Über die Zuckungen der Erregungsgesellschaft beim Thema Sozialleistungen für EU-Mitbürger – oder was eine Stellungnahme von EU-Beamten so auslösen kann. Ach ja – und die Frage nach den Profiteuren von dem, was als Missbrauch auf die Bühne tritt

Bekanntlich leben wir in einer medialen Erregungsgesellschaft. Dies kann man diese Tage erneut lehrbuchhaft studieren. Ausgelöst durch wahlkampfvorbereitende verbale Kraftmeierei aus Bayern – Wer betrügt, der fliegt – debattieren die Medien und dadurch angereizt Politik und viele Menschen erregt über eine angebliche Massenzuwanderung „in unsere Sozialsysteme“, vor allem die armen Mitbewohner des europäischen Hauses in Bulgarien und Rumänien vor den Augen habend. Und während man versucht, die komplexe Rechtslage hinsichtlich der Gewährung von Sozialleistungen an – ja wen eigentlich: EU-Ausländer oder nicht vielmehr EU-Mitbürger? – zu erörtern und darauf hinzuweisen, dass es zahlreiche offene Fragen gibt (vgl. hierzu den Blog-Beitrag Ja gibt’s das denn: Wenn Deutsche das Ausland „überlasten. Und ganz viele warten auf den EuGH vom 9. Januar 2014), da wird man scheinbar von „Entscheidungen“ oder besser: von Ereignissen, die als Entscheidungen kolportiert werden, überholt: Brüssel fordert Hartz IV-Prüfung für arbeitslose EU-Zuwanderer, berichtet Roland Preuß in der Süddeutschen Zeitung und sofort setzt ein medialer Tsunami ein, der zu abertausenden von Kommentaren und wutschnaubenden Ausritten des (partei)politischen Apparates führt. Preuß notiert in seinem Artikel: »Armutszuwanderer müssen nach Ansicht der EU-Kommission in Deutschland leichter Zugang zu Sozialleistungen erhalten. Dies geht aus einer Stellungnahme der Kommission zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.« Das hört sich klar und eindeutig an und so wurde und wird das auch kolportiert. Wie immer im Leben ist es aber ein wenig komplexer und auch irgendwie nicht so eindeutig, wie es nun daherzukommen scheint. 

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Die Frauen, die Lohnlücke zu den Männern und – ach, die Statistik

Wieder so ein irritierendes Rauschen in den Medien zu ein und demselben Thema: Frauen verdienen fast so viel wie Männer könne wir als Überschrift eines Artikels in der Online-Ausgabe der WirtschaftsWoche lesen. Das stimmt positiv. Und am gleichen Tag meldet Spiegel Online Deutschland bei Lohngefälle auf zweitletztem Platz in EU. Was soll man davon halten?

Beginnen wir mit der negativ daherkommenden Berichterstattung – in der Hoffnung, die positive Meldung kann die negativen Botschaften kompensieren oder gar ad absurdum führen.

»Deutschland liegt beim Lohngefälle zwischen Männern und Frauen auf dem zweitletzten Platz in Europa. Das geht aus einem Bericht hervor, den die EU-Kommission am Montag in Brüssel vorlegte … Im EU-Durchschnitt betrug die Gehaltslücke demnach 16,2 Prozent, in Deutschland verdienten Frauen dagegen rund 22 Prozent weniger als Männer. Ungleicher ist die Bezahlung nur in Estland, dort beträgt die Lücke 27,3 Prozent.«

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Väter beziehen immer häufiger, aber auch immer kürzer Elterngeld

Das Elterngeld in Deutschland nach dem  Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz von 2007 ist eine Transferzahlung für Eltern, die wegen der Betreuung eines Kindes nicht oder nicht voll erwerbstätig sind oder ihre Erwerbstätigkeit für die Betreuung ihres Kindes unterbrechen. Im Gegensatz zum früheren Erziehungsgeld ist das Elterngeld für Kinder, die ab dem 1.1.2007 geboren worden sind, als Lohnersatzleistung ausgestaltet, es wird mithin also in Abhängigkeit vom Erwerbseinkommen, das vor der Geburt des Kindes bezogen wurde, in unterschiedlicher Höhe ausgezahlt. Man kann es auch anders ausdrücken: Das Kind eines Akademikers mit hohem Einkommen ist im Elterngeld „mehr wert“ als das einer Verkäuferin oder einer vor der Geburt nicht erwerbstätigen Mutter. Für die gibt es einen Sockelbetrag von 300 Euro,  sie bekommen Elterngeld in Höhe des Mindestbetrages als Sozialleistung. Was aber auch bedeutet, dass es als „vorrangige“ Sozialleistung bei den Hartz IV-Empfängern als Einkommen angerechnet und vom Grundsicherungsanspruch abgezogen wird.

Man muss rückblickend sehen: Während das frühere Erziehungsgeld unabhängig von der vorgeburtlichen Einkommenshöhe bis zu 24 Monate in Höhe von 300 Euro monatlich bezogen werden konnte, erhalten Eltern, die vor der Geburt des Kindes arbeitslose oder ohne Einkommen waren, nur noch für 14 Monate den Mindestbetrag von 300 Euro. Für diese Gruppe brachte das Elterngeld eine Verschlechterung mit sich. Die Lohnersatzleistung Elterngeld ist nach oben begrenzt auf maximal  1.800 Euro monatlich.

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