Die oftmals vergessenen stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik mit (zu) wenig Personal und sanktionsfähigen Personaluntergrenzen

Die Neuordnung der Krankenhauslandschaft in Deutschland ist zum einen verbunden mit zahlreichen föderalen Zuckungen und noch lange nicht gelösten Finanzierungsfragen gesetzgeberisch auf den Weg gebracht worden, zum anderen läuft vor und neben diesem ambitionierten gesundheitspolitischen Unterfangen eine „kalte Strukturbereinigung“ der Kliniklandschaft mit zahlreichen Insolvenzen. Dazwischen angesiedelt sind Vorreiter wie Nordrhein-Westfalen, die bereits mit dem Umbau der dortigen Krankenhäuser begonnen haben. Das ist nicht nur eine finanzielle Großbaustelle, es ist auch ein hochgradig emotionalisiertes Themen- bzw. besser: Minenfeld.

Den meisten wird dabei noch gar nicht aufgefallen sein, dass ein in den vielen hitzigen Debatten über die Krankenhausversorgung oftmals vergessener Bereich explizit nicht Bestandteil der großen Um- und Abbaupläne ist: gemeint sind hier die stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik. Die haben auch schon Anfang des Jahrtausends bei der Einführung eines „durchgängig fallpauschalierenden Systems“ der Krankenhausvergütung gespielt. Und so ist das auch jetzt wieder. Dabei reden wir über einen wichtigen Versorgungsbereich des Gesundheitswesens, dessen Bedeutung man gar nicht überschätzen kann.

In der Welt der psychiatrischen Versorgung gibt es vollstationäre Einrichtungen der Allgemeinpsychiatrie, Suchttherapie, Gerontopsychiatrie und forensischen Psychiatrie mit offenen Therapiestationen, geschützten/geschlossenen Intensiv- oder Akutstationen (psychiatrische Notfallbehandlung bei Selbst- und Fremdgefährdung) und im forensischen Bereich mit Hochsicherheitsabteilungen (Maßregelvollzug psychisch kranker Straftäter), sowie Tageskliniken, psychiatrische Wohnheime und professionell betreute Wohngemeinschaften, psychiatrische Klinikambulanzen und vereinzelt auch ambulanten psychiatrischen Pflegediensten.

Häufig gibt es eine organisatorische und räumliche Trennung von allgemeinen Krankenhäusern („psychiatrische Fachkrankenhäuser“ oder „Einrichtungspsychiatrien“), die letztlich nur historisch zu verstehen ist – wobei es auch Allgemeinkrankenhäuser gibt, die neben den somatischen Bereichen auch psychiatrische, psychotherapeutische oder psychosomatische Fachabteilungen vorhalten („Abteilungspsychiatrien“).

Und ein Blick auf einige wenige Zahlen kann verdeutlichen, dass wir hier keineswegs über eine Nische der Gesundheitsversorgung sprechen. Hier einige Daten des Statistischen Bundesamtes über die stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik (Stand: März 2025):

Im Jahr 2023 wurden insgesamt 837.762 Patientinnen und Patienten vollstationär in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern behandelt. Darunter wurden im Bereich der Allgemeinpsychiatrie 688.891, in der Psychosomatik 75.888 und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie 62.430 Patientinnen und Patienten stationär versorgt. Die Behandlung affektiver, neurotischer, Belastungs-, somatoformer und Schlafstörungen (… 18,7 %) sowie von psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (… 11,4 %) bildeten wesentliche Schwerpunkte des Versorgungsgeschehens und machten zusammen knapp ein Drittel aller psychiatrischen und psychosomatischen Behandlungen aus. 52 % der Behandelten waren männlich und 48 % weiblich. Im Durchschnitt waren sie 45 Jahre alt und verbrachten gut 29 Tage im Krankenhaus. Bei 43 % der Patientinnen und Patienten erfolgte der Krankenhausaufenthalt aufgrund der Einweisung durch einen Arzt und bei 48 % aufgrund eines Notfalls. Weitere 9 % wurden aus einem anderen Krankenhaus in die behandelnde Einrichtung verlegt.

Auch ohne vertiefende Kenntnisse über die vielfältigen Anforderungen in der psychiatrischen Versorgung wird jedem einleuchten, dass man gerade in diesem Bereich quantitativ und zugleich qualitativ hinsichtlich der notwendigen Fachlichkeit ausreichend Personal braucht. Aber da scheint es erhebliche Probleme zu geben. Das wurde hier bereits am 4. Februar 2023 in dem Beitrag Die oftmals Vergessenen der Krankenhauswelt: Psychiatrische Krankenhäuser. Dort wird häufig (auch) zu wenig Personal eingesetzt thematisiert.

Und die Klage über zu wenig Personal ist seitdem nicht verstummt. Im Jahr 2024 wurde das einen dieser kurzen Berichterstattungsmomente lang erneut und mit besorgniserregenden Botschaften versehen ans Tageslicht gefördert.

Eine schlechte Personalausstattung ist in der Psychiatrie offensichtlich kein Einzelfall

»Mehr als die Hälfte aller psychiatrischen Einrichtungen in Deutschland verfehlt die geltenden Mindestvorgaben für die Zahl der therapeutischen Fachkräfte. Das ergibt sich aus neuen Zahlen des zuständigen Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheits­wesen (IQTIG)«, so dieser Artikel, der am 4. August 2024 veröffentlicht wurde: Mehr als die Hälfte aller psychiatrischen Einrichtungen verfehlt Personalvorgaben. »Demnach haben im vierten Quartal 2023 von 755 Einrichtungen der Erwachsenenpsychiatrie 387 Standorte die Vorgaben für die Personalstärke nicht erfüllt, das ist ein Anteil von 51 Prozent. Bei den Kinder- und Jugendpsychiatrien verfehlten 165 von 296 Einrichtungen die Vorgaben, das ist ein Anteil von 56 Prozent.«

Von Seiten des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung kam Kritik: »Auch im vierten Jahr nach Einführung der Mindestpersonalvorgaben setzt über die Hälfte der Psychiatrien und der Kinder- und Jugendpsychiatrien (KJP) zu wenig Personal in der Behandlung ein … Eine Behandlung mit zu wenig Personal gefährdet die Patientensicherheit und verzögert die Genesung der schwer psychisch Erkrankten«, so der GKV-Spitzenverband unter der Überschrift Schlechte Personalquote in Psychiatrien hält an. Und weiter kann man dem entnehmen:

»Bedenklich ist der schlechte Umsetzungsstand außerdem, weil die Grundlage der aktuellen Personalmindestvorgaben die zuvor 30 Jahre geltenden Anforderungen der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) sind. Diese wurden 2020 von der Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL) abgelöst. Die PPP-RL wurde schrittweise eingeführt, so mussten in 2023 die Mindestpersonalvorgaben nur zu 90 Prozent erfüllt werden. Damit lagen die Vorgaben der PPP-RL noch unter den Vorgaben der lange geltenden Psych-PV, umso kritischer, dass weniger als die Hälfte der Einrichtungen die Vorgaben erfüllt.«

Hinsichtlich der möglichen Ursachen positioniert sich der GKV-Spitzenverband als Vertreter der „Kostenträger“ dahingehend, dass ein „Zuviel“ vernutet bzw. behauptet wird: Eine Über- und Fehlversrgung wird für Deutschland in den Raum gestellt :

➔ »Der vergleichende Blick in andere europäische Länder legt die Vermutung nahe, dass in Deutschland eine vollstationäre Über- und Fehlversorgung in der Psychiatrie stattfindet, die sich auch auf das Personal auswirkt. Im europäischen Durchschnitt gab es 1993 durchschnittlich 110 psychiatrische Krankenhausbetten auf 100.000 Einwohner … Der europaweite Trend zur Ambulantisierung der psychiatrischen Versorgung hat dazu geführt, dass es im Jahr 2021 nur noch 73 Betten pro 100.000 Einwohner waren. Völlig gegen diesen Trend ist in Deutschland die Zahl der psychiatrischen Betten weiter angestiegen auf zuletzt etwa 130 Betten pro 100.000 Einwohner.
Bisher wird der Großteil der erwachsenen Patientinnen und Patienten in Deutschland vollstationär behandelt. Eine multiprofessionelle Komplexbehandlung mit einer vorgegebenen Therapiedichte von mindestens 1,5 Stunden Therapie pro Woche wird jedoch nur in drei Prozent der stationären Fälle durchgeführt. Und obwohl fast alle Krankenhäuser tagesklinische Behandlung anbieten, werden weniger als 15 Prozent der Behandlungstage in Tageskliniken erbracht. Stationäre Behandlungen sind besonders personalintensiv und erhöhen deshalb den Personalbedarf. Das bildet sich auch in den Ergebnissen zur Einhaltung der Personalmindestvorgaben ab: Reine Tageskliniken erfüllten die Mindestvorgaben häufiger als Einrichtungen der Psychiatrie ohne reine Tageskliniken.«

Hauptgrund für die Personalprobleme sei, dass in Deutschland das Potenzial ambulanter Behandlungen am Krankenhaus bei Weitem nicht ausgeschöpft wird, so der Spitzenverband der Krankenkassen.

Und schlussendlich beziehen sich die Krankenkassen positiv auf die Personalmindestvorgaben, sehen darin sogar eine wichtige Stellschraube für ausreichend Personal insgesamt: »Um Personal aufzubauen und den bestehenden Personalbestand zu sichern, gilt es auch, attraktivere Arbeitsbedingungen zu schaffen – die Einhaltung der Mindestvorgaben trägt dazu bei. Vor allem in der Psychiatrie besteht ein großes Potenzial bei ausgestiegenen Pflegekräften oder Pflegekräften in Teilzeit, wieder einzusteigen oder aufzustocken.«

Die „andere Seite“, also die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) als Vertreterin der „Leistungserbringer“, sehen das natürlich zumindest teilweise anders. Und gerade die Personalmindestvorgaben werden teilweise zurückgewiesen. In einem Bericht über das Psychiatrie Barometer (Umfrage 2023/24) des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), einer jährlich durchgeführten Repräsentativbefragung psychiatrischer und psychosomatischer Einrichtungen zu aktuellen Fragestellungen in diesem Versorgungsbereich, heißt es dazu:

»Kritisch sehen viele Krankenhäuser auch die Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL), die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses für das erforderliche therapeutische Personal beschreibt. In den ersten drei abgefragten Quartalen 2023 konnten in keiner Berufsgruppe die Mindestvorgaben der Richtlinie in jedem Quartal eingehalten werden. Am geringsten fiel der Erfüllungsgrad bei der Pflege aus (44 Prozent). Am höchsten war er bei den Psychotherapeuten (83 Prozent). Haupthindernisse für die Umsetzung der PPP‑RL bilden weiterhin der Fachkräftemangel und unzureichende Anrechnungsregeln von Fach- und Hilfskräften auf die Mindestvorgaben.«

Verbindliche personelle Mindestvorgaben zu der Frage, mit wieviel therapeutischem Personal die Einrichtungen mindestens ausgestattet sein müssen, werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt. Die in der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie“ (PPP-RL) festgelegten Mindestpersonalvorgaben sind verbindlich und von den einzelnen Einrichtungen für die jeweilige tätige Berufsgruppe zu berechnen. Die personellen Mindestvorgaben sind keine Anhaltszahlen zur Personalbemessung und beschreiben kein ideales Verhältnis zwischen Patienten und Personal. Sie sichern jedoch die personelle Ausstattung „nach unten“ ab. Die knapp 1.400 betroffenen Einrichtungen müssen seit dem Jahr 2020 nachweisen, mit welchem therapeutischen Personal sie ausgestattet sind bzw. inwieweit sie die Mindestpersonalvorgaben einhalten.
Verschiebung der Nachweispflicht: Die ursprünglich festgelegte stations- und monatsbezogene Nachweispflicht ist ab dem 1. Januar 2023 für drei Jahre grundsätzlich ausgesetzt. Gleichzeitig erprobt der G-BA, ob die benötigten Erkenntnisse auch über eine repräsentative Stichprobe gewonnen werden können: Lediglich 5 Prozent der Einrichtungen müssen entsprechend weiterhin monats- und stationsbezogene Nachweise übermitteln. 95 Prozent der Einrichtungen haben einen deutlich geringeren Dokumentationsaufwand.
Folgen bei Nichteinhaltung der Mindestvorgaben: Bei Nichteinhaltung der verbindlichen Mindestanforderungen müssen die Einrichtungen erst ab 1. Januar 2026 mit finanziellen Folgen rechnen. Zur Berechnung des prozentualen Vergütungswegfalls in den Jahren 2026 und 2027 fasste der G-BA am 21. März 2024 einen Änderungsbeschluss: In der Zeit vom 1. Januar 2026 bis zum 31. Dezember 2027 wird im Falle einer Nichteinhaltung der Mindestvorgaben in einem Fachgebiet die Höhe des Wegfalls des Vergütungsanspruchs in Abhängigkeit vom Umfang der fehlenden Vollkraftstunden berechnet.
Ausnahmen: In der Richtlinie ist geregelt, in welchen Situationen die Mindestpersonalvorgaben ausnahmsweise unterschritten werden können. Dies ist beispielsweise bei kurzfristigen krankheitsbedingten Personalausfällen, die in ihrem Ausmaß über das übliche Maß (mehr als 15 Prozent des vorzuhaltenden Personals) hinausgehen der Fall.
Übergangsregelungen: Damit soll sichergestellt werden, dass die Mindestvorgaben in der Praxis nicht zu Versorgungsproblemen führen: Die Richtlinie sieht eine stufenweise Einführung der Mindestpersonalvorgaben vor. Demnach müssen die Vorgaben seit dem Jahr 2022 zu 90 Prozent, ab 2027 zu 95 Prozent und ab 2029 dann zu 100 Prozent erfüllt sein. Für psychosomatische Einrichtungen, Tageskliniken und den Nachtdienst gelten teilweise abweichende Regelungen.
Quelle: G-BA: Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (Stand: März 2025).

Gegen die personelle Sicherung „nach unten“ über Personalmindestvorgaben und den ab 2026 drohenden finanziellen Sanktionen bei Nichteinhaltung haben psychiatrische Krankenhausträger geklagt. Beim Bundessozialgericht sind sie aufgelaufen

Kurz vor dem Weihnachtsfest, konkret am 20.12.2024, veröffentlichte das Bundessozialgericht (BSG) diese schon im Titel unmissverständliche Mitteilung: Stationäre Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik müssen Personaluntergrenzen einhalten. »Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassene „Richtlinie über die Ausstattung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal gemäß § 136a Absatz 2 Satz 1 SGB V (Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik)“ ist rechtmäßig.«

Und mit Blick auf die angegriffenen drohenden finanziellen Sanktionen, wenn man die Personalvorgaben nicht einhalten kann (oder will):

»Die ab 2026 vorgesehenen Vergütungseinbußen für den Fall, dass stationäre Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik bis dahin nicht mit dem festgesetzten Mindestpersonal ausgestattet sind, sind aufgrund ihrer moderaten Höhe und der langen Übergangsfristen für den Personalaufbau verhältnismäßig.«

Wie begründen die höchsten Sozialrichter des Landes ihre Entscheidung?

Zuerst einmal wird die Legitimation des auch als „kleiner Gesetzgeber“ bezeichneten Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) höchstrichterlich bestätigt und dann wird dessen Vorgehen bei der Aufstellung der Personalmindestvorgaben als nicht zu beanstanden bewertet:

»Der Gemeinsame Bundesausschuss ist ermächtigt, in der Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik zwingende Mindestvorgaben für die Ausstattung der stationären Einrichtungen mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal festzusetzen. Das umfasst auch das Pflegefachpersonal. Nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss keine evidenzbasierten Anhaltspunkte für die erforderliche Personalausstattung in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung ermitteln konnte, durfte er die Anhaltszahlen der Psychiatrie-Personalverordnung als Mindestvorgaben für die Einrichtungen der Psychiatrie festsetzen. Das gilt auch für den Rückgriff auf die in der Praxis seit längerer Zeit angewandten Erfahrungswerte zur Festsetzung der Mindestvorgaben für Einrichtungen der Psychosomatik. Die so festgesetzten Mindestvorgaben durfte der Gemeinsame Bundesausschuss anpassen, soweit eine hinreichend plausible Grundlage für deren Erhöhung feststellbar war. Dieses schrittweise Vorgehen des Gemeinsamen Bundesausschusses entspricht der gesetzlichen Vorgabe, dass die Mindestpersonalvorgaben „möglichst evidenzbasiert“ sein sollen und trägt den Schwierigkeiten der Ermittlung von Evidenz auf diesem Feld Rechnung.«

Und: Die Nichteinhaltung der Personaluntergrenzen sowie die Verletzung von Nachweispflichten der Einrichtungen darf durch den ab 2026 vorgesehenen partiellen Vergütungswegfall sanktioniert werden, so das BSG.

Die einen finden das gut, die anderen ganz und gar nicht

Aus dem gewerkschaftlichen Lager kommt Zustimmung zu der BSG-Entscheidung, so von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di: „Der Gemeinsame Bundesausschuss kann und soll zwingende Mindestvorgaben für die Personalausstattung in psychiatrischen Einrichtungen machen. Das ist nun höchstrichterlich bestätigt und das ist gut so“, wird das Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler zitiert. Sie betonte, dass die Einrichtungen seit fünf Jahren Zeit hatten, sich auf die Personalvorgaben einzustellen und das nötige Personal zu gewinnen. Leider habe der G-BA die volle Einführung der Richtlinie immer wieder verschoben. Ab 2026 sollen Kliniken erstmals sanktioniert werden, wenn sie zu wenig Personal einsetzen. Erst ab 2029 muss die Richtlinie zu 100 Prozent erfüllt werden.

Die Vertreter der Kliniken und ihrer Träger sehen das anders. So kann man dem von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) bereits Ende 2023 veröffentlichten Positionen der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur Weiterentwicklung der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung unter der Überschrift „Weiterentwicklung der Personalanforderungen des G-BA“ nicht wirklich überraschend entnehmen:

»Der G-BA muss seine Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) grundsätzlich überarbeiten und die Mindestvorgaben auf Basis einer am Patientenbedarf orientierten Systematik mit ausreichender Flexibilität festlegen. Diese neue Systematik muss als Instrument zur Ermittlung der Personalmindestvorgaben sowie des gesamten Personalbedarfs (Personalbemessung) verwendet werden können. Für eine moderne psychiatrische und psychosomatische Versorgung ist eine auf den individuellen Patientenbedarf ausgerichtete Behandlung erforderlich. Voraussetzung dafür ist hohe Flexibilität beim Personaleinsatz sowie Planbarkeit und Steuerbarkeit der Erfüllung der Personalvorgaben. Hierzu sind die starren Berufsgruppen- und Regelaufgabenzuordnungen und streng limitierten Anrechnungsmöglichkeiten der PPP-RL aufzulösen. Der Standortbezug bei den Mindestvorgaben ist in Anerkennung der orts- und setting-unabhängigen Leistungserbringung anzupassen und die stationsbezogene Nachweisführung gänzlich zu streichen.«

Und zu den Sanktionen: »Die Sanktionen müssen gestuft und verhältnismäßig ausgestaltet werden. Es ist eine Klarstellung der gesetzlichen Grundlage dahingehend erforderlich, dass der Sanktionsmechanismus des vollständigen Vergütungswegfalls bei Richtlinien, in denen Qualitätsanforderungen nicht für konkrete Leistungen definiert werden können, nicht gilt sowie Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen an erster Stelle und finanzielle Sanktionen an zweiter Stelle vorzusehen sind.«

Und hat eigentlich diese Regierungskommission zur Krankenhausreform irgendwas dazu gesagt?

Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Mai 2022 eingesetzte Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung hat mittlerweile 14 Empfehlungen veröffentlicht. Auch die Kommission plädierte für eine Herausnahme der psychiatrischen Versorgung aus der allgemeinen Krankenhausreform (das resultiert neben den Besonderheiten dieses Versorgungsbereichs vor allem aus der von den „normalen“ Kliniken abweichenden Stellung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik im Vergütungssystem, denn die Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen wurde bereits 2018 mit dem auf Tagesvergütungssätzen basierenden Systems (PEPP) reformiert und in diesem System sind auch die Vorhaltekosten enthalten).

Die Kommission hat eine eigene Empfehlung zur psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung veröffentlicht:

➔ Regierungskommission für eine moderne und ­ bedarfsgerechte ­ Krankenhausversorgung (2023): Psychiatrie, Psychosomatik und Kinder- und Jugendpsychiatrie („Psych-Fächer“): Reform und Weiterentwicklung der ­Krankenhausversorgung, Berlin, September 2023

Darin findet man mit Blick auf die Personalmindestvorgaben relevant vor allem diese Empfehlung einer „Aufweichung“:

➔ Die Vorgaben für eine ausreichende Personalausstattung zur Behandlung psychischer Erkrankungen sind im Vergleich zur Somatik sehr dokumentationsaufwendig und sanktionsbewehrt, weshalb sie an das Niveau für den Nachweis der Pflegepersonaluntergrenzen in der somatischen Medizin angepasst werden sollen.

Und durchaus relevant für die grundsätzliche Frage der Personalbemessung:

➔ Die Krankenhausbehandlung psychischer Erkrankung soll flexibler bezüglich des Settings durchgeführt werden können, das heißt, psychiatrische Betten sollen grundsätzlich auch tagesklinisch genutzt und die getrennten Abrechnungswege perspektivisch überwunden werden.