Wieder so ein irritierendes Rauschen in den Medien zu ein und demselben Thema: Frauen verdienen fast so viel wie Männer könne wir als Überschrift eines Artikels in der Online-Ausgabe der WirtschaftsWoche lesen. Das stimmt positiv. Und am gleichen Tag meldet Spiegel Online Deutschland bei Lohngefälle auf zweitletztem Platz in EU. Was soll man davon halten?
Beginnen wir mit der negativ daherkommenden Berichterstattung – in der Hoffnung, die positive Meldung kann die negativen Botschaften kompensieren oder gar ad absurdum führen.
»Deutschland liegt beim Lohngefälle zwischen Männern und Frauen auf dem zweitletzten Platz in Europa. Das geht aus einem Bericht hervor, den die EU-Kommission am Montag in Brüssel vorlegte … Im EU-Durchschnitt betrug die Gehaltslücke demnach 16,2 Prozent, in Deutschland verdienten Frauen dagegen rund 22 Prozent weniger als Männer. Ungleicher ist die Bezahlung nur in Estland, dort beträgt die Lücke 27,3 Prozent.«
Und weiter erfahren wir zur Lage in Deutschland:
»Laut Statistischem Bundesamt kamen Frauen im Jahr 2012 auf einen durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 15,21 Euro, ihre männlichen Kollegen auf 19,60 Euro. Auffällig ist, dass die Lücke in den ostdeutschen Bundesländern viel kleiner ist: Hier bekommen Frauen nur acht Prozent weniger. Im Westen ist die Differenz mit 24 Prozent dreimal so groß.
Die großen Lohnunterschiede führen die Statistiker auf die unterschiedliche Berufs- und Branchenwahl zurück – und auf die Tatsache, das Frauen seltener Führungspositionen bekleiden. Ein Teil des Verdienstunterschiedes kann allerdings nicht mit solchen arbeitsplatzbezogenen Faktoren erklärt werden.«
Damit ist man schon fast an der Wahrheit angekommen, aber eben nur fast. Mit den Untiefen der Statistik in diesem Bereich hat sich bereits ein Blog-Beitrag auf dieser Seite auseinandergesetzt: Wieder einmal gut gemeint, aber nur gehopst statt gesprungen? Der nette Versuch, Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern auf dem Berichtsweg herzustellen, so lautet die Überschrift eines Beitrages vom 12. November 2013 und schon im März des Jahres 2013 wurde auf der Facebook-Seite von „Aktuelle Sozialpolitik“ der Rechenweg 22% => 7% => 2% kritisch unter die Lupe genommen anlässlich der Behauptung des Instituts der deutschen Wirtschaft im Kontext des „Equal Pay Day“ 2013, die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern betrage in Wirklichkeit nur 2% und sei eigentlich also gar keine. Was Wunschdenken ist, aber letztendlich wird dabei genau so „argumentiert“ wie in dem Artikel, den man aktuell in der WirtschaftsWoche zu lesen bekommt.
Dort finden wir die folgende Aussage – die gleichsam ein Lehrbuchbeispiel dafür ist, wie man es nicht machen kann und darf:
»Eine aktuelle Studie der Hay Group zeigt: Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen ist im gleichen Job nur gering. Die Hay Group hat in ihrer Studie 599 Unternehmen mit 320.035 Beschäftigten untersucht. Demnach verdienen Frauen im Durchschnitt zwei Prozent weniger als Männer, wenn sie den gleichen Karriereverlauf haben. 2010 lag die Differenz noch bei vier Prozent. „In der öffentlichen Debatte ist oft von sehr großen Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen zu hören. Diese lassen sich durch unsere Studie widerlegen“, sagt Thomas Gruhle, Mitglied der Geschäftsleitung von Hay Group.«
Man schaue sich das Zitat genau an – und dann findet man den Fehler: Die Frauen verdienen im Schnitt 2% weniger als Männer – und jetzt kommt es – »wenn sie den gleichen Karriereverlauf haben.« Na klasse, man fummelt so lange an den Bedingungen herum, bis es passt. Wenn sie den gleichen Karriereverlauf haben. Und was, wenn nicht? Genau das ist nämlich der Regelfall, weil zuweilen oder anders gesprochen nicht selten die Familiengründung „dazwischen kommt“ und dann irgendwie wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt die Karriereverläufe der Männer und Frauen irgendwie auseinanderlaufen. Mit dem gleichen Trick hat das Institut der deutschen Wirtschaft natürlich völlig der Wahrheit und Klarheit verpflichtet versucht, die beklagte Lohnlücke zwischen den Geschlechtern auf 2% herunterzurechnen: Man hat einfach die Annahme eingebaut, dass die Mütter nicht länger als maximal 18 Monate aus dem Beruf aussteigen, denn man hatte festgestellt: Dauerte die Job-Pause maximal 18 Monate, reduzierte sich der Gehaltsunterschied zu den Männern von 11 auf weniger als 2 Prozent. Also hat man dies auf alle Frauen, die ein Kind zur Welt gebracht haben, hochgerechnet, was wiederum nicht der Realität entspricht.
Man kann es derzeit drehen und wenden wie man will – die Lohnlücken zwischen den Geschlechtern existieren und sie sind zum einen eine Folge der unterschiedlichen Berufsgruppen und der Arbeitszeiten und letztendlich – um es zuspitzend zu formulieren – muss man eben die Erkenntnis in den Raum stellen, dass Kinder bekommen und sie haben in den ersten Jahren ihres Daseins bei den Müttern (nicht aber bei den Vätern) zu einer „Quasi-Behinderung“ am Arbeitsmarkt führen. Und die wird genau so abgebildet in den Vergütungsstrukturen und ihren Differenzen, wie das bei anderen Personengruppen erfolgt. Insofern sollten sich die Vertreter des bestehenden Systems nicht mit Versuchen aufhalten, die real existierende Lohnlücke wegzudefinieren, sondern sie sollten anerkennen, dass es sich um eine Manifestation von „Marktgesetzen“ handelt, die ansonsten gerne vorgezeigt werden.