32-Stunden-Woche für Vater und Mutter mit Kita neben dem Feldlazarett irgendwo im Teilzeit-Auslandseinsatz? Skurriles und Sinnvolles, das obligatorische Fragezeichen und die eigentliche Systemfrage

Ursula von der Leyen (CDU) will die Bundeswehr zum familienfreundlichen Arbeitgeber umbauen. Das Thema liegt ihr, so Christian Tretbar in seinem Artikel „Dienen zwischen Kita und Kaserne„. Auf alle Fälle hat sie wieder einmal die mediale Aufmerksamkeit erregen können. Sie hat das mit der ihr eigenen Verve vorgetragen, so dass man zu dem Eindruck getrieben werden konnte, Deutschlands Freiheit wird in der Marine-Kita verteidigt. Und das sie die Bundeswehr zu „einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland“ machen will, ist irgendwie konsequent, darunter macht sie es offenbar nicht. Um die Vereinbarkeit von Dienst und Familie zu verbessern, sollten Teilzeitmöglichkeiten wie eine Drei- oder Viertagewoche sowie Lebensarbeitszeitkonten eingeführt werden, so die Vision der neuen obersten Soldatenfrau. Außerdem sollen Tagesmütter in Kasernen stärker zum Einsatz kommen. Wenn es nur das wäre. Aber sie agiert nicht allein, was neue „familienpolitische“ Vorschläge angeht. Die Bühne betritt die neue Bundesfamilienministerin. Und die darf gleich gehörig Lehrgeld bezahlen. Die Luft in Berlin ist eben sehr bleihaltig, wie mancher aus der (hier durchaus positiv gemeint) Provinz stammende Politiker bereits schmerzhaft zu spüren bekommen hat.

Während Ursula von der Leyen sich erneut zumindest in den Medien typgerecht platzieren konnte, lief zeitgleich ein ganz anderer Film ab: Das Zurechtstutzen eines Kabinettsfrischlings namens Manuela Schwesig (SPD), die als neue Bundesfamilienministerin in die Fußstapfen der Vor-Vorgängering von der Leyen zu treten versucht – ebenfalls mit einem modern daherkommenden Vorschlag, der aber – anders als die Visionen der neuen Soldatenministerin – sofort zerrissen wurde und die nach kürzester Zeit vom Bannstrahl der Kanzlerin getroffen wurde, die über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten ließ: „Ministerin Schwesig hat da einen persönlichen Debattenbeitrag gemacht. Sie selber spricht ja von ihrer Vision“. Wenn man bedenkt, dass Helmut Schmidt im Kollektivgedächtnis der Deutschen nicht nur als qualmende Dauerprovokation der Medizin verankert ist, sondern auch als derjenige, der diejenigen, die Visionen haben, den Gang zum Arzt, respektive zum Psychiater nahegelegt hat, dann wird die Bloßstellung deutlich. Aber was läuft hier eigentlich gerade wirklich ab? Die eine wird gefeiert für – übrigens seit langem vorgetragene – Forderungen nach einer Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der „Mitarbeiter“ einer Armee, die seit längerem im Modus des Durcheinanderseins funktionieren muss/soll, die andere greift neuere Vorschläge aus der Fachdiskussion auf und wird dafür fast skalpiert, zumindest aber als reichlich naiv etikettiert, was in der Politik (und in weiten Teilen der Medien) von der Wirkungsseite vergleichbar ist.

Zuerst einige Worte zum Beitrag der Bundesverteidigungsministerin. Sie greift ein grundsätzliches und seit längerem diskutiertes Problem auf, das Christian Tretbar in seinem Artikel so beschreibt: »Die Auslandseinsätze, die häufigen Ortswechsel und die Betreuungssituation machen die Bundeswehr so unattraktiv für Familien. Wer in der Bundeswehr Karriere machen will, muss damit leben, häufig zu wechseln: die Position aber auch den Ort. Und das ist für Familien eine Belastung, da Kinder die Schule und die Ehefrau oder der Ehemann auch die Arbeit wechseln müssten.«  Immer wieder hat der Bundeswehrverband und auch der Wehrbeauftragte des Bundestages auf die Probleme hingewiesen – man vertiefe sich bei Bedarf nur in den aktuellen „Jahresbericht 2012“ des Wehrbeauftragten. Dessen Ausführungen zum Themenfeld „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“ tragen ab der Seite 23 ein eigenes Kapitel zum Jahresbericht bei, noch vor den Folgethemen „Frauen in den Streitkräften“ und „Sexuelle Übergriffe“. „Es kann nicht hingenommen werden, wenn ein Soldat mit zwei einzuschulenden Kindern Ende Juli noch nicht weiß, wohin er zum 1. Oktober versetzt wird“, schreibt der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. Das Thema Schulwechsel spiele eine große Rolle, da vor allem das föderale Schulsystem nicht passend sei für die von Bundeswehrangehörigen eingeforderte hohe Mobilität. Insofern stehen die mit Kindern beladenen Beschäftigten der Bundeswehr stellvertretend für die Probleme vieler Arbeitnehmer, aufgrund der Besonderheiten beim Militär ist allerdings diese Belastung sicher überdurchschnittlich.

Man muss diese nun in den Vordergrund geschobene Debatte über einen Aspekt der Arbeitsbedingungen in der Bundeswehr sehen vor dem Hintergrund des tiefgreifenden Umbaus dieser Institution, vor allem seit dem Wegfall der Wehrpflicht, denn seitdem muss sich die Bundeswehr auf dem „normalen“ Arbeits- und Ausbildungsmarkt ausschließlich um Freiwillige bemühen – während aber ihr bisheriges Geschäftsmodell weitgehend in sich zusammengebrochen ist. Weite Teile der tradierten Ausbildungsstrukturen basierten auf dem Zwangscharakter einer Wehrpflichtigenarmee, die nunmehr, des zwangsläufigen Nachschubs beraubt, neue, normale Wege der Rekrutierung und „Personalentwicklung“ gehen muss. Insofern handelt es sich einerseits aus der Perspektive der Gesamtwirtschaft um eine Art „nachholende Modernisierung“ (und es wäre für die konkreten Lebensbedingungen der Soldatinnen und Soldaten schon viel gewonnen, wenn man da ein paar Schritte weiter kommt, was einen aber keineswegs absehbar zu „Deutschlands attraktivsten Arbeitgeber“ machen wird und das auch nicht leisten kann), anderseits aber kann man die ausgeprägten Besonderheiten des Arbeitgebers Militär doch nicht einfach negieren und mit den „normalen“ Unternehmen eine falsche Referenzgröße wählen. Anders ausgedrückt: Wenn die Soldaten sich im Auslandseinsatz befinden, dann werden gut gemeinte Konzepte einer Drei- oder Viertagewoche schlichtweg hinfällig. Und wenn die personelle Kontraktion der Bundeswehr weiter fortgeschrieben wird, dann müssen sich die Auslandseinsätze gerade der Spezialisten immer weiter ausdehnen. Und schlussendlich: Ankündigen kann man viel, aber die von der Ministerin aufgekochten Maßnahmen sind nicht billig und noch ist meines Wissens der Verteidigungshaushalt nicht mit den erforderlichen Mitteln bestückt. Man wird abwarten müssen, ob die neue Ministerin da was erreichen kann und den Worten Taten folgen lassen wird.

Deshalb richten wir jetzt den Blick auf den Ansatz der neuen Bundesfamilienministerin Schwesig. Eine Zusammenfassung des Vorschlags und der ersten Reaktionen darauf liefert uns beispielsweise der Artikel „Was die „Vision“ der Ministerin für Familien bedeuten würde„. Acht Stunden mehr Zeit sollen Eltern für den Nachwuchs haben – zumindest in den ersten drei Lebensjahren der Kinder. Um das zu erreichen, hat Manuela Schwesig den Vorschlag einer verkürzten Wochenarbeitszeit für Eltern in die Arena geworfen. Bei berufstätigen Paaren sollen beide Elternteile statt einer 40-Stunden-Woche eine kürzere „Familienarbeitszeit“ von zum Beispiel 32 Stunden als Regelarbeitszeit vereinbaren können. Die Besonderheit liegt auf dem Wort „beide Elternteile“, also angestrebt wird hier ein gemeinsames und hinsichtlich der regulären Arbeitszeit synchronisiertes und gleichverteiltes Arbeitszeitarrangement von Mutter und Vater. Bei solchen Forderungen nach einer Arbeitszeitreduktion kommt natürlich und verständlicherweise zum einen die Frage, wie denn dann die Einkommenseinbußen durch die niedrigere Vergütung kompensiert werden können bzw. ob man diese als Haushalt wegstecken kann. Die finanziellen Einbußen, so die Zielsetzung der Ministerin, sollen verkraftbar sein bzw. sie sollen ausgeglichen werden. »Schwesig spricht von einem Partnerschaftsbonus und davon, dass „ein Teil des Lohnausfalls“ aus Steuermitteln erstattet werden könnte. Das heißt, der Staat soll einspringen.«

Nun hat Frau Schleswig hier kein eigenes Konzept in die Welt gesetzt, sondern sie bedient sich hier aus den Vorschlägen einer Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin im Auftrag der SPD- und gewerkschaftsnahen Friedrich-Ebert-Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung angefertigt hat. Hier erst einmal das Original-Material:

Kai-Uwe Müller, Michael Neumann und Katharina Wrohlich (2013a): Familienarbeitszeit – Wirkungen und Kosten einer Lohnersatzleistung bei reduzierter Vollzeitbeschäftigung, Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, 2013

sowie

Kai-Uwe Müller, Michael Neumann und Katharina Wrohlich (2013b): Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine neue Lohnersatzleistung bei Familienarbeitszeit, in: DIW Wochenbericht, Nr. 46/2013

Quelle:  Müller/Neumann/Wrohlich (2013b), Tabelle 2, S.9

Wie wird hier argumentiert? Ein Großteil der Eltern wünscht sich eine gleichmäßigere Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit (zumindest auf der Ebene der Befragungen). Finanzielle Gründe sprechen aber häufig für ein klassisches Ein- oder Eineinhalb-Verdiener-Modell. Aus diesem bekannten Dilemma will man ausbrechen mit dem Modell einer neuen familienpolitischen Lohnersatzleistung bei Familienarbeitszeit.

Derzeit wählen nur rund 1 % aller Paare mit Kindern im Alter von ein bis drei Jahren eine Arbeitszeitkombination, in der beide Elternteile 80 Prozent einer Vollzeit-Tätigkeit nachgehen. Viel häufiger vertreten sind das Alleinverdiener-Modell (39 %) und das 1,5­-Verdiener­-Modell (35 %). Bei Alleinerziehenden liegt der Anteil der Mütter, die 80 Prozent einer Vollzeit-Tätigkeit nachgehen, bei rund 10 %.

Die neue Lohnersatzleistung sollen Eltern von Kindern im Alter zwischen ein und drei Jahren im Anschluss an das Elterngeld erhalten können, wenn beide Partner sich für eine sogenannte reduzierte Vollzeit-Erwerbstätigkeit entscheiden. Damit ist eine Arbeitszeit in Höhe von etwa 80 Prozent einer Vollzeit-Stelle gemeint, was einer Wochenarbeitszeit von 32 Stunden entspricht. Der finanzielle Zuschuss soll sich dabei am Nettoeinkommen der Eltern orientieren und für kleinere Einkommen prozentual größer ausfallen als für höhere, so Müller, Neumann und Wrohlich (2013a und b) in ihrer Modellbeschreibung. 

Um es an dieser Stelle zuzuspitzen: Mit diesem Modell adressieren die Wissenschaftler ein Kardinalproblem hinsichtlich des gegebenen Geschlechterarrangements auf dem Arbeitsmarkt, das sich dergestalt ausprägt, dass der Rückzug auf Teilzeitarbeit fast ausschließlich ein Tatbestand ist, der bei den Frauen/Müttern zu verbuchen ist. Die Ursachen sind vielfältig, die drei wichtigsten: Das Ehegattensplit­ting, die beitragsfreie Mitversicherung für Ehepartner in der gesetzlichen Krankenversicherung und die Minijobs. Sie bieten vor allem den Frauen einen finanziellen Anreiz dafür, zumindest zeitweise aus dem Job auszusteigen oder aber ihre Arbeitszeit dauerhaft zu reduzieren, was letztendlich das Einverdiener- bzw. Zuverdienst-Modell stabilisiert, so auch Katja Tichomirowa in ihrem Beitrag „Was für Schwesigs Vorschlag spricht„. Damit aber wird das „Risiko“ Teilzeitarbeit aus der Sicht einiger (und nicht weniger) Arbeitgeber verknüpft mit dem „Risikoträger“ Frauen, denn fast ausschließlich bei diesen muss man mit der Realisierung eines Teilzeitwunsches rechnen.

  • Dazu passen die neuen Befunde einer Befragungsstudie von Vätern, die das Forsa-Institut im Auftrag der Zeitschrift „Eltern“ durchgeführt hat: Die Studie im Original kann man hier abrufen: Forsa (2013): Meinungen und Einstellungen der Väter in Deutschland, Berlin sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse hier auf der Website der Zeitschrift „Eltern“: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Väter 2014: »Sie wollen nicht mehr außen vor sein, sondern mitten drin im Familienalltag. Sie haben klare Vorstellungen davon, was einen guten Vater ausmacht. Sie wickeln, schmusen, helfen im Haushalt – und bleiben doch die Vollzeit-Ernährer.« Die Studienautoren sprechen von einer „großen Widersprüchlichkeit“: Männer schwanken zwischen Ernährer- und Vaterrolle: Sie wollen Zeit mit ihrem Kind verbringen, scheuen aber Teilzeitarbeit: Väter sind einer Studie zufolge innerlich gespalten. »Zwar hätten 43 Prozent der berufstätigen Väter gern mehr Zeit für die Familie, ergab die Umfrage. Zugleich sei aber die Mehrheit von ihnen nicht bereit, in Teilzeit zu arbeiten: Neun von zehn Vätern (89 Prozent) sind demnach in Vollzeit tätig und zwei Drittel der abhängig Beschäftigten wollen das auch so. Nur vier Prozent der Befragten arbeiteten in Teilzeit und nur ein Drittel würde gern in Teilzeit arbeiten.«

Insofern – man muss es so deutlich formulieren – wird hier quasi die Systemfrage aufgerufen: Erst wenn es für die Arbeitgeber kein besonderes „Risiko“ der Frauen ist, dass diese bei der Arbeitszeit reduzieren, wenn Kinder das Licht der Welt erblicken, sondern wenn dieses „Risiko“ gleichverteilt ist zwischen den Geschlechtern, erst dann würden die Unternehmen das Thema nicht mehr zu einem Frauenthema reduzieren (können). Allein dieser Aspekt verdient es, dass man das Modell offen und unaufgeregt diskutieren sollte.

Aber gerade wenn man das Modell mit der neuen Leistung umsetzen wollte, ergeben sich zahlreiche Fragezeichen, die man an diesen Vorschlag kleben muss, hier nur drei zur Auswahl:

  • Schauen wir beispielsweise nur in die Bilanzierung der Studienverfasser, was die vermuteten Auswirkungen der neuen teilkompensatorischen Geldleistung angeht – und die ist mehr als ernüchternd: »Die Studie zeigt, dass sich der Anteil der Familien, in denen beide Elternteile einer solchen reduzierten Vollzeit-Beschäftigung nachgehen, ausgehend von derzeit einem Prozent nahezu verdoppeln könnte« (Müller/Neumann/Wrohlich 2013: 3). Nur zur Einordnung dieser Aussage: Derzeit wählen nur rund 1 % aller Paare mit Kindern im Alter von ein bis drei Jahren eine Arbeitszeitkombination, in der beide Elternteile 80 Prozent einer Vollzeit-Tätigkeit nachgehen. Die Wissenschaftler schätzen mithin bei der Umsetzung ihres Ansatzes eine Verdoppelung – auf 2%!
  • Viele Arbeitnehmer sind ja nicht blöd: Sie wissen aus ihrer Anschauung und Erleben der Arbeitswelt, dass eine formale Reduktion der Arbeitszeit (die einhergehen würde mit einer Einkommensreduzierung, die selbst von der vorgeschlagenen Teil-Kompensation auf der Ausfallseite nur anteilig ausgeglichen wird) nicht zwingend auch eine tatsächliche Verringerung der Arbeitsbelastung im gleichen Umfang bedeutet. Denn auf der anderen Seite der Bilanz steht eine betriebliche Realität für immer mehr Arbeitnehmer, die auf eine stundengenaue Abgrenzung der Arbeitszeit keine Rücksicht nimmt und zuweilen auch nicht nehmen kann, sondern da werden die Beschäftigten konfrontiert mit einer Erwartungshaltung des Arbeitgebers bzw. der Aufträge, so dass man unbezahlte Mehrarbeit macht. Das ist auch ein bekanntes Ergebnis der Teilzeitarbeitsforschung.
  • Schlussendlich muss man natürlich als Sozialpolitiker darauf hinweisen, dass eine solche Reduktion der Arbeitszeit immer zu Komplikationen führen kann und wird bei der späteren Rente, denn deren Ausgestaltung hat immer noch das „male-breadwinner-Modell“ als Referenzpunkt, also eine 45 jährige Vollzeit-Tätigkeit, die immer mit dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt vergütet wurde, was derzeit eine Brutto-Monatsrente von 1.266,30 Euro zur Folge hätte. Wenn man die damit verbundenen Konsequenzen bei Teilzeitarbeit oder Einkommensreduktion aus der derzeitigen Rentenformel verstanden hat, dann wird sich einem die Anmerkung erschließen, dass ein sicher gut gemeinter Ansatz der Erwerbsarbeitszeitreduktion konfligiert mit einer bislang nicht vorgenommenen Systemveränderung in der Rentenmechanik, die Teilzeitarbeit bislang lediglich als Ergänzung abgeleiteter Ansprüche in den klassischen Familienmodellen abzubilden in der Lage ist.

Kurzum: Eigentlich trifft das Modell einer Lohnersatzleistung, wenn beide die gleiche „kleine Vollzeit“ machen, den Nerv der notwendigen Debatte angesichts der krassen gegebenen und ziemlich beharrlichen Geschlechterarrangements, was die bezahlte Arbeit angeht. Aber ob es wirklich sinnvoll ist, mit einer neuen Geldleistung auf den Markt zu kommen, darüber ließe sich auch engagiert streiten. Wenn man den wirklich wollte.

Entsetzte Arbeitgeber(funktionäre), wenn Sonntagsreden Wirklichkeit zu werden drohen, zugleich aber auch betriebliche Realitäten eigener Art und Frauen, die sich selbst schädigen

So langsam dringend die ersten Ergebnisse aus den Koalitionsverhandlungen an das Licht der Öffentlichkeit. „Union und SPD wollen mehr Teilzeit für Eltern – Arbeitgeber entsetzt„, meldete die Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung kurz und knapp. Was wird da geplant?

Eltern sollen einen Anspruch auf Befristung ihres Teilzeitjobs bekommen. Sie hätten also das Recht, auf Wunsch wieder Vollzeit zu arbeiten. Auch die Elternzeit soll flexibler werden. Konkret geht es um einen Rechtsanspruch auf Befristung der Teilzeit für all diejenigen, die für ihre Kinder oder die Pflege von Angehörigen beruflich kürzer treten, der im Teilzeit- und Befristungsgesetz verankert werden soll.

Der zweite Regelungsbereich betrifft die Elternzeit: »Union und SPD wollen auch die 36 Monate Elternzeit flexibler gestalten. Dafür dürfen künftig auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers 24 statt 12 Monate zwischen dem 3. und dem 14. Lebensjahr (bisher 8. Lebensjahr) des Kindes genommen werden.«
Immer wieder wird in den Sonntagsreden über die notwendige familienfreundliche Gestaltung der Arbeitswelt gesprochen. Mit den beiden genannten Punkten hat man zwei konkrete Veränderungen der bestehenden Rechtslage, die ganz eindeutig die Flexibilität für die Betroffenen erhöhen würde. Aber wie immer im Leben hat eine Medaille zwei Seiten, und was auf der einen Seite die Flexibilität erhöht, führt natürlich auf der anderen Seite zu entsprechenden Einschränkungen.

Insofern verwundert es nicht, dass der oberste Arbeitgeberfunktionär reflexhaft mit dem Poltern beginnt: Der Präsident des BDA, Dieter Hundt, kritisierte die Pläne von Union und SPD scharf. „Ein befristeter allgemeiner Teilzeitanspruch belastet vor allem kleinere und mittlere Unternehmen mit Bürokratie und trägt Unfrieden in die Belegschaft“, so wird er von der Süddeutschen Zeitung zitiert. Und weiter: „Wenn Mitarbeiter immer wieder den Ausfall von Arbeitszeit durch Mehrarbeit ausgleichen müssen, beeinträchtigt dies den Betriebsfrieden. Die Planbarkeit der eigenen Arbeitszeit wird für die nicht in Teilzeit arbeitenden Arbeitnehmer erschwert. Das schafft Konfliktpotenzial innerhalb der Belegschaft und erschwert die Personalplanung in vielen Betrieben“, so Hundt. Schon der heute bestehende Teilzeitanspruch stelle die Unternehmen vor erhebliche Probleme. „Vielfach wird er genutzt, um eine spezielle Verteilung der Arbeitszeit wie etwa die Beschränkung der Tätigkeit auf einige Wochentage oder auf einige Stunden am Vormittag durchzusetzen“, so der Arbeitgeber-Präsident.

Wenn der Arbeitgeber-Funktionär davon spricht, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen bereits heute von den Regelungen in Teilzeit-und Befristungsgesetz belastet sein, was sich dann noch verstärken würde, wenn die neue Regelung greift, dann sollte er doch wissen, dass der Rechtsanspruch auf eine Teilzeitarbeit erst in Unternehmen gilt, die mehr als 15 Beschäftigte haben, mithin die kleinen Betriebe gar nicht betroffen sind. Aber man kann das ja mal so rausposaunen.

Und wir sollten an dieser Stelle auch einmal einen Blick darauf werfen, warum denn überwiegend „natürlich“ Frauen ihre Arbeitszeit reduzieren: In der Mehrheit der Fälle passiert dies nicht, um die eigene Freizeit zu maximieren, sondern weil die Betroffenen Erziehungs- oder Pflegeaufgaben zu tragen haben, die es ihnen nicht ermöglichen, einer vollzeitigen Beschäftigung nachgehen zu können. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, auf den Gerhard Schröder im Deutschlandfunk in seinem Kommentar „Für ein familiengerechtes Betriebsklima“ hinweist:

»Viele allerdings zahlen dafür einen hohen Preis. Denn Teilzeit ist nicht selten mit Karriereknick und schwindenden Aufstiegschancen verbunden. Wer seine Arbeitszeit reduziert, manövriert sich schnell ins Abseits, verdient weniger Geld und bekommt im Alter auch eine geringere Rente. Und das häufig gegen den eigenen Willen.
Viele Frauen – denn über 80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten sind weiblich – können ein Lied davon singen. Einmal Teilzeit, immer Teilzeit – so lautet noch immer die reichlich überholte Devise in vielen Betrieben. So einfach es inzwischen ist, die Arbeitszeit herunter zu fahren, um sich den Kindern oder zu pflegenden Angehörigen zu widmen, so schwierig ist es für viele immer noch, anschließend auf eine Vollzeitstelle zurückzukehren. Teilzeit als Sackgasse in die Armut – so war das eigentlich nicht gedacht.«

So richtig und wichtig die Herausarbeitung der negativen Aspekte für die teilzeitarbeitenden Betroffenen ist: Natürlich gibt es daneben auch eine betriebliche Binnenrationalität, die man durchaus auch verstehen muss, wenn sie dem Anliegen einer weiteren Flexibilisierung skeptisch gegenübersteht. Der Arbeitgeber-Präsident hat dies mit seinem – allerdings unnötig übertriebenen – Hinweis auf einen „Unfrieden in den Belegschaften“ adressiert. Denn natürlich muss es so sein, dass wenn Beschäftigte, die Kinder erziehen oder Angehörige pflegen, ihre Arbeitszeit nicht nur reduzieren dürfen, sondern unter dem Dach der Familienfreundlichkeit und verständlicherweise aus ihrer Position heraus familienfreundliche Arbeitszeiten fordern, was aber bedeutet, dass ganze Zeitblöcke von ihnen eben nicht abgedeckt werden können, dann muss es im Ergebnis dazu kommen, dass beispielsweise kinderlose Arbeitnehmer ein ungünstigeres Zeitkorsett zugewiesen bekommen oder aber auch immer wieder einspringen müssen, wenn beispielsweise durch die Krankheit eines Kindes Ausfallzeiten bei einer Mitarbeiterin und in selteneren Fällen bei einem Mitarbeiter ausgelöst werden. Je nach Ausprägungsgrad kann das durchaus dazu führen, dass sich innerhalb der Belegschaft Spannungen zwischen diesen beiden Gruppen aufbauen, da sich die nicht Teilzeit arbeitenden Beschäftigten möglicherweise benachteiligt fühlen. Und natürlich ist es aus der Perspektive des Arbeitgebers auch so, dass es betriebswirtschaftlich verständlich zuweilen mehr als anstrengend ist, die im Ergebnis oft deutlich eingeschränkte Einsetzbarkeit der mit Erziehungs- und Pflegeaufgaben belasteten Teilzeitbeschäftigten in der Personalplanung befriedigend abbilden zu können, was besonders in Unternehmen zu einem Problem werden kann, die unter erheblichem Termindruck arbeiten müssen und wo es aufgrund der Größe und/oder der personengebundenen Tätigkeiten deutlich weniger Ausweichoptionen gibt.

Letztendlich sind wir hier konfrontiert mit einem nicht auflösbarem Dilemma zwischen den betriebswirtschaftlichen Ansprüchen des Unternehmens und der außerhalb der Unternehmenssphäre angesiedelten Interessen der Arbeitnehmer. Insofern kann jede Regelung nur einen Kompromiss darstellen zwischen diesen beiden auseinanderlaufenden Zielen.

Und wie immer ist es so, das ist ja nicht „die“ Unternehmen gibt, sondern das Spektrum ist hier genauso weit und bunt wie innerhalb der Arbeitnehmerschaft. Bereits heute gibt es nicht wenige Unternehmen, die aus eigenem, wohlverstandenen Interesse ihren Fachkräften möglichst interessante Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie machen. Und viele andere Unternehmen, die sich bislang in diesen Bereichen eher durch Untätigkeit oder Passivität ausgezeichnet haben, werden sich vor dem Hintergrund der Alterung der Belegschaften im Zusammenspiel mit der deutlichen Zunahme der Pflegebedürftigkeit in den Familien der Beschäftigten darauf einstellen müssen, dass in den vor uns liegenden Jahren vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu einer großen Herausforderung werden wird, die man dringend positiv gestalten sollte, was aber nicht über Nacht gelingen wird. Das muss in der betrieblichen Praxis eben auch eingeübt werden.

Aber man muss sich bei allen Verbesserungen, die nun offensichtlich geplant sind, darüber bewusst sein, dass ein Grundproblem damit natürlich nicht gelöst wird, möglicherweise wird es sogar potenziert und nicht nur perpetuiert: Gemeint ist hier die überaus asymmetrische Verteilung der Teilzeitinanspruchnahme zwischen den Geschlechtern, um die beschriebenen familialen Aufgaben zu übernehmen. In dem Artikel „Superwoman will nicht mehr“ weist Heide Oestreich auf die besondere frauenpolitische Dimension des Themas hin:

»Nach der Kinderpause erst mal Teilzeit oder Minijob, ein sanfter Wiedereinstieg, das finden die meisten Mütter in Deutschland, insbesondere im Westen, vernünftig. Doch die Kosten dieses Modells unterschätzen sie oft … Die Zahlen sind desillusionierend: Der individuelle Bruttostundenverdienst von Männern zwischen 30 und 40 beschreibt im Laufe der Jahre eine ziemlich steile Kurve nach oben. Die Frauenlöhne dagegen stagnieren in dieser Zeit der Kinderphase und steigen danach nur noch gering … Die Mütter, die eine Weile ausstiegen, holten die Verdienste der kinderlosen Frauen nicht wieder ein. Mütter, die drei Jahre zuhause bleiben und dann drei Jahre Teilzeit arbeiten, verlieren Geld im Wert einer kleinen Eigentumswohnung: durchschnittlich 200.000 Euro.«

„Das sehen viele Frauen nicht“, so wird Christina Boll vom Hamburger Institut für Weltwirtschaft zitiert. „Sie denken kurzfristig an den Haushalt und nicht langfristig an sich.“

„Abrechnung“ mit einer, die schon weg ist und der Blick in ein unaufgeräumtes Politikfeld: Familienpolitik aus Sicht von Wirtschaftsforschern

Jahrelang wurde im Auftrag der Bundesregierung – schon begonnen von der damaligen Bundesfamilienministerin von der Leyen und fortgeführt von der noch, aber eigentlich schon nicht mehr Ministerin Schröder – von Wissenschaftlern an der Frage herumgedoktert, wie denn die vielen Maßnahmen und Leistungen der Familienpolitik einzuordnen seien, wie man sie zu bewerten hat. Und kurz vor der Wahl wurden dann die Schlussfolgerungen der Bundesregierung aus den vielen daraus entstandenen Studien gezogen und man verkündete der Öffentlichkeit verzückt, dass alles in Ordnung sei in der Familienpolitik und alle relevanten Leistungen irgendwie wirken und ihren Sinn haben. Das wiederum irritierte einen Teil der Wissenschaftler, die sich missverstanden fühlten und nun mit einer Art Gegendarstellung an die Öffentlichkeit getreten sind – nach der Bundestagswahl, was aber nicht per se gegen sie spricht, denn sie haben sich mit Leistungen beschäftigt, die hinsichtlich ihrer Einordnung von einer grundsätzlichen Bedeutung sind.

Die Medien haben das sofort aufgegriffen und in griffige Headlines verpackt – so auf Spiegel Online Lisa Erdmann und Annett Meiritz mit der Überschrift „Experten gegen Kristina Schröder: Fünf Ideen für eine bessere Familienpolitik„. Die beiden sprechen von einem »Tag der Revanche. Mehr als drei Monate haben die Forscher der Institute DIW, Ifo und ZEW darauf gewartet. Nun, kurz vor Ende der schwarz-gelben Koalition, präsentierten die Wirtschaftsforscher ihre Bilanz der Familienpolitik – und die bezeichnen sie an vielen Stellen als verfehlt. Um die Studie hatte es im Sommer Streit gegeben, denn Familienministerin Kristina Schröder hatte bei der Präsentation von Teilen des Gutachtens die Ergebnisse dreist geschönt, zum Teil sogar ins Gegenteil verkehrt.«

Hintergrund der Berichterstattung: Die Wirtschaftsforschungsinstitute DIW, ifo und ZEW haben ihre zentralen Resultate aus der Gesamtevaluation familienbezogener Leistungen vorgestellt. Die Pressemitteilung des DIW dazu ist kompakt überschrieben mit „Lehren aus der Gesamtevaluation der Familienpolitik: Kita-Ausbau und Elterngeld schneiden am besten ab„. Die Wissenschaftler haben die wichtigsten der insgesamt 156 Instrumente der deutschen Familienpolitik im Hinblick auf fünf Ziele untersucht: die Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität der Familien, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die frühe Förderung von Kindern, die Erfüllung von Kinderwünschen und den Nachteilsausgleich zwischen den Familien. Dabei sind sie zu der nicht überraschenden Erkenntnis gekommen, dass die meisten Maßnahmen und Leistungen wenn, dann nur einzelne Ziele adressieren, oftmals andere der genannten Ziele konterkarieren.

So erhöht das Ehegattensplitting für manche Familien kurzfristig zwar das Haushaltseinkommen, ist aber der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht zuträglich. Deutlich besser schneiden die öffentlich finanzierte Kindertagesbetreuung und das Elterngeld ab. Sie verursachen keine oder kaum Zielkonflikte und sollten demzufolge ausgebaut werden, so kann man es in der Pressemitteilung des DIW lesen. Wer die ganze Argumentation nachvollziehen möchte, dem sei dieser Artikel empfohlen:

Holger Bonin, Anita Fichtl, Helmut Rainer, C. Katharina Spieß, Holger Stichnoth, Katharina Wrohlich: Zentrale Resultate der Gesamtevaluation familienbezogener Leistungen, in: DIW Wochenbericht, Heft 40/2013

Erdmann und Meiritz fassen die wichtigsten Punkte in ihrem Beitrag gut zusammen:
Kita-Ausbau hat oberste Priorität; Ganztagsschulen helfen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf; das Elterngeld ist gut, aber reformbedürftig; das Ehegattensplitting muss überarbeitet werden und schlussendlich: höheres Kindergeld ist Quatsch.

Und weiter können wir zu der Sichtweise der Wissenschaftler lesen: »Sie sehen den Schlüssel in einer guten, qualitativ hochwertigen und bezahlbaren Kinderbetreuung. Eine „Steigerung der Betreuungsquote für unter dreijährige Kinder“ bewirke „eine statistisch signifikante Erhöhung der Geburtenrate“, schreiben sie. Auch beim Elterngeld sehen sie entsprechende positive Effekte.« Das richte sich – so die beiden Autoren des Spiegel Online-Artikels – gegen die Position der Noch-Bundesfamilienministerin Schröder, denn die habe den Standpunkt eingenommen: „Ich bin sehr skeptisch, dass man Fertilität mit politischen Maßnahmen steuern kann“. Ohne die scheidende Ministerin hier in Schutz nehmen zu wollen, aber so ganz falsch ist das natürlich nicht. Was sie aber nicht sieht ist die Tatsache, dass im Ergebnis das Zusammenspiel der vielen Signale, die gerade an die (potenziellen) Mütter ausgesendet werden und die handfesten, nicht selten als familien- und vor allem kinderunfreundliche Strukturen die Entscheidungen beeinflussen können. Insofern kann dem Petitum der Wirtschaftsforscher, was beispielsweise den Stellenwert einer möglichst hochwertigen Kindertagesbetreuung angeht, nur zugestimmt werden – wohl aber wissend, dass auch das beste Betreuungsangebot möglicherweise nur eine geringe Auswirkung haben wird auf die „Fertilitätsrate“, was für ein unerotisches Wort. Wenn man beispielsweise berücksichtigt, dass viele Frauen, die zwar einen Kinderwunsch im Grunde äußern, aber keine haben, auf die Frage nach dem Warum an erster Stelle eben nicht fehlende Kinderbetreuung äußern, sondern man habe bislang eben noch keinen Partner gefunden, mit dem man sich das Kinderkriegen vorstellen kann, dann wird klar, dass es sehr schwer sein wird, die Geburtenrate durch irgendwelche Leistungen zu steigern. Auf das gesellschaftliche Klima kommt es an.

Bei aller Sympathie für die Forderungen der Wissenschaftler nach einem Ausbau qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung – sie folgen in ihrer Argumentation einer Philosophie, die man mögen kann, die aber nicht ohne Fragezeichen stehen gelassen werden kann: Ihr Plädoyer lässt sich weitgehend eindampfen auf die Forderung „Infrastruktur statt Geld“. So schreiben die Forscher zum Punkt Kindergeld nicht erhöhen: »Für Kindergeld und Kinderfreibeträge gibt der Staat jährlich fast 40 Milliarden Euro aus. Diese Maßnahmen, so stellen die Forscher fest, tragen zwar erheblich zur finanziellen Stabilität von Familien bei. Junge oder zukünftige Eltern können sich auf insgesamt rund 65.000 Euro freuen, auf die sich Kindergeld oder Kinderfreibetrag im Durchschnitt summieren. Sie bewirken jedoch hauptsächlich einen Einkommenseffekt und erhöhen den Wohlstand vor allem bei Familien im mittleren oder oberen Einkommensbereich.«

Sie erwecken den Anschein bzw. sie zielen darauf, dass man das eine gegen das andere in Stellung bringen könne. Aber was sie kritisieren, sind Umverteilungseffekte von Geldleistungen, die wie das Kindergeld eben nicht einkommensabhängig wie viele andere Leistungen sind. Nur am Rande – das bestehende System produziert verteilungspolitisch die skurrilsten Effekte: Kinder der reichen, dadurch auch viele Steuern zahlende  Oberschicht und oberen Mittelschicht bekommen anteilig gesehen durch das System der Kinderfreibeträge mehr für ihre Kinder als die Mutter an der Kasse eines großen Discounter.

Allerdings – und dafür wird hier geworben – sollte man nun nicht auch wieder das Kind mit dem Bade ausschütten, denn die Formel „Infrastruktur statt Geldleistungen“ ist verkürzt, blendet sie die vielen materiellen Probleme in den Familien im unteren Einkommensbereich zumindest teilweise einfach aus. Sinnvoller wäre die Überlegung, eine Kindergrundsicherung einzuführen, die den materiellen Sorgen vieler älterer Menschen im unteren Einkommensbereich entsprechen könnte, während zugleich die oberen Einkommensgruppen durch die Versteuerung der Kindergrundsicherung bis zum Stand dessen, was sie heute schon an Kinderfreibeträgen bekommen, nicht weiter zusätzliche Geldmittel erhalten würden.