Der geplante Ausschluss (neuer) ukrainischer Flüchtlinge aus dem (Noch-)Bürgergeld vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse zum „Job-Turbo“ und seiner Wirksamkeit

In dieser schnelllebigen Zeit ist es immer wieder angeraten, nicht nur im Hier und Jetzt zu verharren, sondern regelmäßig zurückzublicken und sich zu versichern, dass man nicht die Orientierung verloren hat. Und nachzufragen, was eigentlich aus Maßnahmen geworden ist, die man vor einiger Zeit auf den Weg gebracht und deren Wirkungen sich in der Regel erst mit einem gewissen Zeitverzug einstellen (können und werden). 

Ein notwendiger Blick zurück in das Jahr 2022: Viele Menschen in kurzer Zeit, eine unbürokratische Aufnahme und nach wenigen Wochen ein (erster) „Rechtskreiswechsel“

Deshalb sei an dieser Stelle kurz daran erinnert, wie sich die Situation unmittelbar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine Ende Februar 2022 dargestellt hat: Innerhalb weniger Wochen nach dem Kriegsausbruch haben Millionen Menschen – vor allem Frauen mit ihren Kindern – die Ukraine verlassen und haben in europäischen Staaten Schutz gesucht. Auch nach Deutschland: im Juni 2022 wurden bereits über 1,2 Millionen Menschen aus der Ukraine gezählt. 

Insofern war es im Frühjahr 2022 konsequent, dass man die vielen Menschen, die in so kurzer Zeit zu uns gekommen sind, nicht im „normalen“ Asylverfahren haben wollte, sondern man eine in der Schublade liegende EU-Richtlinie, die entstanden ist aus den Erfahrungen mit der großen Flüchtlingsbewegung in den 1990er Jahren im Kontext des Bürgerkriegs im damaligen Jugoslawien, aktiviert hat: die sogenannte „EU-Massenzustromrichtlinie“, mit der man vor allem die Mitgliedstaaten in die Lage versetzen wollte, die Belastung ihres Asylsystems durch die Gewährung vorübergehenden Schutzes abzumildern.

Denn auch daran muss hier erinnert werden: Sowohl die betroffenen Menschen wie auch die Aufnahmeländer sind damals sicher nicht davon ausgegangen, dass sich der elende Krieg bis an das Ende des Jahres 2025 ziehen wird (und immer noch ist kein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen). Insofern war das „unbürokratische“ Vorgehen mit der Aktivierung der Massenzustromrichtlinie konsequent.

Aber bereits nach wenigen Wochen wurde dann ein (aus heutiger Sicht muss man sagen: erster) Rechtskreiswechsel für die ukrainischen Flüchtlinge vom Gesetzgeber vollzogen. Mit Wirkung 01.06.2022 wurden die ukrainischen Kriegsflüchtlinge in das Bürgergeldsystem überführt.1 Ein gewichtiger Vorteil aus dem Rechtskreiswechsel in das SGB II wurde damals explizit hervorgehoben: ab dem ersten Tag des Leistungsbezugs konnte eine Vermittlung in den Arbeitsmarkt erfolgen und die Jobcenter waren durch den vollzogenen Rechtskreiswechsel neben der Leistungsgewährung eben auch zuständig für die Arbeitsmarktintegration der erwerbsfähigen geflüchteten Menschen.

Anders formuliert: Man hat die ukrainischen Kriegsflüchtlinge 2022 im wahrsten Sinne des Wortes mit offenen Armen aufgenommen und ist mit der schnellen Überführung in das „normale“ Grundsicherungssystem und die damit einhergehende Zuständigkeit der Jobcenter weit über die deutlich niedriger formulierten Anforderungen der EU-Massenzustromrichtlinie hinausgegangen. Hätte man nicht machen müssen, hat man aber.

Und auch das gehört zur historischen Vollständigkeit dazu: 2022 wurden sofort Stimmen laut, die auf eine „nützliche“ Verwertung der Arbeitskräftepotenziale der Geflüchteten aus der Ukraine vor dem Hintergrund des seit langem diskutierten Fach- und Arbeitskräftemangels hingewiesen haben. Sehr schnell wurde auch in vielen Medien die Frage aufgeworfen, wie viele der zumeist Ukrainerinnen denn wo arbeiten oder demnächst arbeiten werden. Und relativ schnell setzte dann eine große Ernüchterung ein, als nicht sofort der Großteil der hierher gekommenen Ukrainer in irgendwelche Jobs eingemündet sind.2 

Dabei wurde dann neben wie immer nicht einfachen Vergleichen mit einer (angeblich) besseren (weil deutlich schneller und mehr Menschen als in Deutschland erreichende) Arbeitsmarktintegration in anderen europäischen Aufnahmeländern auch die angeblich oder tatsächlich inaktivierende Wirkung der – wieder im Vergleich zu den meisten anderen Aufnahmeländern – relativ hohen Leistungen aus dem Bürgergeldsystem hingewiesen, die dazu beitragen (sollen), dass die betroffenen Flüchtlinge keinen oder zu wenig Druck haben, sich um eine Beschäftigung auf dem Erwerbsarbeitsmarkt zu bemühen.3 

Die politische Wirkung der anschwellenden und den modernen Zeiten entsprechend schnell auch enttäuschten Nachfragen, wie es denn nun mit der Integration der erwerbsfähigen Kriegsflüchtlinge in (irgendeine) Arbeit aussieht, wurde zugleich durch zwei Verstärker potenziert: Zum einen gab es 2022 gerade aus den Reihen der Wirtschaft einige Statements, dass man nun davon ausgeht, dass ganz viele ganz dringend gebrauchte Fachkräfte für die an Personalauszehrung leidenden Unternehmen kommen (was natürlich eine entsprechende Erwartungshaltung generiert hat), zum anderen gab es damals parallel eine aggressiver werdende Debatte über die (Nicht-)Arbeitsmarktintegration der „anderen“ Flüchtlinge, also vor allem der Menschen, die 2015 und danach aus Ländern wie Syrien, Afghanistan usw. nach Deutschland gekommen sind und wo ebenfalls eine schlechte Integration in irgendeine  erwerbsförmige Beschäftigung beklagt wurde.4

Die Politik geriet unter erheblichen Druck der veröffentlichten Meinung – und reagierte, wie man es von anderen Beispielen zur Genüge kennt: Man wirft eine Sonderaktion auf den politischen und medialen Markt und markiert damit, dass man nun gezielt was tun wird, um die Kritik aufzugreifen und im Idealfall ihre Verursachung zu beseitigen. Man weiß allerdings aus Erfahrung leider auch, dass diese Sonderaktionen oftmals nur als aufgeblasene Luft auf der politischen Bühne platziert werden, mit einer gewöhnlich sehr kurzen Halbwertzeit des tatsächlichen bzw. scheinbaren Wirkens, was aber auch nicht überraschen kann, wenn es hierbei ja vor allem darum geht, eine Aktivitätssimulation zu betreiben, um die Zuschauer auf dem Parkett zu beruhigen.

Exkurs: Die ungleichgewichtige Ambivalenz der Sonderaktionitis im Gefüge einer Massenverwaltung: Allerdings haben diese in der Regel mit allerlei semantischen und medialen Bohai aufgepumpten Sonderaktionen im Maschinenraum der real existierenden Massenverwaltung oftmals erhebliche tatsächliche Folgen auf der Arbeitsebene, denn dort muss das auch irgendwie umgesetzt werden – in Form von zahlreichen mehr oder weniger sinnvollen Besprechungen, der Einrichtung von neuen Arbeits- und natürlich Steuerungskreisen (was Unmengen an Arbeits- und Lebenszeit der Betroffenen verschlingt und zugleich in der Regel bei denen abgeladen wird, die sich sowieso noch überdurchschnittlich engagieren und die das dann „mitmachen“ sollen), vielen Berichtspflichten zur Produktion von nach außen irgendwie verkaufbaren Zahlen, der Umschichtung von möglicherweise schon für das laufende Tagesgeschäft bereits knappen Ressourcen hin zu den unter besonderer Beobachtung stehenden Sonderaktivitäten mit der logischen Folge, dass an anderer Stelle Aktivitäten heruntergefahren werden müssen (was dann wieder neue Probleme generiert, deren späteres Auftreten dann zu erneuten Sonderaktivitäten führen wird, wenn sie denn als Problem aufgegriffen und von außen an das Verwaltungssystem herangetragen werden). Sollte das Personal auch noch die „Sinn-Frage“ bei der konkreten Sonderaktion stellen, dann werden nicht selten lang anhaltende Frustrationseffekte bei den Beschäftigten generiert, die lange nach dem in der Regel sang- und klanglosen Einstellen der Sonderaktion, nachdem sich der politische und mediale Gefechtsnebel aufgelöst und durch andere Themen ersetzt wurde, anhalten und ihre toxische Wirkung im Apparat entfalten werden.
Dieser sehr negativ daherkommenden Einordnung der (möglichen) Auswirkungen von Sonderaktionen im System einer Massenverwaltung kann man auf der positiven Seite die Hoffnung gegenüberstellen, dass Sonderaktionen vielleicht die einzige Option sind, um von außen einen Impuls zur Veränderung der Art und Weise des Arbeitens zu setzen, das gewohnte System der (Nicht-)Bearbeitung von Fällen und Sachverhalten und die unvermeidlich damit einhergehenden Trägheitseffekte zu irritieren und eine Neukonfiguration innerhalb der Verwaltung auszulösen. Im günstigsten Fall setzt die von außen und unter Druck als Vorgabe in die etablierten Strukturen der Verwaltung eingeführte Fokussierung auf eine besondere Aufgabe dazu, dass dort tatsächlich mehr getan wird und man bessere Ergebnisse erreichen kann als bislang, wo das vielleicht nur mitgelaufen oder sogar vernachlässigt wurde. 

Bühne frei für den „Job-Turbo“

Am 18. Oktober 2023 initiierten das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sowie die Bundesagentur für Arbeit den „Job-Turbo“ – einer dieser Begriffe, die sich einfügen in die modern daherkommende Schlagwortwolke aus der Marketing-Sprache, in der wir seit längerem eingebunden werden. Das Projekt wollte „richtungsweisende Impulse für eine rasche und nachhaltige Eingliederung von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt“ setzen. Das war im damaligen aufgeheizten Klima einer kritischen Diskussion der (nicht) gelingenden Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen und vor allem im Kontext der Hervorhebung der schleppenden Integration von ukrainischen Kriegsflüchtlingen eine hochpolitische Angelegenheit, was man dadurch zu unterstreichen versuchte, dass ein „Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen“ in Person von Daniel Terzenbach aus dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA) eingesetzt wurde. Bis zum 31. Juli 2024 begleitete dieser Sonderbeauftragte die Umsetzung des Programms.

Der Sonderbeauftragte hat im November 2024 diese Auswertung des Programms aus seiner Perspektive veröffentlicht:

➔ Daniel Terzenbach (Hrsg.) (2024): Der Job-Turbo. Erfahrungsbericht des Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt, November 2024

Es ist an dieser Stelle festzuhalten: Mit dem Job-Turbo sollte die Arbeitsmarktintegration aller geflüchteten Menschen adressiert werden, nicht nur der ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die aber in der zunehmend kritischer werdenden öffentlichen Debatte damals in den Mittelpunkt gerückt wurden. Schaut man in den Erfahrungsbericht des Sonderbeauftragten, dann wird der grundsätzliche Anspruch des Job-Turbo im Sinne eines zumindest teilweisen Abschieds von der bis dahin verfolgten Integrationsstrategie so umschrieben:

»Der Job-Turbo ist eine Initiative der Bundesregierung, die die bisherige, primär qualifikationsadäquate Strategie zur Integration geflüchteter Menschen in den Arbeitsmarkt um den Aspekt der Schnelligkeit erweitert. Damit geht Deutschland einen besonderen Weg. Denn andere europäische Länder setzen entweder auf eine schnellstmögliche Arbeitsintegration („Work-First“) und nehmen damit verbundene negative Effekte in Kauf, oder sie verfolgen eine umfassende „Arbeitsmarktvorbereitung“, welche die Arbeitsaufnahme in Teilen deutlich verzögert. 

Der Kerngedanke des Job-Turbos ist es, geflüchtete Menschen mit grundständigen Deutschkenntnissen frühzeitig in Arbeit zu integrieren und ihre Weiterentwicklung parallel zum Beruf voranzutreiben. Statt auf perfekte Deutschkenntnisse, umfassende Weiterbildungen und die Anerkennung bestehender Qualifikationen zu warten, ermöglicht der Job- Turbo so den „Einstieg zum Aufstieg“.« (Terzenbach 2024: 4)

Das liest sich nicht nur nach einem anspruchsvollen „Sowohl-als-auch“-Ansatz, sondern in der Praxis bedeutet die angestrebte Annäherung an die „Work-First“-Philosophie eine erhebliche Intensivierung der entsprechenden Vermittlungsbemühungen der Jobcenter, denn von alleine wird das nicht gelingen können.

Und schnell wird er gebrochen, der Stab über den „Job-Turbo“5

Im Herbst des Jahres 2024 wurden wir dann mit solchen Meldungen konfrontiert: Bundesrechnungshof: Vernichtendes Urteil über Heils „Job-Turbo“. Der Bundesrechnungshof hat den Versuch des Bundesarbeitsministers bewertet, ukrainische Geflüchtete schneller in Arbeit zu bringen – das Ergebnis, so der Artikel, sei „verheerend“. Und auch hier taucht sie wieder auf, die bereits skizzierte Debatte mit Bezugnahme auf andere Länder:

»Etwa 1,2 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine haben derzeit in Deutschland Schutz gefunden. Rund 720.000 von ihnen beziehen Bürgergeld, davon sind rund 500.000 (theoretisch) erwerbsfähig. Die Leistungen für sie liegen bei monatlich 539 Millionen Euro. Tatsächlich hat Deutschland im Vergleich nur eine sehr geringe Beschäftigungsquote von ukrainischen Geflüchteten vorzuweisen: Im Juni 2024 lag sie bei knapp 30 Prozent. Andere Länder schneiden deutlich besser ab: In Dänemark etwa liegt die Quote bei rund 70 Prozent. Mit dem „Job-Turbo“ sollte alles besser werden: Durch Maßnahmen wie mehr Beratungsgespräche, eine frühzeitige Anerkennung von Qualifikationen und eine schnellere Vermittlung in den Job sollte die Erwerbstätigkeit unter den Geflüchteten deutlich erhöht werden.«

Der Bundesrechnungshof kommt zu dem Schluss, dass dies nicht gelungen sei. Die Prüfung habe „erhebliche Defizite der Jobcenter bei der Integrationsarbeit ergeben“, so wird aus dem Prüfbericht der Behörde zitiert. Wie belegen die Prüfer des BRH diese Bewertung? Miriam Hollstein zitiert in ihrem Artikel einige Punkte aus dem Bericht:

➞ Zu häufig habe eine Beratung während der Integrationskurse gefehlt. 2024 habe bei jedem dritten Fall keine Beratung stattgefunden, obwohl die Integrationskurse viermal häufiger abgebrochen würden, wenn die Geflüchteten nicht währenddessen beraten würden.
➞ Angaben von Geflüchteten seien nur mangelhaft oder gar nicht überprüft worden, etwa wenn sie Integrationskurse unter Verweis auf gesundheitliche Gründe verweigerten oder abbrachen. „Die Jobcenter ließen sich nicht immer ein ärztliches Attest als Beleg vorlegen“, heißt es im Prüfbericht. 
➞ Oft würden die Jobcenter Lebensläufe, Kenntnisse und Fertigkeiten nicht oder nicht vollständig erfassen. So wurden 2024 bei 18 Prozent der Geflüchteten der Stand der Sprachkenntnisse nicht dokumentiert, in weiteren 24 Prozent der Fälle sogar gar nicht aktuell erfasst. Dies aber sei Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt. „Die Jobcenter müssen die Erfassung von Daten über Geflüchtete daher deutlich verbessern“, mahnt der Bundesrechnungshof.
➞ Zu häufig sei von der eigentlich als „Ausnahmeregel“ gedachten Maßnahme Gebrauch gemacht worden, Geflüchteten eine Vermittlung in Arbeit nicht zuzumuten. Dies kann berechtigt sein, wenn minderjährige Kinder im Haushalt leben und keine Kinderbetreuung existiert. Die Jobcenter hätten aber häufig verpasst, zu klären, ob die Kinder nicht vielleicht schulpflichtig sind oder ein Elternteil oder ein anderer Verwandter die Betreuung übernehmen könne, so die Prüfer. 
➞ Die Vermittlungsvorschläge der Jobcenter hätten bei den für 2024 geprüften Fällen in weniger als ein Prozent zu einer Einstellung geführt.
(Quelle: Hollstein 2024)

Und auch das hier wurde 2024 vom Bundesrechnungshof herausgestellt:

»Es liege keinerlei Evidenz dafür vor, dass der „Job-Turbo“ eine positive Wirkung habe: „Ob durch ihn eine stärkere Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt stattfindet, kann das BMAS (Bundesarbeitsministerium) bisher nicht verlässlich nachweisen.“ Insofern sei auch der von Heil versprochene Entlastungseffekt für den Bundeshaushalt 2024 in Höhe von rund einer Milliarde Euro sowie die prognostizierte Ausgabeminderungen für die Folgejahre fragwürdig.«

➞ Im Prüfbericht wird vermerkt, dass das BMAS zu einer anderen Bewertung kommt. »Diese Einschätzung müsse man aber „hinterfragen“, konstatieren die Prüfer. Denn hier habe das Heil-Ministerium etwa natürliche Abgänge aus dem Leistungsbezug, wie sie in jeder Verlaufsbetrachtung vorkämen, fälschlicherweise dem „Job-Turbo“ zugerechnet. Auch würden nur Austritte aus dem Leistungsbezug vermerkt, nicht aber geprüft, ob diese Menschen nach kurzer Zeit wieder arbeitslos werden.«

Die negative Bilanzierung hinsichtlich der nicht erreichten Einsparungen im Bürgergeldsystem durch den „Job-Turbo“ zieht sich bis heute durch die Stellungnahmen der Behörde: So berichtet dieser Artikel vom 2. August 2025: »Kritisch bewertet der Rechnungshof frühere Ankündigungen großer Einsparungen durch schnellere Vermittlung von Bürgergeldempfängern in Arbeit. „Reformbemühungen konnten bisher nicht vollends überzeugen“, heißt es in dem Bericht. „So erreichte der Jobturbo seine Einsparerwartungen beim Bürgergeld und den Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht.“ Der sogenannte Jobturbo sollte unter anderem Geflüchtete aus der Ukraine schneller aus dem Bürgergeld in Jobs bringen. Das gelang zum Teil, die Beschäftigungsquote der Ukrainer wuchs von 24,8 Prozent im Oktober 2023 auf nun 33,2 Prozent. Die Einsparerwartung von einer Milliarde Euro für 2024 habe sich aber nicht erfüllt, resümiert der Rechnungshof. Auch gelinge es den Jobcentern nach wie vor nicht hinreichend, erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu aktivieren, kritisieren die Rechnungsprüfer. Damit bleiben vorhandene Beschäftigungspotenziale ungenutzt. Mitverantwortlich aus Sicht des Rechnungshofs: „Defizite im Vermittlungsprozess“.«

Insgesamt also tatsächlich ein ganz schlechtes Zeugnis, das 2024 ausgestellt wurde.

Wer den Prüfbericht – genauer: die beiden hier relevanten Berichte – im Original nachlesen möchte, der wird hier fündig:

➔ Bundesrechnungshof (2024): Beratung, Aktivierung und Leistungsgewährung der Jobcenter an Geflüchtete aus der Ukraine, Bonn, 21.05.2024

➔ Bundesrechnungshof (2024): Beratung, Aktivierung und Vermittlung Geflüchteter aus der Ukraine, Bonn, 23.12.2024

Alles klar, wir können und müssen den „Job-Turbo“ also abhaken und als weiteres Beispiel für große Ankündigungen bzw. Versprechungen und magere oder gar keine Ergebnisse abbuchen. Oder doch nicht?

Miriam Hollstein hat 2024 in ihrem Artikel den Prüfergebnissen des Bundesrechnungshofes diesen eine nur negative Bewertung des „Job-Turbo“ etwas relativierenden Hinweis entnommen:

»Die Vermittlungsarbeit der Jobcenter habe sich „zum Teil verbessert“, vermerken sie. Auch sei der „Job-Turbo“ ein im Ansatz sinnvolles Instrument und dessen Ausbau „sinnvoll und wichtig“. Damit er funktioniere, so das Fazit, müssten den Jobcentern bundesweit einheitliche Vorgaben für die Umsetzung gemacht werden. Das Bundesarbeitsministerium wird aufgefordert, „konkrete messbare Ziele“ zu setzen: „Hieran muss sich der Erfolg des Job-Turbos messen lassen.“«

Neue Ansage mit Zeitverzögerung: Der „Job-Turbo“ war doch ein Erfolg!

Vor dem Hintergrund der bisherigen Bewertungen des Job-Turbo mag dann den einen oder anderen solche Schlagzeilen mehr als überraschen: Der Jobturbo ist ein Erfolg. Das könnte bald vorbei sein. So ist eine Analyse von Tina Groll und Clara Suchy überschrieben, die am 13. Oktober 2025 veröffentlicht wurde. Und der Anfang des Beitrags muss regelrecht provozieren:

»Deutschland hat eine der erfolgreichsten Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete hervorgebracht. Ja genau, das Land, in dem die Kommunen über Belastungsgrenzen klagen und Politiker in Talkshows die in ihren Augen zu geringe Erwerbstätigkeitsquote von Geflüchteten kritisieren. Der sogenannte Jobturbo, so heißt es in einer Studie des Forschungsinstituts Immigration Policy Lab, zählt im internationalen Vergleich zu den wirksamsten Programmen, um Geflüchtete schnell in Arbeit zu bringen. In den vergangenen zwei Jahren haben demnach mindestens 102.000 Geflüchtete in Deutschland so einen Job gefunden – 58.000 von ihnen aus der Ukraine, rund 44.000 aus anderen Herkunftsländern.«

Und nicht nur das: Der Jobturbo sorgt auch dafür, dass sie in Arbeit bleiben. Das gilt sowohl für jene, die erst seit Kurzem in Deutschland sind, als auch für jene, die schon länger ohne Beschäftigung waren.«

Also das muss man nun erst einmal sacken lassen. Starker Tobak für alle, die bereits den Stab gebrochen haben über den Job-Turbo. Werden wir hier etwa Zeuge eines unschuldig zum Tode verurteilten Angeklagten?

Wenn darüber berichtet wird, „eine Studie habe ergeben“, dann ist es immer mehr als hilfreich, wenn man in das Original schauen kann. Die von den beiden Autorinnen angesprochene „Studie des Forschungsinstituts Immigration Policy Lab“ findet man hier:

➔ Jens Hainmueller  et al. (2025): Refugee Labor Market Integration at Scale: Evidence from Germany’s Fast-Track Employment Program, Stanford University and ETH Zurich: Immigration Policy Lab, September 2025

Aus der (hier übersetzten) Zusammenfassung von Hainmueller et al. (2025):

»Regierungen stehen weiterhin vor Herausforderungen bei der Integration von Flüchtlingen in den lokalen Arbeitsmarkt, und viele frühere Maßnahmen haben nur begrenzte Wirkung gezeigt. Diese Studie untersucht das Programm „Job-Turbo“, eine groß angelegte Initiative, die 2023 von der deutschen Regierung ins Leben gerufen wurde, um die Beschäftigung von Flüchtlingen – vor allem aus der Ukraine und acht weiteren wichtigen Herkunftsländern – zu beschleunigen. Anhand monatlicher administrativer Paneldaten aus dem Netzwerk der öffentlichen Arbeitsämter in Deutschland und einem Differenz-in-Differenzen-Design stellen wir fest, dass das Programm sowohl den Kontakt zwischen Sachbearbeitern und Flüchtlingen als auch die Vermittlung von Arbeitsplätzen über einen Beobachtungszeitraum von 23 Monaten deutlich erhöht hat. Unter den ukrainischen Flüchtlingen hat sich die Quote derjenigen, die eine Beschäftigung gefunden haben, fast verdoppelt. Die Auswirkungen waren breit gefächert – sie erstreckten sich über demografische Untergruppen, Dauer der Arbeitslosigkeit, Qualifikationsniveaus, Regionen und lokale Arbeitsmarktbedingungen – und konzentrierten sich auf reguläre, nicht subventionierte Beschäftigungsverhältnisse. Das Programm erhöhte auch die Quote und den Anteil nachhaltiger Vermittlungen, was mit einer verbesserten Qualität der Vermittlungen einherging.

Auch andere Flüchtlingsgruppen verzeichneten bedeutende Fortschritte, jedoch konzentrierten sich die Zuwächse bei den Vermittlungen auf Männer und gering qualifizierte Arbeitsplätze, während die Auswirkungen für Frauen nur begrenzt waren. Wir stellen keine negativen Auswirkungen auf deutsche oder andere zugewanderte Arbeitssuchende fest und sehen keine Anzeichen für eine Umverteilung von Ressourcen oder Verdrängungseffekte. Die Ergebnisse bieten Erkenntnisse für Regierungen, die auf Vertreibungskrisen reagieren. Sie zeigen, dass eine intensivierte Unterstützung bei der Arbeitssuche – eingebettet in die frühe Phase der Integration und in großem Umfang durch öffentliche Beschäftigungsinfrastrukturen umgesetzt – die Arbeitsmarktergebnisse von Flüchtlingen auch bei einem hohen Zustrom deutlich verbessern kann.«

Das sind nun ganz andere Befunde als die, mit denen bislang die Diskussion in Deutschland gefüttert wurde – keine Erfolglosigkeit des Ansatzes, sondern (nach einer gewissen Zeit) sogar 

Groll und Suchy weisen in ihrem Artikel darauf hin:

Hainmueller et al. (2025) haben Daten aus rund 300 der insgesamt mehr als 400 Jobcenter bundesweit ausgewertet. Die Studie ist eine der umfassendsten Auswertungen des Job-Turbo bislang. Den Erfolg führen die Wissenschaftler auf zwei Aspekte zurück: 

➞ Zum einen wurden Geflüchtete so deutlich häufiger zu Beratungsterminen eingeladen, im Schnitt alle sechs Wochen. 

➞ Zum anderen wurde der Integrationsprozess nicht abgewürgt: Sprach- und Integrationskurse konnten abgeschlossen, ausländische Abschlüsse anerkannt werden. Erst danach erfolgte die Vermittlung in Arbeit. 

Warum sind diese neuen Befunde so bedeutsam – unabhängig von dem grundsätzlich interessanten und wichtigen Aspekt, dass eine vorherrschende und mittlerweile verfestigte Auffassung von der Nicht-Funktionalität des „Job-Turbo“ zumindest hinterfragt und möglicherweise als Folge der neuen Ergebnisse auch verworfen werden muss?

Ein nächster „Rechtskreiswechsel“ ante portas – oder: Macht das „Leistungsrechtsanpassungsgesetz“ die gerade entstehenden Erfolge bei der Arbeitsmarktintegration der ukrainischen Flüchtlinge wieder zunichte?

Im August 2025 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: Flüchtlinge aus der Ukraine: Erst rein in das Bürgergeld und jetzt wieder raus? Das „Leistungsrechtsanpassungsgesetz“. Ein weiteres Beispiel für eine fragwürdige Verschiebebahnhof-Politik. Darin wird das Anliegen der Politik beschrieben, ukrainischen Flüchtlinge (bzw. genauer: neu eingereiste Flüchtlinge, ursprünglich war bei dem bislang noch nicht verabschiedeten Gesetz geplant, die seit dem 1. April 2025 nach Deutschland gekommen sind) den Zugang in das Bürgergeld zu entziehen und sie (wieder) unter dem Dach des Asylbewerberleistungsgesetzes zu parken, mit geringen Leistungsansprüchen als im Grundsicherungssystem nach SGB II. In dem Beitrag wurde ausführlich dargelegt, warum wir es hier mit einer dieser so typischen Schnellschussaktionen aus der Politik zu tun haben, die am Ende das Gegenteil bewirken können (und werden) von dem, was man eigentlich erreichen wollte. Also in diesem Fall (wieder einmal) erhebliche Einsparungen – die konkrete Auseinandersetzung mit dem Vorhaben konnte zeigen, dass es die erhofften Einsparungen in Milliarden-Höhe nicht geben wird, ganz im Gegenteil wird das trotz geringerer Leistungen an die Ukrainer am Ende sogar teurer als vorher.

Nach Berechnungen aus dem BMAS würde der Rechtskreiswechsel zwar rund 1,32 Milliarden Euro beim Bürgergeld einsparen. Die entstehenden Mehrkosten für Asylbewerberleistungen belaufen sich demnach jedoch auf etwa 1,375 Milliarden Euro. Die eingesparten Mittel bei den Leistungen fließen in den zusätzlichen bürokratischen Aufwand.

Und noch gar nicht ausreichend thematisiert wurde ein schwerer Kollateralschaden bei der hier besonders interessierenden Arbeitsmarktintegration der geflüchteten Menschen. Der entscheidende Punkt ist, dass die Gewährung von Leistungen und die Vermittlung in Arbeit nicht mehr aus einer Hand erfolgen würden, denn die in einen anderen Rechtskreis verschobenen Flüchtlinge werden nicht mehr vom Jobcenter betreut werden. Sie werden an die dafür hoffnungslos überforderten Sozialämter verwiesen. 

Wenn die Geflüchteten direkt beim Sozialamt landen, fallen genau die Vorteile weg, die Hainmueller et al. (2025) in ihrer Studie herausgearbeitet haben am Beispiel des „Job-Turbo“. 

Die Annahme, dass geringere Leistungen ein Anreiz sind, zu arbeiten, lasse sich hingegen empirisch nicht belegen, zitieren Groll und Suchy in ihrem Beitrag Kseniia Gatskova, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

➔ »Eine Studie aus Dänemark legt nahe, dass sogar das Gegenteil der Fall sein könnte: 2002 kürzte das Land die Sozialleistungen für Geflüchtete drastisch. Kurzfristig stieg die Erwerbsquote, vor allem bei Männern, jedoch fast ausschließlich in prekären und niedrig qualifizierten Jobs. Nach spätestens fünf Jahren war kein nachhaltiger Effekt mehr messbar – langfristig überwogen Armut und schlechtere Bildungschancen. Arbeitsmarktforscherin Gatskova befürchtet, dass die angekündigte Umstellung außerdem zu mehr Schwarzarbeit führen, weil das fehlende Einkommen kompensiert werden müsse. Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegen rund 20 Prozent unter dem Bürgergeldniveau.«

Vor diesem Hintergrund können dann solche Meldungen nicht überraschen: NRW-Arbeitsagentur warnt vor Bürgergeld-Stopp für Ukrainer: »Roland Schüßler, Chef der NRW-Arbeitsagentur, sieht das Vorhaben, Ukraine-Flüchtlinge aus dem Bürgergeld herauszunehmen, kritisch. „Diesen Schritt bräuchte ich jetzt gar nicht … Aus Gründen des Gerechtigkeitsempfindens kann ich das nachvollziehen“, so Schüßler. Aber: „Fiskalisch ist es ein Nullsummenspiel und arbeitsmarktlich macht es keinen Sinn.“«

Und weiter wird er mit diesen Worten zitiert:

„Bei Bürgergeldempfängern können wir sofort mit der Arbeitsmarktintegration starten – Vermittlungsgespräche und Sprachkurse organisieren, Qualifizierungsbedarfe angehen«, sagte Schüßler. »Wenn die Menschen nicht mehr Kundinnen und Kunden der Jobcenter sind, wird das künftig schwieriger.“

Arbeitsmarktintegration braucht Zeit, vor allem, wenn es um Menschen geht, die beispielsweise keine Sprachkenntnisse haben oder massive Sprachprobleme – denn das verhindert oftmals selbst bei individueller fachlicher Eignung und hoher Motivation eine gelingende passgenaue Integration. Außerdem müssen immer auch die besonderen Umstände bei einzelnen Flüchtlingsgruppen berücksichtigt werden, die als strukturelle Barrieren wirken können. Man denke hier nur an die Tatsache, dass 2022 in der großen Flüchtlingswelle aus der Ukraine vor allem Frauen mit ihren Kindern gekommen sind und dass sich daraus dann ganz besondere Anforderungen hinsichtlich einer schrittweisen und dann auch noch nachhaltigen Arbeitsmarktintegration ergeben.6

Abschließend eine „Erfolgsmeldung“ aus der Welt der nackten Zahlen, hinter denen aber ganz viele Einzelfälle stehen: Der Beschäftigtenanteil ukrainischer Geflüchteter hat sich binnen zwei Jahren verdreifacht, meldet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit am 15. Oktober 2025. »Laut IAB-Stellenerhebung stellen immer mehr Betriebe ukrainische Geflüchtete ein. Der Beschäftigungsanstieg konzentriert sich stark auf kleine und mittlere Betriebe.« In der Zusammenfassung heißt es:

»Im vierten Quartal 2024 haben die Betriebe nach eigenen Angaben 242.000 aus der Ukraine geflüchtete Personen beschäftigt. Der Beschäftigtenanteil von aus der Ukraine Geflüchteten hat sich in Deutschland von 2022 bis 2024 verdreifacht. Zugleich berichteten 14 Prozent der Betriebe, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten Kontakte zu Geflüchteten aus der Ukraine hatten. Das sind fast doppelt so viele wie im Vorjahresquartal. 41 Prozent der Betriebe, die Kontakte zu Geflüchteten aus der Ukraine hatten und aktuell Personal suchen, haben tatsächlich Geflüchtete aus der Ukraine eingestellt.«

Auch hier taucht der „Job-Turbo“ auf. Einerseits: »Der Anteil des sogenannten Job-Turbos an der positiven Entwicklung lässt sich dabei nur schwer beziffern, zumal dieser nur 9 Prozent aller Betriebe bekannt ist.«

Anderseits kann man argumentieren, dass der „Job-Turbo“ erst einmal nur der Name für eine Sonderaktion ist, die sich an die Binnenwelt der Jobcenter richtet oder gerichtet hat. Insofern kommt es am Ende auf die Arbeit und den möglichen Beitrag der Jobcenter an. Zu den Jobcentern können wir dem Beitrag auch mit Bezug auf den „Job-Turbo“ entnehmen:

»Eine wichtige Rolle bei der Integration ukrainischer Geflüchteter in den deutschen Arbeitsmarkt kommt den Jobcentern zu. Mit Einführung des Job-Turbos wurde Ende 2023 der Fokus der Jobcenter stärker als bis dato auf eine schnelle Arbeitsmarktintegration gelegt. Derzeit lässt sich nicht abschließend klären, ob der von den Betrieben berichtete stärkere Kontakt zu Geflüchteten aus der Ukraine ein Effekt des gestiegenen Arbeitsangebots dieser Gruppe ist oder sich (auch) auf die mit dem Job-Turbo initiierten zusätzlichen Integrationsbemühungen zurückführen lässt. Tatsächlich nahm die Zahl der betrieblichen Kontakte zu Geflüchteten aus der Ukraine im vierten Quartal 2024 noch einmal stark zu. Gerade durch den im Rahmen des Job-Turbos gesetzten Fokus auf schnellere Übergänge in Beschäftigung bekommen möglichst früh ansetzende (Qualifizierungs-)Maßnahmen einen noch höheren Stellenwert. Hier geht es neben dem Spracherwerb auch um fachliche Qualifizierungen sowie eine darauf aufbauende lebenslange Lernkultur sowohl auf der persönlichen als auch auf der betrieblichen Ebene.«

Fazit: Es gibt zumindest einige schwergewichtige Indizien, die deutlich machen, dass man die Integrationsfunktion der Jobcenter auf gar keinen Fall unterbelichten und damit einhergehend mögliche Schäden am zukünftigen Integrationsprozess in Kauf nehmen sollte.

Fußnoten 

  1. Eine Bund-Länder-Konferenz am 7. April 2022 hat vor dem Hintergrund der enormen Zuwanderungswelle innerhalb weniger Wochen nach dem Kriegsausbruch entschieden, ukrainische Flüchtlinge in das Grundsicherungssystem SGB II zu integrieren. Mit Wirkung 01.06.2022 sind die Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 24 AufenthG durch das Einmalzahlungsgesetz wieder aus § 1 AsylbLG herausgenommen worden, wodurch ihnen der Zugang zu den Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII eröffnet worden ist. Der Gesetzgeber wollte damit die aus der Ukraine geflüchteten Menschen sozialhilferechtlich anerkannten Schutzberechtigten gleichstellen; dabei wurde eine „deutlich bessere Krankenversicherung über die Leistungsberechtigung im SGB II“ ausdrücklich als ein Motiv hervorgehoben. Im Zuge des Rechtskreiswechsels sind Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 24 AufenthG auch im Hinblick auf Kindergeld, Unterhaltsvorschuss und Leistungen nach dem BAFöG deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt worden; als Leistungsbeziehende nach dem SGB II sind sie zudem in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert.
    ↩︎
  2. Vgl. zur damaligen Diskussion beispielsweise den Beitrag von Stefan Sell (2023): Geflüchtete aus der Ukraine auf dem deutschen Arbeitsmarkt, in: Soziale Sicherheit. Zeitschrift für Arbeit und Soziales, Heft 7/2023, S. 266-272.
    ↩︎
  3. In den Medien wurde dieser Vergleich oftmals auf eine Gegenüberstellung der Beschäftigungsquoten der ukrainischen Kriegsflüchtlinge reduziert und dabei auf Arbeiten von Dietrich Thränhardt Bezug genommen. Der hat darauf tatsächlich frühzeitig hingewiesen, aber ein Blick in seine Veröffentlichungen zeigt, dass er weitaus differenzierter argumentiert. Vgl. dazu beispielsweise Dietrich Thränhardt (2023): Mit offenen Armen – die ­ kooperative Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in Europa. Eine ­ Alternative zum Asylregime?, Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung, Februar 2023 sowie Dietrich Thränhardt (2024): Chancen besser nutzen. Die Arbeitsintegration der Schutzsuchenden aus der Ukraine, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, 2024. 
    ↩︎
  4. Und bereits 2023 wurde dann (analog der generellen Infragestellung des Bürgergeldes, die wir in den zurückliegenden Monaten haben erleben müssen) eine Verknüpfung der Frage nach der (erreichten) Arbeitsmarktintegration mit einer Anreizdiskussion vorgenommen. »Seit der Kritik des CDU-Vorsitzenden Merz an der Höhe der Sozialhilfe steht auch die Frage im Raum, ob ein hohes Sozialhilfeniveau den Anreiz zur Arbeitsaufnahme reduziert und einen Pull-Effekt darstellt. Merz hat seine Pull-Äußerung zwar nach vielfacher Kritik rasch zurückgenommen, anschließend aber nachgeschoben, er habe viele zustimmende Zuschriften bekommen. Damit steht die Frage weiter im Raum«, so beispielsweise Thränhardt (2023: 27).
    ↩︎
  5. Der Ausdruck „den Stab brechen“ stammt ursprünglich aus dem Gerichtsritual des Mittelalters: Nach einem Todesurteil brach der Richter symbolisch einen Stab über dem Verurteilten, um zu zeigen, dass das Urteil endgültig war und der Angeklagte „aus der Gemeinschaft“ ausgestoßen wurde. Der Stab galt als Zeichen der richterlichen Macht – sein Bruch stand für das Ende des Rechtsverhältnisses.
    ↩︎
  6. Wer es etwas konkreter haben möchte an dieser Stelle, dem sei hier beispielsweise der Beitrag von Mariella Falkenhain et al. (2024): Ukrainerinnen in Deutschland: Nachhaltige Arbeitsmarktintegration erfordert lebenslagenorientierte Beratung und Unterstützung, in: IAB-Forum, 23.02.2024 empfohlen.
      ↩︎