in diesem Beruf ist enorm. Die Bedingungen müssen dringend verbessert werden“, sagt sie.«
Und Anfang der 1990er Jahre gab es auch eine Diskussion über den Pflegenotstand und deutschen Krankenhäusern – und wieder die Hoffnung, mit ausländischen Pflegekräften könne man das Problem lösen. Diesmal wurden die Blicke der Begehrlichkeit auf Osteuropa gerichtet. Aber sehr schnell wurde auch über die andere Seite der Medaille berichtet: »Können billige Pflegekräfte aus Osteuropa die Krankenhäuser entlasten? Die Erfahrung zeigt: Sie bringen mehr Probleme als Hilfe«, so der SPIEGEL in einem Artikel aus dem Jahr 1993.
Und wer erinnert sich nicht an die massiven Verwerfungen im Kontext der „Euro-Krise“ nach 2010, in deren Gefolge die Begehrlichkeiten der Krankenhausmanager auf Pflegefachkräfte aus den südeuropäischen Krisenländern gerichtet wurde. Manche Anwerbereise hat nach Spanien geführt und so einige Fachkräfte wurden dann auch nach Deutschland gelockt. Aber auch hier sollte man nüchtern bilanzieren. Dazu beispielsweise dieser Beitrag des Deutschlandfunks schon aus dem Jahr 2013 über spanische Pflegekräfte in Deutschland: Erfahrungen einer Spanierin – „Krankenpfleger sind in Deutschland Hilfskräfte“: »Die ersten von ihnen kehren jetzt wieder zurück. Sie sind entsetzt über die Verhältnisse an deutschen Krankenhäusern.«
Man könnte das jetzt noch lange fortführen – aber es soll genügen und nur der realistischen Einstimmung auf das eigentlich hier aufzurufende Thema dienen, das im Lichte des Rückblicks dem Motto „same procedure“ in Zeiten des Pflegenotstands folgt: Spahn will Personalmangel mit ausländischen Pflegekräften lösen, so einer der vielen Meldungen, die in diesen Tagen durch die Medien wabern und den Blutdruck zahlreicher Pflegekräfte erneut nach oben treibt. Schauen wir in einem ersten Schritt auf die Quelle für diese Meldungen.
Die findet man in einem Interview des neuen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) mit der „Rheinischen Post“. Und die hat das Gespräch mit sicherem Gespür für Resonanz bei anderen unter diese Überschrift gestellt: Jens Spahn will Pflegekräfte aus dem Ausland holen. Hat ja auch geklappt, alle anderen sind darauf angesprungen. Dabei geht es bei dem Interview um viele Themen, die befragende Redakteurin Eva Quadbeck schafft es sogar, dem Bundesgesundheitsminister eine Stellungsnahem zur „Islam-Debatte“ zu entlocken. Das so drängende Thema Pflege, hier vor allem die Personalnot in der Altenpflege, ist nur ein kleiner Aspekt unter vielen. Was genau aber sagt der Minister dazu?
Die Frage lautet: „Wann werden Pflegebedürftige in Heimen und Kliniken spüren, dass es Verbesserungen beim Personal gibt?“ Seine Antwort (und für alle Nicht-Insider – die von ihm genannten Zahlen beziehen sich nur auf den Altenpflege-Bereich):
»Wir brauchen für die Pflegekräfte dringend Entlastung. Daher werde ich das Gesetz für 8000 zusätzliche Pflegestellen bald in das Kabinett einbringen. Die größte Herausforderung wird es werden, diese Arbeitskräfte dann auch tatsächlich zu finden. Wir haben schon heute 17.000 offene Stellen. Wir werden intensiv dafür werben, dass ausgebildete Pflegekräfte, die aus diesem Beruf ausgeschieden sind, zurückkommen. Zudem müssen wir die Ausbildungskapazitäten weiter hochfahren und den Beruf attraktiver machen, etwa durch flächendeckende Tarifbezahlung.«
Wo sind da jetzt die Ausländer? Da muss die fragende Redakteurin erst mal nachlegen, damit das nicht verloren geht: Frage: „Warum holen Sie nicht mehr Fachkräfte aus dem Ausland?“ Man kann hier nur spekulieren: Vielleicht wollte sie gezielt eine schöne Headline für das Interview generieren, womöglich aber verbirgt sich hinter der Fragestellung auch eine in unserem Land immer noch weit verbreitete Hybris, als ob unzählige Fachkräfte nur darauf warten, nach Deutschland kommen zu dürfen, um hier das Pflegesystem am Laufen zu halten. Dem ist schon länger nicht so und es fällt vielen schwer, zu akzeptieren, dass Deutschland bzw. die Arbeitsbedingungen hier eine zunehmend abschreckende Wirkung ausüben. Hier die Antwort des neuen Ministers:
»Auch das werden wir ergänzend tun. Pflegekräfte aus unseren Nachbarländern einzuladen, ist die nächstliegende Option. Innerhalb der EU gibt es die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Bei der Anerkennung von Abschlüssen für Pflegekräfte und Ärzte müssen wir allerdings noch schneller werden. Manchmal sind Ärzte und Pflegekräfte über Monate, teils sogar über Jahre im Land und können nicht loslegen, weil das Verfahren zur Anerkennung sich so zieht. Selbstverständlich muss die ausländische Qualifikation gleichwertig mit der deutschen sein, das gehört gründlich geprüft. Wir sollten aber mit den Bundesländern die Überprüfungen deutlich beschleunigen.«
Zum einen wird im Originaltext erkennbar, dass Jens Spahn die eher zurückhaltende Textbaustein-Formulierungskunst, die man aus der Regierungsrolle kennt, zu verinnerlichen beginnt (was möglicherweise mit erklären kann, dass er bei Themen, für die er nicht zuständig ist, wie Hartz IV oder dem Islam, umso deutlicher vom Leder zieht), zum anderen ist der Aspekt der ausländischen Pflegekräfte als Lösungsansatz mehr als vorsichtig und erst auf Nachfrage formuliert. Denn auch Spahn sollte mittlerweile wissen, dass dieser Weg keine wirkliche Lösung des eklatanten Pflegepersonalnotstands darstellt, weil ein realistisch erreichbarer Arbeitskräfteimport nur einen sehr überschaubaren Entlastungseffekt zur Folge haben wird.
Die strukturell bedingte Hilflosigkeit wird auch an dem bereits bekannten, oft zitierten Textbaustein mit der schnelleren Anerkennung der ausländischen Abschlüsse sowohl in Pflege wie auch bei den Ärzten erkennbar. Hört sich vernünftig an, verspricht aber mehr, als es halten kann. Denn das strukturelle Dilemma, das hier zu benennen ist, bezieht sich auf einen Aspekt, der jenseits der formalen Gleichwertigkeit von Abschlüssen liegt. Jeder Leser kann sich das an sich selbst nachvollziehen. Selbst wenn man eine profunde Qualifikation hat und auf dem Stand der Dinge ist – man stelle sich einmal vor, man würde nach Schweden, Polen oder selbst nach Großbritannien gehen und soll dort in seinem Beruf arbeiten. Die meisten von uns, auch die qualifikatorisch sehr gut gerüsteten Exemplare, würden an der Sprachbarriere scheitern. Und viele hätten enorme Schwierigkeiten, eine fremde Sprache nicht nur zu erlernen, sondern diese im Berufsalltag auch einsetzen zu können. Es würde zumindest ziemlich lange dauern.
Und wir sprechen hier über die Pflege kranker und alter Menschen. Über Ärzte, die Diagnosen stellen sollen und Behandlungen erklären müssen. Die wie Pflegekräfte mit den Patienten kommunizieren sollen. Die von ihnen verstanden werden sollen. Die Sprachbarriere ist eine gewaltige und eben nur begrenzt aufhebbare Hürde. Hinzu kommen auch unverzichtbare fachliche Voraussetzungen, die man eben nicht beliebig absenken kann (was aber eine an sich zwingende Konsequenz wäre, wenn man dem Ziel einer Beschleunigung der und vor allem mehr Abschlussanerkennungen folgen würde). Dazu: »Ärzte, die aus Drittstaaten stammen und in Deutschland ärztlich tätig sein wollen, müssen ihre medizinischen Kenntnisse bei den Kammern nachweisen. Und da hapert es gewaltig«, berichtet Anke Thomas in ihrem Artikel Fast jeder zweite besteht Prüfung nicht. Immer mehr Ärzte aus Syrien, Rumänien, Serbien, der Ukraine, Russland und Aserbaidschan wollen in Deutschland Fuß fassen und ärztlich tätig werden. Das sind die Länder, aus denen die größten Zuwachsraten zu verzeichnen sind.
»Um zu zeigen, dass die Erhebung einer Anamnese, die Diagnosestellung oder das Schreiben eines Arztbriefes keine sprachlichen Probleme bereiten, müssen die Anwärter für die Tätigkeit in Deutschland eine Sprachprüfung absolvieren und außerdem auch ihre medizinischen Kenntnisse unter Beweis stellen.
Laut einem aktuellen Bericht des MDR, der bei verschiedenen Ärztekammern nachgefragt hat, scheitern viele Ärzte an den Prüfungen. Die Durchfallquote bei den verpflichtenden Sprach- und Medizinprüfungen betrage im ersten Versuch mehr als 50 Prozent. Allerdings können diese Versuche beliebig oft wiederholt werden.«
Und „natürlich“ erfolgen diese Prüfungen nicht etwa einheitlich, sondern sie sind Ländersache und variieren teilweise erheblich. Mit bedenklichen Streuungsbreiten – Beispiel Sprachtests bei Medizinern: »Während in Rheinland-Pfalz ein Sprachniveau von C1 geprüft werde, gäben sich andere Länder beziehungsweise Kammern teilweise noch mit einem niedrigeren Sprachniveau zufrieden.« Schon C1 wäre kritisch zu diskutieren.
Und wenn wir eine ehrliche Diskussion führen würden, dann müsste man darauf hinweisen, dass wir tagtäglich unzählige Pflege- und vor allem Behandlungsfehler haben, weil es bei einem Teil der Beschäftigten enorme Sprachprobleme gibt. Aber man ist ja schon dankbar über jeden, der die lichten Reihen wieder auffüllt.
Und damit da keine Missverständnisse aufkommen – bereits heute sind die ausländische Pflegekräfte und Ärzte (vor allem aus Osteuropa) eine Stütze in den Systemen, ohne die diese erhebliche Probleme bekommen würden. Mehr als 30.000 ausländische Ärzte sind hier bei uns berufstätig, in vielen Krankenhäusern würde der Normalbetrieb zusammenbrechen, wenn die Ärztinnen und Ärzte aus Rumänien und Bulgarien ihre Koffer packen und in die Länder zurückgehen würden, die sie übrigens ausgebildet haben und die unter erheblichen Versorgungsproblemen leiden, weil ihre Fachkräfte angesichts der Wohlstandskluft individuell auch verständlich im Ausland ihr Glück suchen, aber in den Heimatländern Riesen-Lücken gerissen haben.
Und zur Altenpflege: Die Pflegepolitik kann nur jeden Tag jubilieren, dass mehr als 70 Prozent der Pflegebedürftigen eben nicht in Heimen, sondern zu Hause gepflegt und versorgt werden. Von pflegenden Angehörigen, oftmals unterstützt oder überwiegend mit Hilfe von „Haushaltshilfen“ und Pflegekräften aus osteuropäischen Ländern, die in den Haushalten der Pflegebedürftigen leben. Wenn die mit einem Schlag nicht mehr kommen, dann würde es hier aber zappenduster aussehen in unserem Land. Und das Deutschland immer weniger attraktiv ist für die Pendelmigration, die bisher den Nachschub geliefert hat für die schon große und angesichts der demografischen Entwicklung weiter ansteigende Nachfrage, darauf weisen die neueren Berichte von dieser Pflegefront hin. „Die Polin“, über die in den vergangenen Jahren immer berichtet wurde, ist schon tendenziell ein Auslaufmodell für die Familien, die sich zunehmend weiter ostwärts umschauen und rekrutieren müssen, um noch jemanden zu finden.
Fazit: Die seit langem bekannte und immer wieder reanimierte Hoffnung, über den Griff ins Ausland unsere Personalprobleme lösen zu können, wird genau so funktionieren wie in den zurückliegenden Jahrzehnten. Also gar nicht. Allenfalls eine punktuelle Entlastung wird es geben können für das eine oder andere Krankenhaus oder das eine oder andere Pflegeheim. Aber man sollte das als Nebenzweig eines vielgestaltigen Lösungsbaums verstehen, in dessem Zentrum die deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege hier bei uns stehen muss.
Übrigens – dass es die Arbeitsbedingungen sind, die einen gewichtigen Einfluss darauf haben, ob es a) genügend Nachwuchskräfte für die Pflege geben wird und b) ob und wie lange die Pflegekräfte im Beruf bleiben, ist nun wahrlich keine neue Erkenntnis.
Dieser Beitrag wurde begonnen mit Zitaten aus einem SPIEGEL-Artikel aus dem Jahr 1963: Der weiße Alptraum. Und der begann mit dem Beispiel eines eklatanten Schwesternmangels damals in den Freiburger Universitätskliniken – zugleich könnten Pflegekräfte an den Ausführungen damals durchaus einiges für heute lernen:
»An einem einzigen Tage teilten 39 Krankenschwestern dem Verwaltungschef der Freiburger Universitätskliniken mit, daß sie aus „persönlichen Gründen“ den Dienst zum nächstmöglichen Termin kündigen wollten … Die vom weißen Alptraum bedrückte Klinikverwaltung funkte SOS. In Freiburger Zeitungen bat sie alle, „die etwas von Krankenpflege verstehen“, um Not-Hilfe. Hausfrauen, Lehrmädchen, Schülerinnen und Studentinnen wurden gebeten, wenigstens einen Monat lang täglich je sechs Stunden Hilfsdienste zu leisten … Die Helferinnen aus Küchen, Schulstuben und Hörsälen blieben aus. Statt dessen regten die öffentlichen Notrufe zahlreiche weitere Schwestern an, wie ihre Kolleginnen den Dienst in Freiburg zu quittieren.«
In dem Artikel aus dem Jahr 1963 wurden zahlreiche Lösungsvorschläge für den damaligen Pflegenotstand in den Krankenhäusern diskutiert. Mit einem davon soll dieser Beitrag zu einem mehr als ernsten Thema scheinbar ironisch, vielleicht auch zynisch verstanden beendet werden – gleichsam eine Hommage an die konzeptionellen Ergüsse der Betriebswirtschaftslehre, die sich dem Teufel einer Effizienzsteigerung verschrieben hat, die Ideen zur Welt bringt, auf die nur Sesselfurzer kommen können:
»Wenn gelegentlich Gesundheitsbeamte aus ihrer Ruhe aufgeschreckt werden, fallen ihnen mitunter zwar originelle, aber kaum praktikable Auswege ein.
So erwog die Gesundheitsabteilung des Stuttgarter Innenministeriums, Kranke durch Kranke pflegen zu lassen: Die Klinikverwaltungen sollten ermächtigt werden, nach dem arbeitstherapeutischen Rezept mancher Heil- und Pflegeanstalten zu verfahren und nichtbettlägerige Patienten als Hilfspersonal heranzuziehen. Als Lohn wollte man den kranken Krankenhelfern Nachlässe bei der Klinikrechnung gewähren. Nur buchhalterische Schwierigkeiten verhinderten dieses schwäbische Experiment.«
Mit Blick auf die gegenwärtige Situation in den Kliniken müsste man aktualisieren – ein solcher Ansatz würde heute schlichtweg daran scheitern müssen, dass es aufgrund der Effizienzpeitsche im Gefolge des fallpauschalierenden Vergütungssystems in den Betten der Krankenhäuser (Stichwort: „blutige Entlassungen“) heute nur noch Patienten gibt, die schwer bettlägerig und pflegeintensiv sind, also nun wirklich nicht mit anpacken könnten.
Natürlich könnte man 2018 auf die Idee kommen, dann doch die Angehörigen der Patienten stärker in die Pflicht zu nehmen (Essensversorgung, Bettwäsche usw.), aber wir wollen hier der Bundesregierung ja nicht die Arbeit abnehmen …