Die Krankenhäuser als Todesfalle? Zwischen notwendiger Aufklärung, Zahlenhuberei und diskussionsbedürftigen „Lösungen“

Es gibt bekanntlich die Lebensweisheit, dass man sich nur im bewusstlosen Zustand in eine Klinik einliefern lassen sollte. Das scheint wieder einmal bestätigt zu werden, wenn man die mediale Resonanz auf den neuen „AOK Krankenhaus-Report 2014“ verfolgt.

Die diesjährige Ausgabe hat das Schwerpunktthema „Patientensicherheit“. Und wie das heute so üblich ist, versucht man mit beeindruckenden, das Publikum erschreckenden Zahlen Aufmerksamkeit zu erzeugen in dem unermesslichen Strom an Nachrichten. Nun hat man mit Gesundheits- bzw. Krankheitsthemen angesichts des Stellenwerts dieser Themen immer schon die Nase vorne bei der Publikumsgunst und wenn man dann noch melden kann, dass angeblich fast 19.000 Menschen durch Behandlungsfehler in deutschen Krankenhäusern zu Tode gekommen sind, dann kann man sich der konzentrierten Aufmerksamkeit gewiss ein. Entsprechend sind die Schlagzeilen: „18.800 Tote durch Fehler in Krankenhäusern„, meldet die Süddeutsche Zeitung und Spiegel Online untertreibt fast schon, wenn hier getitelt wird: „Mehr Tote durch Behandlungsfehler als im Straßenverkehr„. Die Untertreibung ist darin zu sehen, dass es 2012 etwas mehr als 3.600 Tote im Straßenverkehr gegeben hat, insofern werden ein Vielfaches an Menschen in den deutschen Kliniken zur Strecke gebracht. Ein wirklich heißes Eisen. Aber wie kommt man auf solche Zahlen?


Die AOK und das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) haben Materialien zum „Krankenhaus-Report 2014“ veröffentlicht, in dem man auch ein Statement von Max Geraedts, dem
Leiter des Instituts für Gesundheitssystemforschung an der Universität Witten/Herdecke, findet. Er führt aus:

»In Deutschland finden pro Jahr rund 19 Millionen Krankenhausbehandlungen statt, bei denen rund 50 Millionen oftmals komplizierte Prozeduren an immer älteren Patienten durchgeführt werden … Gemäß den bekannten Analysen des Aktionsbündnisses Patientensicherheit und des Sachverständigenrates von 2007 müssen wir nach wie vor davon ausgehen, dass bei fünf bis zehn Prozent aller Krankenhausbehandlungen ein unerwünschtes Ereignis stattfindet. Das kann eine allergische Reaktion auf ein Medikament sein, die Entzündung einer Operationswunde oder schlimmstenfalls ein Todesfall, der nicht durch die Krankheit selber, sondern durch deren Behandlung verursacht wurde. Knapp die Hälfte dieser unerwünschten Ereignisse gilt als vermeidbar.«

Und jetzt wird die Zahl abgeleitet, die man nun überall lesen und hören kann:

»Fehler kommen mit einer Häufigkeit von rund einem Prozent aller Krankenhausfälle vor und tödliche Fehler mit einer Häufigkeit von rund einem Promille. Ein Fall von 1.000 bedeutet auf dem heutigen Versorgungsniveau rund 19.000 Todesfälle in deutschen Krankenhäusern pro Jahr auf der Basis von Fehlern – das sind fünfmal so viele Todesfälle wie im Straßenverkehr.«

Die Hochrechnungen basieren also auf Schätzungen des Umfangs der letztendlich tödlichen Fehler, die im „Gutachten 2007 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Kooperation und Verantwortung – Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung, Bundestags-Drucksache 16/6339 vom 07.09.2007 veröffentlicht wurden. Dort findet man auf der Seite 245 den folgenden Passus:

»Zusammenfassend kann für den Krankenhausbereich eine Größenordnung von 5-10 % unerwünschter Ereignisse, 2-4% Schäden, 1% Behandlungsfehler und 0,1 % Todesfälle, die auf Fehler zurückgehen, angenommen werden.«

Die Zahlen selbst wurden abgeleitet aus einer Literaturanalyse verschiedener Studien, die zumeist aus den USA stammen. Einige deutsche Untersuchungen waren auch dabei. Der Sachverständigenrat schrieb im Jahr 2007, dass die Ergebnisse der vergleichenden Literaturanalyse „eher als konservative Näherung“ (S. 245) anzusehen seien, also wäre die Wahre Zahl noch höher anzusetzen. Allerdings kann man auch gute Gründe ins Feld führen, die Zweifel an der Größenordnung wecken, die wie dargestellt eine Hochrechnung aus einzelnen Studienergebnissen auf eine Grundgesamtheit von Millionen Fällen darstellen. Die selektiven Daten sind mehr als acht Jahre alt und stammen aus internationalen Studien. Das ist eben eine komplexe Materie und eine diskussionswürdige Methodik – zumindest sind so viele Fragezeichen angebracht, dass man darauf hinweisen muss, dass es sich um „mutige Hochrechnungen“ handelt angesichts der Wirkungen, die solche Überschriften beim „Normal-Publikum “ auslösen werden: „18.800 Tote durch Fehler in Krankenhäusern„. Für die meisten ist klar: Die Krankenhäuser bzw. die Ärzte sind schuld an den Todesfällen, hier wird gepfuscht. Aber wie so oft im Leben ist die Wahrheit sperriger und weniger einfach zuzuordnen, als es diese Vereinfachungen nahelegen.

Aber die AOK möchte natürlich bestimmte Botschaften das Krankenhauswesen insgesamt transportieren und insofern sind die (angeblichen) 18.800 Opfer von Fehlern in den Kliniken – so tragisch die Einzelfälle sein mögen – in diesem Kontext vor allem ein Eyecatcher für die Medien und die Öffentlichkeit. Im Statement von Uwe Deh vom AOK-Bundesverband finden sich zu den Intentionen der Krankenkasse die folgenden Ausführungen:

»… Ärzte, Pfleger und das Krankenhausmanagement können sich noch so sehr um mehr Patientensicherheit bemühen – solange es weiterhin Fehlanreize durch strukturelle Defizite gibt, stoßen diese Bemühungen zwangsläufig an Grenzen. Ein Beispiel ist die riskante Mengenentwicklung bei bestimmten lukrativen Eingriffen wie Rückenoperationen, die in den letzten Monaten immer wieder Thema war. Wenn Operationen nicht nur aus medizinischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen durchgeführt werden, ist die Patientensicherheit schnell in Gefahr. Unnötige Risiken entstehen aber auch durch mangelnde Spezialisierung und Arbeitsteilung zwischen den Kliniken. Eigentlich sollten sich die Krankenhäuser am Bedarf der Patienten orientieren. Stattdessen versuchen viele Häuser, sich angesichts der Konkurrenz und aus einem primär ökonomischen Kalkül zu „kleinen Universitätskliniken“ zu entwickeln, die alles anbieten. Für eine hochwertige medizinische Versorgung ist jedoch Spezialisierung das Gebot der Stunde.«

Neben einer weiter fortschreitenden Spezialisierung gibt es eine zweite Stoßrichtung der Kassenargumentation: Abbau von Krankenhauskapazitäten. Das wird so verpackt:

»Auf Bundesebene liegt die Auslastung der Krankenhäuser … bei 77,4 Prozent. Schlecht ausgelastete Kliniken, die den ökonomischen Druck spüren, versuchen ihn auszugleichen – vielfach, indem sie immer mehr Patienten „durchschleusen“. Und auf der politischen Ebene führt der wirtschaftliche Druck zu der Forderung, noch mehr Geld in das System zu pumpen … Während die GKV-Ausgaben für Krankenhausbehandlungen von 2002 bis 2012 um 35 Prozent auf knapp 62 Milliarden Euro gestiegen sind, sind die Investitionen der Länder für die Krankenhäuser um 19 Prozent auf 2,62 Milliarden Euro gesunken … Die Folge ist dann, dass Krankenhäuser ihre Investitionen aus den Mitteln für die Patientenbehandlung finanzieren müssen. Und das bedeutet, dass ein Krankenhaus schon aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen mehr Behandlungen durchführen muss. Die vorhandenen Fehlanreize und negativen Folgen für die Sicherheit der Patienten werden also verstärkt.«

Was also wäre – neben dem Abbau von Krankenhauskapazitäten, die im übrigen in den Jahren seit 2000 in einem erheblichen Umfang bereits stattgefunden hat – aus Sicht der Krankenkasse zu tun? Hier kommt die dritte strategische Stoßrichtung der AOK ans Tageslicht:

»Die Investitionsentscheidungen der Länder und damit auch die Kapazitäten der Kliniken müssen stärker an die Qualität des einzelnen Hauses und an den tatsächlichen Bedarf in ei- ner Region gekoppelt werden. Und nicht zuletzt sollten die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, besonders schlechte Qualität nicht mehr zu bezahlen. Dann bleibt auch mehr Geld für gute Qualität.«

Es geht also um den Kontrahierungszwang der Kassen mit den Krankenhäusern – und den zu durchbrechen ist eine alte Forderung der GKV. Man will nicht mehr für jede im Krankenhausbedarfsplan aufgenommene Klinik zahlen müssen, sondern man möchte differenzierte Vergütungs- und damit Belohnungs- bzw. Bestrafungssysteme installieren können. Der Weg dahin soll dann über „die“ Qualität laufen, das lässt sich ja auch partiell gut begründen und zudem gut verkaufen.

Hier muss man differenzieren: Durchaus plausibel ist die erneut von der AOK vorgetragene These, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Menge und Qualität bei bestimmten medizinischen Leistungen. Heike Le Ker zitiert in ihrem Artikel „Mehr Tote durch Behandlungsfehler als im Straßenverkehr“ das Beispiel mit den Frühgeborenen:

»Je mehr Frühgeborene eine Klinik behandelt, desto größer ist die Überlebenswahrscheinlichkeit. Auf Basis der AOK-Daten hat das Wido errechnet, dass dies insbesondere bei Babys der Fall ist, die bei der Geburt weniger als 1250 Gramm wiegen. Demnach ist das Risiko, dass ein so kleines Baby in einer Klinik mit 15 Frühgeburten pro Jahr stirbt, um 87 Prozent höher als in Kliniken mit mehr als 45 Fällen jährlich.«

Bei anderen Leistungen ist die Diskussionslage weitaus strittiger, was die These einer linearen Korrelation zwischen Menge und Qualität angeht.

Unabhängig davon hat jede Medaille – mithin also auch die geforderte weitere Spezialisierung der Krankenhäuser – zwei Seiten. Und oftmals wird an die andere Seite nicht gedacht. Wir haben bereits in den vergangenen Jahren eine ausgeprägte Spezialisierung vieler Kliniken sehen können, was eine Auswirkung der neuen Finanzierungssystematik seit Anfang des Jahrtausends ist: Mit dem Gesetz zur Einführung des diagnoseorientierten Fallpauschalensystems vom 23.04.2002 wurde das bisherige System der Krankenhausvergütung aus tagesgleichen Pflegesätzen, Fallpauschalen, Sonderentgelten und Krankenhausbudgets auf eine leistungsorientierte Vergütung umgestellt. Man kann durchaus systemlogisch die weitere Spezialisierung vorantreiben. Das hat aber Konsequenzen, die man in Rechnung stellen muss bzw. über die man überhaupt mal diskutieren sollte. So beispielsweise bei der fachärztlichen Weiterbildung der Mediziner. Je spezialisierter die Krankenhäuser werden, desto schwieriger bis unmöglich wird es, die fachärztliche Qualifikation in der notwendigen Tiefe und Erfahrung an einem oder zwei Kliniken zu vermitteln. Letztendlich müsste man dann die Figur des Wanderarztes während der Weiterbildung schaffen.

Apropos Fallpauschalensystem der Finanzierung der Krankenhäuser. Hier ist die Position des Bundesverbandes der AOKen schon sehr eigen. Uwe Deh postuliert hierzu:

»Immer wieder wird das DRG-System für Fehlanreize verantwortlich gemacht, doch das ist falsch: Das DRG-System hat dafür gesorgt, dass die Kliniken effizienter geworden sind. Damit hat es genau das getan, was es sollte.«

Das ist ein echter Euphemismus angesichts dessen, was wir mittlerweile wissen über die eben auch hoch problematischen Ökonomisierungseffekte, die direkt aus dem Fallpauschalensystem resultieren. Hier möchte man Herrn Deh die Lektüre beispielsweise dieses Artikels empfehlen:

Michael Simon: Das deutsche DRG-System: Grundsätzliche Konstruktionsfehler, in: Deutsches Ärzteblatt, 2013, A 1782 – A 1786

Seine Argumentation geht in diese Richtung: »Knapp zehn Jahre nach Einführung des DRG-Systems in Deutschland wird deutlich: Die Entwicklung des Versorgungsangebots im stationären Sektor darf nicht allein den unkalkulierbaren Wirkungen eines reinen Preissystems überlassen werden.«
Das ist wohl wahr – das DRG-basierte Fallpauschalensystem ist keineswegs so harmlos effizient, wie es uns der Spitzenmann der AOK verkaufen will. Dazu gibt es zahlreiches Material, aus der Vielzahl der Artikel vgl. hier nur beispielhaft „Das Finanzdesaster deutscher Krankenhäuser“ aus der WirtschaftsWoche: »Mit Privatisierung drohen, Lohnkosten drücken, Städte erpressen – bei Übernahmen von Krankenhäusern kämpfen Politiker, Unternehmer, Kirchen und Kommunen mit harten Bandagen.«

Qualität hat dann letztendlich immer auch und nicht selten vor allem was mit dem Preis zu tun. Um nicht missverstanden zu werden – Qualität hat neben den Voraussetzungen, die vorhanden sein müssen, um Qualität zu liefern, was mit Ausgaben verbunden ist und auch mehr Geld bedeuten kann, am Ende sehr viel mit der Haltung der beteiligten Akteure zu tun. Und die „richtige“ Haltung im Gesundheitswesen hinzubekommen, ist sicher nicht einfach, weil wie immer im Leben eben personenabhängig. Aber diesen wichtigen Aspekt sollte man unbedingt mitdenken, wenn jetzt erneut der Ruf nach mehr Controlling, Dokumentation, QM usw. laut wird. Zuweilen ist es die schwierigste Aufgabe, einen Mittelweg zu finden.

Läufst Du noch oder liegst Du schon unterm Messer? Immer diese Fallpauschalen im Krankenhaus. Sogar die Bundesregierung grübelt bzw. will grübeln lassen

Es basiert leider nicht nur auf anekdotischer Evidenz, wenn behauptet wird, dass man in Deutschland tunlichst keine Knie- oder Hüftprobleme bekommen  sollte, denn so schnell könne man kann nachdenken, wie man unter dem Messer liegt und am Ende mit einer Knie- oder Hüftprothese wieder entlassen wird. Dahinter steht die These, dass das spezifische Abrechnungssystem für Krankenhäuser in Deutschland – also die Fallpauschalen auf der Basis von DRGs – Anreize setzt, bei bestimmten Operationen bzw. Behandlungen in die Menge zu gehen, weil sich das ökonomisch besonders lohnt, auch wenn nicht immer eine entsprechende medizinische Indikation hinterlegt ist. Das ist bzw. wäre ein starker Vorwurf.

Auf der anderen Seite wird jeder gute Ökonom die faktische Kraft der Anreize aus den Finanzierungssystemen als eine Grundkonstante berücksichtigen. Und natürlich hat ein fallpauschalierendes System, bei dem die (derzeit noch innerhalb der Bundesländer) für alle Krankenhäuser geltenden Pauschalen z.B. für eine Endoprothese auf der Basis von Durchschnittskosten kalkuliert werden, erhebliche Auswirkungen nicht nur dahingehend, dass es einen Anreiz gibt, in die Menge zu gehen, sondern auch, dass die Patienten nicht die vorgegebene Verweildauer überschreiten, besser unterschreiten sollten. Dazu kommt ein starker Impuls in Richtung Spezialisierung und „Industrialisierung“, denn natürlich kann eine Klinik, die sich beispielsweise auf Knie- und Hüftendoprothesen spezialisiert hat und nichts anderes macht, die damit verbundenen Abläufe wesentlich effizienter, vor allem schneller und mehr davon durchführen als ein Krankenhaus, in dem das nur zwei neben vielen anderen Eingriffen sind. Das eine, spezialisierte Krankenhaus kann dann mit den Pauschalen, weil es unter den Durchschnittskosten liegt, Gewinne realisieren, während das andere Krankenhaus durchaus in die Verlustzone geraten könnte, weil es überdurchschnittliche Kosten hat, beispielsweise aufgrund der geringen Fallzahlen und des niedrigeren Spezialisierungsgrades.

Damit so etwas wie Fallpauschale etwas konkreter wird, zeigt ein Blick in die Tabelle als Beispiel die Preise der DRG-Pauschalen 2012 in Schleswig-Holstein. Bleiben wir bei der Hüfte und dem Knie:  Für die Implantation einer Knie-Endoprothese gab es im vergangenen Jahr 6.925 Euro, für den Ersatz des Hüftgelenks 8.381 Euro – zum Vergleich: Für eine so wichtige Prozedur wie die „Natürliche Geburt (ohne Komplikation)“ wurden 1.493 Euro überwiesen, was zugleich verdeutlicht, warum die Krankenhäuser heutzutage eine erhebliche Mindestzahl an Geburten brauchen, um über die Runden kommen zu können, wenn man sich gleichzeitig die Kosten vorstellt, die anfallen, um eine geburtshilfliche Abteilung kostendeckend betreiben zu können. Der Blick auf die Geburten ist auch deshalb hier passend, weil es jedem unmittelbar einleuchtet, dass die Möglichkeiten einer Klinik, die Zahl der Geburten in der umgebenden Region zu steigern, ganz offensichtlich mehr als begrenzt sind. Bei anderen „Produkten“ eines Krankenhauses stellt sich das schon anders dar, womit wir wieder bei den Knie- und Hüftendoprothesen wären, denn hier kann aufgrund der erheblichen Asymmetrie zwischen Arzt und Patient durchaus das hervorgerufen werden, was die Gesundheitsökonomen eine „angebotsinduzierte Nachfrage“ nennen.

Das hier angedeutete Problem besteht summa summarum bei vielen OPs. Vor allem dann, wenn gleichzeitig grundsätzlich eine andere, „konservative“ Alternative gegeben ist. Schauen wir zur Konkretisierung wieder auf die Preise für die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr: Wir haben gelernt, dass es für eine ganz normale Entbindung ohne Komplikationen einen Betrag in Höhe von 1.493 Euro gibt. Nun könnte man auch einen Kaiserschnitt durchführen. Gibt es keine komplexen Diagnose dabei, dann würde man immerhin schon 2.907 Euro bekommen, also fast genau doppelt so viel Geld wie für eine normale Entbindung. Könnte da etwa ein Erklärungsansatz liegen für die sehr hohe Zahl an Kindern, die in Deutschland per Kaiserschnitt zur Welt kommen? Wohlgemerkt – ein möglicher Grund neben anderen.

Um solche Fragen beantworten zu können, muss man sich die Daten genauer anschauen. Und entsprechende Fragen stellen. Genau das hat die Bundestagsfraktion der Linken gemacht und eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung adressiert: „Mögliche ökonomisch motivierte Medizin in Krankenhäusern durch Fehlanreize der Fallpauschalen“, so der Titel ihrer Anfrage (Drucksache 17/14451). Dabei gehen die Fragesteller von folgenden Annahmen aus:

»Da die Entgelte für die erbrachten Leistungen in den letzten Jahren langsamer stiegen als die Kosten, wurde ein Teufelskreis in Gang gesetzt. Krankenhäuser können nur überleben, wenn sie die Fallzahlen steigern. Das bedeutet, entweder müssen mehr Patientinnen und Patienten behandelt oder die Invasivität der Behandlung ausgeweitet werden – z. B. durch mehr Operationen oder andere Eingriffe. Die Finanzsituation der Krankenhäuser wird zusätzlich dadurch bedroht, dass die Länder ihrer Verpflichtung, die notwendigen Investitionen zu tragen, nicht nachkommen und daher Investitionen über DRG-Erlöse finanziert werden müssen. Kliniken üben durch Bonusverträge Druck auf Ärztinnen und Ärzte aus, damit sie die Zahl lukrativer Operationen steigern … Krankenhäuser spezialisieren sich auf bestimmte Abteilungen, die sich rechnen, z. B. Orthopädie, Kardiologie oder Schmerztherapie. Kliniken, die eine Grund- und Regelversorgung anbieten, sind benachteiligt. Patientinnen und Patienten tragen aus Sicht der Kliniken „unsichtbare Preisschilder“, die „gute“ und „böse“ Diagnosen unterscheiden … In diesen Fehlanreizen liegt der Grund dafür, dass Deutschland „OP-Weltmeister“ ist.«

Mittlerweile liegt eine Antwort der Bundesregierung auf diese Anfrage vor (Drucksache 17/14555). Spiegel Online hat einige Erkenntnisse sogleich in einen Artikel gegossen: „Zahl der Operationen ist drastisch gestiegen„: »Mehr als 15 Millionen Operationen führten deutsche Ärzte 2011 durch – ein Viertel mehr als 2005. Vor allem die Zahl der Wirbelsäulen-OPs ist drastisch gestiegen. Die Linke moniert Fehlanreize zum Schneiden.«

Seit 2005 ist die Zahl der Operationen in Deutschland um mehr als ein Viertel gestiegen. Demnach gab es im Jahr 2005 rund 12,13 Millionen Operationen. 2011 waren es bereits 15,37 Millionen. Besonders sticht die Zahl der Wirbelsäulen-OPs hervor: Dem Bericht zufolge hat sie sich in dem Zeitraum mehr als verdoppelt – von 326.962 auf 734.644, so zitiert Spiegel Online aus der Antwort der Bundesregierung. Sind wir denn in Deutschland innerhalb weniger Jahre zu einem Volk mit lauter kaputten, operationsbedingten Rücken geworden? Die Frage drängt sich auf – und auch mögliche Antworten. Eine davon könnte lauten: Wir sind halt eine älter werdende Gesellschaft, dann ist auch eine Zunahme solcher Eingriffe zwangsläufiges Resultat des vielbeschworenen demografischen Wandels.

Hierzu finden sich interessante Ausführungen in der Antwort der Bundesregierung:

»Die DRG-Begleitforschung der Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene kommt für den Zeitraum 2006 bis 2008 zu dem Ergebnis, dass lediglich rund ein Drittel des Leistungsanstiegs durch die demografische Entwicklung erklärt werden kann. Einen ähnlichen Befund enthält eine 2012 im Auftrag des GKV- Spitzenverbands erstellte Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung zur Mengenentwicklung und Mengensteuerung stationärer Leistungen. Danach können für den Zeitraum von 2006 bis 2010 weniger als 40 Prozent der Zunahme der Fälle durch die demografische Entwicklung erklärt werden. Es liegen keine Informationen darüber vor, in welchem Umfang der restliche Leistungsanstieg durch den medizinisch-technischen Fortschritt und andere Ursachen bedingt ist. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene zu der Vergabe eines Forschungsauftrags verpflichtet, mit dem die Leistungsentwicklung und bestehende Einflussgrößen untersucht werden« (Drucksache 17/14555: 8).

Fazit: Die Daten sind dermaßen auffällig, dass selbst die Bundesregierung ins Grübeln gekommen ist bzw. andere in Form einer Studie für sich weitergrübeln lassen möchte. Der Normalbürger hat allen Grund, ins Grübeln zu kommen, wenn ihm eine OP angeraten wird, könnte man auch ableiten
Auch der internationale Vergleich fundiert dieses skeptische Sicht auf die Dinge: Der aktuellen Antwort der Regierung zufolge gab es 2010 in Deutschland mit 295 Hüftoperationen pro 100.000 Einwohner so viele Eingriffe wie nirgendwo sonst in Europa. Auch bei Knie-OPs liege Deutschland mit 213 Eingriffen pro 100.000 Einwohner im europäischen Vergleich vorne. Außerdem ist Deutschland weltweit zudem eines der Länder mit den meisten Kaiserschnitten. Von 1000 Babys im Jahr 2010 seien 213 per Kaiserschnitt zur Welt gekommen.
Aber was tun? In dem Spiegel Online-Artikel wird Karl Lauterbach, der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zitiert: Er sieht zwei Ansatzpunkte: 
  • Zum einen plädiert er für eine verbindliche Zweitmeinung. Der Patient sollte in jedem Fall darüber informiert werden, dass er sich die Meinung eines zweiten Arztes einholen kann, ob die vorgeschlagene Operation wirklich sinnvoll ist. Diese Zweitmeinung soll es bei planbaren Eingriffen geben, etwa an Hüftgelenk, Knie oder Bandscheibe. Die Krankenkassen sollten diese Leistung ausschreiben und den zweitgutachtenden Arzt vergüten.
  • Zum anderen sollte bei Krankenhäusern, die eine gute Qualität nachweisen können, die heute vorhandene Mengendeckelung aufgehoben oder zumindest gelockert werden. Und umgekehrt: Bei Häusern, die weniger gute Ergebnisse mit ihren Operationen erzielen, sollte die Deckelung strenger reguliert werden.
Da kann man dann nur hoffen, das die Qualität auch richtig und ausreichend gemessen wird und außerdem stellt sich natürlich sofort die Anschlussfrage: Wie will man denn damit verhindern, dass dann die „guten“ Krankenhäuser in die Menge gehen, weil das aus ihrer Sicht verständlicherweise mehr Umsatz bedeutet, die Gewinnmargen steigern könnte. Neuer Stoff also für eine notwendige Diskussion.

Jetzt sollen wirklich alle eine Fallpauschale werden, aber einige wollen nicht (mehr). Der (notwendige) Streit um die Krankenhausfinanzierung

Die Fallpauschalen als zentrale Komponente der Krankenhausfinanzierung in Deutschland sind zehn Jahre geworden: „Ein Geburtstag, der Fragen aufwirft„, so der Publizist Uwe K. Preusker in einem Beitrag für die „Ärzte Zeitung“. »Das gerade zehn Jahre alt gewordene deutsche Fallpauschalensystem als Basis für die Vergütung stationärer Leistungen gerät immer häufiger in die Kritik. Es betone zu stark die Ökonomie und fördere die Leistungsmenge – so lauten zentrale Kritikpunkte«, so Preusker. Dafür gibt es ja auch zahlreiche Belege, beispielsweise bei den vielen Knie- und Rücken-OPs in Deutschland. Oder die in die Kritik geratenen Chefarztverträge, in denen Zulagen für die Realisierung bestimmter Mengenvorgaben fixiert wurden. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen.

Man muss an dieser Stelle kurz erinnern: Bis zur Einführung der Fallpauschalen gab es in den deutschen Krankenhäusern tagesgleiche Pflegesätze, die nach den einzelnen Abteilungen und Kliniken differenziert waren und im Prinzip dem Selbstkostendeckungsprinzip folgen sollten. Dies wurde – nicht unplausibel – als tendenziell unwirtschaftlich problematisiert, denn diese Vergütungsform beinhaltete den Anreiz, die Patienten länger als notwendig in den Kliniken zu halten. Und viele ältere Semester werden sich erinnern, dass es damals schlichtweg nicht vorgekommen ist, dass man an einem Freitag entlassen wurde, sondern frühestens am Montag, denn für die Tage dazwischen bekam das Krankenhaus den gleichen Pflegesatz wie unmittelbar am Tag nach einer OP, was natürlich angesichts der Tatsache, dass die Patienten im Wesentlichen nur noch Hotellerieleistungen in Anspruch nahmen, ein gutes Geschäft war.

Diese Zeiten sind nun schon seit längerem vorbei. Aber die Deutschen haben vor zehn Jahren – bei dem Systemwechsel hin zu einem „vollständig fallpauschalierenden System“ der Krankenhausvergütung – wieder einmal so agiert wie so oft: Wenn sie etwas machen, dann aber „richtig“, will heißen, möglichst kompromisslos. Preusker dazu:

»Bei der Einführung des DRG-Systems hat Deutschland einen Weg eingeschlagen, den bis dahin kein anderes der rund 50 Länder eingeschlagen hatte, die international DRGs nutzen: In Deutschland sollte das DRG-System die bis dahin geltende Finanzierung der stationären Versorgung zu 100 Prozent ersetzen.
Schaut man in andere Länder, so hat man dort fast überall auf Systeme gesetzt, die eine Mischfinanzierung vorsehen, so zum Beispiel in Norwegen und Dänemark … Hinzu treten in vielen Ländern, die Fallpauschalen zur Honorierung stationärer Leistungen einsetzen, ergänzende Zuweisungen für besondere Leistungen: etwa für Vorhaltekosten. Auch die hochspezialisierte Versorgung oder die universitäre Medizin werden durch besondere Mechanismen außerhalb des Fallpauschalensystems finanziert.«

Womit wir schon mittendrin sind in den aktuellen Problemen, die sich herausgebildet haben aufgrund der Mechanik, die dem deutschen Fallpauschalensystem inhärent sind. Wenn die Krankenhäuser beispielsweise für eine bestimmte OP in einem Bundesland (tendenziell mal in ganz Deutschland) die gleiche Fallpauschale bekommen, mit der sie alle Kosten decken müssen, dann ist natürlich klar, dass die Kliniken, die sich auf diese OP spezialisiert haben und diese in großer Fallzahl durchführen (können), einen klaren Startvorteil haben gegenüber den Krankenhäusern, bei denen diese OP vielleicht nur 5 oder 10 mal im Jahr anfällt. Insofern hat das neue Finanzierungssystem zu einer massiven Spezialisierung der Kliniken beigetragen, was aber auch gewollt war. Nur gibt es eben Krankenhäuser, beispielsweise der Grundversorgung in den ländlichen Räumen, die auch wenn sie wollten niemals die Spezialisierungsvorteile von Kliniken mit einem partikularen Leistungsspektrum erreichen können. Die rauschen dann schnell in die Verlustzone, während die anderen mit den Pauschalen durchaus gewinn machen können.

Und noch für eine weitere Gruppe an Kliniken gibt es teilweise existenzbedrohende Risiken, die sich aus dem neuen System ableiten lassen: Die Fallpauschalen, das muss man an dieser Stelle wissen, sind durchschnittskostenkalkulierte Beträge, die sich hinsichtlich einer bestimmten Diagnose und/oder Preozedur auf Durchschnittsdauern beziehen. Daraus und aus der Tatsache, dass man die Zahl der DRGs (das sind die Diagnosen bzw. Prozeduren, die mit einer Pauschale belegt sind) überschaubar halten möchte, folgt als Kollateralschaden angesichts der Heterogenität der Fälle und Fallkonstellationen, dass es für besonders schwierige und damit natürlich auch aufwandsseitig teure Fälle zu wenig Geld gibt aus der Fallpauschale, die sich immer auf einen Standardfall beziehen muss. Genau in dieses Dilemma sind viele Kliniken der Maximalversorgung hineingelaufen, was man derzeit wieder einmal in der Berichterstattung am Beispiel der Kindermedizin beobachten kann.

Kind gerettet, Krankenhaus in den Miesen„, unter dieser Überschrift thematisiert Nina von Hardenberg in der Süddeutschen Zeitung, dass seltene Krankheiten für Kliniken oft ein Verlustgeschäft darstellen, da sie nur einen Teil der Behandlungskosten erstattet bekommen. Das spüren vor allem universitäre Einrichtungen, die viele Patienten mit solchen Leiden aufnehmen. In Tübingen protestieren nun Eltern gegen das Abrechnungssystem. Und das hat es in sich: »Die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin hat im vergangenen Jahr 489 Kinder aufgenommen, die die Klink 50 Prozent mehr gekostet haben, als die Krankenkassen erstatteten. Diese Kostenausreißer machten zwar weniger als fünf Prozent aller Patienten aus, doch mit ihnen machte die ohnehin defizitäre Klinik immerhin 2,17 Millionen Euro Minus.«

»In Tübingen haben sich nun Eltern- und Fördervereine zusammengeschlossen, um für eine bessere Finanzierung der Klinik zu werben. Unter dem Motto „Ich bin keine Fallpauschale“ stellen sie im Internet Kinder vor, die im derzeitigen Abrechnungssystem den Kliniken, die ihnen helfen, eine ungedeckte Rechnung hinterlassen.«

Eltern und Klinikpersonal haben eine Petition erarbeitet, mit der sie für die Schwerst- und Spezialfälle an den Universitäts-Kinderkliniken umgehend eine faire und kostendeckende Vergütung, die sich am tatsächlichen Behandlungs- und Pflegeaufwand orientiert, fordern. Hierfür haben Sie eine eigene Webseite eingerichtet: „Ich bin keine Fallpauschale„.

Hardenberg weist zu recht darauf hin, dass es sich hierbei um ein generelles Systemproblem handelt: »Tatsächlich sind Kostenausreißer kein Problem der Kindermedizin allein. Derzeit zahlen alle Krankenhäuser drauf, wenn ein Patient eine besonders komplizierte oder langwierige Behandlung benötigt. Im System der Fallpauschalen erhalten Klinken schließlich für jeden Patienten eine fixe Summe, die sich an den durchschnittlichen Kosten für die Behandlung bemisst. Dafür verdienen sie aber umgekehrt auch zusätzlich, wenn Patienten schneller als der Schnitt genesen. So sollen sich schwere und leichtere Fälle ausgleichen.«

Sie deutet an, dass es Hoffnung gibt für die betroffenen Krankenhäuser – die allerdings noch auf sich warten lassen wird: »Die Bundesregierung hat in einem der letzten Gesetze vor der Sommerpause beschlossen, das Problem der Kostenausreißer im Jahr 2014 wissenschaftlich untersuchen zu lassen. 2015 könnte mit den Ergebnissen der Studie dann eine Extravergütung für diese Patienten entwickelt werden.« Das muss man natürlich – sollte es überhaupt so kommen – erst einmal überbrücken.

Nun gab es einen Bereich, den man damals bewusst ausgeschlossen hatte von der Einführung eines durchgängig fallpauschalierenden Systems: die Psychiatrien. Hier wird weiterhin mit tagesgleichen Pflegesätzen vergütet. Aber auch dieser Teil der deutschen Krankenhauslandschaft soll nun eingegliedert werden in die schöne neuen Vergütungswelt, doch dagegen hat sich Widerstand entwickelt: Es geht um das „Pauschalierende Entgeltsystem in Psychiatrie und Psychosomatik“ (PEPP).

Der aktuelle PEPP-Katalog für das Jahr 2013 enthält insgesamt 135 tagesbezogene Entgelte für voll- und teilstationäre Leistungen und 75 Zusatzentgelte, die für hochaufwendige Leistungen bezahlt werden. Psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser werden zukünftig ihre Leistungen auf Basis des PEPP-Katalogs abrechnen; ab Januar 2013 freiwillig, ab 2015 verpflichtend. Den neuen Entgeltkatalog hat das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) kalkuliert (Quelle: AOK zum PEPP)

Barbara Dribbusch beschreibt in ihrem Artikel „Tagessätze je nach Diagnose“ an einem Beispiel das mit dem neuen Entgeltsystem verbundene Problem: »16 Tage. So lange darf ein an Schizophrenie Erkrankter nach dem Entwurf eines neuen Entgeltsystem künftig in der Psychiatrie bleiben, während die Klinik den höchsten Tagessatz kassiert. Dauert der Aufenthalt länger, wird beim Tagessatz gekürzt.« Das neue Entgeltsystem werde „hoch individuellen Verläufen“ bei psychischen Erkrankungen nicht gerecht, so wird Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands, in dem Artikel zitiert. Rosenbrock, der sich in den Untiefen des deutschen Gesundheitssystems gut auskennt, weist auf eine Dilemma hin, das mit dem neuen System verbunden ist: »Mit den degressiven Tagessätzen in PEPP würden einerseits schwerer erkrankte Patienten möglicherweise zu früh entlassen, andererseits aber gebe es einen Anreiz, leichter Erkrankte so lange dazubehalten, bis die maximale Dauer für die höchste Vergütungsstufe ausgereizt sei«.
Die Befürworter des Systems weisen allerdings darauf hin, dass mit dem neuen System je nach Diagnose unterschiedliche Tagessätze gezahlt werden, was heute nicht der Fall ist, da die gegenwärtigen klinikindividuellen Pflegesätze unabhängig von der Erkrankung des Patienten stets gleich sind.

Kritiker hingegen weisen beispielsweise darauf hin, dass im PEPP-Katalog Leistungen etwa der Sozialarbeiter oder der Ergotherapeuten nicht erfasst werden. Diese würden als „Hintergrundrauschen“ nicht abgebildet.

Wir sprechen hier keineswegs über eine Orchideendisziplin, wenn wir auf die Psychiatrien schauen: Jährlich gibt es fast eine Million stationäre Aufnahmen, Tendenz steigend. Das ganze betrifft also viele Menschen.

Kommen wir abschließend und ausblickend zurück zu dem Beitrag „Ein Geburtstag, der Fragen aufwirft“ von Uwe K. Preusker, einem versierten Beobachter der Entwicklungen in der deutschen Krankenhauslandschaft: »Angezeigt wäre … eine Ergänzung des G-DRG-Systems durch Qualitätskriterien, die dann schrittweise einen größeren Einfluss auf die Vergütung bekommen könnten. Außerdem müssen nachgewiesene Fehlanreize, die das gegenwärtige System aufweist, durch sinnvolle Neuregelungen ersetzt werden. Und die Wege, die viele andere Länder eingeschlagen haben, weisen auch darauf hin, dass man individuelle Finanzierungsinstrumente benötigt, wenn man politisch priorisierte Ziele erreichen will, etwa eine flächendeckende Versorgung.«

Der entscheidende Aspekt mit Blick auf die Zukunft und die von vielen kritisierte fortbestehende Trennung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung ist aber der folgende Gedanke von Preusker:

»Vor allem aber sollte man bei jeder Weiterentwicklung der existierenden Vergütungssysteme berücksichtigen, dass ambulante und stationäre Versorgung tendenziell immer stärker zusammenwachsen – irgendwann bedeutet dies unweigerlich, dass beide Sektoren auch unter ein gemeinsames Dach einheitlicher Vergütungsregularien kommen.«

Das wird noch eine Menge Arbeit und ein langer Weg.