Positive Nachrichten über die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen. Wenn es denn so einfach wäre

Endlich mal gute Nachrichten aus einem Bereich, der höchst kontrovers diskutiert wird – die Integration von Menschen mit Fluchthintergrund, wie das offiziell so heißt. Allen ist klar, dass eine Integration in den Arbeitsmarkt eine wichtige, wenn nicht die zentrale Rolle für eine gelingende Integration spielt. Und zugleich waren die vergangenen Monate vor allem durch zunehmend resignative Berichte hinsichtlich der Beschäftigungsperspektiven für diese Menschen geprägt. Das klappt nicht – dieser Eindruck hat sich in den Köpfen vieler Beobachter festgesetzt (oder verstärkt). Und dann kommen solche Schlagzeilen: Aus Asylländern kommen zahlreiche Fachkräfte oder Flüchtlinge arbeiten als Fachkräfte, um nur zwei von vielen Beispiele zu zitieren. Also doch, wird der eine oder andere denken. Grundlage ist wie so oft bei solchen Meldungen eine „Studie“, in diesem Fall des an den aktuellen Rändern immer sehr umtriebigen arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Deren Botschaft wird dann so unter das Volk gebracht: »60 Prozent der Beschäftigten aus den wichtigsten Asylländern arbeiten in Jobs, die eine Qualifikation erfordern. Besonders unter Afghanen sind viele Fachkräfte.« Oder so: »In Deutschland haben laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft etwa 140.000 Geflüchtete aus den Hauptherkunftsländern einen sozialversicherungspflichtigen Job. Mehr als die Hälfte davon arbeitet als qualifizierte Fachkraft.«

Da hilft immer ein Blick in die Original-Quelle, in diesem Fall also in die von vielen Medien erwähnte „Studie“ des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) – „Studie“ deshalb in Anführungszeichen, weil das IW selbst nicht von einer solchen spricht, sondern eine Auswertung der amtlichen Statistik seitens der BA vorgenommen und diese als „Kurzbericht“ veröffentlicht hat:

Svenja Jambo / Christoph Metzler / Sarah Pierenkemper / Dirk Werner (2017): Mehr als nur Hilfsarbeiter. IW-Kurzberichte 92/2017, Köln: Institut der deutschen Wirtschaft, Dezember 2017

Die Kurzfassung geht so: »Aktuell sind etwa 140.000 Menschen aus den acht Hauptasylherkunftsländern in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Drei Viertel von ihnen arbeiten in kleinen und mittleren Unternehmen. Knapp 60 Prozent sind als qualifizierte Fachkräfte beschäftigt, 40 Prozent in Helfertätigkeiten. Insgesamt zeigen sich erste Beschäftigungserfolge.«

Das wird eine Menge Leute überraschen – ist die bisherige Diskussion doch vor allem dadurch geprägt, dass man den Flüchtlingen gerade aus den außereuropäischen Fluchtländern neben den zwangsläufig vorhandenen Sprachproblemen immer wieder fehlende berufliche Qualifikationen und sogar oftmals gar keine oder nur eine rudimentäre Schulausbildung zugeschrieben hat.

Nicht nur vor diesem Hintergrund ist es hilfreich, sich die präsentierten Zahlen einmal genauer anzuschauen (vor allem, wenn mit Anteilswerten gearbeitet wird) und außerdem etwas zu tun, was man von Wissenschaftlern unbedingt und von Medien eigentlich auch erwarten darf – eine Einordnung der Zahlen in das gesamte Zahlenwerk, damit man beurteilen kann, ob das nun viele oder wenige sind.

Eine kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der IW-Auswertung hat Florian Diekmann auf Spiegel Online vorgelegt: Beschäftigte aus Asylländern: Was hinter der hohen Fachkraftquote steckt. Er beginnt seine Analyse so: »60 Prozent der Beschäftigten aus Asylländern arbeiten in Deutschland als Fachkraft: Das stimmt zwar – sagt aber etwas anderes aus, als es zunächst den Anschein hat.« Der erste Teil stimmt zwar auch nicht ganz, wie wir gleich sehen werden, aber schauen wir uns seine detaillierte Argumentation genauer an – denn er leistet u.a. genau das, was soeben hier eingefordert wurde, also eine Einordnung der Zahlen in den Gesamtkontext (siehe dazu vor allem den Punkt 3):


1. Es geht um „Menschen aus wichtigen Asylländern“, nicht um Flüchtlinge: »Das IW Köln nutzt die offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die erfasst zwar seit kurzem auch den Aufenthaltsstatus, also etwa auch die Information darüber, ob jemand als Schutzsuchender nach Deutschland gekommen ist. Aber eben erst seit kurzem, bis dahin erfasste die BA lediglich die Staatsangehörigkeit – was gesicherte Aussagen über die Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt schwierig macht. Auch die Detaildaten zur Beschäftigung, wie sie das IW Köln nutzt, liegen nur nach Staatsangehörigkeit aufgeschlüsselt vor. Die aktuellen Angaben beziehen sich also nicht ausschließlich auf Flüchtlinge. Sondern auf Menschen, die die Staatsangehörigkeit von acht Ländern besitzen, aus denen auch viele der kürzlich angekommenen Flüchtlinge kommen – konkret: Iran, Irak, Syrien, Eritrea, Somalia, Afghanistan, Nigeria und Pakistan. Das trifft nun aber auch auf viele Menschen zu, die schon sehr lange in Deutschland leben und aus ganz anderen Gründen gekommen sind … Bereits im Januar 2010 hatten rund 52.000 Menschen aus diesen acht Ländern eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Die meisten von ihnen dürften nach wie vor in Deutschland arbeiten – und zählen somit zu den 140.000 Personen, auf die sich die Fachkraft-Quote bezieht.«


2. Die Zahlen sind inzwischen überholt: »Das IW Köln bezieht sich zwar auf die aktuellsten Zahlen der BA – die geben aber den Stand von Ende März 2017 wieder und sind bereits seit Oktober frei zugänglich … Von März bis Juni hat sich aber eine Menge getan, so viel ist jetzt schon klar: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den acht Ländern ist in diesem Zeitraum von 140.000 auf rund 157.000 gestiegen. Im September waren es sogar schon rund 195.000.«


3. Die Zahlen beziehen sich nur auf einen kleinen Teil der betroffenen Personen: »Zwar haben 2017 bemerkenswert viele Menschen aus den acht Asylländern Arbeit gefunden – die große Mehrheit aber ist noch nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt angekommen. Im November galten rund 507.000 aus diesem Personenkreis als arbeitssuchend. 185.000 davon waren offiziell arbeitslos, die übrigen absolvieren derzeit überwiegend Integrations- und Sprachkurse. Der in der IW-Publikation zitierte Anteil der Fachkräfte bezieht sich aber nur auf die rund 140.000 Personen, die Ende März einen Arbeitsplatz hatten. Der Anteil der Fachkräfte an allen Personen im erwerbsfähigen Alter aus diesen Ländern wäre also wesentlich niedriger. Und auch der relativ hohe Anteil an Fachkräften unter denen, die bislang Arbeit gefunden haben, ist wenig überraschend: Erstens zählen eben auch Menschen dazu, die schon lange in Deutschland leben. Zweitens liegt es auf der Hand, dass auch unter denen, die tatsächlich kürzlich als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, die gut Qualifizierten schneller einen Arbeitsplatz finden.«

Das alles sind wichtige Hinweise – warum aber ist auch die Aussage am Anfang des Artikels von Florian Diekmann (»60 Prozent der Beschäftigten aus Asylländern arbeiten in Deutschland als Fachkraft: Das stimmt zwar«) so nicht richtig? Dazu muss man sich diese kritische Aufarbeitung der Zahlen der BA anschauen, die Paul M. Schröder in der von ihm gewohnten Tiefe veröffentlicht hat:

Paul M. Schröder (2017): Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus nichteuropäischen „Asylherkunftsländern“: Medien verbreiten zum Jahresende 2017 falsche Informationen des Institut der deutschen Wirtschaft, Bremen: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe, 29.12.2017


In dieser Veröffentlichung findet man die nebenstehende Tabelle mit einer Aufschlüsselung der Zahlen der Beschäftigten. Schröder weist darauf hin, dass die vom IW berichteten „Knapp 60 Prozent sind als qualifizierte Fachkräfte beschäftigt, 40 Prozent in Helfertätigkeiten“ wurden für die 140.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten offensichtlich so berechnet, dass im Zähler die 14.457 sozialversicherungspflichtigen Auszubildenden als „Fachkräfte“ hinzugerechnet wurden. Wenn man die Azubis richtigerweise ausklammert, dann stellen sich die Daten schon anders dar: Betrachtet man lediglich die 125.010 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ohne Auszubildende, dann ergibt sich eine Fachkraftquote von zusammen 52,2 Prozent.

Und Schröder wirft auch einen genaueren Blick auf die Entwicklung in den Monaten von März 2016 bis März 2017, auf die auch im IW-Bericht hingewiesen wird:

»Betrachtet man den vom IW auch berichteten Anstieg der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt um etwa 47.000 (46.612) von März 2016 bis März 2017, dann zeigt sich: Von diesem Anstieg entfielen rechnerisch 7.837 auf die sozialversicherungspflichtigen Auszubildenden und 21.814 auf „Helfer“. Lediglich 16.907 des Anstiegs entfiel auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten „Fachkräfte“, „Spezialisten“ und „Experten“.«

Und ein weiterer Kritikpunkt an den Berechnungsversuchen des IW präsentiert uns Paul M. Schröder:

»Und zum Schluss noch ein weiterer unglaublicher Fehler im IW-Kurzbericht. Im IW-Kurzbericht heißt es zum Anstieg der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von März 2016 bis März 2017: „Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Beschäftigten aus den acht Asylherkunftsländern um knapp 47.000 Personen und damit deutlich gestiegen. Allerdings entfiel ein gutes Drittel des Anstiegs auf geringfügig Beschäftigte, von denen Ende März 2017 rund 50.000 der insgesamt 140.000 Beschäftigten zu verzeichnen waren.“ Dies ist vollkommen falsch. Die von der Statistik der Bundesagentur für Arbeit genannten 50.000 ausschließlich geringfügig Beschäftigten aus den acht „Asylherkunftsländern“ (50.357 im März 2017, 15.959 mehr als im März 2016) sind nicht Teil der 140.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, und deren Anstieg um 15.959 auch nicht Teil des Anstiegs um 47.000.«

Ja, es ist schon ein Kreuz mit den Zahlen. Zum Abschluss sei hier auf die Abbildung am Anfang dieses Beitrags verwiesen – vor allem auf die zweite Grafik mit der Entwicklung der Zahl der „Erwerbsfähigen Leistungsberechtigten“ (ELB) im Hartz IV-System. Hier weist die BA für August 2017 insgesamt 634.000 Menschen aus den nichteuropäischen Asylherkunftsländern aus – davon geschätzt 584.000 Menschen mit Fluchthintergrund, die im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion stehen. Und man kann auch erkennen, dass die offizielle Zahl der Arbeitslosen diese Personengruppe betreffend weitaus geringer ist: 191.000/175.000. Das hört sich doch ganz anders an als die 634.000 Menschen aus diesen Ländern, die bereits im Hartz IV-Bezug sind.

Immer mehr befristet Beschäftigte? Kommt (nicht nur) darauf an, wie man zählt. Noch komplizierter wird es bei der Frage, ob und was man tun kann

Es ist ja noch gar nicht so lange her, da wurde über befristet Beschäftigte diskutiert – der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, hatte das Thema im Wahlkampf platziert und eine Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen gefordert.

Nun wird das Thema erneut an die Oberfläche der medialen Aufmerksamkeit gespült. Dies auch deshalb, weil einige Überschriften eine scheinbar unaufhaltsame Verschlechterung der Lage anzeigen: Befristete Jobs sind in 20 Jahren um eine Million gestiegen, so eine der Schlagzeilen von heute.

»Die Zahl der befristet Beschäftigten in Deutschland hat innerhalb der vergangenen 20 Jahre um mehr als eine Million auf rund 2,8 Millionen im vergangenen Jahr zugenommen. Das geht aus einer Antwort des Statistischen Bundesamtes auf eine Anfrage der LINKEN im Bundestag hervor … Der Anteil der befristet Beschäftigten an allen abhängig Beschäftigten stieg seit 1996 von 6,4 auf 8,5 Prozent.«

Und sofort ging die bekannte Debatte los: Die LINKE-Politikerin Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, forderte einen Stopp des „Befristungsirrsinns“. Zimmermann forderte: »Eine neue Bundesregierung muss endlich das Befristungsproblem angehen und die sachgrundlose Befristung abschaffen.« Auch andere Befristungen dürfe es nur ausnahmsweise geben. Dass die Arbeitgeberseite ganz und gar nicht damit einverstanden ist, muss nicht wirklich weiter ausgeführt werden.

Wie immer lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Das wurde in diesem Blog bereits Anfang des Jahres getan – dazu der ausführliche Beitrag Die befristeten Arbeitsverträge zwischen Schreckensszenario, systemischer Notwendigkeit und Instrumentalisierung im Kontext einer verunsicherten Gesellschaft vom 23. Februar 2017.

Und zu einem genaueren Blick gehört nicht nur die wichtige Unterscheidung, ob es sich um sachgrundlose Befristungen oder um solche mit einem gesetzlich zulässigen Sachgrund handelt, sondern auch eine gewisse Vorsicht bei den Zahlen an sich, denkt doch der normale Mensch, dass es eine simple Antwort auf die Frage gibt, wie viele Menschen denn nun befristet beschäftigt sind. Man kann das an den beiden Abbildungen am Anfang dieses Beitrags verdeutlichen. Dort wurden für die Gruppe der „befristet Beschäftigten“ und ihres Anteils an den „abhängig Beschäftigten“ die Zahlen des Statistischen Bundesamtes verwendet, die sich auf die sogenannten „Kernerwerbstätigen“ im Rahmen der Berichterstattung über „atypische Beschäftigung“ beziehen. Darunter verstehen die Bundesstatistiker nur Erwerbstätige im Alter von 15 bis 64 Jahren, sie sich nicht in Bildung, Ausbildung oder einem Wehr-/Zivil- sowie Freiwilligendienst befinden, was man inhaltlich auch gut vertreten kann.

Übrigens sind die Folgen für die Zahlenergebnisse nicht trivial. Man kann das verdeutlichen an der Zahl und dem Anteil der 25-34-Jährigen, die sich in befristeten Beschäftigungsverhältnissen befinden. Diese Gruppe spielt auch in der aktuellen Berichterstattung eine große Rolle. So berichtet der bereits zitierte Artikel Befristete Jobs sind in 20 Jahren um eine Million gestiegen: »Besonders oft sind 25- bis 34-Jährige befristet beschäftigt. Hier stieg der Anteil von 9,6 Prozent vor 20 Jahren über 16,6 Prozent 2006 bis 18,1 Prozent im vergangenen Jahr.« Am Anfang meines Blog-Beitrags aus dem Februar 2017 findet man eine Abbildung, in dem ebenfalls für diese Gruppe und für das Jahr 2015 ein Anteilswert von 17,9 Prozent ausgewiesen wird – mit dem Hinweis „Anteil der abhängig Beschäftigten mit einem befristeten Arbeitsvertrag“. Was man aber wissen muss: Eigentlich waren es „nur“ etwa 13 Prozent in der betreffenden Altersgruppe. Wie das? Das Statistische Bundesamt veröffentlicht – leider etwas irreführend – zwei unterschiedliche Statistiken: Die 18 Prozent-Befristungsquote bei jungen Menschen basiert auf der Berichterstattung zur „Qualität der Arbeit“. Bei dieser Befristungsstatistik werden dort alle abhängig Beschäftigten ohne weitere Einschränkungen betrachtet, also auch Auszubildende. Sinnvoller aber ist es, sich auf die Befristungsstatistik zu den Kernerwerbstätigen zu beziehen: Dazu zählen wie auch in den Abbildungen hier ausgewiesen alle Erwerbstätige ohne Selbstständige und mithelfende Familienangehörige im Alter von 15 bis 64 Jahren, nicht in Bildung oder Ausbildung oder einem Freiwilligendienst. Auf Basis dieser Statistik kommt man dann auf etwa 13 Prozent für die Altersgruppe der 25 bis 34-Jährigen.

Schaut man sich die Daten auf dieser Basis genauer an, dann relativieren sich die Aussagen hinsichtlich „immer mehr befristet Beschäftigte“. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das nicht bedeuten soll, die für den einzelnen Betroffenen mit einer oder mehreren Befristungen einhergehende teilweise enorme Belastung der Lebenslage in Abrede zu stellen. Gerade im Bereich Wissenschaft und Hochschulen müsste man mit Blindheit geschlagen sein, wenn man nicht die teilweise wirklich unseligen Befristungsbiografien derjenigen, die es (noch) nicht in den sehr sicheren Kernbereich dauerhafter öffentlicher Beschäftigungsverhältnisse geschafft haben und von denen es viele auch nicht schaffen werden angesichts des Mangels an festen Planstellen, als echtes Problem wahrzunehmen.

Aber gerade der Hinweis auf den absoluten Befristungsspitzenreiter, also Wissenschaft und Hochschulen, verweist zugleich darauf, dass man genauer hinschauen und auch differenzieren muss zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft. Was dann auch Folgen hat für die Frage, ob und was man denn tun kann.

Der IAB-Wissenschaftler Christian Hohendanner wurde Anfang dieses Jahres mit der Aussage zitiert:  »2015 wurden nach Angaben des IAB bereits 40 Prozent der befristet Eingestellten unbefristet übernommen. 2009 konnten sich nur 30 Prozent darüber freuen.« Und auch hier lohnt ein genaueres Hinschauen: Die Übernahmequote befristet Beschäftigter fiel im öffentlichen Dienst (ohne Wissenschaft) im ersten Halbjahr 2014 mit 32 Prozent um 10 Prozentpunkte niedriger aus als im privaten Sektor. In der Wissenschaft lag die Übernahmequote bei nur 9 Prozent, so das IAB.

Und auch die Unterscheidung zwischen sachgrundloser Befristung und solcher mit Sachgrund ist höchst relevant für alle, die sich mit der Frage beschäftigen, ob und was man denn tun kann – hier angereichert um den Blick darauf, was passieren könnte auf den Arbeitsmärkten, wenn man das tut, was derzeit immer wieder gefordert wird (auch wenn einem das nicht gefallen sollte, was aber kein Kriterium für die wissenschaftlichen Analyse sein kann).

Zuerst ein Blick auf die (unterschiedlichen) Motive für Befristungen: Als wichtigste Befristungsmotive nennen öffentliche Arbeitgeber Vertretungen und fehlende Planstellen. Für die Privatwirtschaft ist die Erprobung neuer Mitarbeiter der wichtigste Befristungsgrund. Und: Öffentliche Arbeitgeber nutzen befristete Arbeitsverträge als zentrales Instrument der Personalanpassung. Letztendlich werden wir hier Zeugen einer massiven Polarisierung der Beschäftigungsstrukturen innerhalb des öffentlichen Dienstes. Auf der einen Seite haben wir hier die sichersten und – nicht nur bei Beamten, auch bei den unbefristet beschäftigten Angestellten – mit Unkündbarkeit ausgestattete Arbeitsplätze, auf der anderen Seite reagiert das System darauf spiegelbildlich mit der Schaffung einer hochgradig flexibilisierten Schicht an Beschäftigten, wo im starken Maße mit Befristungen gearbeitet wird (und aus Systemsicht gearbeitet werden muss) und in denen der Unsicherheitsfaktor kombiniert wird mit ausgeprägter Perspektivlosigkeit, was Anschlussoptionen angeht.

Und bei der ganzen Diskussion sollte nicht vergessen werden, dass Zahlen und Quoten immer eine Querschnittsaufnahme darstellen. Personen ohne Berufsausbildung und Universitätsabsolventen sind gleichermaßen häufiger befristet beschäftigt sind als Absolventen einer dualen Berufsausbildung oder mit Fachhochschulabschluss. Allerdings führen die Berufswege beider Gruppen später oft in unterschiedliche Richtungen: Uni-Absolventen wechseln im Zeitverlauf häufiger in feste Anstellungen, für gering Qualifizierte stellt der befristete Job oft eine Sackgasse dar.
2013 kam eine Studie von Marie-Christine Fregin auf der Basis von SOEP-Daten zu diesem Befund: »Für einen großen Teil der jungen Erwerbstätigen öffnen sich nach einer gewissen Wartezeit die Türen zur normalen Arbeitswelt … durchaus. Obwohl die reformbedingte Heterogenisierung der Erwerbsformen ihre Schatten vor allem auf junge Erwerbstätige wirft, schafft früher oder später ein großer Teil der Arbeitsmarkteinsteiger/innen trotzdem den Sprung in Erwerbssicherheit.«

Aber wie sieht es aus mit den beliebten Forderungen, den angeblichen „Befristungswahn“ zu bekämpfen? Nehmen wir als Beispiel die Forderung, die sachgrundlosen Befristungen abzuschaffen. Schaut man in die zurückliegenden Jahre, dann kann man den absoluten Zahlen durchaus einen Handlungsbedarf entnehmen: Die Anzahl sachgrundloser Befristungen hat sich zwischen den Jahren 2001 und 2013 von etwa 550.000 auf 1,3 Millionen erhöht. Damit hat sich der Anteil sachgrundloser Befristungen an allen im IAB-Betriebspanel erfassten Befristungen von 32 auf 48 Prozent erhöht, berichtet beispielsweise das IAB.

Jetzt muss man einmal um die Ecke denken. Nach den Erkenntnissen des IAB stellt sich die Situation so dar: Sachgrundlose Befristungen werden verstärkt im Groß- und Einzelhandel oder im Verarbeitenden Gewerbe genutzt, während sie in den öffentlichen und sozialen Dienstleistungen eine untergeordnete Rolle spielen. Tendenziell zeigt sich, dass sachgrundlose Befristungen in Branchen mit einem hohen Befristungsanteil eher unterproportional genutzt werden. Anders formuliert: Eine Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen von Arbeitsverträgen würde an dem besonders befristungsintensiven öffentlichen Dienst ziemlich vorbeigehen.
Und was würde in den Unternehmen der Privatwirtschaft passieren? Die Apologeten einer Abschaffung machen sicher die Rechnung auf, dass dann die Unternehmen eben die Leute alle unbefristet einstellen werden. Das wäre schön. Aber das IAB ist skeptisch und hat bereits 2014 im Kontext einer parlamentarischen Anhörung zu Protokoll gegeben:

»Aus Sicht des IAB ist fraglich, ob die Abschaffung sachgrundloser Befristungen ein adäquates Instrument zur Herstellung von mehr Beschäftigungssicherheit ist. Zum einen verfügen Betriebe über alternative Möglichkeiten der Flexibilisierung: Sie könnten verstärkt auf Befristungen mit Sachgrund und alternative Beschäftigungsformen wie Leiharbeit oder freie Mitarbeit ausweichen. Zum anderen bestünde bei einer Abschaffung der sachgrundlosen Befristung das Risiko, dass sich Arbeitgeber bei Einstellungen zurückhalten und ihr Flexibilitätsspielraum eingeschränkt wird.

Es ist daher wenig wahrscheinlich, dass ein Wegfall sachgrundloser Befristungen zu einer deutlichen Zunahme unbefristeter Einstellungen führt. Schließlich liefern empirische Analysen Hinweise dafür, dass insbesondere sachgrundlose Befristungen häufig als verlängerte Probezeit genutzt werden und als Sprungbrett in unbefristete Beschäftigung fungieren.« (Christian Hohendanner: Befristete Beschäftigung. Mögliche Auswirkungen der Abschaffung sachgrundloser Befristungen. IAB-Stellungnahme, 01/2014, Nürnberg 2014, S. 4)

Und ein zweites, höchst aktuelles Beispiel sei hier zitiert: Gerade aus den Reihen der SPD wird gefordert, ein Rückkehrrecht in Vollzeit für diejenigen zu verankern, die für eine Zeit lang aus welchen Gründen auch immer ihre Arbeitszeit auf Teilzeit reduzieren. Man versetze sich hier mal in die Rolle des Arbeitgebers, vor allem in kleineren und mittleren Unternehmen. Wie soll und wird dort der – vorübergehende – Personalbedarf gedeckt? Man wird befristet einstellen – und in diesem Fall als Befristung mit Sachgrund ist das auch nach einer Abschaffung der sachgrundlosen Befristung problemlos möglich. Man würde sich also eine deutliche Verbesserung der Flexibilität für die Insider mit einem Anstieg der Befristungen und damit der Unsicherheit für andere erkaufen (müssen).

Relativ plausibel – wenn auch unbefriedigend, weil nicht alle Beschäftigtengruppen betreffend – wird sich die bereits erkennbare Stagnation und teilweise die rückläufigen Werte bei den Befristungen in den kommenden Jahren aufgrund der bereits heute erkennbaren Verschiebung der Angebots-Nachfrage-Relationen zugunsten der Arbeitnehmer auf vielen Arbeitsmärkten fortsetzen und damit den Problemdruck in diesem Bereich reduzieren. Ein Grund zur Skandalisierung gibt es hinsichtlich der Befristungen – wohlgemerkt: auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene – derzeit wirklich nicht. Auch, wenn man sich eine andere, schönere Welt sehr gut vorstellen kann.

Arbeitsmarktentwicklung – scheinbar alles gut. Und wo bleiben die Flüchtlinge?

Man hat sich fast schon daran gewöhnt – positive Nachrichten aus Nürnberg zur Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland: »Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und die Nachfrage nach neuen Mitarbeitern nehmen auf hohem Niveau weiter zu. Die Herbstbelebung setzt im September stärker ein als üblich, so dass Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung saisonbereinigt sinken. Auch im Vergleich zum Vorjahr sind Abnahmen zu verzeichnen, obwohl sich mehr geflüchtete Menschen in Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung befinden.« So beginnt der Monatsbericht September 2017 der Bundesagentur für Arbeit. Die Pressemitteilung der BA vom 29.09.2017 ist so überschrieben: Herbstbelebung setzt stärker ein als üblich. Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben im Vergleich zum Vorjahr weiter kräftig zugenommen. Mit 44,50 Millionen Personen fiel sie im Vergleich zum Vorjahr um 692.000 höher aus. Der Anstieg geht allein auf mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zurück.
Auch die offiziell ausgewiesene Arbeitslosigkeit ist weiter auf dem Sinkflug. Also alles gut. Oder?
Natürlich könnte man an dieser Stelle auf die immer wieder vorgetragene Kritik verweisen, dass die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen höher ist als die offizielle Zahl vermuten lässt. Für September 2017 spricht die BA von 2.449.000 Arbeitslosen – tatsächlich sind es aber mehr: 932.000 „De-facto-Arbeitslose sind nicht in der Arbeitslosen-, sondern in der separaten Unterbeschäftigungsstatistik enthalten“, so der Artikel Was die offizielle Arbeitslosenzahl verschweigt: 3,38 Millionen Menschen ohne Arbeit. Und noch beeindruckender ist vielleicht so eine Größenordnung: 7,08 Millionen Menschen leben von Arbeitslosengeld oder Hartz-IV-Leistungen. Knapp 790.000 Menschen bezogen Arbeitslosengeld I und rund 6,36 Millionen Menschen lebten in einem Hartz-IV-Haushalt mit Arbeitslosengeld II- und Sozialgeld-Bezug, einer so genannten Bedarfsgemeinschaft, darunter über 2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (Juni 2017).

Nun wird sich der eine oder andere fragen, wo denn die Flüchtlinge geblieben sind. Haben die alle Arbeit gefunden? Und wenn nicht: Warum steigt die Zahl der Arbeitslosen nicht an? Wo sind sie geblieben?

Verdeutlichen wir das an einem Beispiel: Rheinland-Pfalz. Auch aus diesem Bundesland werden erfreuliche Botschaften vom Arbeitsmarkt ausgesendet. »In Rheinland-Pfalz ist die Zahl der Arbeitslosen im September zurückgegangen auf rund 100.800 Frauen und Männer … Damit ist die Arbeitslosenquote im September … auf 4,6 Prozent zurückgegangen«, berichtet der SWR auf Basis der Arbeitsmarktzahlen der BA. »Die Quote sei noch nie geringer gewesen, sagte die Chefin der regionalen Arbeitsagentur, Heidrun Schulz … Auf dem rheinland-pfälzischen Arbeitsmarkt werden Kräfte so dringend gesucht, wie seit Jahren nicht mehr … Landesweit waren der Agentur im September 40.500 offene Arbeitsstellen gemeldet. Das waren 6.400 oder 18,7 Prozent mehr als vor einem Jahr.« Der Laden brummt. Und auch die Flüchtlinge tauchen in dem Bericht auf:

»Den rund 8.300 arbeitslosen Flüchtlingen rät die Arbeitsagentur nicht zu Helferjobs … Sie sollten eher eine Ausbildung machen – auch wenn diese zunächst oft schlechter bezahlt ist. Insgesamt haben 583 geflüchtete Menschen in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz eine Ausbildung begonnen.«

Wir halten an dieser Stelle mal fest: Es wird von 8.300 arbeitslosen Flüchtlingen berichtet und von 583, die eine Berufsausbildung begonnen haben. Man muss diese Zahlen einordnen. Dazu die nebenstehende Abbildung mit Daten der Bundesagentur für Arbeit.

Und hier wird erkennbar, was in der bislang zitierten Berichterstattung nicht auftaucht. Wir sehen einen massiven Anstieg der Zahl der geflüchteten Menschen im Hartz IV-System. Am Beispiel des Bundeslandes Rheinland-Pfalz kann man sich die Niveauunterschiede in den folgenden Schritten verdeutlichen – in Rheinland-Pfalz waren unter den Migranten aus den zuzugsstärksten, außereuropäischen Asylherkunftsländern

  • knapp 5.500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (0,4 Prozent Anteil an allen Beschäftigten in Rheinland-Pfalz, + 54,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr)
  • rund 9.000 Arbeitslose (8,5 Prozent Anteil an allen Arbeitslosen in Rheinland-Pfalz, + 145,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr)
  • sowie über 43.000 Regelleistungsberechtigte Hartz-IV-Empfänger (16,4 Prozent Anteil an allen Regelleistungsberechtigten in Rheinland-Pfalz, + 179,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr) 

Offensichtlich tauchen viele Flüchtlinge (noch) nicht auf in der Zahl der offiziell ausgewiesenen Arbeitslosen, aber im Hartz IV-System sehr wohl. Und mit Blick auf die Zukunft ist die Zahl der Hartz IV-Empfänger höchst relevant. Denn zum jetzigen Zeitpunkt gibt es einige Aspekte, die darauf hindeuten, dass viele derjenigen Menschen mit einem Fluchthintergrund, die jetzt in das Grundsicherungssystem kommen, auf Jahre hinweg in diesem System bleiben werden – selbst viele von denen, die eine Arbeit gefunden haben und Geld verdienen, was ja derzeit insgesamt gesehen (noch) eine sehr überschaubare Gruppe darstellt.

Dazu ein Blick auf die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaften im Hartz IV-System – einmal bezogen auf alle Leistungsempfänger, zum anderen mit Blick auf die Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einem Flüchtling, sowohl für Deutschland insgesamt wie auch in Rheinland-Pfalz.
In der öffentlichen Diskussion dominiert (immer noch) die Vorstellung der alleinstehenden männlichen Flüchtlinge in einem eher jüngeren Alter, die hierher gekommen sind. Gut die Hälfte der Bedarfsgemeinschaften im Hartz IV-System, in denen Flüchtlinge leben, besteht aus einer Person. Aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass jede vierte Bedarfsgemeinschaft aus vier oder mehr Personen besteht – und das bereits heute, vor dem eigentlich anstehenden, aus politischen Gründen allerdings aufgeschobenen Familiennachzug, der viele Einzel-Bedarfsgemeinschaften zu größeren Haushalten machen wird bzw. würde, wenn er denn kommt.

Und man wird deutlich aussprechen müssen, dass sehr viele Flüchtlinge wahrscheinlich auf viele Jahre im Hartz IV-System bleiben werden. Denn selbst wenn einer irgendeine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnimmt, dann wird es sich häufig um Tätigkeiten im unteren Lohnsegment handeln, von dem man kaum bis sicher gar nicht eine Familie über Wasser halten kann, so dass die Bedarfsgemeinschaft weiter im SGB II verbleiben muss. Zugleich wird zwar seit langem darauf hingewiesen, dass es viel mehr Sprach- und Integrationsangebote geben müssen, nicht nur, aber eben auch, weil die Sprache nun mal das Nadelöhr ist, durch das man mit Blick auf eine Arbeit muss. Hier haben wir auf der einen Seite ein beklagenswertes Systemversagen.
Aber wie jede Medaille hat auch diese eine andere. Denn auch die geflüchteten Menschen müssen sich bewegen und anstrengen. Und immer wieder und zunehmend wird vor Ort berichtet, dass zur Verfügung gestellte Sprachkurse nicht angetreten oder abgebrochen werden – und immer wieder stößt man in den Gesprächen auf den Hinweis, dass es vor allem die Frauen sind. Regelmäßig wird eine Schwangerschaft als Grund für eine angebliche Nicht-Teilnahmemöglichkeit vorgetragen, was natürlich mehr als zweifelhaft ist, denn von Einzelfällen abgesehen ist eine Schwangerschaft bekanntlich keine Krankheit. Dahinter stehen dann auch diskussionsbedürftige Aspekte, die sich niederschlagen in Äußerungen, man brauche ja keinen Sprachkurs, weil man zu Hause bleiben wird oder auch der Druck seitens des Ehepartners, sich vom Erwerbsarbeitsmarkt fern zu halten (vgl. hierzu bereits die kritischen Anmerkungen in dem Beitrag Ein Scheitern mit klarer und frühzeitiger Ansage: Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen. Und nicht wenige Integrationskursteilnehmer sind auf der Flucht vom 18. September 2017).

Selbst unabhängig von der Frage einer möglichen Integration in Erwerbsarbeit wird sich das gesellschaftlich bitter rächen, denn die Sprache ist keine hinreichende, aber ein unverzichtbare Voraussetzung für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Man muss hier schon den Eindruck bekommen, dass man offensichtlich die gleichen Fehler zuzulassen bereit ist, die schon in der Vergangenheit zu beklagen waren.

Das betrifft die Menschen, die schon da sind. Zuweilen kann man den Eindruck bekommen, dass da seit einiger Zeit keine geflüchteten Menschen mehr kommen, was aber nicht den Tatsachen entspricht. So kann man der September-Ausgabe des IAB-Zuwanderungsmonitors entnehmen: »Nach Angaben der Asylgesuch-Statistik des BAMF wurden im August 2017 etwa 16.000 neuzugezogene Flüchtlinge gezählt …  Seit April 2016 bewegt sich die Zahl der monatlich erfassten Geflüchteten etwa auf dem Niveau von 15.000 Personen.« Das wären dann trotz der Schließung der Balkan-Route aufs Jahr gerechnet mehr als 180.000 neue Flüchtlinge, die es nach Deutschland schaffen. Und auch die müssen aufgenommen und versorgt werden. Und an Sprache und Arbeit herangeführt werden.

Und bereits mit Blick auf diejenigen, die da sind (und die teilweise seit Jahren da sind), wird verständlicherweise kritisiert, dass es zu wenig Beschäftigungsangebote gibt. Wenn die enorme Einstiegshürden in den „normalen“ Arbeitsmarkt haben, dann ist es besonders angezeigt, ihnen auch öffentlich geförderte Angebote zu machen, in denen Arbeit verbunden werden kann mit dem Erlernen der deutschen Sprache. Das gilt natürlich auch für die Neuankömmlinge. Je länger man da wartet, um so größer werden die Folgeprobleme werden, die man sich durch unterlassenes Tun selbst schafft. Über die in mehrfacher Hinsicht zerstörerischen Wirkungen lang anhaltender Erwerbslosigkeit wurde ja nun vielfach berichtet.

Und da muss man auch kritisch auf die Situation im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schauen. Bereits Anfang September wurden solche Meldungen bekannt, die angesichts der zentralen Bedeutung des BAMF zu Pessimismus Anlass geben: Tausende Bamf-Mitarbeiter bangen um ihre Zukunft: »Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bietet mehr als tausend befristet eingestellten Mitarbeitern keine Weiterbeschäftigung an. Stattdessen stellt es neue, unerfahrene Kräfte ein, die noch eingearbeitet werden müssen.« Damit schafft man eine weitere sichere Quelle für Verzögerungen bei den notwendigen Entscheidungen wie aber auch bei deren Qualität, was sich dann an anderer Stelle, beispielsweise in Form von vielen Klagen vor den zuständigen Gerichten niederschlägt. Wenigstens da, so könnte man zynisch einwenden, werden sichere und nicht schlecht dotierte Arbeitsplätze geschaffen, also für Richter.

Das ist übrigens keine Neuigkeit: »Unternehmensberater haben das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf Effizienz getrimmt. Zulasten der Flüchtlinge – und der Gerichte, bei denen sich die Klagen stapeln.« So bereits am 30. März 2017 Caterina Lobenstein in ihrem Artikel Behörde auf Speed. Frank-Jürgen Weise, der ehemalige Chef der Bundesagentur für Arbeit, der dann auch noch die Leitung des BAMF übernommen hatte, ließ sich für seine „Reform“ der Behörde feiern bei seinem Abgang. Ausbaden müssen das jetzt andere.