Durch das vorzeitige Ende der Ampel-Koalition im November 2024 sind zahlreiche sozialpolitisch relevante Gesetzgebungsverfahren kurz vor der notwendigen parlamentarischen Finalisierung liegen geblieben (vgl. dazu ausführlicher den Beitrag Ein sozialpolitisches Trümmerfeld als Hinterlassenschaft. Zahlreiche Gesetzesvorhaben der Ampel-Koalition bleiben auf den letzten parlamentarischen Metern liegen vom 9. November 2024). Die öffentlichen Diskussionen fokussierten auf die Neuwahl des Deutschen Bundestages. Vor diesem Hintergrund fallen die wenigen Abweichungen vom Stillstand fast schon nicht mehr auf. Beispielsweise die „Dritte Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld“. Deren Entwurf wurde am 18. Dezember 2024 vom Reste-Bundeskabinett beschlossen und sie ist zum 1. Januar 2025 in Kraft getreten.
Mit der Dritten Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld wird die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld auf bis zu 24 Monate verlängert (im Regelfall kann es für für maximal zwölf Monate bezogen werden). Die Verordnung und die Verlängerung der Bezugsdauer gelten bis 31. Dezember 2025.
Am Tag der Verabschiedung des Entwurfs der Verordnung im Bundeskabinett berichtete das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unter der verheißungsvollen Überschrift Mit Kurzarbeit Beschäftigung sichern: »Mit der heute vom Bundeskabinett beschlossenen Änderungsverordnung wird die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld auf bis zu 24 Monate verlängert. Die Bundesregierung reagiert damit auf den deutlichen Anstieg der Kurzarbeit in Deutschland. Ziel ist es, Betrieben in schwierigen Zeiten mehr Planungssicherheit zu geben, um ihre erfahrenen und eingearbeiteten Beschäftigten halten zu können.«
Am Ende des vergangenen Jahres wurde vielen Menschen immer deutlicher (gemacht), dass wir trotz der Beschäftigungsrekorde der vergangenen Jahre (mit einer pandemiebedingten Delle 2020 und 2021) mit erheblichen Verlusten an Arbeitsplätzen vor allem im industriellen Kernbereich der deutschen Volkswirtschaft konfrontiert sind (vgl. dazu den Beitrag Zur Gleichzeitigkeit von scheinbar guten und möglicherweise schlechten Zeiten auf dem Arbeitsmarkt. Ein erster Blick auf die Beschäftigungsentwicklung 2024 vom 2. Januar 2025). Bereits seit geraumer Zeit verlieren wir jeden Monat mehrere tausend zumeist gut entlohnter Jobs in der Industrie. Vor diesem Hintergrund scheint die Absicht der Rest-Bundesregierung nachvollziehbar und gut begründet:
Mit der 3. Änderungsverordnung zur Ausweitung der Bezugsdauer beim Kurzarbeitergeld, so das BMAS, reagiert die Bundesregierung »auf den deutlichen Anstieg der Kurzarbeit in Deutschland. Ziel ist es, Betrieben in schwierigen Zeiten mehr Planungssicherheit zu geben, um ihre erfahrenen und eingearbeiteten Beschäftigten halten zu können.« Der Bedarf sei offensichtlich:
»Im September 2024 lag die Zahl der Kurzarbeitenden nach vorläufigen, hochgerechneten Daten bei rund 268.000. Das sind 76 Prozent mehr als im Vorjahr – und fast dreimal so viele wie im September 2022. Das Verarbeitende Gewerbe zeigt derzeit den stärksten Einsatz von Kurzarbeit, wo allein im August 143.000 Beschäftigte in Kurzarbeit waren. Schwerpunkte lagen im Maschinenbau, in der Herstellung von Metallerzeugnissen, von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen sowie in der Produktion von Kraftwagen und Kraftwagenteilen.«
Also alles richtig? Schauen wir an dieser Stelle zurück auf die seitens des BMAS auch angesprochene Entwicklung der Zahl der Kurzarbeiter:

Die Zeitreihe von Februar 2018 bis zum Dezember 2024 (das ist der aktuellste hochgerechnete Monat mit Angaben zur Zahl der Kurzarbeiter aufgrund der nachlaufenden Meldungen) verdeutlicht anschaulich, wie das Instrumentarium der Kurzarbeit (geregelt in den §§ 95 ff. SGB III) in einem bislang nicht gekannten Ausmaß eingesetzt wurde in der Corona-Pandemie, vor allem in der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 und dann in der zweiten Welle zum Jahreswechsel 2020 auf 2021. In der Spitze befanden sich fast 6 Millionen Arbeitnehmer in 600.000 Betrieben in Kurzarbeit – im Durchschnitt für bis zu 50 Prozent ihrer Arbeitszeit – und im damit verbundenen Bezug von Kurzarbeitergeld. Bereits damals hatte man u.a. die mögliche maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes befristet verlängert angesichts der zu dem Zeitpunkt nicht wirklich vorhersagbaren Dauer der (pandemiebedingten) Krise und des zu überbrückenden Zeitraums. Als klar wurde, dass die erste Welle der Covid-19-Pandemie nicht die einzige bleiben würde, beschloss der Gesetzgeber, die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes für die Betriebe bis Ende Juni 2022 auf 28 Monate zu verlängern – gezählt ab März 2020.
➔ »Während der Pandemie nutzten viele Betriebe Kurzarbeit, ein erheblicher Anteil davon sogar länger als zwölf Monate. Möglich wurde dies durch eine Verlängerung der maximalen Bezugsdauer von 12 auf 28 Monate. Diese Sonderregelung galt zwischen März 2021 und Juni 2022. In dieser Zeit war die Hälfte des gesamten Volumens an Kurzarbeit nur dieser Regeländerung geschuldet. Die geschätzten acht Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten entsprechen etwa einem knappen Fünftel der Gesamtkosten der Kurzarbeit in den Jahren von 2020 bis 2022. Insgesamt 180.000 Betriebe haben die Sonderregelung in Anspruch genommen … Besonders intensiv nutzte das Gastgewerbe die Verlängerung: 27 Prozent aller Betriebe aus dieser Branche nahmen in der Pandemie die verlängerte Bezugsdauer in Anspruch. An zweiter Stelle folgte die Branche „Kunst, Unterhaltung und Erholung“ mit einem Anteil von 18 Prozent … Viele Betriebe mussten ihre Geschäftstätigkeit in der Pandemie stark einschränken. Die Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes erscheint angesichts dieser massiven und langanhaltenden Wirtschaftskrise grundsätzlich angemessen«, so die Bilanzierung in dem Beitrag 180.000 Betriebe in Deutschland haben während der Pandemie die verlängerte Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen von Christian Kagerl und Thomas Kruppe, der am 11. Juli 2024 veröffentlicht wurde. Dort findet man dann aber auch diesen Hinweis hinsichtlich der Ermöglichung einer verlängerten Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes: »Allerdings war diese Sonderregelung bis zum Sommer 2022 in Kraft – und damit bis zu einer Zeit, in welcher die allermeisten Corona-Regeln bereits ausgelaufen waren. Zudem hatten auch Betriebe, die nicht in besonderem Maße von der Pandemie betroffen waren, einen Anspruch auf eine verlängerte Bezugsdauer. Dies könnte unter Umständen zu Mitnahmeeffekten geführt haben.« Zu den hier angesprochenen Mitnahmeeffekten vgl. die Ausführungen in Mario Bossler et al. (2024): Befragung in der Covid-19-Pandemie: Beschäftigte sehen Mitnahmeeffekte beim Kurzarbeitergeld. Wichtige Befunde aus dieser Studie: Eine Beschäftigtenbefragung des IAB im Zeitraum November 2020 bis Februar 2021 gibt Hinweise auf Mitnahmeeffekte bei Kurzarbeit während der Covid-19-Pandemie. Von denjenigen, die Kurzarbeitergeld bezogen haben, gaben 21 Prozent dieser Beschäftigten an, mehr Stunden gearbeitet zu haben, als abgerechnet wurden, und für 39 Prozent war die Arbeitsmenge trotz Kurzarbeit unverändert hoch. Diese Anteilswerte müssen als Untergrenze gelesen werden. Mitnahmeeffekte traten für alle Betriebsgrößen und in allen Branchen auf und konzentrierten sich nicht auf bestimmte Branchen oder Betriebsgrößen, die vor der Pandemie weniger oder mehr Erfahrung mit Kurzarbeit hatten. Einschränkend muss man aber ergänzend anmerken: Die Befunde zu Mitnahmeeffekten stützen sich alleine auf die subjektiven Einschätzungen von Beschäftigten, die möglicherweise auf unvollständigen Informationen über den Kurzarbeitsumfang beruhen. |
➔ Kurzarbeit ist ein zentrales arbeitsmarktpolitisches Instrument, um Beschäftigung in Krisenzeiten zu sichern – und das hat sich in den Pandemie-Jahren auch bei den Ausgaben für Kurzarbeitergeld niedergeschlagen: Die Kosten für das Kurzarbeitergeld summierten sich in den Jahren 2020 und 2021 auf insgesamt 42 Milliarden Euro. Christian Kagerl und Thomas Kruppe haben im Dezember 2024 diesen Beitrag veröffentlicht: Kurzarbeitergeld in der Pandemie: Licht und Schatten. Mit Hilfe von neuen administrativen Mikrodaten zur Kurzarbeit haben sie über Nutzung und Wirkungen dieses Instruments berichtet. Sie konstatieren auf dieser Basis, dass das Instrument Kurzarbeit effektiv dazu beigetragen, Arbeitsplatzverluste zu vermeiden. »Gleichzeitig gibt es starke Hinweise dafür, dass Mitnahmeeffekte auftraten, zumal etliche Betriebe Kurzarbeitergeld für einen langen Zeitraum genutzt haben. Auf individueller Ebene waren vor allem Geringverdienende vermehrt in Kurzarbeit, die dann auch von den erhöhten Leistungssätzen profitiert haben.« Dazu muss man wissen: »Für Beschäftigte, die lange und stark von Kurzarbeit betroffen waren, wurden im Zuge der Krise die Leistungssätze erhöht, also der Anteil des entgangenen Nettoentgelts, der durch die Bundesagentur für Arbeit ersetzt wird. Davon haben neben Menschen mit geringen Einkommen vor allem Beschäftigte in personenbezogenen Dienstleistungsberufen sowie in Kleinbetrieben überproportional profitiert«, so Christian Kagerl und Thomas Kruppe in ihrem Beitrag Geringverdienende profitierten während der Pandemie besonders häufig vom erhöhten Kurzarbeitergeld, der am 19. April 2024 publiziert wurde. In der Pandemie erhielten bis zu 1,4 Millionen oder 40 Prozent der Kurzarbeiter die damals geltenden erhöhten Leistungssätze. »Die erhöhten Leistungssätze waren insofern sozialpolitisch sinnvoll, als sie gerade Geringverdienenden zugutekamen und nur bei einem Entgeltausfall von mindestens 50 Prozent zum Tragen kamen«, so Kagerl/Kruppe. |
Seit dem Sommer 2022 scheint die Kurzarbeit gemessen an der Inanspruchnahme der Versicherungsleistung Kurzarbeitergeld wieder „unten“ angekommen zu sein. Also „vergrößern“ wir den Ausschnitt und werfen einen Blick auf die Entwicklung am aktuellen Rand der Zeitreihe, die ja auch vom Ministerium in der Begründung hervorgehoben wurde:

Man kann durchaus einen Anstieg der Kurzarbeiterzahlen erkennen, wenn auch auf einem erheblich niedrigeren Niveau als das, was wir in der Pandemie gesehen haben. Aber wenn es das oberste Ziel ist, die Beschäftigungsverhältnisse in den Betrieben eine Zeit lang mit Hilfe dieser Leistung zur Personalkostenreduzierung zu stabilisieren, in der Hoffnung, dass die Brücke in wieder bessere Zeiten tragfähig ist, dann könnte man angesichts der hartnäckigen Stagnation bzw. sogar Rezession, in der sich die deutsche Volkswirtschaft befindet und deren Auflösung weiter unsicher bleibt, eine Verlängerung der maximal möglichen Bezugsdauer von 12 auf nun 24 Monate durchaus nachvollziehen – so beispielsweise Simon Poelchau in seinem Artikel Im Job durch die Krise. Seine positive Wahrnehmung dieser Maßnahme speist sich aus einer „klassischen“ Sichtweise auf die Brückenfunktionalität des Instruments Kurzarbeit: »Das gibt manchem Angestellten mehr Sicherheit. Zwar beträgt das Kurzarbeitergeld lediglich 60 beziehungsweise 67 Prozent des regulären Lohns. Es kann aber eine gute Alternative zu Entlassungen sein, wenn ein Unternehmen temporär in Schieflage gerät. Statt einen Teil der Belegschaft komplett aus der Produktion zu nehmen, können sich Betriebsrat und Geschäftsführung etwa darauf einigen, dass alle nur die Hälfte arbeiten und für den dadurch bedingten Verdienstausfall anteilig Kurzarbeitergeld bekommen. Zudem können Unternehmen das Kurzarbeitergeld aufstocken … Dabei profitieren auch die Unternehmen von dem Instrument. Sollte sich ihre Situation wieder verbessern, können sie dank Kurzarbeit schnell die Produktion wieder ankurbeln, statt erst mal neue Beschäftigte suchen zu müssen, weil sie in der Krise entlassen haben.« So oder ähnlich wurden auch in der Vergangenheit die Argumente für den Einsatz dieses arbeitsmarktpolitischen Instruments vorgetragen.
Oder doch keine so gute Sache, die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes?
Vor der Verabschiedung der Verordnung, mit der die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate befristet verlängert wird, gab es eine Anhörung seitens des zuständigen Bundesarbeitsministeriums. Und da wurde auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit um eine Stellungnahme gebeten. Die kann man hier im Original nachlesen:
➔ Bernd Fitzenberger et al. (2024): Impulse für Konjunktur und Transformation statt Verlängerung von Kurzarbeit. Stellungnahme des IAB zur Verbändebeteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum 13.12.2024. IAB-Stellungnahme, Nr. 7/2024, Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Dezember 2024
Dort findet man nun den Hinweis, dass man das mit der sicher gut gemeinten Verlängerung auch anders sehen kann:
»In der … IAB-Stellungnahme wird eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds kritisch betrachtet, da es sich aktuell um eine schwache Konjunkturkrise und gleichzeitig um eine starke strukturelle Krise handelt, bei der die Verlängerung von Kurzarbeit die notwendige Transformation verschleppen könnte. Zudem zeigt die Analyse der Verlängerung des maximalen Kurzarbeitergeldbezugs im Jahr 2012 keine positiven Beschäftigungseffekte. Um durch die aktuelle Transformationskrise zu kommen, sind wohl kurzfristige Konjunkturimpulse in Verbindung mit langfristigen Initiativen zur Transformation der Wirtschaft und Qualifizierung der Beschäftigten deutlich besser geeignet. Als Lehre aus der massenhaften Nutzung von Kurzarbeit in den genannten großen Krisen ist auch zu ziehen, dass trotz positiver Wirkung des Instruments Kurzarbeit Mitnahmeeffekte und mögliche Fehlanreize gezielter in den Blick zu nehmen sind.«
Auch Fitzenberger et al. (2024) sehen natürlich die positiven Seiten der Medaille: »In der Wirtschaftskrise 2009 ist die Kurzarbeit in Deutschland international zu einem Vorbild für die Bewältigung von Krisen geworden. In der Covidkrise 2020 bis 2022 wurde Kurzarbeit in einem nie dagewesenen Umfang genutzt. In beiden Krisen hat Kurzarbeit die Beschäftigung kurzfristig erfolgreich stabilisiert und einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert. Somit wirkte sie auch als makroökonomischer Stabilisator.«
Und selbstverständlich sehen die Arbeitsmarktforscher des IAB auch die Beschäftigungsverluste in der Industrie – ein Haupttreiber für die nun verabschiedete Verlängerung des Kurzarbeitergeldes. Aber man muss genau lesen: »Die Produktion in der Industrie ist seit fünf Jahren rückläufig, insbesondere für einige Schlüsselindustrien wie Automobil, Chemie, Maschinenbau und Metallverarbeitung, auch wenn man von dem Einbruch während der Covidkrise absieht. Die Auftragslage in der Industrie ist aktuell rückläufig, auch aufgrund der schwachen Exporte, und die Wirtschaft steht vor einer Transformation, die auch die Industrie stark betrifft.« Daraus schlussfolgert das IAB aber: »Wir sehen eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds kritisch, da es sich aktuell um eine schwache Konjunkturkrise und gleichzeitig um eine starke strukturelle Krise handelt, bei der die Verlängerung von Kurzarbeit die notwendige Transformation verschleppen könnte. Zudem zeigt die Analyse der Verlängerung des maximalen Kurzarbeitergeldbezugs im Jahr 2012 keine positiven Beschäftigungseffekte.«
Die aktuelle Rezession steht im starken Kontrast zur pandemiebedingten Rezession, die zeitlich begrenzt war und in der Kurzarbeit beschäftigungssichernd war. Auch entfiel ein Großteil der Nutzung der verlängerten Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds während der Pandemie auf Dienstleistungsbranchen wie das Gastgewerbe, die unter deutlich geringerem Veränderungsdruck stehen als das verarbeitende Gewerbe. »In einer Transformationskrise wie der aktuellen besteht daher die Gefahr, dass Kurzarbeit Arbeitsplätze und Unternehmensmodelle unterstützt, die nicht mehr überlebensfähig sind. Dadurch kommt es zu Effizienzverlusten durch eine verhinderte Reallokation von Arbeitskräften in zukunftsträchtigere Branchen und zu einer weiteren Verzögerung der notwendigen ökonomischen Transformation. Dem hinzuzufügen ist, dass demografisch bedingt weiterhin Fachkräftemangel herrscht und herrschen wird … Daher stünden die Chancen gut, dass qualifizierte Arbeitskräfte nach einem Jobverlust bei anziehender Konjunktur schnell einen neuen Job finden könnten.«
Gibt es denn Alternativen?
Mit Blick auf den bestehenden Transformationsdruck argumentieren Fitzenberger et al. (2024) so: »Bei einer längeren Nutzung der Kurzarbeit von mehreren Monaten müssen Anreize zur Weiterbildung der Beschäftigten gesetzt werden, damit diese zukunftsfest werden. Zusätzlich senkt Weiterbildung die Nettokosten der Kurzarbeit … Bisher wurde die Verbindung von Kurzarbeit und Weiterbildung allerdings nur spärlich in Anspruch genommen. Im Sommer und Herbst 2020 haben nur 5 Prozent der Beschäftigten in Kurzarbeit beziehungsweise 10 Prozent der Betriebe in Kurzarbeit den Arbeitsausfall für berufliche Weiterbildung genutzt … Hier wäre es daher sinnvoll, stärkere Anreize für Weiterbildung während der Kurzarbeit zu setzen oder lange Bezugsdauern von Kurzarbeitergeld – beispielsweise ab sechs Monaten – sogar direkt an Weiterbildungsmaßnahmen zu koppeln.
Und wie könnte man einer unangemessenen Konservierung betrieblicher Strukturen durch Kurzarbeit entgegenwirken? » Um Fehlanreize zu vermeiden, sollten Firmen bei längerem Kurzarbeitergeldbezug stärker an den Kosten beteiligt werden … Während der Covidkrise ist es einigen Ländern (insbesondere Frankreich und Spanien) in stärkerem Maße gelungen als Deutschland, Kurzarbeit mit Qualifizierung zu verbinden. Spanien ist in diesem Kontext auch deshalb von besonderem Interesse, weil neben der Qualifizierung auch Anreize für den Arbeitsplatzwechsel aus Kurzarbeitsbetrieben gesetzt wurden. Letzteres erscheint insbesondere dann sinnvoll, wenn die Inanspruchnahme der Kurzarbeit eine gewisse Dauer (z. B. sechs Monate und mehr) überschreitet.
Eine andere Möglichkeit, Fehlanreize zu reduzieren, ist die Einführung eines „Experience Rating“. Firmen, die Kurzarbeit in starkem Maße und über längere Zeit in schwierigen Zeiten nutzen, müssten vorab wissen, dass sie dann in normalen Zeiten Rückzahlungen zu leisten haben oder höhere Beiträge fällig werden (vgl. zu dieser Idee ausführlicher den IAB-Forschungsbericht von Fitzenberger/Walwei (2023): Kurzarbeitergeld in der Covid-19-Pandemie: Lessons learned).
Fitzenberger et al. 82024) bilanzieren in ihrer Stellungnahme zur Anhörung: » Eine Verlängerung der maximalen Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld von 12 auf 24 Monate erscheint vor dem Hintergrund der existierenden Evidenz und der skizzierten Sachverhalte nicht als gute Antwort, um die Herausforderungen der strukturellen Krise gut zu bewältigen und einen geeigneten und effektiven Konjunkturimpuls zu setzen.«