Ein Gespenst geht um in der Pflegelandschaft: Pflegekammern. Da wird erbittert gestritten in einzelnen Bundesländern über das Pro und Contra der Einrichtungen einer eigenen berufsständischen Vertretung für die Pflegeberufe. Eine Pflegekammer wäre eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die ein mit staatlichen Befugnissen und legitimen öffentlichen Aufgaben ausgestattetes Rechtsgebilde darstellen würde. Wir kennen solche Einrichtungen beispielsweise in Gestalt der Ärztekammern. Die Mitgliedschaft in dieser Kammer ist dann verpflichtend für die jeweiligen Berufsgruppen, die auch einen Zwangsbeitrag zu zahlen haben. In einzelnen Bundesländern sind die Diskussionen schon auf eine Art Zielgerade eingemündet, so meldet die Ärzte-Zeitung z.B.: In Schleswig Holstein soll die erste Pflegekammer entstehen – doch erst soll es dazu eine Befragung der Pflegekräfte geben. In Rheinland-Pfalz ist man damit schon weiter und es deutet sich die Installierung einer solchen Kammer an: Robert Luchs berichtet darüber in seinem Artikel „Eine starke Stimme für die Pflege?„, dessen Überschrift aber nicht umsonst mit einem Fragezeichen versehen ist. Der Ankündigung des neuen rheinland-pfälzischen Sozialministers Alexander Schweitzer (SPD), nunmehr die Vorbereitungen zur Errichtung einer solchen Kammer voranzutreiben, war eine mehrwöchige Abstimmung vorangegangen, an der sich 7.061 der rund 38.000 bis 40.000 Pflegekräfte im Land beteiligten. Drei Viertel von denen, die sich beteiligt haben, votierten dann für eine Kammerlösung, ein Viertel dagegen. Nun soll eine Gründungskonferenz mit Verbänden, Berufsangehörigen und Gewerkschaften die unabhängige Körperschaft vorbereiten. Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz reihen sich damit ein in die Bundesländer, die seitens der Nationalen Konferenz zur Errichtung von Pflegekammern in Deutschland sicher lobend hervorgehoben werden. Aber es gibt auch ganz andere Stimmen: Der Arbeitgeberverband Pflege, in dem private Pflegeunternehmen organisiert sind, macht Front gegen die Pläne in Rheinland-Pfalz und interpretiert die Abstimmungsergebnisse, auf die sich die Landesregierung jetzt beruft, ganz anders: 85 Prozent aller Pflegekräfte in Rheinland-Pfalz stimmten … klar gegen mehr Bürokratie und finanzielle Zwangsabgaben. Hier werden also alle die, die sich nicht an der Abstimmung beteiligt haben, zu Gegnern der Kammer gezählt.
Pflege: Demenz-WGs werden immer beliebter und in Ungarn kann es doch auch ganz schön sein. Und Japans Senioren „wollen“ länger arbeiten, ihre Arbeitgeber wollen das aber nicht
Diese Woche wurde in vielen Medien über die stark steigende Zahl an demenzkranken Menschen berichtet, die einer sehr personalintensiven Pflege bedürfen. „Jahr für Jahr treten nach Daten der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft fast 300.000 Ersterkrankungen auf. Das sind pro Tag mehr als 800 Fälle“, berichtet beispielsweise die „Rheinische Post“. Bereits heute sind 1,4 Millionen Menschen von einer Demenzerkrankung betroffen.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der erwartbaren Zunahme der Zahl der dementiell erkrankten Menschen in den vor uns liegenden Jahren ist die Frage, wo und wie die Betroffenen versorgt werden, von großer Bedeutung. Wohngemeinschaft statt Pflegeheim, so die klar daherkommende Ansage in einem Beitrag von Birk Grülling, der auf Zeit Online veröffentlicht wurde. Neun Frauen leben in der hier beschriebenen Demenz-WG in Hamburg. „Die Pfleger haben Zeit, sich um jede Einzelne zu kümmern“, so der Autor. Das hört sich mehr als gut an, wenn man die Zustände in vielen „normalen“ Pflegeheimen denkt. „24 Stunden werden die Bewohnerinnen von einem ambulanten Pflegedienst betreut, mit bis zu vier Pflegern am Tag und einem in der Nacht. Statt Akkordarbeit am Bett können sie sich hier Zeit für den Alltag lassen. Eine Hauswirtschafterin kocht täglich frisch. Beim Tisch decken und Gemüse schneiden helfen die Bewohnerinnen. Weil das nicht mehr so schnell geht, fangen sie um zehn Uhr mit den Vorbereitungen an. Eine feste Struktur des Tages soll den Demenzkranken helfen, sich besser zu orientieren.“ Dabei spielen die Angehörigen eine wichtige Rolle: „Das Konzept der Demenz-WG sieht nicht vor, dass sie die Kranken ganz abgeben und einmal im Monat einen Pflichtbesuch absolvieren. Sie sind die Auftraggeber des Pflegedienstes, haben den Mietvertrag und die Angehörigenvereinbarung gemeinsam unterschrieben und beteiligen sich an der inhaltlichen Arbeit.“
Schluss mit dem Blick zurück oder: Die Folgen öffentlicher Armut. Die Minijobs vor dem grünen Todesstoß? Arbeitsagentur-Mitarbeiter gehen, Rumänen kommen – und Wirtschaftsweise sprechen
Üblicherweise wird über „Armut“ mit Blick auf die einzelnen Menschen bzw. die Haushalte, in denen sie leben, diskutiert. So beispielsweise anlässlich der Meldung des Statistischen Bundesamtes, dass 15,8% der in Deutschland lebenden Menschen im Jahr 2010 „armutsgefährdet“ waren. Diese Daten werden dann in der Medienberichterstattung aufgegriffen, so bei Rainer Woratschka, der in seinem Artikel Weniger eine Finanz- als eine Verteilungskrise u.a. zu dem Ergebnis kommt: „Je größer die Einkommensunterschiede in einem Land sind, desto höher ist auch das Armutsrisiko.“ Das Armzsrisiko in Deutschland liegt im EU-Vergleich zwar im Mittelfeld. Die Gefährdungsquote ist hierzulande dennoch so hoch wie nie zuvor – und das trotz der seit längerem bei uns wieder angesprungenen Konjunktur.
Selbstausbeuter an der Massagebank, Kritik am Akademisierungswahn rechtzeitig zum Beginn des Sommersemesters, Profi-Fußballer vor und Kinder in Hartz IV
Es wird ja immer gerne viel über die Herausforderungen durch den demografischen Wandel geschrieben und diskutiert. Nimmt man die plausible Prognose ernst, dass der Anteil, vor allem aber die Zahl der älteren Menschen erheblich ansteigen wird in den kommenden Jahren, dann wird das erhebliche Auswirkungen haben müssen auf die Art und Weise der Gesundheitsversorgung. Immer öfter und immer mehr wird es nicht um die kurzfristige Behandlung, Heilung und Wiederherstellung gehen (können), sondern um die Begleitung chronischer Erkrankungen oder Einschränkungen. Hierbei könnte die Physiotherapie eine ganz zentrale Rolle spielen, kann sie doch beispielsweise Prozesse, die zu einer Pflegebedürftigkeit führen können, zumindest verzögern, aufhalten und die Folgen für die Betroffenen lindern. Dafür bräuchte man nicht nur Physiotherapeuten an sich in ausreichender Zahl, sondern eigentlich müsste man auch das Niveau der Ausbildung wie schon seit langem in anderen Ländern geschehen, anheben. Soweit die Theorie.
Mindestlohn in der Toilette eher nicht und in der Pflege bloß nicht? Real ist auf alle Fälle das eigentlich „unchristliche“ Lohndumping
Das Thema „Mindestlohn“ polarisiert – nicht nur die politische Debatte zwischen den Parteien, sondern auch die Rechtsprechung muss sich mit den Tiefen respektive Untiefen der Lohnuntergrenzen einzelfallbezogen auseinandersetzen: Den einen wird der Mindestlohn verweigert, bei den anderen wird für eine Verweigerung plädiert. Aber der Reihe nach.
Da ist zum einen der Fall einer Toilettenfrau, die vor dem Hamburger Arbeitsgericht geklagt hatte, den Mindestlohn für Putzfrauen zu bekommen, der ihr bislang vorenthalten wurde. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts: „Nur eine Toilettenfrau, die tatsächlich auch den Großteil ihrer Arbeitszeit mit Reinigungsarbeiten zubringt, hat Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn als Putzfrau.