Was hat ihn da geritten, mag der eine oder andere gedacht haben: Als Finanzierungsquelle für die Krankenkassen sollten auch Kapitaleinnahmen herangezogen werden. Das hatte der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am 12. Januar 2025 gesagt. „Wir würden gern die Beitragsgrundlage erhöhen“, so Habeck. Er kritisierte, dass Kapitalerträge bisher von Sozialversicherungsbeiträgen freigestellt seien. Arbeitslöhne würden dadurch stärker belastet als Kapitalerträge. „Deswegen schlagen wir vor, dass wir auch diese Einkommensquellen (…) sozialversicherungspflichtig machen“, sagte er. Das sei ein Schritt zu mehr Solidarität innerhalb des Systems, so dieser Bericht: Habeck will Sozialabgaben auf Kapitalgewinne. Und weiter kann man dort lesen: »Umgehend kommt Kritik an dem Vorschlag.« CSU-Parteichef Markus Söder wird mit den Worten zitiert: „Die Grünen wollen nicht nur höhere Steuern. Jetzt wollen sie auch noch ans Sparguthaben der Menschen und ihre Erträge ran. Das lehnen wir grundlegend ab. Auf schon einmal versteuertes Geld dürfen keine zusätzlichen Beiträge und Steuern erhoben werden.“ Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) warnte davor, dass ein solcher Schritt die Mittelschicht besonders belasten würde. Pflichtversicherte müssten dann gegebenenfalls bis zur Beitragsbemessungsgrenze Beiträge auf Kapitalerträge zahlen, so der SdK-Vorstandsvorsitzende Daniel Bauer. Und dann wurden noch ganz andere Kaliber aufgefahren.
»Diese Idee dürfte Millionen Sparer wütend machen! Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck (55) will das Milliardenloch bei den Krankenkassen stopfen, indem Sparer und Anleger Sozialversicherungsbeiträge auf ihre Kapitalerträge (Sparzinsen, Dividenden und Renditen bei Aktien und ETFs) zahlen.« So beginnt der wie gewohnt aufputschende Beitrag der BILD-Zeitung unter der Überschrift: Kassen-Chef: Habeck nimmt Sparern Geld fürs Alter weg. Dort lässt man es dann richtig krachen: „„Bei solchen Vorschlägen darf man sich nicht wundern, wenn die Bürger auf der Zinne sind. Es muss endlich aufhören, die arbeitende Bevölkerung weiter zu schröpfen“, so der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann. Der „Finanzexperte“ Frank Schäffler von der FDP verewigt sich sogar mit der Aussage von einer „zweiten Atombombe für unser Land nach dem Heizungshammer“. Größer geht es wirklich nicht. Und mit „Völlig daneben!“ wird sogar der Chef einer Krankenkasse zitiert: Ralf Hermes, Vorstand der Innovationskasse IK. Und weiter: „Sauer erspartes Geld in ein total reformbedürftiges System werfen, um es am Leben zu erhalten?“.
Offensichtlich hat der Kandidat der Grünen in ein Wespennest gestochen – aber das sei hier gleich vorangestellt: Nur weil es einen breiten Abwehr-Aufschrei gibt, muss die Idee nicht gut sein. Möglicherweise resultiert allerdings ein Teil der reflexhaft daherkommenden massiven Widerstände auch daraus, dass hier ein grundsätzliches, ein strukturelles Problem angesprochen wird.
Ein „Schnellschuss“ im Wahlkampf?
Offensichtlich hatte der Kandidat der Grünen nicht wirklich vor Augen, dass wir uns bei der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme in einem hyperkomplexen Haifischbecken bewegen (müssen). Möglicherweise wollte er mit seinem Schnellschuss einfach eine diffuse Stimmungslage bedienen, nach der auch „die da oben“ mit angeblich oder tatsächlich sehr hohen Kapitaleinkünften an der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme beteiligt werden sollen, das wäre doch nur „gerecht“. Dass das (möglicherweise) der Ausgangsimpuls für Habeck war, kann man auch ableiten an den Reparaturversuchen, die sogleich aus seiner Partei unternommen wurden: »Grünen-Parteichef Felix Banaszak, erklärte Habecks Forderung: Die Pläne der Grünen würden „großzügige Freibeträge“ vorsehen, um Kleinsparer nicht zusätzlich zu belasten. Es gehe daher bei den Sozialbeiträgen nur um „Kapitalerträge ab einer bestimmten Grenze“. Einen konkreten Grenzwert nannte er allerdings nicht«, so der Bericht Habeck will Sozialabgaben auf Kapitalgewinne. Und der Parteichef bekam Schützenhilfe: „Für normale Sparer wird sich gar nichts ändern“, versicherte auch Grünen-Wahlkampfleiter Andreas Audretsch. „Wer aber seinen Lebensunterhalt hauptsächlich aus Zinsen oder Dividenden bestreitet, sollte auch einen Beitrag leisten, sodass die Krankenversicherung für alle bezahlbar bleibt“.
Letztendlich machen diese Korrekturversuche die Sache aber noch schlimmer, zeigen sie doch, dass da – nett formuliert – einiges durcheinander geht.
Von Freibeträgen und diesen Grenzen
Für Pflichtversicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist ausschließlich ihr Bruttolohn für die Bemessung des Krankenversicherungsbeitrags ausschlaggebend. Und zwar bis zur Beitragsbemessungsgrenze, die (in der GKV und der sozialen Pflegeversicherung) 2025 bei 5.512,50 Euro pro Monat (2024: 5.175 Euro) liegt. Jeder Euro, der darüber verdient wird, bleibt von einer Verbeitragung in der GKV verschont. Dann gibt es noch die Versicherungspflichtgrenze (§ 6 Abs. 6 SGB V), die 2025 bei 73.800 Euro pro Jahr (6.150 Euro pro Monat) liegt. Wenn man diese Einkommensschwelle überschreitet, dann kann man in die Private Krankenversicherung wechseln. Oder aber man bleibt freiwillig in der GKV versichert. Dieser Aspekt ist wichtig für die Frage der Beitragserhebung.
In der GKV sind rund 75 Millionen Menschen versichert. Davon zahlen etwa 59 Millionen Beiträge, 16 Millionen sind beitragsfrei als Familienangehörige mitversichert. Es gibt unter den Beitragszahlern 6,3 Millionen freiwillig gesetzlich Versicherte, davon wiederum sind 1,5 Millionen Selbstständige.
Nun muss man wissen: Von den freiwillig Versicherten in der GKV werden heute schon Einkünfte aus Kapitalanlagen oder Mieteinnahmen herangezogen. Bei dieser Gruppe werden also nicht nur die Arbeitseinkommen bzw. die Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit verbeitragt, sondern auch Renten und Pensionen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Kapitalerträge sowie sonstige Einkünfte gemäß Einkommensteuergesetz. Allerdings: Unabhängig von der Art der Einkünfte gilt, dass Beiträge nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze erhoben werden, also derzeit 5.512,50 Euro pro Monat. Alles, was darüber hinaus geht, wird nicht verbeitragt.
Der Vollständigkeit halber sei hier angemerkt: für Selbstständige und sonstige freiwillig Versicherte gibt es nicht nur eine Obergrenze, sondern auch eine Untergrenze, die sogenannte Mindestbemessungsgrundlage, derzeit in Höhe von 1.248,33 Euro pro Monat (unter die das Einkommen nicht fallen darf, also aus Sicht der Beitragsbemessung).*
*) Daraus resultiert derzeit in der GKV ein Mindestbeitrag für Selbstständige/sonstige freiwillig Versicherte in Höhe von 205,97 Euro monatlich (ohne Anspruch auf Krankengeld) bzw. 213,46 Euro (mit Anspruch auf Krankengeld). Bei dieser Berechnung wurde neben dem allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in Höhe von 2,5 Prozent berücksichtigt, der kassenindividuelle Zusatzbeitragssatz kann hiervon abweichen.
Zwischenfazit: Bereits heute werden bei einer Teilgruppe der in der GKV abgesicherten Personen Kapitalerträge zur Finanzierung herangezogen. Die freiwillig Versicherten müssen ihre Einkünfte gegenüber der Krankenkasse nachweisen. Das geschieht durch Einkommensteuerbescheide, Betriebswirtschaftliche Auswertungen (bei Selbstständigen), Rentenbescheide, Kontoauszüge und Erträgnisaufstellungen (bei Kapitalerträgen), Mietverträge und Steuerbescheide (bei Mieteinnahmen). Sucht man nun nach der Größenordnung der Beitragseinnahmen aus Kapitalerträgen bei der Gruppe der freiwillig Versicherten, bei denen bereits heute solche Erträge verbeitragt werden, dann wird man nicht fündig. Die Kassenverbände verfügen über keine Zahlen zum Umfang des Personenkreises oder zur Höhe der Beitragseinnahmen aus Kapitalerträgen.
Und da ist noch die Kapitalertragssteuer
Hinsichtlich der Kapitalerträge muss man ergänzend wissen, dass die einer eigenen Besteuerung unterliegen: Die Kapitalertragsteuer (Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge) ist eine Quellensteuer auf Kapitalerträge wie Zinsen, Dividenden und Kursgewinne. Sie wird in Deutschland direkt von Banken oder Finanzinstituten einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Als Abgeltungssteuer unterliegen Kapitalerträge einem einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent (hinzu kommt der Solidaritätszuschlag von 5,5 % der Kapitalertragsteuer – und wenn Kirchensteuer anfällt, wird diese automatisch einbezogen, je nach Bundesland 8 % oder 9 % der Kapitalertragsteuer). Die 25 Prozent werden aber nur für Kapitalerträge oberhalb eines Freibetrags fällig: der Sparer-Pauschbetrag von 1.000 Euro (2.000 Euro für zusammenveranlagte Ehepaare). Einkünfte bis zu dieser Grenze werden nicht besteuert. Auch wichtig: Verluste aus Kapitalerträgen können mit Gewinnen verrechnet werden, aber nur innerhalb der gleichen Einkunftsart.
Damit man eine Vorstellung bekommt, über welche Größenordnungen wir sprechen, wenn es um die gesamte Einnahmen aus der Kapitalertragssteuer geht (jeweils 44 Prozent gehen an Bund und Länder sowie 12 Prozent an die Kommunen): Wir sprechen hier über eine Steuer, deren Anteil an den gesamten Steuereinnahmen in den zurückliegenden Jahren meistens unter einem Prozent lag.

➔ Die Einnahmen aus der Abgeltungssteuer sind 2024 um beeindruckende 130 Prozent nach oben gegangen. Dazu das Bundesfinanzministerium: Das liegt zum einen an deutlich höheren Zinserträgen, hinzu kommen erhebliche Veräußerungserlöse im Kontext mit der „Rallye am Aktienmarkt zum Jahresende“.
Was würde sich nun ändern, wenn man generell im bestehenden System auch Kapitalerträge bei allen Versicherten verbeitragen würde, nicht nur bei den freiwillig Versicherten?
➔ Dazu eine Beispielrechnung für einen (alleinstehenden) Rentner: Unterstellt wird ein Freibetrag von 1.000 Euro im Jahr und ein GKV-Beitragssatz von 17,5 Prozent. Dieser setzt sich aus dem allgemeinen Satz von 14,6 Prozent und dem Zusatzbeitrag von derzeit durchschnittlich 2,9 Prozent zusammen. Berücksichtigt wird, dass die Rentenversicherung 50 Prozent der Kassenbeiträge zahlt. Ein Ruheständler, der 1010 Euro Rente im Monat bezieht, muss derzeit aus eigener Tasche 88,38 Euro im Monat in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen. Wenn er aus einer kleinen Eigentumswohnung 414 Euro Miete erhält, bleibt das bisher unberücksichtigt. Würde man diese Einkünfte aber, wie Habeck vorschlägt, auch heranziehen, stiege die Belastung des Rentners um zwei Drittel auf 146,25 Euro.
(Quelle: Christian Geinitz und Julia Löhr: Habeck bittet Aktionäre zur Kasse, in: FAZ, 14.01.2025). Diese Rechnung ist allerdings diskussionsbedürftig.*
*Der Rechenweg, um zu den Werten in der Beispielrechnung der FAZ zu kommen, geht offensichtlich so: Die monatlichen Mieteinnahmen aufsummiert ergeben 4.968 Euro pro Jahr. Abzüglich des Freibetrags von 1.000 Euro müssten also 3.968 Euro pro Jahr verbeitragt werden. Ausgehend von den 17,5 Prozent Beitragssatz wären das 694,40 Euro pro Jahr bzw. 57,87 Euro pro Monat. 88,38 Euro bisheriger Beitrag plus den 57,87 Euro zusätzlich ergeben dann den neuen Beitragssatz von 146,25 Euro pro Monat.
Die Werte aus der Beispielrechnung gelten aber nur, wenn die gesamten Kapitalerträge in Höhe von 3.968 Euro, die oberhalb des Freibetrags von in diesem Fall 1.000 Euro liegen, verbeitragt werden. Nun sind die Kapitalerträge heute schon der Ertragsbesteuerung unterworfen. Das bedeutet, man würde Beiträge auf Kapitaleinkünfte erheben, die bereits als Steuerzahlung abgeflossen sind. Konkret: Ausgehend von den 3.968 Euro pro Jahr an Kapitaleinkünften werden 25 Prozent Kapitalertragssteuer fällig (992,00 Euro), sowie weitere 49,60 Euro Solidaritätszuschlag (und ohne Berücksichtigung der Kirchensteuer), was also zu einem Steuerabzug in Höhe von 1.041,60 Euro führt. Eigentlich müsste man die Verbeitragung der Kapitaleinkünfte in der GKV begrenzen auf den tatsächlichen Netto-Betrag an Einkünften, in diesem Fall 3.968 Euro Einkünfte abzüglich der Steuerzahlungen in Höhe von 1.042,60, mithin also 2.926,40 Euro. Daraus müssten dann 42,68 Euro pro Monat an zusätzlichem Beitrag zur GKV abgeführt werden (und nicht 57,87 Euro). Dennoch ergibt sich auch unter diesen Annahmen ein Anstieg der monatlichen Beitragsbelastung (nur für die GKV) auf 131,06 Euro bzw. 48,4 Prozent gegenüber dem bisherigen Beitrag.
Was für ein Durcheinander
Ausgehend vom bestehenden System könnte man also „nur“ zusätzliche Beiträge erheben aus bislang nicht verbeitragten Kapitaleinkünften in dem überschaubaren Band oberhalb von 1.000 Euro (bzw. 2.000) Euro Freibetrag (also dem bestehenden Sparer-Pauschbetrag) und maximal 5.512,50 Euro pro Monat (die gegenwärtige Beitragsbemessungsgrenze) – und eigentlich auch nur bezogen auf Kapitaleinkünfte, die nicht bereits versteuert worden sind. Tatsächlich würde das zu einer teilweise erheblichen Mehrbelastung bei Menschen mit überschaubaren Kapitaleinkünften führen – und zugleich werden insgesamt die möglichen Mehreinnahmen in diesem durch die Beitragsbemessungsgrenze nach oben gedeckelten System in Verbindung mit dem geringen Gewicht der potenziell der Beitragspflicht zu unterwerfenden Kapitaleinkünfte im Vergleich zu der beitragspflichtigen Lohnsumme eher überschaubar bleiben. Und bekanntlich sind die Kapitaleinkünfte höchst ungleich verteilt.
Da kommt dann das nächste Problem. Die meisten Kapitaleinkünfte werden aufgrund der ungleichen Verteilung eher bei Personen anfallen, die heute schon in der Privaten Krankenversicherung abgesichert sind, also gar keine Beitragszahler in der GKV (mehr) sind. Hier wird es rechtlich kaum möglich (und letztendlich aus praktischen Erwägungen auch nicht sinnvoll) sein, deren Kapitaleinkünfte bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Verbeitragung in einem (oder mehreren?) Zweigen der Sozialversicherung zu unterwerfen, in denen sie gar nicht abgesichert sind, so lange die Dualität der Krankenversicherung in Deutschland fortbesteht.
An dieser Stelle wird erkennbar, dass der schnellschussartige Vorstoß als Versuch einer Art Resteverwertung aus dem ursprünglichen und seit Jahrzehnten immer wieder geforderten Modell einer umfassenden „Bürgerversicherung“ verstanden werden kann, die darauf abzielt, die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufzuheben, also die gegebene und weltweit einmalige Dualität des Krankenversicherungssystems zu beenden. Das Modell sieht bekanntlich vor, dass alle Bürger – unabhängig von Einkommen oder Berufsstatus – in eine einheitliche Krankenversicherung einzahlen. Und in der ursprünglichen Konzeption ging und geht es nicht nur um eine entsprechende Erweiterung des Kreises der Beitragszahler, sondern zugleich auch um eine Erweiterung der Finanzierungsbasis: Die Beiträge richten sich dabei nach dem gesamten Einkommen (Löhne, Kapitaleinkünfte usw.). In vielen Teilmodellen wird dabei zugleich auch eine Abschaffung bzw. wenigstens eine deutliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze gefordert, um höhere Einkommen anteilig stärker an der Finanzierung zu beteiligen.
Es ist nun einmal ein Tatbestand, dass unabhängig von möglichen Begründungen für einen Systemwechsel hin zu einer umfassenden Bürgerversicherung dieses Konzept, das schon seit langem diskutiert und von einigen Parteien auch immer wieder in den Wahlprogrammen platziert wird, bislang nicht umgesetzt wurde.
Die Verbreiterung der Beitragsbemessungsgrundlage, die neben anderen ein Baustein des Bürgerversicherungsmodells darstellt, herauszunehmen und in das bestehende GKV-System zu implementieren bei Fortexistenz des dualen Krankenversicherungssystems, macht keinen erkennbaren Sinn und würde zahlreiche angreifbare Schnittstellen produzieren, deren Bearbeitungsaufwand in keinem Verhältnis zu dem erwartbaren Ertrag stehen würde.
Ein ganz großes Fragezeichen bei der (zukünftigen) Finanzierung der Sozialversicherung und der „wahre Kern“ der Schnellschuss-Aktion
Zurück auf Start, möchte man dem grünen Spitzenkandidaten und seiner Partei zurufen. Und das bezieht sich nicht nur auf den Hinweis, dass die Komponente Erweiterung der Beitragsbemessungsgrundlage nur wirklich Sinn macht, wenn das konzeptionell eingebettet wäre in eine Gesamtreform des Versicherungssystems, ob man das nun „Bürger“-, „Erwerbstätigen“- oder „Volksversicherung“ nennt. Wenn man das absehbar nicht wird realisieren können in unserem Land, dann bleibt dennoch die berechtigte Frage, wie man a) mehr Finanzmittel vor allem für die Kranken- und Pflegeversicherung organisieren kann und b) eine „gerechtere“ Finanzierungslastenverteilung hinbekommt.
Im bestehenden System einer Trennung zwischen Beitrags- und Steuerfinanzierung bietet sich als Brücke zwischen den beiden Welten eine Steuerfinanzierung bestimmter Leistungen, die im bzw. vom Sozialversicherungssystem erbracht werden, an. Hier müssen also die sogenannten „versicherungsfremden Leistungen “ (wieder) aufgerufen werden, also gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die fehlerhaft derzeit aus Beitragsmittel finanziert werden (müssen) und die eigentlich über Steuermittel zu decken wären. Dafür braucht man natürlich Steuereinnahmen und hier könnte dann eine andere Ertragsbesteuerung eine Rolle spielen, wenn man das politisch will und auch durchsetzen kann. Der Weg über „versicherungsfremde“ bzw. nicht-versicherungsadäquate“ Leistungen eröffnet zugleich die Möglichkeit, das Non-Affektationsgebot im Steuersystem (also der Grundsatz der Nichtzweckbindung von Einnahmen, nach dem Steuereinnahmen anders als immer zweckgebundenen Beitragseinnahmen nicht zweckgebunden für bestimmte Ausgaben verwendet werden dürfen, sondern alle Einnahmen fließen in einen Gesamthaushalt, aus dem die Ausgaben nach politischen Prioritäten bestritten werden, vgl. Art. 110 Abs. 1 GG) dahingehend zu überwinden bzw. abzumildern, als dass bei einer – regelbasierten – Abgrenzung der „nicht-beitragsadäquaten Leistungen“ der Sozialversicherung entsprechende Steuermittel politisch bereit gestellt werden müssen und es keine Zweckentfremdung von Beitragsmitteln geben kann.
Wenn man also eine stärkere Finanzierungsbeteiligung der ökonomisch stärkeren Haushalte erreichen will, dann würde es sich anbieten, die relativ stärkere Steuerbelastung dieser Haushalte zu nutzen für den offensichtlich angestrebten Umverteilungseffekt. Dazu braucht man aber keine (wohlgemerkt im bestehenden Gefüge) systemwidrige Teilimplementierung der Kapitalertragsabschöpfung in ein nach oben begrenztes Beitragssystem, ganz im Gegenteil ist das sogar schädlich für das eigentliche Anliegen.